L 10 B 234/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 23 AS 1095/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 234/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 27. Dezember 2006 geändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab Zustellung des Beschlusses bis zum 31. Mai 2007 Arbeitslosengeld II in Höhe von 581,00 EUR monatlich zu gewähren. Für den Monat Februar 2007 erfolgt die Zahlung anteilig ab dem Tage des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Antragsgegnerin. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen; auch die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M R für das einstweilige Rechtsschutzverfahren erster Instanz wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die der Antragstellerin in beiden Rechtszügen entstandenen außergerichtlichen Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten. Der Antrag, der Antragstellerin für das Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin M R zu gewähren, wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde, mit der die Antragstellerin bei verständiger Würdigung ihres Vorbringens, nicht nur das Begehren weiterverfolgt, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung i.S. von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihre erhobenen individuellen Ansprüche auf Arbeitslosengeld II iHv 581,00 Euro monatlich (345,00 Euro Regelleistungen; 236,00 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung) für die Zeit ab dem 1. Dezember 2006 zu erfüllen, sondern auch, ihr für das einstweilige Anordnungsverfahren erster Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Bevollmächtigten, Rechtsanwältin M R, zu gewähren, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange begründet.

Da entgegen der Auffassung des Sozialgerichts und der Antragsgegnerin eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die von der Antragstellerin erhobenen individuellen Leistungsansprüche wegen Nichterfüllung des Tatbestandsmerkmals der Hilfebedürftigkeit i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) verneint werden müssen, weil die Antragstellerin mit B B in einer Bedarfsgemeinschaft i.S. von § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II lebt, vor einer umfassenden Beweisaufnahme nicht erfolgen kann, da die bisher vorliegenden Erkenntnisse einen solchen Schluss nicht rechtfertigen, und eine solche Beweisaufnahme angesichts der Dringlichkeit der Sache ebenso untunlich ist wie eine (nur) bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen der Bedarfsgemeinschaft erforderlichen Aufklärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. §§ 11,12 SGB II) von B B, hängt die Frage, ob die beantragte Regelungsanordnung i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zu erlassen ist, von einer Folgenabwägung ab (vgl. hierzu Bundesverfassungsgericht Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - Seite 8 mwN = NVwZ 2005, 927 ff). Sie ist daran auszurichten, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn diese nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenzminimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose) ist eine grundgesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne. Das Ergebnis der Folgenabwägung fällt nach dem derzeitigen Sachstand zu Gunsten der Antragstellerin aus, der momentan weder Einkommen noch Vermögen zur Verfügung steht, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Dem stehen – abgesehen vom Ausfallrisiko im Rückforderungsfalle – keine darstellbaren Interessen der Antragsgegnerin gegenüber. Allein fiskalische Gesichtspunkte überwiegen nicht die grundrechtlich geschützte Position der Antragstellerin.

Hinsichtlich der Leistungshöhe hat der Senat keine Bedenken, die Antragsgegnerin in der Höhe zu verpflichten, wie sie in dem für den Leistungszeitraum vom 01. Juli 2006 bis zum 30. November 2006 maßgebenden Bescheid vom 13. Mai 2006 ausgewiesen ist. Der Senat begrenzt die Verpflichtung ausgehend vom Zeitpunkt der Entscheidung im Hinblick auf die voraussichtliche Dauer des Verwaltungsverfahrens auf drei Monate ab dem nächsten Monatsersten.

Für vergangene Zeiträume (dh. für Zeiträume vor der Entscheidung des Senats) war die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfahren nicht zu verpflichten, da für ein besonderes Nachholungsbedürfnis nichts dargetan ist. Soweit die Beschwerde mehr als die zugesprochene Leistung zum Gegenstand hatte, war sie daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung für das einstweilige Rechtschutzverfahren folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Weder die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Bevollmächtigten der Antragstellerin noch der entsprechende für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gestellte Antrag können noch Erfolg haben, nachdem eine der Antragstellerin günstige Kosten(grund)entscheidung für beide Rechtszüge des einstweiligen Anordnungsverfahren ergangen ist, aufgrund derer die Antragstellerin in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen (§ 114 Zivilprozessordnung i.V.m. § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG).

Dieser Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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