L 12 RJ 2/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 27 RJ 1114/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RJ 2/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente.

Der 1943 geborene Kläger lebt als polnischer Staatsangehöriger in Polen. Vom 21. Mai 1990 bis 20. Mai 1992 war er auf Baustellen in Deutschland beschäftigt. Am 22. Januar 2003 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder einer Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige nach Vollendung des 60. Lebensjahres. Er legte eine Arbeitsbescheinigung vor, wonach er von seinem polnischen Arbeitgeber für seine Tätigkeit in Deutschland ein monatliches Entgelt von 1.280 DM bezogen habe. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 12. Februar 2003 den Rentenantrag ab. Der Kläger sei im Rahmen eines Werkvertrages mit einem polnischen Arbeitgeber beschäftigt worden, Versicherungspflicht habe nur zur polnischen Rentenversicherung bestanden. Mithin handele es sich bei der Zeit vom 21. Mai 1990 bis 20. Mai 1992 ausschließlich um eine polnische Versicherungszeit.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe in Deutschland nach Anweisung der deutschen Baustellenleitung gearbeitet und man habe ihm gesagt, dass er versichert sei. Er sei auch in Deutschland ärztlich behandelt worden. Mittlerweile sei er Invalide. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 22. April 2003). Zuständig sei allein der polnische Versicherungsträger, da Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nicht entrichtet worden seien.

Mit der am 2. Juli 2003 bei dem Sozialgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer Rente. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. November 2003). Der Kläger habe keine in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung anrechenbaren Versicherungszeiten zurückgelegt, so dass ein Rentenanspruch nicht bestehe. Angesichts des Wohnsitzes des Klägers in Polen sei auch ein Rentenanspruch aus den polnischen Beschäftigungszeiten auszuschließen. Da der Kläger von seinem Arbeitgeber nach Deutschland entsandt worden sei, sei die Versicherungspflicht am Sitz der Firma in Polen entstanden.

Gegen das ihm am 16. Dezember 2003 zugestellte Urteil des Sozialgerichts richtet sich die Berufung des Klägers vom 7. Januar 2004. Zur Begründung trägt er vor, dass er zwar einen Vertrag mit einer in Polen ansässigen Firma gehabt habe, aber in deren Exportabteilung mit Sitz in W tätig geworden sei. Die Baustellen hätten sich in F befunden. Seine Arbeit sei keine Festanstellung gewesen, weil die Bautätigkeiten jeweils nach Fertigstellung eines Gebäudes beendet worden seien. Sein Arbeitsentgelt habe aus zwei Teilen bestanden. Der auf die berufliche Tätigkeit im Ausland entfallende Teil sei in polnischer Währung ausgezahlt worden. Nur im Hinblick auf dieses Arbeitsentgelt sei er versichert gewesen und auch nur während der Zeit des Aufenthalts in Polen, etwa im Urlaub. Während der Tätigkeit in Deutschland sei die Versicherung hingegen Sache der deutschen Baufirma gewesen. Sein polnischer Arbeitgeber habe ihn nur zum Teil versichert, deswegen erhalte er eine Rente nur in Höhe eines Drittels des zustehenden Betrages. Für die Tätigkeit in der Bundesrepublik Deutschland erhalte er keinerlei Leistungen. Sein Arbeitsvertrag habe ihm eine volle Versicherung innerhalb Deutschlands versprochen.

Der Kläger beantragt (nach dem Sinn seines Vorbringens),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 26. November 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Februar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Kläger trage selbst vor, von seinem Arbeitgeber aus Polen nach Deutschland entsandt worden zu sein, so dass von der Zahlung von Beiträgen an die polnische Rentenversicherung auszugehen sei.

Der Senat hat bei der AOK und dem polnischen Arbeitgeber wegen Versicherungszeiten für den Kläger angefragt. Wegen der Ergebnisse wird auf die Auskünfte der AOK vom 21. Februar 2006 und der O vom 25. Oktober 2006 Bezug genommen. Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Gemäß Art. 94 Abs. 1 der Verordnung 1408/71 (EWG) bestimmen sich die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente an den Kläger mit Wohnsitz in Polen für Rentenbezugszeiten ab dem 1. Mai 2004 (Tag des Beitritts Polens zur Europäischen Union) nach der Verordnung 1408/71 (EWG); für die Zeit vorher nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über Soziale Sicherheit vom 8. Dezember 1990. Das alte Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 findet dagegen keine Anwendung. Um noch Ansprüche auf Leistungen der deutschen Rentenversicherung gemäß Art. 4 des Abkommens vom 9. Oktober 1975 aus bis zum 31. Dezember 1990 erworbenen Anwartschaften zu haben, müsste der Kläger nämlich gemäß Art. 27 Abs. 2 des Abkommens vom 8. Dezember 1990 bzw. Anhang III Nr. 84 a) zur Verordnung 1408/71 EWG seinen Wohnsitz nach dem 31. Dezember 1990 in der Bundesrepublik Deutschland beibehalten haben. Diese Voraussetzung erfüllt der Kläger nicht, der nach Beendigung seiner Beschäftigung (20. Mai 1992) Deutschland verlassen hat und wieder in Polen wohnt.

Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente für Schwerbehinderte ist nach § 37 Nr. 3 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) die Erfüllung einer Wartezeit von 35 Jahren; die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit (§§ 43, 44 SGB VI alter Fassung) bzw. Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) oder einer Regelaltersrente (§ 35 SGB VI) setzt die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voraus, die nach § 50 SGB VI fünf Jahre beträgt.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 VO 1408/71 sind für die Erfüllung der Wartezeiten auch die in einem anderen Mitgliedsstaat zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen, so dass zugunsten des Kläger für die Erfüllung der Wartezeit die von ihm ausweislich des Versicherungsverlaufs des polnischen Versicherungsträgers in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten zu berücksichtigen wären. Nur auf dieser Grundlage könnte er mit der von ihm behaupteten zweijährigen Versicherungszeit in Deutschland Leistungsansprüche gegen die deutsche Rentenversicherung haben. Der Höhe nach sind die Leistungen dann aber nach Art. 46 Abs. 2 VO 1408/71 durch das Verhältnis bestimmt, in dem die deutschen Versicherungszeiten zu den übrigen Versicherungszeiten stehen, wobei nach Art. 48 der VO 1408/71 Leistungen aus der deutschen Rentenversicherung nicht zu gewähren sind, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr beträgt.

Ähnlich war die Rechtslage nach dem Deutsch-Polnischen Sozialversicherungsabkommen vom 8. Dezember 1990: Gemäß Art. 17 Abs. 1 des Abkommens sind für die Erfüllung der Wartezeit deutsche und polnische Versicherungszeiten zusammenzurechnen, wobei ein Anspruch gegen die deutsche Rentenversicherung eine Mindestversicherungszeit von 6 Monaten voraussetzt (Art. 17 Abs. 2 des Abkommens vom 8. Dezember 1990). Die Höhe der Leistungen aus der deutschen Rentenversicherung entspricht dem Verhältnis, in dem die deutschen zu den polnischen Versicherungszeiten stehen (Art. 18 Abs. 1 des Abkommens vom 8. Dezember 1990). Auch nach den Vorschriften des zwischenstaatlichen Rechts war bzw. ist Voraussetzung für einen Anspruch gegen die deutsche Rentenversicherung demnach, dass in der deutschen Rentenversicherung anrechenbare Versicherungszeiten in einem Umfang von mindestens sechs bzw. zwölf Monaten zurückgelegt worden sind.

Der Senat hat sich jedoch nicht davon überzeugen können, dass der Kläger in der deutschen Rentenversicherung anrechenbare Versicherungszeiten zurückgelegt hat. Pflichtbeiträge für eine abhängige Beschäftigung, welche der Kläger geltend macht, sind nach § 197 SGB VI wirksam, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf Zahlung noch nicht verjährt ist. Es haben sich jedoch keinerlei Nachweise für die Zahlung von Beiträgen auffinden lassen. Der Beklagten liegen keine Versicherungsunterlagen vor, die AOK Hessen hat Beitragszeiten gleichfalls nicht bestätigen können. Der Arbeitgeber des Klägers hat angegeben, dass er Beiträge lediglich zur polnischen Rentenversicherung entrichtet hat. Das steht in Übereinstimmung mit Art. 4 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volkrepublik Polen über die Sozialversicherung von Arbeitnehmern, die in das Gebiet des anderen Staates vorübergehend entsandt werden vom 25. April 1973, wo bestimmt ist, dass entsandte Arbeitnehmer für die Dauer von 24 Monaten, beginnend mit der Ankunft im Gebiet des Beschäftigungsstaates, den Rechtsvorschriften des Entsendestaates unterstehen, als wären sie in diesem Gebiet beschäftigt. Der Kläger war auf den Tag genau 24 Monate in der Bundesrepublik Deutschland tätig, seine Arbeitsbescheinigung umfasst den Zeitraum vom 21. Mai 1990 bis 20. Mai 1992. Auch seine Arbeitserlaubnisse berechtigten ihn nur zu Tätigkeiten für die Firma O mit Sitz in Opole/Polen im Rahmen der von dieser geschlossenen Werkverträge.

Unerheblich ist, ob der Kläger von Rechts wegen eigentlich der Versicherungspflicht in Deutschland unterlegen hätte. Ohne Beitragszahlung reicht das Bestehen von Versicherungspflicht nicht aus, um Ansprüche gegen die deutsche Rentenversicherung zu erwerben. Ausnahmetatbestände, welche auch ohne Beitragsentrichtung zu wirksamen Versicherungszeiten führen, sind vorliegend nicht erfüllt. Insbesondere ist nichts dafür ersichtlich, dass dem Kläger der Arbeitnehmeranteil für Beiträge zur deutschen Rentenversicherung vom Arbeitslohn abgezogen worden ist (§ 203 SGB VI). Ob der damalige Arbeitgeber des Klägers zur Abführung von Beiträgen an die deutsche Rentenversicherung verpflichtet war, kann dahinstehen. Darüber hat der Senat nicht zu befinden. Ebenso wenig kann er darüber entscheiden, ob der polnische Versicherungsträger die Zeit vom 21. Mai 1990 bis 20. Mai 1992 zutreffend bei der Rentenberechnung berücksichtigt hat.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved