Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 2008/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 247/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2006 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 951,46 Euro für eine Optifast-Behandlung.
Die 1951 geborene Klägerin, die bei der Beklagten versichert ist, beantragte im November 2004 Übernahme der Kosten für ein Optifast-Diätprogramm der Diabetesklinik in B zur Gewichtsreduktion. Sie fügte die Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004 bei.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie wies jedoch darauf hin, dass in näher bezeichneten Fällen als ergänzende Maßnahmen zur Rehabilitation Kosten von Patientenschulungen bis zu einem Betrag von 300 Euro übernommen werden könnten.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, beim Optifastprogramm handele es sich nicht um eine Diätschulung. Die Maßnahme sei vielmehr einer ambulanten Kur gleichzusetzen. Für ihre Optifastkur, die 1998 zu einer Gewichtsreduktion von 25 kg geführt habe, sei ihr von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Zuschuss von 2.500 DM gezahlt worden. Infolge einer im Jahr 2000 erlittenen Herzbeutelentzündung mit Herzrhythmusstörungen sei wieder eine Gewichtszunahme eingetreten. Zwischenzeitlich nehme sie am Optifastprogramm teil. Dadurch habe sie bereits 10 kg an Gewicht abgenommen, könne auf Humalog-Insulin ganz verzichten, Lantus-Insulin habe auf die Hälfte reduziert werden können und eine Diabetesmedikation sei nicht mehr nötig.
Die Klägerin und die A-Klinik B- Optifast-Zentrum schlossen am 11. April 2005 einen Behandlungsvertrag über die Durchführung des Optifast-52-Programms über eine Behandlungsdauer von 12 Monate bei Gesamtkosten von 2.700 Euro. Die Behandlung erfolgte vom 18. April 2005 bis 10. April 2006. Entsprechend der Zahlungsvereinbarung entrichtete die Klägerin monatliche Teilzahlungsbeträge von April 2005 bis Februar 2006 im Umfang des genannten Gesamtbetrages.
Die Beklagte zog einen Auszug der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) B-zum Optifast-Programm in der Therapie der Adipositas nach der Optifast-Gesamtauswertung 1996 vom 24. September 1997 nebst Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma NN GmbH bei und veranlasste die telefonische Stellungnahme der Dr. Hdes MDK vom 19. Juli 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Bei der ambulanten Adipositas-Therapie im Rahmen des Optifast-Programmes handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die bisher vom Bundesausschuss noch nicht bewertet worden sei und damit nicht zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden könne. Zum Optifast-Programm liege das Grundsatzgutachten des MDK B- vom 24. September 1997 vor, wonach das Optifast-Programm erhebliche systematische Mängel aufweise und es insbesondere am Nachweis des Langzeiterfolges fehle.
Dagegen hat die Klägerin am 31. August 2005 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie könne nicht nachvollziehen, wieso einer anderen Versicherten noch mit Schreiben vom 17. August 2004 Kostenübernahme für ein Optifast-Programm bewilligt worden sei. Von den Gesamtkosten von 2.700 Euro seien 910 Euro auf Nahrungsergänzungsmittel entfallen. Die Klägerin hat die Bescheinigung der A-Klinik B - Optifast-Zentrum vom 07. September 2005 und eine Kostenaufschlüsselung (Leistungsplan)-Stand 1.2002 für die Teilnahme am Optifast-52-Programm vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten in Höhe von 1.790 Euro für das von ihr in Anspruch genommene "Optifast-Programm" zu erstatten.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine Genehmigung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung seit dem Kalenderjahr 2005 nicht mehr erteilt werde.
Mit Urteil vom 11. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Hinsichtlich der im Optifast-Programm enthaltenen ärztlichen Leistungen und der Maßnahmen der Verhaltenstherapie seien der Klägerin keine Kosten entstanden, denn es fehle an einer Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die nach § 1 Abs. 1 Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bezüglich der Verhaltenstherapie entsprechend anzuwenden sei. Selbst wenn die Klägerin die erteilte Rechnung inzwischen bezahlt haben sollte, komme ein Kostenerstattungsanspruch nicht in Betracht. Am erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der beantragten Sachleistung durch die Krankenkasse und der Entstehung der Kosten fehle es, wenn der Versicherte, sei es freiwillig oder aufgrund einer vermeintlichen Rechtspflicht mehr aufwende, als dem Leistungserbringer von Rechts wegen zustehe. Bei der Bewegungstherapie und der Ernährungsberatung handele es sich um Heilmittel, welche jedoch zur Veränderung der Körperform bzw. dem Fitnesstraining bzw. zur reinen Gewichtsreduktion nicht verordnungsfähig seien. Die Ernährungsberatung sei zudem eine neue Behandlungsmethode, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung abgegeben habe und die auch deswegen nicht verordnungsfähig sei. Sollte die Ernährungsberatung durch einen Arzt erbracht worden sein, sei sie zwar nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztliche Leistung (EBM) abrechenbar; insofern liege jedoch eine wirksame Honorarforderung nicht vor. Ein Anspruch auf Ernährungsberatung folge gleichfalls nicht aus § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 12 a Ziffer 1 Abs. 4 der Satzung der Beklagten. § 12 a Ziffer 1 Abs. 7 dieser Satzung orientiere sich an den gemeinsam und einheitlich beschlossenen Handlungsfeldern und Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 Abs. 1 und 2 SGB V, die als Zielgruppe von Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung und Reduktion von Übergewicht jedoch lediglich Erwachsene mit einem BMI von unter 30 bestimmten.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen am 02. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Mai 2006 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor: Die geforderte Abrechnung der ärztlichen Leistungen nach der GOÄ liege zwischenzeitlich mit der beigefügten Rechnung der A-Klinik B vom 10. Juli 2006 über 951,46 Euro vor. Darin sei die Honorarforderung für die Ernährungsberatung und Bewegungstherapie enthalten. Die Bewegungstherapie habe nicht der Gewichtsreduktion, sondern der Behandlung des Diabetes mellitus gedient. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 3/97 R stehe daher dem Anspruch nicht mehr entgegen. Die Klägerin hat den Behandlungsvertrag vom 11. April 2005 sowie Kontoauszüge über die geleisteten Zahlungen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt nach Berufungsrücknahme im Übrigen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2006 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 zu verurteilen, an die Klägerin 951,46 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung auch die Erkrankung eines Diabetes mellitus berücksichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 951,46 Euro.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m.w.N.).
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).
Der im November 2004 gestellte Antrag auf Kostenübernahme kann in der Weise ausgelegt werden, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 ab. Dieser Antrag hat sich zwischenzeitlich nach begonnener und durchgeführter Behandlung erledigt, so dass für einen Antrag auf Gewährung einer Sachleistung kein Rechtschutzbedürfnis mehr besteht. Das klägerische Begehren kann nunmehr allein auf Kostenerstattung gerichtet sein. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14).
Die demnach zulässige Klage ist jedoch unbegründet.
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht nicht, denn die selbst beschaffte Leistung gehört nicht zu den Leistungen, die die Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V).
Ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht nach § 27 Abs. 1 SGB V, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Unter Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Diese krankenversicherungsrechtliche Begriffsbestimmung ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden, wonach die Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen ist. Eine Krankheit im medizinischen Sinne löst grundsätzlich noch keine Leistungsansprüche aus (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherung, Gesetzliche Krankenversicherung, 44. Ergänzungslieferung, Höfler, § 27 SGB V Rdnrn. 9 und 11). Ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand setzt eine erhebliche Abweichung vom Leitbild des gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist, voraus. Geringfügige Störungen ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen genügen hierfür nicht. Abweichungen von einer morphologischen Idealnorm, die noch befriedigende körperliche und psychische Funktionen zulassen, stellen daher keinen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand dar (Kasseler Kommentar, a.a.O., § 27 SGB V Rdnr. 12). Persönliche Eigenarten, die nicht der ärztlichen Behandlung bedürfen und dem Bereich der individuellen menschlichen Unterschiede zuzurechnen sind, stellen daher keine Krankheit dar. Dies gilt insbesondere für solche Eigenarten, die schon durch eine Änderung der Lebensführung oder einfache Maßnahmen der Gesunderhaltung behoben werden können (Kasseler Kommentar, a.a.O., § 27 SGB V Rdnr. 23). Liegen mehr als nur unwesentliche funktionelle Beeinträchtigungen vor, bedingen diese eine Krankheit, wenn sie behandlungsbedürftig sind. Behandlungsbedürftigkeit bedeutet, dass sie zu ihrer Beseitigung einer ärztlichen Behandlung bedürfen.
Die Adipositas ist daher keine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, sondern sie stellt lediglich einen Risikofaktor dar (vgl. auch MDK-Stellungnahme vom 24. September 1999 Ziffer 3.1.1.). Dies gilt auch für die Adipositas der Klägerin, die mit einem Körpergewicht von 122,4 kg und einer Körpergröße von 176 cm (Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004) mit einem BMI von 39,5 kg/m² dem Schweregrad II (vgl. MDK-Stellungnahme vom 24. September 1997, Ziffer 3.1.1.) zuzuordnen ist. Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung lösen mithin keinen Anspruch auf Krankenbehandlung aus, denn sie sind nicht auf die Behandlung einer Krankheit gerichtet.
Die von der Klägerin begehrte und durchgeführte Behandlung, die Teilnahme am Optifast-Programm des Optifast-Zentrums der AKlinik B verfolgte nicht den Zweck der Krankenbehandlung. Nach dem vom MDK Baden-Württemberg vorgelegten Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma N N GmbH versteht sich das Optifast-Programm als ganzheitliches interdisziplinäres Adipositas-Therapieprogramm. Als Zielkriterien sind danach eine drastische Gewichtsabnahme, eine dauerhafte Gewichtsstabilisierung sowie eine Erhaltung bzw. Verbesserung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit definiert. Dies soll durch Änderung des Ernährungsverhaltens und Bewegungsverhaltens erreicht werden. Durchgeführt wird das Programm ambulant unter ärztlicher Leitung durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus "ÄrztInnen, PsychologInnen, SozialpädagogInnen, KrankenpflegerInnen, ArzthelferInnen, BewegungstherapeutInnen und ErnährungsberaterInnen".
Nach § 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 besteht das Optifast-52-Programm aus 1. der Vorbereitungsphase mit ärztlicher und psychologischer Eingangsuntersuchung, 2. der Fastenphase als ein 12wöchiges modifiziertes Fasten mit der Formuladiät Optifast 800 unter wöchentlicher medizinischer Betreuung mit Gruppensitzungen und der Bewegungstherapie, 3. der Umstellphase als sechswöchige Umstellung von der Ernährung mit der Formuladiät Optifast 800 auf normale Kost mit verminderten Vorstellungen beim Arzt sowie wöchentlichen Gruppensitzungen und Bewegungstherapie sowie 4. der Stabilisierungs- und Intensivierungsphase über 33 Wochen zur Stabilisierung des erreichten Gewichts mit fortgesetzten wöchentlichen Besuchen von Gruppensitzungen und verminderter medizinischer Betreuung sowie der Bewegungstherapie.
Zweck des Optifast-52-Programms ist, wie aus § 7 Ziffer 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 hervorgeht, die Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit. Nach der genannten Vorschrift übernimmt das Optifast-Zentrum nämlich keine Haftung dafür, dass dieser gewünschte Erfolg eintritt.
Weder diesem Vertrag noch dem Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma N NGmbH sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass neben der Gewichtsabnahme und Gewichtsstabilisierung das Ziel der Krankenbehandlung verfolgt wird. Im Auszug aus dem Optifast-Programm (S. 33) des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma NNGmbH wird bezüglich der Stellung des Arztes ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Institut im Wesentlichen auf die Behandlung des Übergewichtes beschränkt. Der Arzt wird, falls der Teilnehmer dies wünscht, mit Anfangs- und Endberichten über den Therapieverlauf informiert. Die Laborergebnisse können ebenfalls angefordert werden. Die Behandlung aller bestehenden oder neu diagnostizierten Erkrankungen verbleibt danach in der Hand des Hausarztes bzw. des behandelnden Arztes.
Der vorgelegten Rechnung der A-Klinik B vom 10. Juli 2006 ist dazu nichts anderes zu entnehmen. Diese Rechnung weist zwar die Diagnosen Diabetes mellitus Typ II und Adipositas Grad II aus. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass die Klägerin (lediglich) unter ärztlicher Leitung von Dr. R (Chefarzt der Diabetologie) vom 18. April 2005 bis 10. April 2006 ambulant ärztlich betreut wurde. Die einzelnen Ziffern nach der GOÄ orientieren sich ersichtlich am in § 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 niedergelegten Behandlungsplan. Danach erfolgte die Eingangsuntersuchung mit Erörterung einer Lebensveränderung und der Erhebung des Ganzkörperstatus nebst Laboruntersuchungen. Laboruntersuchungen wurden in Abständen wiederholt durchgeführt. Regelmäßig kam es zur Beratung, auch telefonisch, auch jeweils zweimal zu einer eingehenden Beratung und Erörterung einer Lebensveränderung. Im Übrigen weisen die GOÄ-Ziffern im Wesentlichen Krankengymnastik und übende Verfahren, viermalig einen Diätplan und dreimalig einen ausführlichen Befundbericht aus.
Die Bescheinigung der A-Klinik Optifast-Zentrum vom 07. September 2005 bezeichnet das Therapieprogramm Optifast-52 ebenfalls als ein Gewichtsreduzierungsprogramm zur langfristigen Therapie von starkem Übergewicht. Es handelt sich um ein Standardprogramm, wie die dieser Bescheinigung beigefügt gewesenen Kostenaufschlüsselung (Leistungsplan)-Stand 1.2002 belegt. Dies gilt insbesondere für die ausgewiesenen medizinischen Leistungen. Ein Kostenschlüssel für über die Gewichtsreduktion hinausgehende medizinische Leistungen insbesondere für eine erforderliche Krankenbehandlung ist dort nicht vorgesehen. Die sich im Rahmen des Optifast-Programms als notwendig erweisenden ärztlichen Maßnahmen werden vielmehr, wie bereits oben ausgeführt, vom behandelnden Arzt vorgenommen. Der Hinweis der Klägerin auf das Bestehen eines behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus Typ II vermag daran nichts zu ändern. Das Optifast-52-Programm hat weder die Behandlung des Diabetes mellitus zum Ziel, noch wurde diese Krankheit nach der Rechnung vom 10. Juli 2006 tatsächlich behandelt.
Nicht wesentlich ist, dass durch die durch das Optifast-52-Programm bezweckte Gewichtsabnahme mittelbar eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes eintritt. Eine solche Änderung ist als gesundheitsbewusste Lebensführung der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuordnen (§ 1 Satz 2 SGB V).
Unmittelbar aus der Adipositas herrührende Beeinträchtigungen in der Weise, dass durch die Körpermasse oder deren Verteilung eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung der Gelenke bewirkt wird, liegen nicht vor. Die Klägerin machte zwar im Widerspruchsverfahren geltend, dass sie sich in der Vergangenheit nur noch mit Hilfe von Gehhilfen fortbewegen konnte. Dies war jedoch nach ihrem Vortrag Folge der Herzbeutelentzündung mit Herzrhythmusstörungen und nicht der Adipositas.
Es ist schließlich nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Erkrankungen nach der Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004 (Bluthochdruck, degenerative Gelenkerkrankungen und ein Diabetes mellitus Typ II), durch die unmittelbar an diesen Krankheiten ansetzenden ärztlichen Maßnahmen nicht ausreichend behandelt waren.
Diente das Optifast-52-Programm jedoch nicht der Krankenbehandlung, sondern allein der Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit, so ist nicht maßgeblich, dass nach der MDK-Stellungnahme vom 24. September 1997 das Optifast-52-Konzept in großen Teilen als schlüssig und dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Adipositas-Therapie zu betrachten ist. Lediglich die obligate Anwendung der Formuladiät wird danach diesem Stand nicht gerecht. Darüber hinaus fehlt eine Langzeitstudie, die wissenschaftlichen Kriterien genügt, um die langfristige Wirksamkeit zu belegen.
Es bedarf deswegen auch keiner Entscheidung, ob es sich beim Optifast-52-Programm um eine neue Behandlungsmethode deswegen handelt, weil sich dieses Programm als ganzheitliches interdisziplinäres Therapieprogramm versteht. Ob eine Aufspaltung und eine jeweils gesonderte Beurteilung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen nach ärztlicher Behandlung einschließlich psychotherapeutischer Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V) und nach Heilmittelversorgung in Form von Bewegungstherapie und Ernährungsberatung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) zulässig und geboten ist, wovon ersichtlich das Sozialgericht ausgegangen ist, kann daher dahinstehen.
Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 951,46 Euro für eine Optifast-Behandlung.
Die 1951 geborene Klägerin, die bei der Beklagten versichert ist, beantragte im November 2004 Übernahme der Kosten für ein Optifast-Diätprogramm der Diabetesklinik in B zur Gewichtsreduktion. Sie fügte die Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004 bei.
Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Sie wies jedoch darauf hin, dass in näher bezeichneten Fällen als ergänzende Maßnahmen zur Rehabilitation Kosten von Patientenschulungen bis zu einem Betrag von 300 Euro übernommen werden könnten.
Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, beim Optifastprogramm handele es sich nicht um eine Diätschulung. Die Maßnahme sei vielmehr einer ambulanten Kur gleichzusetzen. Für ihre Optifastkur, die 1998 zu einer Gewichtsreduktion von 25 kg geführt habe, sei ihr von der Rechtsvorgängerin der Beklagten ein Zuschuss von 2.500 DM gezahlt worden. Infolge einer im Jahr 2000 erlittenen Herzbeutelentzündung mit Herzrhythmusstörungen sei wieder eine Gewichtszunahme eingetreten. Zwischenzeitlich nehme sie am Optifastprogramm teil. Dadurch habe sie bereits 10 kg an Gewicht abgenommen, könne auf Humalog-Insulin ganz verzichten, Lantus-Insulin habe auf die Hälfte reduziert werden können und eine Diabetesmedikation sei nicht mehr nötig.
Die Klägerin und die A-Klinik B- Optifast-Zentrum schlossen am 11. April 2005 einen Behandlungsvertrag über die Durchführung des Optifast-52-Programms über eine Behandlungsdauer von 12 Monate bei Gesamtkosten von 2.700 Euro. Die Behandlung erfolgte vom 18. April 2005 bis 10. April 2006. Entsprechend der Zahlungsvereinbarung entrichtete die Klägerin monatliche Teilzahlungsbeträge von April 2005 bis Februar 2006 im Umfang des genannten Gesamtbetrages.
Die Beklagte zog einen Auszug der Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) B-zum Optifast-Programm in der Therapie der Adipositas nach der Optifast-Gesamtauswertung 1996 vom 24. September 1997 nebst Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma NN GmbH bei und veranlasste die telefonische Stellungnahme der Dr. Hdes MDK vom 19. Juli 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Bei der ambulanten Adipositas-Therapie im Rahmen des Optifast-Programmes handele es sich um eine neue Behandlungsmethode, die bisher vom Bundesausschuss noch nicht bewertet worden sei und damit nicht zu Lasten der Krankenkasse erbracht werden könne. Zum Optifast-Programm liege das Grundsatzgutachten des MDK B- vom 24. September 1997 vor, wonach das Optifast-Programm erhebliche systematische Mängel aufweise und es insbesondere am Nachweis des Langzeiterfolges fehle.
Dagegen hat die Klägerin am 31. August 2005 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und ihr Begehren weiterverfolgt.
Sie könne nicht nachvollziehen, wieso einer anderen Versicherten noch mit Schreiben vom 17. August 2004 Kostenübernahme für ein Optifast-Programm bewilligt worden sei. Von den Gesamtkosten von 2.700 Euro seien 910 Euro auf Nahrungsergänzungsmittel entfallen. Die Klägerin hat die Bescheinigung der A-Klinik B - Optifast-Zentrum vom 07. September 2005 und eine Kostenaufschlüsselung (Leistungsplan)-Stand 1.2002 für die Teilnahme am Optifast-52-Programm vorgelegt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 zu verurteilen, der Klägerin die Kosten in Höhe von 1.790 Euro für das von ihr in Anspruch genommene "Optifast-Programm" zu erstatten.
Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine Genehmigung im Rahmen einer Einzelfallentscheidung seit dem Kalenderjahr 2005 nicht mehr erteilt werde.
Mit Urteil vom 11. April 2006 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Hinsichtlich der im Optifast-Programm enthaltenen ärztlichen Leistungen und der Maßnahmen der Verhaltenstherapie seien der Klägerin keine Kosten entstanden, denn es fehle an einer Abrechnung nach den Vorschriften der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), die nach § 1 Abs. 1 Gebührenordnung für Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten bezüglich der Verhaltenstherapie entsprechend anzuwenden sei. Selbst wenn die Klägerin die erteilte Rechnung inzwischen bezahlt haben sollte, komme ein Kostenerstattungsanspruch nicht in Betracht. Am erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen der Ablehnung der beantragten Sachleistung durch die Krankenkasse und der Entstehung der Kosten fehle es, wenn der Versicherte, sei es freiwillig oder aufgrund einer vermeintlichen Rechtspflicht mehr aufwende, als dem Leistungserbringer von Rechts wegen zustehe. Bei der Bewegungstherapie und der Ernährungsberatung handele es sich um Heilmittel, welche jedoch zur Veränderung der Körperform bzw. dem Fitnesstraining bzw. zur reinen Gewichtsreduktion nicht verordnungsfähig seien. Die Ernährungsberatung sei zudem eine neue Behandlungsmethode, zu der der Gemeinsame Bundesausschuss bisher noch keine Empfehlung abgegeben habe und die auch deswegen nicht verordnungsfähig sei. Sollte die Ernährungsberatung durch einen Arzt erbracht worden sein, sei sie zwar nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab für die vertragsärztliche Leistung (EBM) abrechenbar; insofern liege jedoch eine wirksame Honorarforderung nicht vor. Ein Anspruch auf Ernährungsberatung folge gleichfalls nicht aus § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 12 a Ziffer 1 Abs. 4 der Satzung der Beklagten. § 12 a Ziffer 1 Abs. 7 dieser Satzung orientiere sich an den gemeinsam und einheitlich beschlossenen Handlungsfeldern und Kriterien der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Umsetzung von § 20 Abs. 1 und 2 SGB V, die als Zielgruppe von Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung und Reduktion von Übergewicht jedoch lediglich Erwachsene mit einem BMI von unter 30 bestimmten.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigen am 02. Mai 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. Mai 2006 eingelegte Berufung der Klägerin.
Sie trägt vor: Die geforderte Abrechnung der ärztlichen Leistungen nach der GOÄ liege zwischenzeitlich mit der beigefügten Rechnung der A-Klinik B vom 10. Juli 2006 über 951,46 Euro vor. Darin sei die Honorarforderung für die Ernährungsberatung und Bewegungstherapie enthalten. Die Bewegungstherapie habe nicht der Gewichtsreduktion, sondern der Behandlung des Diabetes mellitus gedient. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 23. Juli 1998 - B 1 KR 3/97 R stehe daher dem Anspruch nicht mehr entgegen. Die Klägerin hat den Behandlungsvertrag vom 11. April 2005 sowie Kontoauszüge über die geleisteten Zahlungen vorgelegt.
Die Klägerin beantragt nach Berufungsrücknahme im Übrigen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. April 2006 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 zu verurteilen, an die Klägerin 951,46 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Das Sozialgericht habe bei seiner Entscheidung auch die Erkrankung eines Diabetes mellitus berücksichtigt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 951,46 Euro.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).
Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 - B 1 KR 21/02 R; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 m.w.N.).
Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruches auf Kostenerstattung.
Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er beschafft sich die Behandlung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 - B 1 KR 6/01 R, abgedruckt SozR 3-2500 § 13 Nr. 25). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom EBM erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2001 - B 1 KR 40/00 R abgedruckt in SozR 3-2500 § 27 a Nr. 3).
Der im November 2004 gestellte Antrag auf Kostenübernahme kann in der Weise ausgelegt werden, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2005 ab. Dieser Antrag hat sich zwischenzeitlich nach begonnener und durchgeführter Behandlung erledigt, so dass für einen Antrag auf Gewährung einer Sachleistung kein Rechtschutzbedürfnis mehr besteht. Das klägerische Begehren kann nunmehr allein auf Kostenerstattung gerichtet sein. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (BSG, Urteil vom 15. April 1997 - 1 RK 4/96, abgedruckt in SozR 3-2500 § 13 Nr. 14).
Die demnach zulässige Klage ist jedoch unbegründet.
Ein Kostenerstattungsanspruch besteht nicht, denn die selbst beschaffte Leistung gehört nicht zu den Leistungen, die die Krankenkasse als Sachleistung zu erbringen hat. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V).
Ein Anspruch auf Krankenbehandlung besteht nach § 27 Abs. 1 SGB V, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
Unter Krankheit ist ein regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand zu verstehen, der entweder Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit oder beides zur Folge hat. Diese krankenversicherungsrechtliche Begriffsbestimmung ist von dem medizinischen Krankheitsbegriff zu unterscheiden, wonach die Krankheit eine Erkrankung mit bestimmten Symptomen und Ursachen ist. Eine Krankheit im medizinischen Sinne löst grundsätzlich noch keine Leistungsansprüche aus (vgl. Kasseler Kommentar, Sozialversicherung, Gesetzliche Krankenversicherung, 44. Ergänzungslieferung, Höfler, § 27 SGB V Rdnrn. 9 und 11). Ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand setzt eine erhebliche Abweichung vom Leitbild des gesunden Menschen, der zur Ausübung normaler körperlicher und psychischer Funktionen in der Lage ist, voraus. Geringfügige Störungen ohne wesentliche funktionelle Beeinträchtigungen genügen hierfür nicht. Abweichungen von einer morphologischen Idealnorm, die noch befriedigende körperliche und psychische Funktionen zulassen, stellen daher keinen regelwidrigen Körper- oder Geisteszustand dar (Kasseler Kommentar, a.a.O., § 27 SGB V Rdnr. 12). Persönliche Eigenarten, die nicht der ärztlichen Behandlung bedürfen und dem Bereich der individuellen menschlichen Unterschiede zuzurechnen sind, stellen daher keine Krankheit dar. Dies gilt insbesondere für solche Eigenarten, die schon durch eine Änderung der Lebensführung oder einfache Maßnahmen der Gesunderhaltung behoben werden können (Kasseler Kommentar, a.a.O., § 27 SGB V Rdnr. 23). Liegen mehr als nur unwesentliche funktionelle Beeinträchtigungen vor, bedingen diese eine Krankheit, wenn sie behandlungsbedürftig sind. Behandlungsbedürftigkeit bedeutet, dass sie zu ihrer Beseitigung einer ärztlichen Behandlung bedürfen.
Die Adipositas ist daher keine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne, sondern sie stellt lediglich einen Risikofaktor dar (vgl. auch MDK-Stellungnahme vom 24. September 1999 Ziffer 3.1.1.). Dies gilt auch für die Adipositas der Klägerin, die mit einem Körpergewicht von 122,4 kg und einer Körpergröße von 176 cm (Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004) mit einem BMI von 39,5 kg/m² dem Schweregrad II (vgl. MDK-Stellungnahme vom 24. September 1997, Ziffer 3.1.1.) zuzuordnen ist. Maßnahmen zur Gewichtsreduzierung lösen mithin keinen Anspruch auf Krankenbehandlung aus, denn sie sind nicht auf die Behandlung einer Krankheit gerichtet.
Die von der Klägerin begehrte und durchgeführte Behandlung, die Teilnahme am Optifast-Programm des Optifast-Zentrums der AKlinik B verfolgte nicht den Zweck der Krankenbehandlung. Nach dem vom MDK Baden-Württemberg vorgelegten Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma N N GmbH versteht sich das Optifast-Programm als ganzheitliches interdisziplinäres Adipositas-Therapieprogramm. Als Zielkriterien sind danach eine drastische Gewichtsabnahme, eine dauerhafte Gewichtsstabilisierung sowie eine Erhaltung bzw. Verbesserung der Leistungs- und Arbeitsfähigkeit definiert. Dies soll durch Änderung des Ernährungsverhaltens und Bewegungsverhaltens erreicht werden. Durchgeführt wird das Programm ambulant unter ärztlicher Leitung durch ein interdisziplinäres Team, bestehend aus "ÄrztInnen, PsychologInnen, SozialpädagogInnen, KrankenpflegerInnen, ArzthelferInnen, BewegungstherapeutInnen und ErnährungsberaterInnen".
Nach § 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 besteht das Optifast-52-Programm aus 1. der Vorbereitungsphase mit ärztlicher und psychologischer Eingangsuntersuchung, 2. der Fastenphase als ein 12wöchiges modifiziertes Fasten mit der Formuladiät Optifast 800 unter wöchentlicher medizinischer Betreuung mit Gruppensitzungen und der Bewegungstherapie, 3. der Umstellphase als sechswöchige Umstellung von der Ernährung mit der Formuladiät Optifast 800 auf normale Kost mit verminderten Vorstellungen beim Arzt sowie wöchentlichen Gruppensitzungen und Bewegungstherapie sowie 4. der Stabilisierungs- und Intensivierungsphase über 33 Wochen zur Stabilisierung des erreichten Gewichts mit fortgesetzten wöchentlichen Besuchen von Gruppensitzungen und verminderter medizinischer Betreuung sowie der Bewegungstherapie.
Zweck des Optifast-52-Programms ist, wie aus § 7 Ziffer 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 hervorgeht, die Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit. Nach der genannten Vorschrift übernimmt das Optifast-Zentrum nämlich keine Haftung dafür, dass dieser gewünschte Erfolg eintritt.
Weder diesem Vertrag noch dem Auszug aus dem Optifast-Programm des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma N NGmbH sind Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass neben der Gewichtsabnahme und Gewichtsstabilisierung das Ziel der Krankenbehandlung verfolgt wird. Im Auszug aus dem Optifast-Programm (S. 33) des Instituts für Adipositas-Therapie der Firma NNGmbH wird bezüglich der Stellung des Arztes ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich das Institut im Wesentlichen auf die Behandlung des Übergewichtes beschränkt. Der Arzt wird, falls der Teilnehmer dies wünscht, mit Anfangs- und Endberichten über den Therapieverlauf informiert. Die Laborergebnisse können ebenfalls angefordert werden. Die Behandlung aller bestehenden oder neu diagnostizierten Erkrankungen verbleibt danach in der Hand des Hausarztes bzw. des behandelnden Arztes.
Der vorgelegten Rechnung der A-Klinik B vom 10. Juli 2006 ist dazu nichts anderes zu entnehmen. Diese Rechnung weist zwar die Diagnosen Diabetes mellitus Typ II und Adipositas Grad II aus. Gleichzeitig wird aber darauf hingewiesen, dass die Klägerin (lediglich) unter ärztlicher Leitung von Dr. R (Chefarzt der Diabetologie) vom 18. April 2005 bis 10. April 2006 ambulant ärztlich betreut wurde. Die einzelnen Ziffern nach der GOÄ orientieren sich ersichtlich am in § 1 des Behandlungsvertrages vom 11. April 2005 niedergelegten Behandlungsplan. Danach erfolgte die Eingangsuntersuchung mit Erörterung einer Lebensveränderung und der Erhebung des Ganzkörperstatus nebst Laboruntersuchungen. Laboruntersuchungen wurden in Abständen wiederholt durchgeführt. Regelmäßig kam es zur Beratung, auch telefonisch, auch jeweils zweimal zu einer eingehenden Beratung und Erörterung einer Lebensveränderung. Im Übrigen weisen die GOÄ-Ziffern im Wesentlichen Krankengymnastik und übende Verfahren, viermalig einen Diätplan und dreimalig einen ausführlichen Befundbericht aus.
Die Bescheinigung der A-Klinik Optifast-Zentrum vom 07. September 2005 bezeichnet das Therapieprogramm Optifast-52 ebenfalls als ein Gewichtsreduzierungsprogramm zur langfristigen Therapie von starkem Übergewicht. Es handelt sich um ein Standardprogramm, wie die dieser Bescheinigung beigefügt gewesenen Kostenaufschlüsselung (Leistungsplan)-Stand 1.2002 belegt. Dies gilt insbesondere für die ausgewiesenen medizinischen Leistungen. Ein Kostenschlüssel für über die Gewichtsreduktion hinausgehende medizinische Leistungen insbesondere für eine erforderliche Krankenbehandlung ist dort nicht vorgesehen. Die sich im Rahmen des Optifast-Programms als notwendig erweisenden ärztlichen Maßnahmen werden vielmehr, wie bereits oben ausgeführt, vom behandelnden Arzt vorgenommen. Der Hinweis der Klägerin auf das Bestehen eines behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus Typ II vermag daran nichts zu ändern. Das Optifast-52-Programm hat weder die Behandlung des Diabetes mellitus zum Ziel, noch wurde diese Krankheit nach der Rechnung vom 10. Juli 2006 tatsächlich behandelt.
Nicht wesentlich ist, dass durch die durch das Optifast-52-Programm bezweckte Gewichtsabnahme mittelbar eine Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustandes eintritt. Eine solche Änderung ist als gesundheitsbewusste Lebensführung der Eigenverantwortung des Versicherten zuzuordnen (§ 1 Satz 2 SGB V).
Unmittelbar aus der Adipositas herrührende Beeinträchtigungen in der Weise, dass durch die Körpermasse oder deren Verteilung eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung der Gelenke bewirkt wird, liegen nicht vor. Die Klägerin machte zwar im Widerspruchsverfahren geltend, dass sie sich in der Vergangenheit nur noch mit Hilfe von Gehhilfen fortbewegen konnte. Dies war jedoch nach ihrem Vortrag Folge der Herzbeutelentzündung mit Herzrhythmusstörungen und nicht der Adipositas.
Es ist schließlich nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen, dass die Erkrankungen nach der Bescheinigung des Facharztes für Innere Medizin S vom 05. November 2004 (Bluthochdruck, degenerative Gelenkerkrankungen und ein Diabetes mellitus Typ II), durch die unmittelbar an diesen Krankheiten ansetzenden ärztlichen Maßnahmen nicht ausreichend behandelt waren.
Diente das Optifast-52-Programm jedoch nicht der Krankenbehandlung, sondern allein der Beseitigung der ernährungsbedingten Übergewichtigkeit, so ist nicht maßgeblich, dass nach der MDK-Stellungnahme vom 24. September 1997 das Optifast-52-Konzept in großen Teilen als schlüssig und dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Adipositas-Therapie zu betrachten ist. Lediglich die obligate Anwendung der Formuladiät wird danach diesem Stand nicht gerecht. Darüber hinaus fehlt eine Langzeitstudie, die wissenschaftlichen Kriterien genügt, um die langfristige Wirksamkeit zu belegen.
Es bedarf deswegen auch keiner Entscheidung, ob es sich beim Optifast-52-Programm um eine neue Behandlungsmethode deswegen handelt, weil sich dieses Programm als ganzheitliches interdisziplinäres Therapieprogramm versteht. Ob eine Aufspaltung und eine jeweils gesonderte Beurteilung der einzelnen Behandlungsmaßnahmen nach ärztlicher Behandlung einschließlich psychotherapeutischer Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V) und nach Heilmittelversorgung in Form von Bewegungstherapie und Ernährungsberatung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) zulässig und geboten ist, wovon ersichtlich das Sozialgericht ausgegangen ist, kann daher dahinstehen.
Die Berufung muss somit erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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