Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 5197/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 42/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2004 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 17. April 2003.
Der am 1954 geborene Kläger bezog bis zum 16. April 2002 Arbeitslosengeld und danach vom 17. April 2002 bis zum 16. April 2003 Arbeitslosenhilfe, zuletzt unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 34,93 EUR (Ehegatteneinkommen) in Höhe von 82,39 EUR wöchentlich (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 440 EUR).
Am 14. April 2003 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Er legte eine Einkommensbescheinigung seiner bei der C als Krankenschwester beschäftigten Ehefrau vor, wonach diese in den Monaten Januar bis März 2003 ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.929,59 EUR, 1.936,05 EUR bzw. 1.877,22 EUR bezog (Durchschnitt = 1.914,29 EUR monatlich = 441,76 EUR wöchentlich). Nach einer außerdem vorgelegten Ausbildungsbescheinigung für seinen Sohn M, geb. 1983, betrug dessen Ausbildungsvergütung 296,10 EUR monatlich brutto. Mit Bescheid vom 29. April 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe ab. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sei das Ehegatteneinkommen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung sämtlicher abzusetzender Beträge übersteige das anzurechnende Nettoeinkommen der Ehefrau (441,76 EUR wöchentlich; bereinigt: 146,90 EUR wöchentlich) den Leistungssatz von 114,59 EUR wöchentlich (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 425 EUR), der dem Kläger ohne die Anrechnung als Arbeitslosenhilfe zugestanden hätte. Mangels Bedürftigkeit bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die vom Einkommen der Ehefrau abzusetzenden Versicherungsbeiträge sowie Werbungskosten seien unzutreffend berechnet. Zu berücksichtigen seien die Lebensversicherungen der Ehefrau, die Unfallversicherung der Ehefrau, die Unfallversicherung des Klägers, die Haftpflichtversicherung, die Hausratsversicherung, die PKW-Haftpflichtversiche-rung sowie eine zusätzliche Krankenversicherung. Der Gesamtbetrag dieser Versicherungskosten betrage jährlich 2.048,95 EUR. Zu berücksichtigen seien auch die Fahrtkosten der Ehefrau für den Weg zur Arbeit.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Auch nach erneuter Berechnung bleibe es dabei, dass Bedürftigkeit nicht bestehe und das anzurechnende Ehegatteneinkommen den zu erwartenden Leistungssatz übersteige. Vom Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von 441,76 EUR wöchentlich seien folgende Beträge abzusetzen:
- dreiprozentige Versicherungspauschale in Höhe von 19,19 EUR wöchentlich; - Fahrtkosten der Ehefrau in Höhe von 9,21 EUR wöchentlich; - hypothetische Arbeitslosenhilfe der Ehefrau in Höhe von 251,93 EUR wöchentlich; - Unterhaltsfreibetrag für den Sohn M in Höhe von 23,75 EUR wöchentlich.
Damit verbleibe ein Anrechnungsbetrag von 137,68 EUR wöchentlich, der den zu erwartenden Leistungssatz an Arbeitslosenhilfe (114,59 EUR wöchentlich) übersteige.
Hiergegen richtet sich die am 9. Oktober 2003 erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, die Berechnung der Versicherungskosten mit dem angesetzten Pauschalbetrag von 3 Prozent sei rechtswidrig. Die entsprechende Regelung in der Arbeitslosenhilfeverordnung verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz, anzusetzen seien die tatsächlichen Versicherungsaufwendungen. Diese betrügen 170,75 EUR monatlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe, weil er nicht bedürftig sei. Das anzurechnende Einkommen seiner Ehefrau übersteige den ihm zustehenden Arbeitslosenhilfesatz. Den Anrechnungsbetrag habe die Beklagte zutreffend mit 137,67 EUR wöchentlich berechnet. Weil dem Kläger nur ein Leistungssatz in Höhe von 114,59 EUR zugestanden hätte, sei er nicht bedürftig. Die Versicherungsbeiträge seien gemäß § 3 Abs. 2 der Arbeitslosenhilfeverordnung als Pauschbetrag in Höhe von 3 % des Einkommens einzusetzen, weil der Kläger und seine Ehefrau in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig seien.
Gegen den ihm am 2. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Februar 2005 Berufung eingelegt. Er meint, das anrechenbare Einkommen seiner berufstätigen Ehefrau übersteige nicht den ihm zustehenden Arbeitslosenhilfesatz. Die tatsächlichen Versicherungsaufwendungen lägen über drei Prozent des Einkommens seiner Ehefrau. An Versicherungsbeiträgen seien insgesamt 30,87 EUR wöchentlich in Abzug zu bringen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger folgende Unterlagen zum Nachweis von Versicherungsaufwendungen im Jahre 2003 eingereicht:
Unfallversicherung, Jahresbeitrag 432,36 EUR; Kraftfahrtversicherung, Jahresbeitrag 620,13 EUR; Lebensversicherungen, Jahresbeitrag 156,- EUR; private Rechtsschutzversicherung, Jahresbeitrag 192,05 EUR; Zusatzkrankenversicherung, Jahresbeitrag 204,60 EUR.
Außerdem seien die Reinigungskosten für die Berufskleidung seiner Ehefrau in Höhe von wöchentlich 6,92 EUR in Abzug zu bringen. Fraglich sei überdies, ob das anzusetzende Nettoeinkommen der Ehefrau tatsächlich 441,76 EUR betrage, denn der Einkommenssteuerbescheid für 2003 ergebe ein Bruttoeinkommen in Höhe von lediglich 2003,17 EUR.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 17. April 2003 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unzulässig. Der Kläger hat hierauf entgegnet, aufgrund der vom Sozialgericht erteilten Rechtmittelbelehrung sei die Berufung zulässig.
Im Übrigen meint die Beklagte, auch nach erneuter Berechnung übersteige das anrechenbare Ehegatteneinkommen den vom Kläger zu beanspruchenden Leistungssatz der Arbeitslosenhilfe. Das anzurechnende Einkommen betrage nämlich 126,95 EUR. Auszugehen sei dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von wöchentlich 441,76 EUR. Abzuziehen sei ein Freibetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III (hypothetische Arbeitslosenhilfe) in Höhe von 251,93 EUR. Der Erhöhungsbetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III betrage 28,59 EUR. An Werbungskosten (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) seien 11,05 EUR wöchentlich für die Fahrtkosten der Ehefrau anzusetzen. Als angemessene Beiträge zu privaten Versicherungen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III seien lediglich die Unfallversicherung, die Kraftfahrzeugversicherung sowie die Lebensversicherungen zu berücksichtigen (Anrechnungsbetrag: insgesamt 23,24 EUR). Die Rechtschutzversicherung und die private Krankenzusatzversicherung seien nicht berücksichtigungsfähig (streitiger Betrag: 7,62 EUR wöchentlich). Die Reinigungskosten der Ehefrau könnten nicht berücksichtigt werden, solange sie nicht nachgewiesen seien (streitiger Betrag: 6,92 EUR wöchentlich).
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten (Kundennummer:) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unzulässig. Nach § 144 Abs. 1 SGG ist eine Berufung zulassungsbedürftig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die – wie hier – eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR nicht übersteigt (Satz 1 Nr. 1); das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Die letztgenannten Voraussetzungen aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG sind nicht gegeben, denn nach § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. wurde Arbeitslosenhilfe jeweils für längstens ein Jahr bewilligt; nach Satz 2 waren die Voraussetzungen des Anspruchs vor einer erneuten Bewilligung zu prüfen. Auch angesichts von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung aber nicht zulässig, denn der Beschwerdewert übersteigt nicht 500 EUR. Bei der Frage, ob im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG "der Wert des Beschwerdegegenstandes ... 500 Euro ... nicht übersteigt", ist lediglich auf die Leistung abzustellen, zu deren Zahlung verurteilt werden soll, bzw., wie im vorliegenden Fall, die Leistung, die dem Kläger bei Aufhebung des angefochtenen Bescheides allenfalls zustehen kann (Bundessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11; Beschluss vom 31. Januar 2006, B 11a AL 177/05 B, SozR 4-1500 § 144 Nr. 3; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 15 zu § 144). Diese Leistung liegt selbst bei einem angenommenen Bewilligungszeitraum von einem Jahr deutlich unter 500 EUR.
Selbst unter vollständiger Berücksichtigung der klägerischen Einwände in Bezug auf private Versicherungen und Absetzbarkeit von Reinigungskosten ergäbe sich nämlich (nur) ein anrechenbares Ehegatteneinkommen von 112,40 EUR wöchentlich, so dass bei einem Leistungssatz von 114,59 EUR wöchentlich eine zu beanspruchende Leistung von 2,19 EUR wöchentlich verbliebe. Hochgerechnet auf 53 Wochen ergäbe sich eine jährlich zu beanspruchende Leistung von nur 116,07 EUR.
Im Einzelnen gilt Folgendes: Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ist (eigentlich: war) u.a. die Bedürftigkeit des Arbeitslosen (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Zu berücksichtigendes Einkommen ist auch das Einkommen des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt (§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III).
Als monatliches Nettoeinkommen der Ehefrau des Klägers legt der Senat (wie die Beklagte) einen Wert von 1.914,29 EUR zugrunde, der auf den arbeitgeberseitigen Angaben für die Monate Januar bis März 2003 beruht. Nichts anderes ergibt sich aus dem Steuerbescheid für 2003, der ein Jahresbruttoeinkommen der Ehefrau von 33.061 EUR ausweist, das den Angaben der Arbeitgeberin gegenüber der Beklagten entspricht. Warum der Kläger nur auf das zu versteuernde Bruttoeinkommen abstellen will, ist nicht nachvollziehbar. Rechnerisch ergibt sich jedenfalls ein wöchentliches Nettoeinkommen der Ehefrau von 441,76 EUR.
Auf der anderen Seite hatte der Kläger eine Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 114,59 EUR zu erwarten (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 425 EUR), was von ihm auch nicht bestritten wird.
Vom Ehegatteneinkommen sind bei einer Betrachtung im Sinne des klägerischen Vorbringens höchstens folgende Abzüge vorzunehmen:
Freibetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III (hypothetische Arbeitslosenhilfe) in Höhe von 251,93 EUR (Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 2.771,39 EUR monatlich, Bemessungsentgelt von 640 EUR, Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz);
Erhöhungsbetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III für Unterhaltsleistungen an den Sohn in Höhe von 28,59 EUR (Unterhaltsanspruch nach Düsseldorfer Tabelle i.H.v. 420 EUR abzüglich eigenen Verdienstes i.H.v. 296,10 EUR, ergibt Unterhalt i.H.v. 123,90 EUR monatlich bzw. 28,59 EUR wöchentlich);
Notwendige Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III i.H.v. 11,05 EUR wöchentlich für die Fahrtkosten der Ehefrau und i.H.v. 6,92 EUR wöchentlich für Reinigungskosten, ergibt zusammen 17,97 EUR;
Beiträge zu privaten Versicherungen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III i.H.v. 30,87 EUR für Unfallversicherung, Kraftfahrzeugversicherung, Lebensversicherungen, Rechtschutzversicherung und private Krankenzusatzversicherung.
Im Gesamtsaldo wären danach vom Ehegatteneinkommen (441,76 EUR) höchstens und unter Berücksichtigung aller vom Kläger beanspruchten Berechnungselemente 329,36 EUR abzusetzen, so dass jedenfalls anrechenbares Einkommen in Höhe von 112,40 EUR verbliebe, woraus sich (gemessen am wöchentlichen Leistungssatz von 114,59 EUR) der Leistungssatz von wöchentlich 2,19 EUR ergäbe. Nur diese Leistung könnte dem Kläger allenfalls zustehen, wobei der Senat ausdrücklich offen lässt, ob die bislang nicht nachgewiesenen Reinigungskosten und Rechtsschutz- sowie private Krankenzusatzversicherung überhaupt in die Berechnung einfließen dürfen.
Die Berufung ist nach alledem unzulässig, was die Beklagte schon im Schriftsatz vom 5. Juli 2005 moniert hat. Trotz wiederholter Aufforderung hat der Kläger sich nicht inhaltlich zur Frage der Statthaftigkeit der Berufung und insbesondere zur Frage des Beschwerdewerts geäußert. Soweit im Schriftsatz vom 19. Juni 2006 angeführt wird, allein aus der Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, die auf die Berufung hinweist, ergebe sich die Statthaftigkeit der Berufung, geht er fehl. Dass die Rechtsmittelbelehrung die Berufung erwähnt, kann nämlich grundsätzlich nicht als Zulassung der Berufung gewertet werden (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 40 zu § 144 SGG mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Auch im Übrigen enthält der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2004 keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung.
Die Berufung war danach als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG); dass sie sich gegen einen Gerichtsbescheid richtet, ändert hieran nichts (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 6 zu § 158 SGG).
In eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG kann ein als Berufung erhobenes Rechtsmittel nicht umgedeutet werden (Bundessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 17. April 2003.
Der am 1954 geborene Kläger bezog bis zum 16. April 2002 Arbeitslosengeld und danach vom 17. April 2002 bis zum 16. April 2003 Arbeitslosenhilfe, zuletzt unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Anrechnungsbetrages von 34,93 EUR (Ehegatteneinkommen) in Höhe von 82,39 EUR wöchentlich (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 440 EUR).
Am 14. April 2003 beantragte der Kläger die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe. Er legte eine Einkommensbescheinigung seiner bei der C als Krankenschwester beschäftigten Ehefrau vor, wonach diese in den Monaten Januar bis März 2003 ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.929,59 EUR, 1.936,05 EUR bzw. 1.877,22 EUR bezog (Durchschnitt = 1.914,29 EUR monatlich = 441,76 EUR wöchentlich). Nach einer außerdem vorgelegten Ausbildungsbescheinigung für seinen Sohn M, geb. 1983, betrug dessen Ausbildungsvergütung 296,10 EUR monatlich brutto. Mit Bescheid vom 29. April 2003 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe ab. Im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sei das Ehegatteneinkommen zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung sämtlicher abzusetzender Beträge übersteige das anzurechnende Nettoeinkommen der Ehefrau (441,76 EUR wöchentlich; bereinigt: 146,90 EUR wöchentlich) den Leistungssatz von 114,59 EUR wöchentlich (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 425 EUR), der dem Kläger ohne die Anrechnung als Arbeitslosenhilfe zugestanden hätte. Mangels Bedürftigkeit bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die vom Einkommen der Ehefrau abzusetzenden Versicherungsbeiträge sowie Werbungskosten seien unzutreffend berechnet. Zu berücksichtigen seien die Lebensversicherungen der Ehefrau, die Unfallversicherung der Ehefrau, die Unfallversicherung des Klägers, die Haftpflichtversicherung, die Hausratsversicherung, die PKW-Haftpflichtversiche-rung sowie eine zusätzliche Krankenversicherung. Der Gesamtbetrag dieser Versicherungskosten betrage jährlich 2.048,95 EUR. Zu berücksichtigen seien auch die Fahrtkosten der Ehefrau für den Weg zur Arbeit.
Mit Bescheid vom 2. Oktober 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Auch nach erneuter Berechnung bleibe es dabei, dass Bedürftigkeit nicht bestehe und das anzurechnende Ehegatteneinkommen den zu erwartenden Leistungssatz übersteige. Vom Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von 441,76 EUR wöchentlich seien folgende Beträge abzusetzen:
- dreiprozentige Versicherungspauschale in Höhe von 19,19 EUR wöchentlich; - Fahrtkosten der Ehefrau in Höhe von 9,21 EUR wöchentlich; - hypothetische Arbeitslosenhilfe der Ehefrau in Höhe von 251,93 EUR wöchentlich; - Unterhaltsfreibetrag für den Sohn M in Höhe von 23,75 EUR wöchentlich.
Damit verbleibe ein Anrechnungsbetrag von 137,68 EUR wöchentlich, der den zu erwartenden Leistungssatz an Arbeitslosenhilfe (114,59 EUR wöchentlich) übersteige.
Hiergegen richtet sich die am 9. Oktober 2003 erhobene Klage. Zur Begründung hat der Kläger im Wesentlichen ausgeführt, die Berechnung der Versicherungskosten mit dem angesetzten Pauschalbetrag von 3 Prozent sei rechtswidrig. Die entsprechende Regelung in der Arbeitslosenhilfeverordnung verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz, anzusetzen seien die tatsächlichen Versicherungsaufwendungen. Diese betrügen 170,75 EUR monatlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 22. November 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe, weil er nicht bedürftig sei. Das anzurechnende Einkommen seiner Ehefrau übersteige den ihm zustehenden Arbeitslosenhilfesatz. Den Anrechnungsbetrag habe die Beklagte zutreffend mit 137,67 EUR wöchentlich berechnet. Weil dem Kläger nur ein Leistungssatz in Höhe von 114,59 EUR zugestanden hätte, sei er nicht bedürftig. Die Versicherungsbeiträge seien gemäß § 3 Abs. 2 der Arbeitslosenhilfeverordnung als Pauschbetrag in Höhe von 3 % des Einkommens einzusetzen, weil der Kläger und seine Ehefrau in der gesetzlichen Sozialversicherung versicherungspflichtig seien.
Gegen den ihm am 2. Februar 2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 3. Februar 2005 Berufung eingelegt. Er meint, das anrechenbare Einkommen seiner berufstätigen Ehefrau übersteige nicht den ihm zustehenden Arbeitslosenhilfesatz. Die tatsächlichen Versicherungsaufwendungen lägen über drei Prozent des Einkommens seiner Ehefrau. An Versicherungsbeiträgen seien insgesamt 30,87 EUR wöchentlich in Abzug zu bringen. In diesem Zusammenhang hat der Kläger folgende Unterlagen zum Nachweis von Versicherungsaufwendungen im Jahre 2003 eingereicht:
Unfallversicherung, Jahresbeitrag 432,36 EUR; Kraftfahrtversicherung, Jahresbeitrag 620,13 EUR; Lebensversicherungen, Jahresbeitrag 156,- EUR; private Rechtsschutzversicherung, Jahresbeitrag 192,05 EUR; Zusatzkrankenversicherung, Jahresbeitrag 204,60 EUR.
Außerdem seien die Reinigungskosten für die Berufskleidung seiner Ehefrau in Höhe von wöchentlich 6,92 EUR in Abzug zu bringen. Fraglich sei überdies, ob das anzusetzende Nettoeinkommen der Ehefrau tatsächlich 441,76 EUR betrage, denn der Einkommenssteuerbescheid für 2003 ergebe ein Bruttoeinkommen in Höhe von lediglich 2003,17 EUR.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. April 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 17. April 2003 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unzulässig. Der Kläger hat hierauf entgegnet, aufgrund der vom Sozialgericht erteilten Rechtmittelbelehrung sei die Berufung zulässig.
Im Übrigen meint die Beklagte, auch nach erneuter Berechnung übersteige das anrechenbare Ehegatteneinkommen den vom Kläger zu beanspruchenden Leistungssatz der Arbeitslosenhilfe. Das anzurechnende Einkommen betrage nämlich 126,95 EUR. Auszugehen sei dabei von einem monatlichen Nettoeinkommen der Ehefrau in Höhe von wöchentlich 441,76 EUR. Abzuziehen sei ein Freibetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III (hypothetische Arbeitslosenhilfe) in Höhe von 251,93 EUR. Der Erhöhungsbetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III betrage 28,59 EUR. An Werbungskosten (§ 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III) seien 11,05 EUR wöchentlich für die Fahrtkosten der Ehefrau anzusetzen. Als angemessene Beiträge zu privaten Versicherungen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III seien lediglich die Unfallversicherung, die Kraftfahrzeugversicherung sowie die Lebensversicherungen zu berücksichtigen (Anrechnungsbetrag: insgesamt 23,24 EUR). Die Rechtschutzversicherung und die private Krankenzusatzversicherung seien nicht berücksichtigungsfähig (streitiger Betrag: 7,62 EUR wöchentlich). Die Reinigungskosten der Ehefrau könnten nicht berücksichtigt werden, solange sie nicht nachgewiesen seien (streitiger Betrag: 6,92 EUR wöchentlich).
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten (Kundennummer:) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist unzulässig. Nach § 144 Abs. 1 SGG ist eine Berufung zulassungsbedürftig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die – wie hier – eine Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 500 EUR nicht übersteigt (Satz 1 Nr. 1); das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (Satz 2). Die letztgenannten Voraussetzungen aus § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG sind nicht gegeben, denn nach § 190 Abs. 3 Satz 1 SGB III a.F. wurde Arbeitslosenhilfe jeweils für längstens ein Jahr bewilligt; nach Satz 2 waren die Voraussetzungen des Anspruchs vor einer erneuten Bewilligung zu prüfen. Auch angesichts von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung aber nicht zulässig, denn der Beschwerdewert übersteigt nicht 500 EUR. Bei der Frage, ob im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG "der Wert des Beschwerdegegenstandes ... 500 Euro ... nicht übersteigt", ist lediglich auf die Leistung abzustellen, zu deren Zahlung verurteilt werden soll, bzw., wie im vorliegenden Fall, die Leistung, die dem Kläger bei Aufhebung des angefochtenen Bescheides allenfalls zustehen kann (Bundessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11; Beschluss vom 31. Januar 2006, B 11a AL 177/05 B, SozR 4-1500 § 144 Nr. 3; Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl. 2005, Rdnr. 15 zu § 144). Diese Leistung liegt selbst bei einem angenommenen Bewilligungszeitraum von einem Jahr deutlich unter 500 EUR.
Selbst unter vollständiger Berücksichtigung der klägerischen Einwände in Bezug auf private Versicherungen und Absetzbarkeit von Reinigungskosten ergäbe sich nämlich (nur) ein anrechenbares Ehegatteneinkommen von 112,40 EUR wöchentlich, so dass bei einem Leistungssatz von 114,59 EUR wöchentlich eine zu beanspruchende Leistung von 2,19 EUR wöchentlich verbliebe. Hochgerechnet auf 53 Wochen ergäbe sich eine jährlich zu beanspruchende Leistung von nur 116,07 EUR.
Im Einzelnen gilt Folgendes: Anspruchsvoraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe ist (eigentlich: war) u.a. die Bedürftigkeit des Arbeitslosen (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 SGB III). Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Arbeitslosenhilfe nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Zu berücksichtigendes Einkommen ist auch das Einkommen des nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten, soweit es den Freibetrag übersteigt (§ 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III).
Als monatliches Nettoeinkommen der Ehefrau des Klägers legt der Senat (wie die Beklagte) einen Wert von 1.914,29 EUR zugrunde, der auf den arbeitgeberseitigen Angaben für die Monate Januar bis März 2003 beruht. Nichts anderes ergibt sich aus dem Steuerbescheid für 2003, der ein Jahresbruttoeinkommen der Ehefrau von 33.061 EUR ausweist, das den Angaben der Arbeitgeberin gegenüber der Beklagten entspricht. Warum der Kläger nur auf das zu versteuernde Bruttoeinkommen abstellen will, ist nicht nachvollziehbar. Rechnerisch ergibt sich jedenfalls ein wöchentliches Nettoeinkommen der Ehefrau von 441,76 EUR.
Auf der anderen Seite hatte der Kläger eine Arbeitslosenhilfe von wöchentlich 114,59 EUR zu erwarten (Leistungsgruppe D, erhöhter Leistungssatz, Bemessungsentgelt 425 EUR), was von ihm auch nicht bestritten wird.
Vom Ehegatteneinkommen sind bei einer Betrachtung im Sinne des klägerischen Vorbringens höchstens folgende Abzüge vorzunehmen:
Freibetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 2 SGB III (hypothetische Arbeitslosenhilfe) in Höhe von 251,93 EUR (Bruttoarbeitsentgelt i.H.v. 2.771,39 EUR monatlich, Bemessungsentgelt von 640 EUR, Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz);
Erhöhungsbetrag im Sinne von § 194 Abs. 1 Satz 3 SGB III für Unterhaltsleistungen an den Sohn in Höhe von 28,59 EUR (Unterhaltsanspruch nach Düsseldorfer Tabelle i.H.v. 420 EUR abzüglich eigenen Verdienstes i.H.v. 296,10 EUR, ergibt Unterhalt i.H.v. 123,90 EUR monatlich bzw. 28,59 EUR wöchentlich);
Notwendige Aufwendungen für den Erwerb, zur Sicherung und Erhaltung der Einnahmen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III i.H.v. 11,05 EUR wöchentlich für die Fahrtkosten der Ehefrau und i.H.v. 6,92 EUR wöchentlich für Reinigungskosten, ergibt zusammen 17,97 EUR;
Beiträge zu privaten Versicherungen im Sinne von § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III i.H.v. 30,87 EUR für Unfallversicherung, Kraftfahrzeugversicherung, Lebensversicherungen, Rechtschutzversicherung und private Krankenzusatzversicherung.
Im Gesamtsaldo wären danach vom Ehegatteneinkommen (441,76 EUR) höchstens und unter Berücksichtigung aller vom Kläger beanspruchten Berechnungselemente 329,36 EUR abzusetzen, so dass jedenfalls anrechenbares Einkommen in Höhe von 112,40 EUR verbliebe, woraus sich (gemessen am wöchentlichen Leistungssatz von 114,59 EUR) der Leistungssatz von wöchentlich 2,19 EUR ergäbe. Nur diese Leistung könnte dem Kläger allenfalls zustehen, wobei der Senat ausdrücklich offen lässt, ob die bislang nicht nachgewiesenen Reinigungskosten und Rechtsschutz- sowie private Krankenzusatzversicherung überhaupt in die Berechnung einfließen dürfen.
Die Berufung ist nach alledem unzulässig, was die Beklagte schon im Schriftsatz vom 5. Juli 2005 moniert hat. Trotz wiederholter Aufforderung hat der Kläger sich nicht inhaltlich zur Frage der Statthaftigkeit der Berufung und insbesondere zur Frage des Beschwerdewerts geäußert. Soweit im Schriftsatz vom 19. Juni 2006 angeführt wird, allein aus der Rechtsmittelbelehrung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts, die auf die Berufung hinweist, ergebe sich die Statthaftigkeit der Berufung, geht er fehl. Dass die Rechtsmittelbelehrung die Berufung erwähnt, kann nämlich grundsätzlich nicht als Zulassung der Berufung gewertet werden (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 40 zu § 144 SGG mit Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts). Auch im Übrigen enthält der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 22. November 2004 keine Entscheidung über die Zulassung der Berufung.
Die Berufung war danach als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG); dass sie sich gegen einen Gerichtsbescheid richtet, ändert hieran nichts (Meyer-Ladewig, a.a.O., Rdnr. 6 zu § 158 SGG).
In eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 145 SGG kann ein als Berufung erhobenes Rechtsmittel nicht umgedeutet werden (Bundessozialgericht, Beschluss vom 6. Februar 1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
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