L 10 B 664/06 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 974/05 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 664/06 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 04. Mai 2006 geändert. Die Antragsgegnerin hat die dem Antragsteller für das einstweilige Rechtsschutzverfahren entstandenen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin (Ageg) ist zulässig (§§ 172,173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) und zum Teil begründet.

Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG, der im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b SGG entsprechend Anwendung findet (vgl Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 8. Aufl, RdNr 2 zu § 193, RdNr 5 zu § 176), entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren - wie hier durch Rücknahme des Antrages am19. Dezember 2005 - anders als durch Urteil bzw. Beschluss beendet wird. Die Kostenentscheidung ist grundsätzlich unter Berücksich¬tigung des bisherigen Sach- und Streitstandes, d.h. ohne weitere Beweiserhebung allein zum Zweck der Kostenentscheidung, nach billigem Ermessen (BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 2 mwN) zu treffen. Das Beschwerdegericht ist dabei befugt, die Ermessenserwägungen des Vordergerichts in vollem Umfang und nicht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen und seine eigene Ermessenserwägung anstelle derjenigen des Vordergerichts zu setzen ist (vgl. Knittel in: Hennig, SGG, § 193 RdNr 38 mwN, mit Hinweis auch auf die Gegenmeinung). Die Aussage, dass die Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 SGG im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegt, soll nur verdeutlichen, dass die Entscheidung nicht durch zwingende gesetzliche Bestimmungen vorgegeben ist, sondern alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind.

Maßgebliche Gesichtspunkte für die zu treffende Kostenentscheidung ist zum einen der voraussichtliche Prozesserfolg; zum anderen ist erheblich, aus welchem Grunde die Rechtsbehelfe eingelegt wurden (Gesichtspunkt der Veranlassung) und worauf die Erledigung des Verfahrens beruht.

In Anwendung dieser Kriterien ist die Ageg nicht zur vollen Kostentragung zu verpflichten. So ist hinsichtlich der Erfolgsaussicht des am 13. Dezember 2005 beim Sozialgericht Potsdam eingegangenen Antrages des Antragstellers (Ast), die Ageg im Wege der einstweiligen Anordnung zur Auszahlung der mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) iHv 541,89 EUR monatlich ab 01. Oktober 2005 und zur Nachzahlung der Rückstände für den Zeitraum vom 01. Oktober bis zum 31. Dezember 2005 iHv insgesamt 777,08 EUR zu verpflichten, zunächst anzumerken, dass es an der hinreichenden Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes fehlte. Denn neben dem Anordnungsanspruch ist auch der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)). Zwar hatte die Ageg die dem Ast mit Bescheid vom 19. Oktober 2005 bewilligte Leistung im Hinblick auf das laufende Widerspruchsverfahren bzw. das nach §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) laufende Überprüfungsverfahren nur zum Teil zur Auszahlung gebracht und zwar am 04. Oktober 2005 iHv 486,54 EUR (für Oktober 2005) und am 07. Dezember 2005 iHv 364,05 EUR (für Dezember 2005). Eine akute Gefährdung der Existenz des Ast und der mit ihm eine Bedarfsgemeinschaft bildenden Ehefrau war bei dieser Sachlage im Dezember 2005 im Hinblick auf das der Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung stehende monatliche Rentennettoeinkommen der Ehefrau iHv 824,22 EUR noch nicht erkennbar. Zumal dem Ast bei seiner Vorsprache am 07. Dezember 2005 von der Ageg der alsbaldige Abschluss des Widerspruchs- und Überprüfungsverfahrens in Aussicht gestellt und durch Erlass des Änderungsbescheides vom 08. Dezember 2005 und des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2005 umgesetzt wurde.

Gleichwohl spricht hier das Veranlassungsprinzip für eine teilweise Überwälzung der Kostenlast auf die Ageg. So rechtfertigt die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens, mit dem der Ast höhere Leistungen geltend gemacht, oder eines Überprüfungsverfahrens, mit dem die Ageg die bewilligte Höhe der Leistung auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft, nicht die Einstellung der laufenden Zahlungen in voller Höhe. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Ageg dem Ast ein konkretes Datum der Nachzahlung und der Aufnahme der laufenden Leistungen bei seiner Vorsprache am 07. Dezember 2005 nicht genannt und ihn daher im Ungewissen gelassen hatte. Auch konnte die Ageg nicht davon ausgehen, dass der nach Ihrem Vorbringen am Freitag, dem 09. Dezember 2005, zur Post gegebene (ein Beleg dafür ist den Akten nicht zu entnehmen) Änderungsbescheid vom 08. Dezember 2005 und die am gleichen Tag angewiesene Nachzahlung im Hinblick auf das unmittelbar folgende Wochenende dem Ast regulär zugehen bzw dessen Konto frühzeitig gutgeschrieben werde.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved