L 8 RA 59/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RA 3449/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 RA 59/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. Mai 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beansprucht im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens eine Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1955 geborene Kläger war ausweislich der Eintragungen in den Sozialversicherungsausweisen vom 01. September 1970 bis 25. März 1974 beim VE M F (O) beschäftigt, anfangs als "Anlernling", später als Hofarbeiter. In der Folgezeit war er bei verschiedenen Betrieben, zum Teil nur einige Monate, als Produktionsarbeiter, Baggerschmierer, Wächter, Hausmeister, Kampagnearbeiter, Armaturenschlosser, Transportarbeiter und vom 03. Oktober 1978 bis 23. August 1982 als Fensterputzer, unterbrochen durch die Zeit vom 06. Mai 1980 bis 29. Oktober 1981 bei der NVA, beschäftigt. Daran schlossen sich Beschäftigungen als Hausmeister (01. Oktober 1982 bis 07. Januar 1983 beim VEB E und G), als "LPG-Mitglied" (vom 25. Januar 1983 bis 09. Mai 1984), als Raumpfleger (vom 26. Juni 1984 bis 1988 beim Dienstleistungsamt für Ausländische Vertretungen in der DDR) und als Fahrstuhlführer ab 01. Juni 1988 an. Ab 01. August 1988 bezog er eine Invalidenrente, die wegen Besserung des Gesundheitszustandes mit dem 31. Dezember 1989 eingestellt wurde. Ab 15. Januar 1990 war er als Dispatcher beim Rettungsamt Berlin beschäftigt. Ab Juli 1991 wurde er von der B Feuerwehr übernommen und arbeitete im Telefondienst in der Rettungsleitstelle. Vom 01. Juli 1992 bis 07. Oktober 1993 bezog er Krankengeld. Am 16. März 1994 nahm er wieder die Arbeit bei der Feuerwehr im Telefondienst auf. Seit 08. Dezember 1999 ist er arbeitsunfähig krank. Nach Erschöpfung des Krankengeldanspruchs (Aussteuerung mit dem 18. Januar 2001) meldete er sich am 08. Februar 2001 arbeitslos und erhielt bis zur Erschöpfung des Anspruchs mit dem 01. August 2002 Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe. Die Leistungsgewährung wurde mit dem 09. Juli 2003 wegen fehlender Verfügbarkeit eingestellt. In der Folge erhielt er Sozialhilfe.

Am 16. März 2001 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seinen Gesundheitszustand die Gewährung einer Rente. Er gab an, dass er an den Folgen eines Sportunfalls leide und seit Dezember 1999 arbeitsunfähig erkrankt sei.

Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Chirurg Dr. H am 18. Juni 2001 ein sozialmedizinisches Gutachten. Diesem gegenüber gab der Kläger unter anderem an, dass er im Jahre 1979 bei einem Judokampf das linke Knie verdreht und seitdem in diesem Knie Beschwerden habe. Der Gutachter kam zu der Einschätzung, dass der Kläger mit seinem qualitativ eingeschränkten Leistungsvermögen weiterhin seine überwiegend sitzende Tätigkeit im Fernmeldedienst der Feuerwehr vollschichtig verrichten könne. Auf Hinweis von Dr. H erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C im August 2001 ein weiteres Gutachten. Darin führte Dr. C aus, dass der Kläger bei der Untersuchung von der Aufmerksamkeit und von der Psychosomatik her völlig unauffällig gewirkt habe. Die vom Kläger beschriebenen Sensibilitätsstörungen im Bein ließen sich nicht weiter objektivieren. Insgesamt sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht das Leistungsvermögen nicht wesentlich eingeschränkt. Wegen der Notwendigkeit der Einnahme von Schmerzmitteln bestehe eine etwas verringerte Aufmerksamkeits- und Konzentrationsspanne, sodass es nicht sinnvoll sei, den Kläger in einer exponierten Stelle einzusetzen, die ständige rasche Reaktionsbereitschaft und große Übersicht verlange. Seine Tätigkeit in der Rettungsstelle der Feuerwehr könne der Kläger daher nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten; im Übrigen sei er aber für körperlich leichte Tätigkeiten im überwiegenden Gehen oder Sitzen für sechs Stunden und mehr leistungsfähig.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 18. Oktober 2001 den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger zwar an verletzungsbedingten Kniegelenksveränderungen leide, aber noch in der Lage sei, in seinem bisherigen Beruf als Disponent und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den dagegen gerichteten Widerspruch vom 27. November 2001, mit dem der Kläger gleichzeitig vorsorglich die Überprüfung des Ablehnungsbescheides beantragte, wies die Beklagte wegen Fristversäumnis als unzulässig zurück (Widerspruchsbescheid vom 26. April 2002) und kündigte gleichzeitig an, den verspäteten Widerspruch als Überprüfungsantrag zu werten und darüber noch zu entscheiden.

Zu der Überprüfungsentscheidung kam es – zunächst – nicht, da der Kläger am 21. Mai 2002 zum Sozialgericht – SG – Berlin Klage erhoben und seinen Rentenantrag weiterverfolgt hat.

Das SG hat die Leistungsakte vom Arbeitsamt Berlin Nord beigezogen und daraus einige Kopien zur Akte genommen. Außerdem hat das SG in Ergänzung zu den vom Kläger eingereichten medizinischen Unterlagen einen aktuellen Befundbericht (mit Anlagen) vom 25. Oktober 2002 von dem den Kläger behandelnden praktischen Arzt und Facharzt für Sportmedizin Dr. Jünger eingeholt.

Nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen hat die Beklagte mit Bescheid vom 02. Dezember 2002 auf den Überprüfungsantrag eine Rücknahme des Ablehnungsbescheides vom 18. Oktober 2001 abgelehnt und in dem Bescheid – entsprechend dem Hinweis in dem gerichtlichen Schreiben vom 30. August 2002 – ausgeführt, dass dieser Bescheid gem. § 96 Sozialgerichtsgesetz – SGG – Gegenstand des Verfahrens werde.

Das SG hat den behandelnden Arzt Dr. J am 11. Juni 2003 zum Gesundheitszustand des Klägers als sachverständigen Zeugen gehört. Vom 30. September 2003 bis 13. Oktober 2003 hat sich der Kläger in stationärer schmerztherapeutischer Behandlung in der Charité aufgehalten. In dem dazu vom Kläger vorgelegten Arztbrief heißt es dazu unter anderem, dass "definitiv gar nichts gegen eine Wiedereingliederung des Patienten in das Berufsleben" spreche; mnestische Störungen durch das (reduzierte) Opioid (Oxygesic 3 x 30) hätten nicht wahrgenommen werden können.

Sodann hat das SG nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 05. Mai 2004 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf die begehrte Rente, weder nach § 43 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – SGB VI – wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung, noch nach § 240 SGB VI, da er auch nicht berufsunfähig sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger noch in der Lage sei, Zwölf-Stunden-Schichten in der Rettungsleitstelle der Feuerwehr zu arbeiten. Dort bestünden außergewöhnlich hohe Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit, denen der Kläger nach den Feststellungen von Dr. C nicht mehr gewachsen sei. Durchschnittliche geistige Anforderungen könne der Kläger nach wie vor erfüllen, wie sie etwa mit der von der Beklagten beispielhaft genannten Berufstätigkeit eines Disponenten verbunden seien. Das habe auch der Entlassungsbericht der Charité bestätigt. Auch im Übrigen bestätigten die Ärzte der Charité die Feststellungen der von der Beklagten beauftragten Gutachter. Soweit der Zeuge Dr. J weitergehende Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit zu erkennen glaube, werde seine Einschätzung durch die aktuellen Feststellungen der Charité widerlegt, die auf einer stationären und sorgfältigen Untersuchung des Klägers beruhten. Während Dr. J beispielsweise behauptet habe, der Kläger könne aufgrund seiner Knieverletzung nur noch höchstens 30 Minuten sitzen, seien die Ärzte der Charité zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, völlig ohne Schmerzen zu sitzen. Nach den medizinischen Feststellungen sei der Kläger zwar in seinem Leistungsvermögen eingeschränkt; Berufsunfähigkeit liege jedoch erst vor, wenn kein zumutbarer Beruf mehr ausgeübt werden könne. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger aufgrund der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich eine Stelle finden könne. Ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung sei ebenfalls nicht gegeben, weil diese Rentenart noch weitergehendere gesundheitliche Einschränkungen voraussetze als eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner Berufung gewandt und eine unzutreffende Würdigung seines Gesundheitszustandes gerügt. Die bei ihm vorliegenden erheblichen Schmerzen und die deshalb erforderliche Einnahme von Schmerzmitteln würden nicht angemessen berücksichtigt. Auch sei ein seit Dezember 2002 ("seit einer Untersuchung beim Versorgungsamt") auftretender "Knickeffekt" zu beachten, der zu unvermittelten Stürzen führe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass er als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50 anerkannt worden sei.

Der Senat hat anschließend einen Befundbericht von Dr. J vom 24. Oktober 2004 eingeholt, dem verschiedene Anlagen beigelegen haben. Außerdem ist auf Vorbringen des Klägers eine Äußerung von Dr. W von der Charité vom 04. November 2004 eingeholt worden, in der unter Verweis auf zwei Arztbriefe vom 25. Januar 2000 und 14. Mai 2003 keine wesentliche Änderung genannt und auf eine letzte Vorstellung im Februar 2004 verwiesen wird.

Nachdem der Kläger ergänzend eine Befundung der Neurologischen Klinik der Charité vom 29. April 2004 eingereicht hat, hat der Senat den Praktischen Arzt M mit der weiteren Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 09. Mai 2005 bei dem Kläger folgende Erkrankungen festgestellt: a) Arthrose des linken Kniegelenkes, Wirbelsäulenbeschwerden b) Migräne c) Bluthochdruck d) Sehbehinderung e) Seelisches Leiden. Auf der Grundlage der daraus resultierenden Beschwerden ist er zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger noch vollschichtig körperlich leichte Tätigkeiten ohne Hitze, Kälte, Feuchtigkeit oder Zugluft verrichten könne. Die Tätigkeiten könne der Kläger derzeit nur fast ausschließlich im Sitzen absolvieren. Ein Aufstehen und Gehen kurzer Strecken sei nur gelegentlich möglich. Arbeiten mit größerem Geh- oder Stehanteil schieden aus. Zu vermeiden seien einseitige körperliche Belastungen, Zeitdruck und Nachtschicht. Ebenso seien Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten oder im Bücken, Hocken oder Knien zu vermeiden. Das Heben und Tragen von leichten Lasten (7,5 kg) sei nur ganz gelegentlich und über kurze Strecken zumutbar. Höhere Anforderungen an das Sehvermögen oder das räumliche Sehen könnten nicht gestellt werden. In der Ausübung leichter bis mittelschwerer geistiger Arbeiten sei der Kläger nicht beschränkt. Eine relevante Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sei nicht zu objektivieren. Es bestehe nur eine leichte Beeinträchtigung, die die Stresstätigkeit in der Telefonzentrale der Feuerwehr mit Bearbeitung von Notrufen nicht zulasse. Wegefähigkeit sei gegeben, zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich.

Nach Stellungnahme der Beteiligten hat der Senat noch eine ergänzende Äußerung des Gutachters M vom 22. August 2005 eingeholt, der keinen Anlass zu einer Änderung seiner Bewertung gesehen hat.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG – hat der Direktor der Klinik und Hochschulambulanz für Orthopädie Prof. Dr. W auf der Grundlage einer Untersuchung vom 31. Mai 2006 am 15. Juli 2006 ein weiteres Gutachten erstattet. Als wesentliche Erkrankung auf seinem Fachgebiet hat er eine Kniegelenksarthrose links genannt. Aus orthopädischer Sicht seien noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten möglich. Die Tätigkeiten könnten im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung längerer Geh- oder Stehphasen (Stehen länger als 30 Minuten ununterbrochen, ununterbrochene Gehstrecke länger als 500 bis maximal 1000 m) verrichtet werden. Eine einseitige Belastung des linken Beines sei zu vermeiden. Wegefähigkeit sei gegeben.

Nach Vorlage von Unterlagen aus einem anhängigen SB-Verfahren (S 42 SB 471/03) hat der Senat aus der dieses Verfahren betreffenden Gerichtsakte als neuere Unterlage den Befundbericht von Dr. J vom 15. März 2006 in Kopie zur Akte genommen und der Beklagten Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme gegeben. Diese hat in ihrer Äußerung vom 29. September 2006 keinen Anlass zu einer Änderung ihres Standpunktes gesehen.

Außerdem hat der Kläger noch den Befund einer MRT des linken Kniegelenkes vom 04. Oktober 2006 vorgelegt, die nach seiner Meinung die Berechtigung seines Begehrens zeige.

Schließlich hat er noch den Arztbrief über einen stationären Aufenthalt vom 09. März bis 12. März 2007 im Klinikum im F vorgelegt, in dem er wegen einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit behandelt und nach erfolgter Rekanalisation und Stend-PTA der rechten Beckenachse in gutem Allgemeinzustand und mit tastbaren Fußpulsen entlassen worden ist.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 05. Mai 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02. Dezember 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Oktober 2001 zurückzunehmen und ihm Rente wegen Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, ab 01. März 2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Gerichtsbescheid, der der Sach- und Rechtslage entspreche.

Der Senat hat Auskünfte von der Feuerwehr zur letzten Beschäftigung eingeholt. Außerdem hat der Senat die aus dem Terminsprotokoll vom 21. März 2007 ersichtlichen berufskundlichen Auskünfte zur Tätigkeit eines Telefonisten in das Verfahren eingeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer: 65 23 02 55 M 023), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat es mit dem Überprüfungsbescheid vom 02. Dezember 2002 zu Recht abgelehnt, den Ablehnungsbescheid vom 18. Oktober 2001 zurückzunehmen und dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren; ein solcher Rentenanspruch steht dem Kläger nicht zu.

Gemäß § 44 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – ist, soweit sich im Einzelfall erweist, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, da die Beklagte mit dem ablehnenden Bescheid vom 18. Oktober 2001 zutreffend einen Anspruch des Klägers sowohl auf eine Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung als auch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint hat.

Rechtsgrundlage der Entscheidung sind die §§ 43, 240 SGB VI in der ab 01. Januar 2001 geltenden Fassung, da der Kläger seinen Rentenantrag (erst) im März 2001 gestellt hat (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI) und auch erst ab diesem Monat Rente beansprucht.

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI setzt neben den versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3, Abs. 4-6 SGB VI) voraus, dass der Versicherte entweder voll oder teilweise erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI).

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Er kann noch vollschichtig bzw. jedenfalls mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Dies entnimmt der Senat insbesondere dem im Berufungsverfahren erstatteten ausführlichen Gutachten des medizinischen Sachverständigen M, dessen Einschätzung hinsichtlich der orthopädischen Beschwerden im Ergebnis durch das von Prof. Dr. W erstattete (orthopädische) Gutachten bestätigt wird. Danach ist der Kläger noch in der Lage, mindestens 6 Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten im Wesentlichen im Sitzen mit begrenzter Möglichkeit des Gehens und Stehens ohne besondere Umgebungsbelastungen zu verrichten. Zu vermeiden sind einseitige körperliche Belastungen (des linken Beines), Zeitdruck und Nachtschicht ebenso wie Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten oder im Bücken, Hocken, oder Knien. Leichte Lasten können praktisch nur im Sitzen bewegt werden. Die sozial-kommunikativen Fähigkeiten sind nur insoweit leicht beeinträchtigt, als eine stressreiche Tätigkeit, wie sie der Kläger zuletzt in der Telefonzentrale der Feuerwehr ausgeübt hat, ausscheidet. Die Wegefähigkeit ist auch unter Berücksichtigung des Kniegelenkleidens, aus dem sich das Schwergewicht seiner Leistungseinschränkungen ableitet, noch gegeben, da er (Arbeits-) Wege von zumindest etwas mehr als 500 Meter in 20 Minuten zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen kann, wie der Kläger selbst gegenüber dem Gutachter M auch eingeräumt hat. Auch der vom Kläger in Vorbereitung auf den Termin noch vorgelegte Arztbrief des Klinikums im F über einen stationären Aufenthalt vom 09. März bis 12. März 2007 zwingt nicht zu einer anderen Bewertung. Danach hat zwar (ergänzend zu den bisherigen Feststellungen) eine periphere arterielle Verschlusskrankheit im Stadium II b nach Fontaine rechts bestanden, die zunächst zu einer zunehmenden Wadenclaudicatio rechts führte. Im Rahmen der stationären Behandlung erfolgte im Zuge einer Becken-/Beinangiographie eine Rekanalisation und Stent-PTA der rechten Beckenachse mit komplikationsfreien Verlauf und Entlassung in gutem Allgemeinzustand und mit tastbaren Fußpulsen. Daraus lässt sich mangels weitergehender Angaben oder klägerischen Vortrags eine von der gutachterlichen Einschätzung abweichende Beurteilung nicht ableiten. Die in dem Arztbrief mitgeteilte anamnestische Gehstreckenverkürzung kann im Hinblick auf die ersichtlich erfolgreiche Behandlung lediglich im Sinne einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit gedeutet werden. Bei diesem Sachstand hält der Senat das Gutachten des Sachverständigen M weiterhin für überzeugend. Er hat sich gründlich mit den Beschwerden des Klägers auseinandergesetzt und auch das vorliegende Aktenmaterial in seine Würdigung einbezogen. Soweit der Kläger bezüglich seines Kniegelenkleidens ergänzend auf seine erheblichen Schmerzen und die in diesem Zusammenhang erforderliche Einnahme von Schmerzmitteln verweist, ist dem zwar grundsätzlich zuzustimmen. Ebenso wenig stellte der Gutachter in Frage, dass aus dem Kniegelenksleiden nicht unerhebliche Schmerzen resultieren, die aber durch Medikamente gelindert werden können. Auch wenn danach das klägerische Vorbringen im Kern bestätigt wird, so kann er gleichwohl noch im Sitzen arbeiten. Diese Auffassung wird nicht nur von den gerichtlichen Gutachtern M und Prof. Dr. W, sondern neben dem im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter Dr. C auch von nicht mit der Einschätzung des Leistungsvermögens betrauten Ärzten geteilt. Denn wie sich aus dem Arztbrief zur schmerztherapeutischen Behandlung in der Charité vom 30. September bis 13. Oktober 2003 entnehmen lässt, liegt insofern eine unangemessene Bewertung durch den Kläger vor; eine Berufstätigkeit wurde schon damals nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar ausdrücklich befürwortet, worauf das SG in dem angefochtenen Gerichtsbescheid zutreffend Bezug genommen hat. Zu weiteren medizinischen Ermittlungen besteht daher keine Notwendigkeit. Dies noch umso weniger, als auch Prof. Dr. W in seinem auf Antrag des Klägers eingeholten Gutachten zu den weiteren Erkrankungen außerhalb seines Fachgebietes irgendwelche Hinweise, die zu weiteren medizinischen Ermittlungen zwingen könnten, nicht gegeben, sondern lediglich auf das Vorgutachten des Sachverständigen M verwiesen.

Angesichts des danach nur qualitativ, nicht aber quantitativ eingeschränkten Leistungsvermögens des Klägers scheidet ein Anspruch auf Renten aus § 43 SGB VI aus.

Ebenso wenig besteht ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI. Berufsunfähig ist nach dieser übergangsrechtlichen Regelung, die im Wesentlichen der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorgängervorschrift des § 43 SGB VI (a. F.) entspricht, der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist zunächst der "bisherige Beruf" zu bestimmen, der sich in der Regel aus der letzten nicht nur vorübergehend ausgeübten versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit ergibt. Dies ist im Falle des Klägers die Tätigkeit als Telefonist/Sprechfunker bei der Feuerwehr, die er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten kann, was auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt wird. Denn er ist, insofern in Übereinstimmung mit den gutachterlichen Feststellungen im Verwaltungsverfahren, nicht mehr den besonderen Belastungen gewachsen, die mit einer regelmäßigen 12-Stunden-Schicht und der Entgegennahme von Notrufen und deren Bearbeitung verbunden sind. Daraus ergibt sich jedoch noch nicht, dass der Kläger berufsunfähig ist. Erforderlich ist vielmehr zusätzlich, dass auch keine andere sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die der Kläger mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Auf welche Tätigkeiten ein Versicherter noch verwiesen werden kann, richtet sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes und dem dazu von der Rechtsprechung entwickelten sogenannten Mehrstufenschema. Danach ist sozial zumutbar ein Versicherter grundsätzlich auf Berufe der nächst niedrigeren Stufe verweisbar.

Berufsschutz als Facharbeiter bzw. Angestellter mit mehr als zweijähriger Ausbildung im Sinne des Mehrstufenschemas kann der Kläger nicht beanspruchen, da weder Hinweise auf eine entsprechende in der Regel dreijährige Ausbildung existieren, noch der Kläger eine solche Ausbildung behauptet. Darüber hinaus liegen aber auch keinerlei Belege darüber vor, dass der Kläger zumindest eine bis zu zweijährige Ausbildung und mehr als einjährige Ausbildung erfolgreich durchlaufen hat, die die Zuordnung zum "oberen Bereich" der Angelernten und damit einen eingeschränkten Berufsschutz ermöglicht. Ob seine erste Beschäftigung als "Anlernling" eine solche Ausbildung darstellt, bedarf keiner Klärung, da er ausweislich des Sozialversicherungsausweises anschließend ersichtlich nicht einer solchen angenommenen Ausbildung gemäß, sondern als Hofarbeiter eingesetzt wurde und im Übrigen nichts dafür ersichtlich ist, dass diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben worden ist. Denn er hat in der Folgezeit verschiedene ungelernte, aber mit zum Teil erheblichen körperlichen Belastungen verbundene Berufstätigkeiten ausgeübt. Die Zuordnung zur begrenzten Berufsschutz gewährenden Gruppe der Angelernten kann daher allenfalls aus der Vergütung seiner letzten Tätigkeit folgen. Der Kläger wurde nach der Auskunft der Feuerwehr nach der Vergütungsgruppe VI b BAT-O bezahlt. Diese Vergütungsgruppe, bzw. die entsprechende Besoldungsgruppe ist nach der eingeholten Auskunft gleichzeitig die Eingangsgruppe für Brandmeister nach zweijähriger Ausbildung. Die tarifliche Einstufung ist jedoch nicht zwingend für die Zuordnung im Rahmen des Mehrstufenschemas. Offensichtlich nicht sachgerechte Einstufungen sind für die rentenrechtliche Bewertung unbeachtlich. Der Kläger hat im Gegensatz zu der üblicherweise zu durchlaufenden zweijährigen Ausbildung lediglich einen dreiwöchigen Lehrgang absolviert. Irgendwelche weiteren Ausbildungen oder für seine Tätigkeit bei der Feuerwehr förderliche Berufstätigkeiten hat er bereits nach seinem eigenen Vortrag nicht absolviert. Insofern ist angesichts der geringen dem Kläger abverlangten Qualifikation nur im Hinblick auf die mit der Tätigkeit verbundene Belastung und Verantwortung die Zuordnung zur Gruppe der Angelernten gerechtfertigt. Zu berücksichtigen ist schließlich in diesem Zusammenhang auch, dass nach der Auskunft der Feuerwehr die Vergütungsgruppe VI b in diesem Bereich die niedrigste ist, sodass über die tarifliche Einstufung keine weitere Differenzierung in der Qualifikation vorgenommen werden kann. Doch auch wenn man trotz dieser auf eine Zuordnung zum unteren Bereich der Angelernten weisenden Erwägungen den Kläger deren oberem Bereich zuordnen wollte, führte dies nicht zur Bejahung eines Rentenanspruchs. Denn nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist im Rahmen des Mehrstufenschemas die Gruppe der Angelernten sozial zumutbar auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, sofern es sich nicht nur um ausgesprochene Primitivtätigkeiten handelt. Berufsschutz besteht für den oberen Bereich der Angelernten nur insofern, als diesen eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen ist. Eine solche Verweisungstätigkeit ist mit der benannten Tätigkeit des Telefonisten gegeben. Wie den in das Verfahren eingeführten Auskünften zu entnehmen ist, handelt es sich zum einen nicht nur um einfachste, lediglich mit einer kurzen Einweisung verbundene Arbeiten, sondern um durchaus nicht völlig unerhebliche Anforderungen stellende Aufgaben, die zum Beispiel nach der Auskunft des Landesbetriebs für Informationstechnik (LIT) Berlin eine Einarbeitungszeit von vier bis sechs Wochen erfordern. Zum anderen wird diese Tätigkeit nach der Einarbeitung und damit innerhalb eines Zeitraumes von drei Monaten nach Vergütungsgruppe VIII BAT vergütet und entspricht damit sogar den Anforderungen einer für einen Facharbeiter in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit (BSG, Urteil vom 26. Januar 2000 – B 13 RJ 45/98 R unter Hinweis auf BSG SozR 3 - 2200 § 1246 Nr. 17). Die Auskünfte von LIT und dem vor dem Sozialgericht Lüneburg gehörten berufskundlichen Sachverständigen K belegen ferner, dass sowohl auf dem regionalen als auch auf dem überregionalem Arbeitsmarkt genügend Stellen vorhanden sind, ohne dass es darauf ankommt, ob der Kläger einen solchen Arbeitsplatz tatsächlich erhalten kann.

Eine solche Tätigkeit entspricht auch dem verbliebenen Leistungsvermögen des Klägers. Er ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen, wie bereits dargestellt, noch in der Lage, noch mindestens sechs Stunden täglich zumindest körperlich leichte Arbeiten im Wesentlichen sitzend in geschlossenen Räumen unter Vermeidung von besonderen Umgebungsbelastungen sowie mit eingeschränkten Geh- und Stehbelastungen zu verrichten. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen war und ist der Kläger damit für eine "normale" Telefonistentätigkeit geeignet. Lediglich die mit dem letzten Arbeitsplatz verbundene besonders belastende 12-Stunden-Wechsel-Schicht sowie die im Hinblick auf die Schmerzmitteleinnahme problematische Bearbeitung von Notfällen begründen eine diesbezügliche Einschränkung des Leistungsvermögens, verbieten aber im Übrigen nicht die Aufnahme einer Tätigkeit als Telefonist.

Der Kläger ist aufgrund seiner vorangegangenen Tätigkeit als Telefonist bei der Feuerwehr auch fachlich in der Lage, als "normaler" Telefonist zu arbeiten. Dass der 1955 geborene Kläger den geistigen und psychischen Anforderungen einer solchen einfacheren Telefonistentätigkeit nicht mehr gewachsen sein könnte, ist aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich. Die Gutachter formulieren in dieser Richtung keine bedeutsamen Einschränkungen. Eine relevante Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit, der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit lässt sich nicht feststellen, wie der Sachverständige M in seinem überzeugenden Gutachten ausgeführt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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