L 16 R 610/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 26/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 610/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 07. März 2006 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 verurteilt, der Klägerin große Witwenrente ab 01. Oktober 2003 aus der Versicherung des R R zu gewähren. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im gesamten Verfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von großer Witwenrente ab 1. Oktober 2003 aus der Versicherung des am 15. September 2003 verstorbenen R R (Versicherter).

Die 1942 geborene Klägerin lebte nach eigenen Angaben seit 1982 mit dem Versicherten in eheähnlicher Gemeinschaft. Sie bezieht von der Beklagten aus eigener Versicherung eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit einem Zahlbetrag von 681,61 EUR im September 2003. Der Versicherte bezog von der Beklagten eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit einem Zahlbetrag von 1.359,96 EUR im September 2003.

Im Januar 2003 wurde bei dem Versicherten ein kleinzelliges Bronchial-Carcinom zentral Unterlappen rechts (T4 N2-3 MX) diagnostiziert. Darüber hinaus litt der Versicherte unter einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung und einer Gastritis. Von Januar bis Mai 2004 wurden bei ihm im Fachkrankenhaus für Lungenheilkunde und Thoraxchirurgie (FLT) vier Zyklen einer Chemotherapie durchgeführt (stationäre Aufenthalte vom 17. bis 22. März 2003, 15. bis 19. April 2003 und 14. bis 23. Mai 2003). Aufgrund eines Tumorprogresses wurde im H K B eine stationäre palliative Strahlentherapie vom 23. Mai bis 16. Juli 2003 vorgenommen. Es war eine stationäre Wiederaufnahme zur Fortführung der Behandlung am 01. September 2003 vorgesehen. Der Versicherte wurde wegen eines Tumorprogresses erneut im FLT vom 01. bis 13. August 2003 stationär behandelt. Die Klägerin und der Versicherte schlossen die Ehe am 18. August 2003. Der Versicherte verstarb am 2003 an den Folgen seines metastasierenden Tumorleidens.

Im Oktober 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von großer Witwenrente aus der Versicherung ihres Ehemannes.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 lehnte die Beklagte die Gewährung von Witwenrente gemäß § 46 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) ab mit der Begründung, dass die dargelegten Gründe nicht geeignet seien, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI iVm § 242a Abs. 3 SGB VI, dass eine Versorgungsehe vorliege, zu widerlegen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen: Sie habe hintereinander zwei Herzinfarkte, eine Bypassoperation und danach noch einen Herzinfarkt gehabt. Mit ihrem Ableben habe sie immer gerechnet, nicht aber mit dem Ableben ihres Mannes. Ihr Mann sei selbst mit dem Auto zum Standesamt gefahren. Sie hätten dabei nicht an den Tod gedacht und sich damit einen Ruck zum Durchhalten gegeben. Ca. im Mai 2003 hätten sie die Hochzeit beim Standesamt beantragt. Die Hochzeit sei am 18. August 2003 im kleinen Kreis mit den Kindern gefeiert worden. Motiv für die Hochzeit sei die Motivation gewesen, sich gemeinsam vor die Krankheit zu stellen. Sie hätten geheiratet, weil sie sich geliebt hätten und wären auch zum Mond geflogen, wenn das ihre Hoffnung genährt hätte.

Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat einen Befundbericht des Dr. R (Praxisnachfolger des behandelnden Arztes Dr. A) vom 30. November 2005 eingeholt und mit Urteil vom 07. März 2006 die auf die Gewährung von großer Witwenrente ab 01. Oktober 2003 gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Ehe der Klägerin mit dem Versicherten habe nicht einmal einen Monat und damit deutlich weniger als ein Jahr gedauert. Die deshalb zur Anwendung kommende gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe habe vorliegend nicht durch besondere Umstände des Einzelfalls widerlegt werden können. Die Angaben des Praxisnachfolgers des behandelnden Arztes sowie die beigezogenen Krankenhausberichte würden keine Zweifel daran lassen, dass zum Zeitpunkt der standesamtlichen Trauung allen Beteiligten das unmittelbar bevorstehende Ableben des Versicherten habe bewusst gewesen seien müssen. Bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung habe eine infauste Prognose mit einer Unwahrscheinlichkeit eines langfristigen Überlebens vorgelegen. Soweit die Klägerin angebe, sie habe zum Zeitpunkt der Eheschließung nichts von dem baldigen Ableben ihres Mannes gewusst, da die behandelnden Ärzte dies weder ihr noch dem Versicherten mitgeteilt hätten, erscheine dies angesichts der schweren Erkrankung nicht glaubhaft und widerspreche auch der Lebenserfahrung. Eine Versorgungsehe könne nicht nur dann vorliegen, wenn erstmals damit eine Versorgung begründet werde, sondern auch dann, wenn dadurch ein Mehr an Versorgung begründet werde. Die Ehe sei auch nicht mit dem Ziel der Sicherstellung der Pflege geschlossen worden. Es sei kein nachvollziehbares Motiv erkennbar, warum nach 22 Jahren des gemeinsamen Zusammenlebens, der gegenseitigen Berücksichtigung im Testament und des gegenseitigen Abschlusses von Lebensversicherungen die Klägerin und der Versicherte in Kenntnis der Überlebensprognose geheiratet hätten. Damit könne die Versorgung als einziger zumindest überwiegend in Betracht kommender Zweck der Heirat gerade nicht ausgeschlossen werden, so dass die gesetzliche Vermutung zu bejahen sei.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rentenbegehren weiter und trägt vor: Die Kriterien für das Vorliegen einer Versorgungsehe seien gerade nicht gegeben. Es habe zwischen ihr und ihrem Ehemann eine gefestigte Verbindung bestanden. Diese werde daran deutlich, dass sie bereits seit 1982 in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen gelebt hätten, das 1990 gemeinsam erworbenen Wohnungseigentum am 04. Mai 2000 an ihre Tochter und deren Ehemann durch Schenkungsvertrag übereignet hätten, beide bereits im Januar 1994 jeweils Lebensversicherungen abgeschlossen hätten, in denen sie sich mit der Zuordnung im Todesfall bedacht hätten, sich 1997 gegenseitig testamentarisch das Vermögen des jeweils anderen zuerkannt hätten und im Jahr 1989 einen jeweils hälftigen Grundstückserwerb für das Grundstück in W getätigt hätten. Sie seien sich über ihr Zusammenleben gerade nicht im Unklaren gewesen. Beide hätten relativ ausgewogene wirtschaftliche Verhältnisse gehabt, die gleichfalls nicht für die Vermutung einer Versorgungsehe sprächen. Darüber hinaus sei die Eheschließung ohne Gewissheit der unabwendbaren Todesfolge erfolgt. Der Praxisnachfolger des behandelnden Hausarztes habe erklärt, dass seine Patienten über eine derartige Entwicklung niemals konkret informiert worden seien. Wenn sie eine Versorgungsehe tatsächlich hätten initiieren wollen, wäre es überhaupt kein Problem gewesen, statt des langfristig geplanten Hochzeitstermins die Heirat im März 2003 zu vollziehen. Beide seien auch sehr zuversichtlich gewesen, noch einen zufrieden stellenden gemeinsamen Lebensabend verbringen zu können, da ein unmittelbarer Nachbar nach schwerster Krebserkrankung sich aktuell guter Gesundheit erfreue. Diese Zuversicht und das Bemühen der behandelnden Ärzte hätten beide in den Glauben und die Zuversicht auf einen Genesungserfolg versetzt. Die eigentlich kritische Phase der akuten Verschlechterung sei erst nach der Eheschließung im September 2003 eingetreten.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 7. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Dezember 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr große Witwenrente ab 1. Oktober 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus: Die Klägerin könne die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht erfolgreich widerlegen. Die Erbringung eines vollen gegenteiligen Beweises nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) sei ihr in keinster Weise gelungen. Im Gegenteil werde durch den Vortrag der Klägerin verdeutlicht, dass die Eingehung der Versorgungsehe nur die logische Konsequenz des 22-jährigen Zusammenlebens gewesen sein könne. Während der langjährigen partnerschaftlichen Beziehung seien sämtliche Vermögensverfügungen zur Absicherung beider Lebenspartner getroffen worden, um einen Vermögensnachteil im Alter ausschließen zu können. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die angeführten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht ausschlaggebend für die Annahme einer Versorgungsehe. Die Tatsache, dass sie durchaus in der Lage sei, ihren Lebensunterhalt allein zu bestreiten, sei für die Frage einer Versorgungsehe unerheblich. Zu Recht habe das SG Cottbus die Ausführungen der Klägerin in Bezug auf die Kenntnis des zu erwartenden Todes des Ehemannes als unglaubhaft eingestuft. Aus den angegebenen Zitaten des Hausarztes Dr. A werde deutlich, dass er sich auf ein genaues Datum des Ablebens des Ehemannes verständlicherweise nicht habe festlegen wollen. Bereits vor der Beantragung des Hochzeitstermins beim Standesamt sei ihr bewusst gewesen, dass ein "schwerer Kampf" gegen die Krankheit ihres Mannes bevorstehe.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Verwaltungsakte der Beklagte und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Gewährung von großer Witwenrente ab 01. Oktober 2003 aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehegatten.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI haben Witwen oder Witwer, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente oder Witwerrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Anspruchsgrundlage sind erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des Versicherten und hatte im Zeitpunkt seines Todes das 45. Lebensjahr vollendet. Der Versicherte bezog im Sterbemonat Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Daraus ergibt sich, dass auch die allgemeine Wartezeit (§ 50 SGB VI) erfüllt ist. Aufgrund des Rentenbezugs im Sterbemonat beginnt die große Witwenrente gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI am 01. Oktober 2003.

Entgegen der vom SG und der Beklagten vertretenen Rechtsauffassung steht dem Anspruch auf große Witwenrente die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht entgegen. Danach haben Witwen oder Witwer keinen Anspruch auf Witwenrente oder Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift zunächst ein; denn die nach dem Inkrafttreten dieser Norm (vgl. zum Übergangsrecht § 242a Abs. 3 SGB VI) am 18. August 2003 geschlossene Ehe dauerte nicht mindestens ein Jahr. Der Versicherte verstarb am 2003. Die gesetzliche Vermutung ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens allerdings widerlegt. Es steht zur vollen Überzeugung des Senats fest, dass der Versorgungsgedanke nicht der überwiegende und erst recht nicht der alleinige Zweck der Heirat gewesen ist. Diese Überzeugung folgt aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den konsistenten und durchweg glaubhaften Vortrag der Klägerin in ihren vorbereitenden Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2007.

Wenn sich nach der Lebenserfahrung auch nicht ausschließen lässt, dass der Versorgungsgedanke für den Entschluss, nach über 20 Jahren des Zusammenlebens die Ehe einzugehen, eine Rolle gespielt haben mag, so war es doch neben einem etwaigen Versorgungsgedanken zumindest gleichgewichtiger Zweck der Eheschließung, sich gemeinsam "vor die Krankheit zu stellen" und damit der gegenseitigen langjährigen und partnerschaftlichen Verbundenheit und Liebe Ausdruck zu geben. Zwischen den Ehegatten bestand bereits vor der Eheschließung eine viele Jahre andauernde gefestigte Verbindung. Dies beweisen nicht nur die Dauer der seit 1982 bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft, sondern auch die gemeinsamen bzw. wechselseitigen testamentarischen und vertraglichen Verfügungen. So schlossen die Partner bereits 1994 wechselseitige Lebensversicherungen ab, erteilten sich 1997 wechselseitige Vorsorgevollmachten und setzten sich wechselseitig testamentarisch zu Erben ein. Das 1990 gemeinschaftlich erworbene Wohnungseigentum in der Astraße verschenkten beide mit notariellem Vertrag vom 5. Mai 2000 mit Belastungen an die Tochter der Klägerin und deren Ehemann. Die Klägerin und der Versicherte kauften mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 10. Juni 1999 die in gelegenen und mit einem Haus bebauten Flurstücke und im Beteiligungsverhältnis zu je ½.

Zwar ist die Dauer des Zusammenlebens in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft allein nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI zu widerlegen. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können aus den unterschiedlichsten Gründen eine Ehe nicht eingehen wollen. Umgekehrt ist entgegen der Ansicht der Beklagten die Eingehung einer Versorgungsehe auch nicht die logische Konsequenz einer langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des Einzelfalls. Davon ausgehend hatte sich faktisch bereits vor der Heirat durch die gemeinschaftlichen und wechselseitigen testamentarischen und rechtsgeschäftlichen Verfügungen eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebens- und Beistandsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Versicherten entwickelt. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft diente nach den hier vorliegenden Umständen auch nicht der Versorgung der Klägerin; denn sie bezieht seit 1995 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit aus eigener Versicherung. Aufgrund des gemeinschaftlichen Eigentums zu je ½ an der Eigentumswohnung und den Grundstücken bestanden insoweit auch ausgewogene Grundeigentumsverhältnisse zwischen den Partnern.

Zumindest gleichwertiges Motiv neben einem etwaigen Versorgungsgedanken für die Eheschließung war nach den festgestellten Umständen auch nicht der Wunsch nach einem "rechtsförmlichen Vollzug" der Lebens- und Beistandgemeinschaft (vgl. dazu LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. Dezember 2003, L 8 U 65/02, veröffentlicht in juris), sondern der von der Klägerin konsistent und vor allem anschaulich und damit glaubhaft geschilderte Wunsch beider Partner (vgl. zur Aussageanalyse grundlegend BGH, Urteil vom 30. Juni 1999 - 1 StR 816/99 = JZ 2000, 262), sich gemeinsam vor die Krankheit stellen zu wollen. So hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2007 erläutert, dass beide Partner bei der erstmaligen Diagnose des Tumors geglaubt hatten, dass sie die Krankheit besiegen würden und zunächst gar nicht hätten beachten wollen, dass der Versicherte krank sei. In der schriftlichen Klagebegründung und im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG Cottbus hat die Klägerin damit in Übereinstimmung bekundet, dass beide an ein gutes Ende geglaubt hätten und sich mit der Eheschließung einen Ruck zum Durchhalten hätten geben bzw. sich gemeinsam vor die Krankheit hätten stellen wollen. Diese Hoffnung gründete sich nachvollziehbar auch auf das Schicksal eines unmittelbaren Nachbarn, der sich nach schwerster Krebserkrankung aktuell guter Gesundheit erfreuen soll.

Allein die objektive Schwere sowie die ungünstige Prognose der Tumorerkrankung rechtfertigen jedenfalls nicht die Annahme, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Fehlende Anhaltspunkte für die Besorgnis eines vorzeitigen Ablebens des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung würden zwar die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI widerlegen. Tatsächlich wurde aber bereits im Rahmen des ersten stationären Aufenthalts des Versicherten im FLT vom 8. bis 24. Januar 2003 die Diagnose eines kleinzelligen Bronchial-Carcinoms zentral Unterlappen rechts (T4 N2-3 MX) mit fraglichen Metastasen beidseits gesichert. Dass der Tod des Versicherten zu erwarten war, ergibt sich auch aus dem Befundbericht des Praxisnachfolgers des behandelnden Hausarztes vom 30. November 2005. Auf der anderen Seite wurden indes konkrete Aussagen über die zu erwartende Lebensspanne des Versicherten von den behandelnden Ärzten und dem Pflegepersonal - verständlicherweise - nicht gemacht. Den Entschluss zur Heirat hatten die Partner, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2007 betont hat, bereits nach Kenntnis der Diagnose, Anfang 2003, gefasst. Das Aufgebot hatten sie dann aber erst nach Beendigung der vier Zyklen der Chemotherapie im Mai 2003 bestellt. Der Zeitraum von mehreren Monaten zwischen dem Entschluss zur Heirat Anfang 2003, der Bestellung des Aufgebots im Mai 2003 und dem Termin zur Eheschließung am 18. August 2003 ist aber ein gewichtiges Indiz dafür, dass die Partner zumindest bis zur Festlegung des Termins zur Eheschließung mit einem baldigen Ableben des Versicherten nicht gerechnet und weiter auf einen glücklichen Verlauf der Erkrankung gehofft hatten. Hätten sie dem Versorgungsgedanken Rechnung tragen wollen, wäre indes eine unverzügliche Eheschließung nahe liegend gewesen. Objektiv trat dann allerdings nach Beendigung der vier Zyklen der Chemotherapie eine Verschlechterung im Krankheitszustand des Versicherten ein, als bei dem Versicherten aufgrund eines Tumorprogresses im H K B eine stationäre palliative Strahlentherapie vom 23. Mai bis 16. Juli 2003 vorgenommen wurde. Es war eine stationäre Wiederaufnahme zur Fortführung der Behandlung am 01. September 2003 vorgesehen. Ob die Klägerin und der Versicherte die ungünstige Prognose der Erkrankung tatsächlich nicht gekannt hatten oder wegen ihrer Hoffnung auf einen positiven Verlauf nicht hatten wahr haben wollen, ist insoweit nicht erheblich. Für letzteres spricht allerdings die von der Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2007 berichtete verdrängende Einstellung zu der Krankheit ("Wir beachten sie gar nicht.").

Die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin durch den Bezug von großer Witwenrente lässt sich nur als allenfalls gleichwertiger Zweck der Eheschließung werten und rechtfertigt nicht die Annahme, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente zu begründen. Zwar war im Zeitpunkt des Todes des Versicherten der Zahlbetrag seiner Altersrente wegen Arbeitslosigkeit (1.359,96 EUR) etwa doppelt so hoch wie der Zahlbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit der Klägerin (681,61 EUR). Mit der Gewährung einer großen Witwenrente (Rentenartfaktor 0,55 ab dem dritten Kalendermonat - § 67 Nr. 6 SGB VI) erhöhen sich die laufenden (Renten-) Einkünfte der Klägerin erheblich. Die Klägerin wohnt jedoch lastenfrei in dem Haus auf dem Grundstück in W. Sie ist aufgrund Erbfolge (Testament vom 13. März 1997) nunmehr als alleinige Eigentümerin in das Grundbuch von E Blatt und Blatt eingetragen (siehe Grundbuchmitteilung des Amtsgerichts K W vom 9. November 2004). Zudem hat die Klägerin nach ihrer Aussage weiteres Vermögen von dem Versicherten geerbt. Zusammen mit ihrer eigenen Versichertenrente ist sie damit in der Lage, ihren Lebensstandard auch ohne die große Witwenrente zu sichern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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