L 8 B 821/06 R ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 191/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 B 821/06 R ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 13. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht (SG) hat mit dem angefochtenen Beschluss (auf den wegen des Sachverhaltes und ergänzend auf die vorliegenden Verwaltungsakten verwiesen wird) zu Recht den Antrag abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (der Widerspruch hatte aufschiebende Wirkung und dem gemäß nahm die Beklagte die ab 01. Februar 2006 eingestellte Zahlung zunächst wieder auf) anzuordnen.

Eine solche Anordnung gemäß § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist zur (vorläufigen) Weiterzahlung der Rente erforderlich, da die Anfechtungsklage (im Gegensatz zum Widerspruch) keine aufschiebende Wirkung im Falle der hier vorliegenden Entziehung der Rente hat (§ 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG), wie das SG zutreffend dargelegt hat.

Die Begründetheit des Antrags orientiert sich dabei an der Erfolgsaussicht der Klage, darüber hinaus ist gegebenenfalls auch eine Interessenabwägung vorzunehmen. Spricht also nicht bereits die Erfolgsaussicht der Klage für eine Stattgabe, sind bei der Entscheidung unter Umständen eine Vielzahl von Gesichtspunkten zu beachten (vgl. zu Vorstehendem Keller in Meyer-Ladewig u. a., Sozialgerichtsgesetz, Rd.-Ziff. 12 a ff. zu § 86 b).

Dass die Klage unzweifelhaft oder zumindest voraussichtlich Erfolg haben wird, ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht anzunehmen. Mit der Beklagten und dem SG ist zumindest bei summarischer Prüfung festzustellen, dass die von § 66 Abs. 2 und 3 SGB I geforderten Voraussetzungen einer Entziehung der Rente gegeben sind. Der Kläger ist bereits im Vorfeld mehrfach und zuletzt erneut - und konkret - mit Schreiben vom 22. November 2005 auf die Rechtsfolgen des § 66 SGB I und die vorgesehene Entziehung hingewiesen worden. Insbesondere ist auch anzunehmen, dass durch die Weigerung einer Mitwirkung (nach Maßgabe der §§ 62-65 – hier § 64 SGB I) die "Fähigkeit zur selbstständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt wird". Der Kläger bedarf angesichts der deutlichen gesundheitlich bedingten Einschränkung seines Leistungsvermögens dringend einer beruflichen Umorientierung, um wieder eine Chance auf Einmündung in den Arbeitsmarkt zu haben. Denn allein seine bisherige berufliche Qualifikation ist – jedenfalls ohne Zusatzqualifikation – unter Beachtung seines Gesundheitszustandes nahezu wertlos, wie an seiner fortdauernden Arbeitslosigkeit erkennbar wird. Er steht insofern in Konkurrenz zu anderen und gesünderen ungelernten Arbeitnehmern. Angesichts des noch relativ geringen Alters des Klägers (Jahrgang 1965) und insbesondere der sich belebenden Konjunktur ist es daher ohne Weiters nachvollziehbar, davon auszugehen, dass sich seine Bewerbersituation und damit seine Möglichkeit der (Wieder-) Einmündung in den Arbeitsmarkt mit der Erlangung einer zusätzlichen Qualifikation günstig beeinflussen lassen wird. Soweit der Kläger aufgrund seiner bisherigen Berufstätigkeit und seiner Fähigkeiten die Maßnahme für ungeeignet hält, kann dem nach dem Ergebnis der Maßnahme der Berufsfindung nicht gefolgt werden. Danach wird der Kläger durchaus für leistungsfähig für eine entsprechende Maßnahme gehalten, allerdings andererseits die Vorschaltung eines Rehabilitationsvorbereitungslehrganges als notwendig angesehen. Insofern stellt der Ablauf des Rehabilitationsvorbereitungslehrganges einen geeigneten Zeitpunkt dar, um den Bedenken des Klägers nachzugehen und die bisherige Einschätzung zu überprüfen. Soweit der Kläger die Zumutbarkeit der angesprochenen Maßnahme im Hinblick auf den ihm zustehenden Berufsschutz als Facharbeiter verneint, beachtet er nicht, dass die Maßnahme auf eine Beschäftigung im Bereich der Angelernten und damit eine einem Facharbeiter sozial zumutbare Beschäftigung abzielt, wobei es unerheblich ist, dass es sich dabei um eine Tätigkeit im "unteren Bereich" der Angelernten handeln würde. Nach dem bisherigen Verhalten des Klägers - der etwa am 20. Juni 2005 gegenüber der Beklagten noch erklärt hatte, nach wie vor an einer Praxisqualifizierung im kaufmännischen Bereich interessiert zu sein - liegt die Vermutung nahe, dass dieses vorrangig durch die Befürchtung geprägt ist, den ihm zugestandenen Rentenanspruch wieder zu verlieren.

Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers einen offenen Ausgang des Klageverfahrens annehmen wollte, ergäben sich bei der dann vorzunehmenden Interessenabwägung zugunsten des Klägers keine durchgreifenden Gesichtspunkte, die ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache als unbillige Härte erscheinen lassen könnte oder die wegen der (wirtschaftlichen) Folgen ein Abwarten in der Hauptsache als nicht hinnehmbar erscheinen lassen könnten. Denn dem Kläger steht eine nur relativ geringe Rente zu, die bis zum 31. Dezember 2004 zur ergänzenden Gewährung von Arbeitslosenhilfe und ab 01. Januar 2005 von Arbeitslosengeld (ALG II) geführt hat. Insofern ergibt sich durch den jedenfalls zunächst vorübergehenden Bezug ausschließlich von Arbeitslosengeld (ALG II) kein wesentlicher nicht mehr hinnehmbarer Nachteil.

Im Gegenteil entgeht er damit dem Problem, im Falle des Unterliegens möglicherweise einem Rückforderungsanspruch der Beklagten ausgesetzt zu sein. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch der Auffassung, dass in Fällen wie dem vorliegendem nach dem Willen des Gesetzgebers der Verwaltungsakt als Regel zu vollziehen und die aufschiebende Wirkung nur in Ausnahmefällen anzuordnen sei (vgl. Keller aaO Rd.-Nr. 12a). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Verfahrens.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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