L 17 RA 106/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 5357/96 W02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 17 RA 106/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2004 geändert. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der Kosten des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens erster Instanz zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen Überführungsbescheide. Der Kläger ist 1939 geboren. Seit dem 1. September 1989 erhielt er eine Invalidenversorgung aus der Freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates, eingeführt mit Wirkung vom 1. März 1971 (Anlage 1 Nr. 19 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG -).

Mit Rentenbescheid vom 2. Juli 1996 wurde dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit seit dem 1. Juli 1990 gewährt. Der Rentenberechnung lag u. a. ein Überführungsbescheid vom 13. November 1995 zugrunde, in dem nachgewiesene Brutto-Entgelte und berücksichtigte Entgelte aufgeführt waren. Die berücksichtigten Entgelte waren teilweise nach § 6 Abs. 2 AAÜG in Verbindung mit Anlage 5 in der Fassung des Rentenüberleitungs Ergänzungs¬gesetzes Rü-ErgG vom 24. Juni 1993 (BGBl I S. 1038) begrenzt.

Gegen beide Bescheide hat der Kläger Widerspruch erhoben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 1996 wurde der Widerspruch gegen den Überführungsbescheid vom 13. November 1995 zurückgewiesen.

Während des sich anschließenden Klageverfahrens ist ein neuer Überführungsbescheid vom 3. Februar 1997 ergangen, in dem mit Wirkung vom 1. Januar 1997 berücksichtigte Entgelte aufgeführt waren, die nur noch nach Anlage 3 zum AAÜG begrenzt waren. Entsprechend wurde auch die Rente neu berechnet (Rentenbescheid vom 29. Mai 1997).

Mit einem Ergänzungsbescheid vom 26. November 2001 zum Bescheid vom 3. Februar 1997 wurde die Wirkung dieses Bescheides auf die Zeit seit dem 1. Juli 1993 erstreckt. Der Kläger hat die Klage aufrechterhalten.

Mit Gerichtsbescheid vom 30. September 2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe in dem zuletzt erlassenen Bescheid vom 26. November 2001 zutreffend ausgeführt, dass die Regelungen des Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (2. AAÜG-Änderungsgesetz 2. AAÜG-ÄndG) vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1939) zum 1. Juli 1993 in Kraft getreten seien. Dieses Gesetz sei verfassungsgemäß. Das habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 22/95) festgestellt. Es habe ausgeführt, dass die §§ 6, 7 AAÜG bis zum 30. Juni 1993 verfassungsrechtlich noch hingenommen werden könnten. Bis dahin habe sich der Gesetzgeber mit groben Typisierungen und Generalisierungen begnügen können. Soweit der Kläger die Berechnung seiner Rente rüge, sei die Klage unzulässig. Für die Berechnung der Rente sei die BfA als Rentenversicherungsträger und nicht der Versorgungsträger zuständig.

Gegen den dem Kläger am 9. Oktober 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich seine am 1. November 2004 eingegangene Berufung. Er hat beanstandet, dass die nach dem 2. AAÜG-ÄndG mitgeteilten Entgelte nicht bereits ab Rentenbeginn zugrunde gelegt werden. Er halte es nicht für verfassungsmäßig, dass pauschale Generalisierungen und Typisierungen vorgenommen würden. Der im Gesetz festgelegte Nachzahlungstermin ab 1. Juli 1993 werde nicht dem Einigungsvertrag gerecht, da die Neuordnung des Rentenrechts ab 1. Januar 1992 vorgenommen worden sei. Deswegen müsse auch die Nachzahlung ab dem 1. Januar 1992 erfolgen. Wenn das Sozialgericht darauf hinweise, dass nicht die BfA als Versorgungsträger, sondern die BfA als Rentenversicherungsträger für die Rentenberechnung zuständig sei, müsse er dies als formale Entscheidung ablehnen.

Der Kläger beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2004 aufzuheben, 2. die Berufungsbeklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 13. November 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1996 und die Bescheide vom 3. Februar 1997 und 26. November 2001 abzuändern und die nach dem 1. und 2. AAÜG-Änderungsgesetz mitgeteilten Entgelte bereits für Zeiten vor dem 1. Juli 1993 ab Rentenbeginn festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Soweit der Kläger die Rentenberechnung rüge, sei die Klage unzulässig.

Die Akten des Sozialgericht Berlin S 13 RA 5357/96 W02-10 und die die Zusatzversorgung des Klägers betreffenden Akten der Beklagten - 25 100739 M 064 - haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerechte eingelegte Berufung ist zulässig, aber lediglich hinsichtlich der Kosten des sozialgerichtlichen Verfahrens teilweise begründet. Im Übrigen ist der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 30. September 2004 zutreffend.

Gegenstand des Verfahrens sind jetzt nur noch die Bescheide vom 3. Februar 1997 und vom 26. November 2001, diese sind nach § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - Gegenstand des sozialgerichtlichen Verfahrens geworden und haben den vorangegangenen Überführungsbescheid vom 13. November 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 1996 ersetzt.

Soweit der Kläger mit der Klage begehrt, seine Entgelte - bis zur Beitragsbemessungsgrenze - in vollem Umfang auch für Rentenbezugszeiten bis 30. Juni 1993 festzustellen, ist die Klage unzulässig. Eine Regelung über die Höhe der im Rentenbescheid zu berücksichtigenden Entgelte ist in den angefochtenen Bescheiden nicht enthalten. Der in dem angefochtenen Bescheid vom 13. November 1995 enthaltene Hinweis darauf, dass die Entgelte teilweise nur bis zur Grenze der Anlage 5 zur berücksichtigen sind, hat keinen Regelungsgehalt.

Rechtsgrundlage des angegriffenen Bescheides ist § 6 Abs. 1 bis 3 AAÜG. Nach § 6 Abs. 1 ist den Pflichtzeiten für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256 a Abs. 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zu dem jeweiligen Betrag der Anlage 3 zugrunde zu legen. Hierzu hat das Bundessozialgericht festgestellt, dass Regelungsgegenstand eines Überführungsbescheides zwar das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, nicht aber die jeweils geltenden Höchstbeträge nach den Anlagen zum AAÜG sind.

Nach der inzwischen gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteile vom 10. November 1998 - B 4 RA 30/98 R -; vom 20. Dezember 2001 - B 4 RA 6/01 R), der sich der Senat anschließt, stellt der Versorgungsträger in einem dem Rentenfeststellungsverfahren vorgelagerten, dem Vormerkungsverfahren nach § 149 Abs. 5 SGB VI ähnlichen Verfahren nur einzelne Daten verbindlich fest, die für die spätere Feststellung des Wertes der SGB VI-Rente oder -Anwartschaften von Bedeutung sein können, und zwar Daten über

- die Zeiten der so genannten Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, - die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (vgl. §§ 6 und 7 AAÜG), - die Summe der Arbeitsausfalltage, soweit diese nicht in einem Sozialversicherungsausweis eingetragen sind (§ 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG) sowie - die Höhe des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, soweit es in der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung oder Tätigkeit erzielt worden ist.

Hingegen enthält der Entgeltbescheid keine Feststellungen über andere Anspruchselemente, auch nicht über die Begrenzung auf die Werte der Anlage 3 oder 5. Der Versorgungsträger hatte lediglich - neben den hier unstreitigen Tatbeständen an Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem und der tatsächlich gezahlten Entgelte - die tatsächlichen Voraussetzungen für die Anwendung der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze festzustellen, nicht aber dem Rentenversicherungsträger die für die Entscheidung über den Rentenanspruch maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenzen oder die Höhe der als versichert geltenden Arbeitsverdienste vorzuschreiben.

Der Bescheid regelt deshalb keine Begrenzung der nachgewiesenen Entgelte. Der Antrag des Klägers geht insoweit ins Leere.

Aber auch soweit man den Antrag des Klägers dahingehend deutet, dass er sich gegen die Feststellung wendet, dass in der Zeit bis zum 30. Juni 1993 die tatbestandlichen Voraussetzungen der Anwendung der Anlage 5 zum AAÜG vorgelegen haben, ist die Klage nicht begründet. Soweit der Kläger - sinngemäß - geltend macht, § 6 Abs. 2 AAÜG a. F. habe auch vor dem 1. Juni 1993 gegen das Grundgesetz - GG - verstoßen, stehen dem die im Gerichtsbescheid zitierten Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts entgegen. Im Urteil vom 28. April 1999 (1 BvL 22/95, 1 BvL 34/95 - BVerfGE 100, 59 = SozR 3 8570 § 6 Nrn. 3 -) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, § 6 Abs. 2 AAÜG a. F. verstoße deshalb gegen Artikel 3 Abs. 1 und Artikel 14 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber unzulässig typisiert und pauschaliert habe. Er habe das Ziel verfolgen dürfen, Entgelte, die in der DDR aus politischen Gründen überhöht worden seien, von der Auswirkung auf die Rente auszuschließen, er habe der Regelung aber keine ausreichenden Tatsachen zugrunde gelegt. Dies sei nur für einen Übergangszeitraum verfassungsgemäß. Diesen Übergangszeitraum nahm das Bundesverfassungsgericht bis zum 30. Juni 1993 - dem Monat vor Erlass des RüErgG - als gegeben an. Dementsprechend gilt die frühere stark pauschalierende Regelung bis dahin noch.

Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts ist zu ändern, da der Kläger mit seinem Begehren teilweise Erfolg gehabt hat. Der Umfang des Erfolges kann nur grob geschätzt werden. Hinsichtlich des Berufungsverfahrens entspricht die Kostenentscheidung dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil ein Grund zur Zulassung nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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