L 12 RA 32/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 6120/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 32/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Mai 2002 sowie der Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2000 und des Bescheides vom 10. März 2004 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 31. Dezember 1973 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu einem Drittel zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung weiterer Zusatzversorgungszeiten.

Der 1940 geborene Kläger gehörte in der Zeit vom 23. Juli 1959 bis zum 1. März 1962 als Berufssoldat der Nationalen Volksarmee der DDR an. Nach Besuch der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik W bestand er am 22. Juni 1968 die staatliche Ingenieurprüfung und erwarb damit das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ab 1. Juli 1968 war er als Ingenieur beim VEB B beschäftigt, dessen Rechtsnachfolger zum 31. März 1969 der VEB Kombinat R wurde. Für Beschäftigungszeiten ab dem 1. Januar 1971 ist im Sozialversicherungsausweis des Klägers als Tätigkeit "EDV Ingenieur" eingetragen. Nachdem zum 1. Januar 1974 der VEB Kombinat R in neun rechtlich selbständige volkseigene Betriebe, die als Kombinatsbetriebe mit dem VEB Kombinat R verbunden blieben, aufgegliedert worden war, setzte der Kläger seine Beschäftigung ab dem 1. Januar 1974 bei dem neu entstandenen VEB R B fort. Ab 1. Januar 1981 ist in seinem Sozialversicherungsausweis als Tätigkeit "Kundendiensttechniker" eingetragen. Der Kläger verließ am 28. Februar 1983 mit Überleitungsvertrag den VEB R B und wechselte zum VEB K, wo er als Wartungsingenieur beschäftigt wurde. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung zahlte er nicht.

Am 15. Juli 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung des Zeitraums vom 1. Juli 1968 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz. Durch Bescheid vom 22. Juni 2000 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 1. März 1983 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz fest und wies die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte aus. Für die Zeit vom 1. Juli 1968 bis 28. Februar 1983 lägen die Voraussetzungen für die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht vor, da der VEB R B nicht in den Geltungsbereich des Zusatzversorgungssystems der technischen Intelligenz gehöre.

Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er sich gegen die Ablehnung der Zeit vom 1. Juli 1968 bis 28. Februar 1983 wandte. Zum Zeitpunkt seiner Einstellung beim VEB B B sei für ihn ein Tarifvertrag maßgebend gewesen, der eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen habe. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. November 2000). Der VEB R B gehöre als Handels- und Versorgungsbetrieb nicht in den Geltungsbereich der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950.

Mit der am 29. Dezember 2000 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Anerkennung weiterer Zusatzversorgungszeiten. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 15. Mai 2002). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Kläger nicht dem Personenkreis angehöre, der nach den einschlägigen Regelungen der DDR einen Rechtsanspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der technischen Intelligenz hatte. Beim VEB R B habe es sich nicht um einen Produktionsbetrieb gehandelt, da er Vertriebsaufgaben und keine originären Produktionsaufgaben erfüllt habe. Das gleiche gelte für den VEB B.

Gegen das ihm am 19. Juni 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 13. Juli 2002. Der Begriff des Produktionsbetriebes sei bei VEBs, die in Kombinaten zusammengeschlossen seien, anhand der vom Kombinat insgesamt verfolgten Ziele zu verstehen, so dass der übergeordnete Produktionszweck eines Kombinates auf die Mitglieds-Betriebe "durchschlage". Auch habe der VEB R B seit Ende der 70er Jahre Produktionsaufgaben wahrgenommen. Das Kombinat R habe zu einem Großteil den Bedarf der ehemaligen DDR an Büromaschinen, Registrierkassen, Vervielfältigungsgeräten, Kleinrechnern und Geräten von EDV-Anlagen abgedeckt. Es sei dem Industrieministerium für Elektrotechnik und Elektronik zugeordnet gewesen. Für die ehemaligen Arbeitskollegen des Klägers sei wenigstens die Zeit bis zur rechtlichen Verselbstständigung des VEB R B am 1. Januar 1974 als Zusatzversorgungszeit anerkannt worden. Eine Ungleichbehandlung der im Kombinat R beschäftigten Ingenieure je nach Betriebsteil des Kombinats sei Willkür. Nach den Aussagen von in anderen Gerichtsverfahren gehörten Zeugen habe der VEB R B aus einzelnen Komponenten arbeitsfähige Computeranlagen zusammengefügt. Auch seien bestimmte Komponenten, zum Beispiel Kabelbäume und Bildverarbeitungssysteme, selbst hergestellt worden. Kleinere Rechneranlagen seien im Kleinrechnerprogramm konfiguriert und zum Absatz bereitgestellt, ebenso Bildverarbeitungssysteme montiert und in Betrieb gesetzt worden. Die Ausführung des Zusammenbaus der Einzelkomponenten sei als Produktion anzusehen. Ein Vertriebsunternehmen wäre nämlich darauf beschränkt gewesen, bereits produzierte Produkte lediglich auszuliefern und Kunden in den Gebrauch einzuweisen.

Der Kläger beantragt – unter Klagerücknahme im Übrigen -, das Urteil des Sozialgerichts vom 15. Mai 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2000 und des Bescheides vom 10. März 2004 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 1. März 1971 bis zum 28. Februar 1983 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG) sowie die in dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Es komme nicht auf die Aufgaben des VEB Kombinats R, sondern auf die des Beschäftigungsbetriebes des Klägers an. Versorgungsrechtlich sei die Zugehörigkeit zu einem Produktionsbetrieb entscheidend. Das Anstellungsverhältnis des Klägers habe nicht zum VEB Kombinat R, sondern zum VEB R B bestanden. Da es sich bei letzterem um eine selbstständige rechtliche Einheit handele, scheide eine Verletzung des Art. 3 des Grundgesetzes durch eine abweichende Behandlung von in anderen kombinatsangehörigen Betrieben beschäftigten Ingenieuren aus. Für die Anerkennung der Beschäftigungszeit vom 1. Juli 1968 bis 31. Dezember 1973 fehle es zwar nicht an der betrieblichen Voraussetzung, deren Vorliegen anerkannt werde. Der Kläger erfülle aber nicht die sachliche Voraussetzung, weil er trotz Führung der Berufsbezeichnung "Ingenieur" nicht aktiv den Produktionsprozess gefördert habe, weder in der Forschung noch in der Produktion. Der Kläger sei als Wartungs- und Kundendienstingenieur tätig gewesen.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die den Kläger betreffende Versorgungs- und Rentenakte der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat zum Teil Erfolg. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage auch insoweit abgewiesen, als der Kläger die Anerkennung der Zeit vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 als Zusatzversorgungszeit begehrt. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind insoweit rechtswidrig.

Der Kläger hat nach den §§ 5, 8 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) Anspruch auf Ausweisung der Zeit von 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 als Zeit der Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG und Feststellung der in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte. Das AAÜG ist nach seinem § 1 Abs. 1 auf den Kläger anwendbar. Denn er war während seiner Zeit als Berufssoldat in das Sonderversorgungssystem für Angehörige der Nationalen Volksarmee einbezogen (Anlage 2 Nummer 1 zum AAÜG). Das wird durch die als Kopie in der Gerichtsakte enthaltene entsprechende Entgeltbescheinigung der Wehrbereichsverwaltung S belegt. Dass nach dem Versorgungsrecht der DDR infolge des Ausscheidens des Klägers aus der NVA keine Ansprüche mehr gegen das Sonderversorgungssystem bestanden, ist gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG unbeachtlich, da ein Verlust von Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor Eintritt des Leistungsfalles als nicht eingetreten gilt.

Zusatzversorgungszeiten nach § 5 AAÜG sind für den Kläger festzustellen, wenn er eine entgeltliche Beschäftigung ausgeübt hat, wegen der der Art nach eine zusätzliche Altersversorgung vorgesehen war (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 30. Juni 1998 - B 4 RA 11/98 R; B 4 RA 94/97 R -). Es kommt nicht darauf an, ob Versicherte zu DDR-Zeiten konkret durch Aushändigung einer Urkunde in die Versorgung einbezogen worden waren. In Betracht zu ziehen für den streitigen Zeitraum ist hier allein eine (weitere) Zugehörigkeit des Klägers zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz gemäß Anlage 1 Nr. 1 zum AAÜG.

Vorgesehen war die Einbeziehung von Beschäftigten in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz, wenn drei Voraussetzungen erfüllt waren, die sich aus § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17. August 1950 (GBl. S. 844, inhaltlich übereinstimmend die entsprechende Verordnung des Magistrats von G vom 25. November 1950 [VOBl. S. 362]) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der dazu ergangenen Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) ergeben (vgl. nur BSG, Urteil v. 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 6 ). In diesen Rechtsvorschriften war eine zusätzliche Altersversorgung für Personen vorgesehen, die a) berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und die b) eine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar c) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem diesen gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Diese Voraussetzungen hat der Kläger in der Zeit vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 erfüllt. Seit Juni 1968 hatte er das Recht, die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen. Ausweislich der Eintragungen im Sozialversicherungsausweis und seiner Arbeitsverträge war er in der streitigen Zeit beim VEB Kombinat R als EDV-Ingenieur und damit seiner Berufsbezeichnung entsprechend beschäftigt. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der VO-AVItech für eine Einbeziehung in die Zusatzversorgung nicht das zusätzliche Erfordernis einer ingenieurtechnischen Beschäftigung unmittelbar bei der Produktion zu entnehmen. Das BSG stellt in ständiger Rechtsprechung darauf ab, ob eine der Qualifikation "Ingenieur" entsprechende Tätigkeit ausgeübt worden ist (und zwar in einem Betrieb der industriellen Produktion). Etwas anderes lässt sich auch dem – von der Beklagten in Bezug genommenen - Urteil des BSG vom 31. März 2004 - B 4 RA 31/03 R - nicht entnehmen. In dieser Entscheidung hat das BSG die Nichtanerkennung von Versorgungszeiten nicht deswegen bestätigt, weil der dortige Kläger eine ingenieurtypische Tätigkeit außerhalb der eigentlichen Produktion ausgeübt hatte, sondern weil er zwar die Berufsbezeichnung Ingenieur führen durfte, aber als Lehrkraft und damit außerhalb des Berufsbildes eines Ingenieurs beschäftigt war. Soweit das BSG in der Entscheidung formuliert, dass zur technischen Intelligenz nur die gehörten, die aktiv in den Produktionsprozess selbst eingegliedert waren, hat es daraus keine weitergehenden Rechtsfolgen abgeleitet. Der Senat geht deswegen davon aus, dass für die "aktive Eingliederung" in die Produktion die Übernahme einer ingenieurtypischen Tätigkeit in einem Produktionsbetrieb ausreichend ist. Ob industrielle Produktion vorliegt, entscheidet sich nämlich nicht nach der Art der Tätigkeit des einzelnen Beschäftigten, sondern nach dem Gegenstand seines Beschäftigungsbetriebs. Das BSG hat in seinem Urteil vom 7. September 2006 - B 4 RA 47/05 R – zudem nochmals bekräftigt, dass es allein auf die Ausübung einer der Berufsbezeichnung entsprechenden Tätigkeit ankommt. Der Kläger erfüllt schließlich auch die betriebliche Voraussetzung. Sein Beschäftigungsbetrieb war von März 1971 bis Dezember 1973 der VEB Kombinat R, dessen Gegenstand die Herstellung von Büromaschinen und Computern für die Verwendung in der DDR war, und der damit als Produktionsbetrieb anzusehen ist. Auch die Beklagte stellt das für den VEB Kombinat R nicht infrage, sie erkennt es vielmehr ausdrücklich an. Danach sind für die Zeit vom 1. März 1971 bis 31. Dezember 1973 Versorgungszeiten für den Kläger auszuweisen und die erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Zurückzuweisen ist die Berufung dagegen, soweit der Kläger die Anerkennung von Versorgungszeiten für seine Beschäftigung beim VEB R B begehrt (1. Januar 1974 bis 28. Februar 1983). Insoweit fehlt es für die Anerkennung von Versorgungszeiten an der letzten, der so genannten betrieblichen Voraussetzung (so für den VEB R B schon LSG Berlin, Urt. v. 21. April 2004 – L 17 RA 104/03 - ; LSG Brandenburg, Urt. v. 14. Dezember 2004 – L 2 RA 14/03 - und LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 29. März 2006 – L 16 R 471/05). Das BSG hat in seinem Urteil vom 9. April 2002 (B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 6) ausführlich begründet, dass nach dem maßgeblichen Sprachgebrauch der DDR die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz sich nur auf volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens erstreckte. Entscheidend dafür spricht, dass durch § 1 Abs. 2 der 2. DB bestimmte Einrichtungen "(d)en volkseigenen Produktionsbetrieben" gleichgestellt werden – und gerade nicht den volkseigenen Betrieben schlechthin. Bereits nach § 1 der Ersten Durchführungsbestimmung vom 26. September 1950 (GBl. S. 1043), die durch § 10 Abs. 2 der 2. DB aufgehoben wurde, zählten zum Kreis der Versorgungsberechtigten nur (bestimmte) Beschäftigte in einem Produktionsbetrieb. An diese – auch in anderen Vorschriften des Rechts der DDR zu findende - Unterscheidung zwischen volkseigenen Betrieben im Allgemeinen und volkseigenen Produktionsbetrieben im Besonderen knüpft § 1 Abs. 2 der 2. DB an und lässt so erkennen, dass die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz nur zu gewähren war bei Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens (oder einer der durch § 1 Abs. 2 der 2. DB ausdrücklich gleichgestellten Einrichtungen).

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers in der Zeit vom 1. Januar 1974 bis 28. Februar 1983 hatte zwar die Rechtsform eines VEB, war aber kein Produktionsbetrieb. Ein Produktionsbetrieb zeichnet sich dadurch aus, dass der von ihm verfolgte Hauptzweck die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern gewesen ist (BSG, Urt. v. 9. April 2002 - B 4 RA 41/01 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 6). Maßgebend für die Zuordnung eines bestimmten VEB zur industriellen Produktion ist, welche Aufgabe dem VEB das Gepräge gegeben hat. Entscheidend sind die tatsächlichen Verhältnisse des Betriebs, die auf der Grundlage der tatsächlich übernommen Aufgaben, der Organisation und der Mittelverwendung zu bestimmen sind. Als Hilfstatsachen bei der Beweiswürdigung können insbesondere Eintragungen in die Liste der volkseigenen Betriebe, Statuten und Geschäftsunterlagen wie auch die Zuordnung zu bestimmten Ministerien von Bedeutung sein (BSG Urt. v. 18. Dezember 2003 – B 4 RA 18/03 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 1 ).

Gegen die Annahme, dass es sich bei dem VEB R B um einen Produktionsbetrieb handelte, spricht schon seine Gründungsanweisung vom Dezember 1973, in der auf das Statut des VEB Kombinat R Bezug genommen wird. Dieses bestimmt in seinem § 7: "Dem VEB R B obliegt der Vertrieb, der technische Kundendienst für Geräte der Datenverarbeitungs- und Rechentechnik, der Vertrieb von Systemunterlagen in den Nordbezirken der DDR und die Wahrnehmung von Leitfunktionen entsprechend geltender Kombinatsordnung sowie die Anwenderschulung auf dem Gebiet der Prozessrechentechnik." Zwar nennt das Statut in seinem § 7 ausdrücklich auch die Produktion von Geräten, weist sie als Aufgabe aber dem VEB R R, dem VEB R D, dem VEB R R und dem VEB R H zu. Die Forschung, Entwicklung und Applikation von Geräten, Verfahren und Systemunterlagen der Rechentechnik wird als Aufgabe des VEB R für Forschung und Technik (in D) genannt. Nach dem Statut des VEB Kombinat R und der darauf Bezug nehmenden Gründungsanweisung des R-Vertrieb B waren Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit des Beschäftigungsbetriebs des Klägers in der streitigen Zeit folglich weder Produktion noch Forschung und Entwicklung.

Die tatsächlichen Verhältnisse in dem VEB R B rechtfertigen keine andere Sicht. Dem Senat liegen die Aussagen von in anderen sozialgerichtlichen Verfahren mit vergleichbarem Streitgegenstand gehörten Zeugen vor, nämlich die Aussagen von Werner Krüger, Direktor Vertrieb, Forschung und Entwicklung beim VEB R B und von H E, ökonomischer Direktor beim VEB R B aus dem Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 3399/01, die Aussagen von M S, Betriebsdirektor beim VEB R B von 1974 bis 15. Mai 1990 aus den Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 398/03 und dem LSG Brandenburg L 2 RA 14/03 sowie die Aussage von F W, letzter Generaldirektor des VEB Kombinat R, aus dem Verfahren vor dem LSG Brandenburg L 2 RA 14/03. Diese Aussagen sind den Beteiligten bekannt gegeben worden, sie können im Wege des Urkundenbeweises verwertet werden.

Aus ihnen ergibt sich zunächst, dass im VEB R B insoweit produziert worden ist, als in dem zum Betrieb gehörenden Werk in S ab 1974/1975 Radiogeräte gefertigt worden sind. Diese Produktion hat dem Betrieb allerdings nicht sein Gepräge gegeben, weil nur eine Minderzahl der Beschäftigten an der Produktion der Radiogeräte beteiligt gewesen ist (vgl. dazu die Aussage der Zeugen K und E aus dem Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 3399/01). Eigentlicher Gegenstand der Betriebstätigkeit des VEB R B war - neben der Wartung von Computeranlagen, die indessen offensichtlich nicht unter den Begriff der industriellen Produktion fällt - die Zusammenstellung von EDV-Anlagen aus vorgefertigten Komponenten nach Kundenwünschen, wofür auch ein Bildverarbeitungssystem, Steckverbindungen und Kabelbäume produziert worden sind. Das ergibt sich aus den Aussagen des Zeugen Schröder vor dem SG Berlin – S 8 RA 398/03 - und vor dem LSG Brandenburg – L 2 RA 14/03 – sowie der Aussage des Zeugen W vor dem LSG Brandenburg – L 2 RA 14/03 -. Selbst wenn das Zusammenstellen von EDV-Anlagen nicht als Dienstleistung, sondern als Herstellung eines neues Produkt anzusehen wäre wofür spricht, dass nicht nur Geräte mit schon vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten ausgeliefert, sondern die Möglichkeiten zur Nutzung der vorgefertigten Geräte durch den Zusammenbau qualitativ verändert worden sind – ist jedenfalls keine Produktion im Sinne des fordistischen Produktionsmodells gegeben.

Wesentliches Kennzeichen der industriellen Fertigung fordistischer Prägung ist der Massenausstoß von Produkten, die durch Wiederholung von gleichartigen Bearbeitungsvorgängen unter Einsatz von Maschinen, die an die Stelle menschlicher Arbeitskraft treten, hergestellt worden sind. Sofern das Zusammenstellen von Computeranlagen überhaupt als Produktion anzusehen ist, liegt darin jedenfalls eine andere Art der Herstellung von Sachgütern als die Produktion fordistischer Prägung. Der VEB R-Vertrieb B nahm die (endgültige) Zusammensetzung der Anlagen beim Kunden vor. Die "Produktion" erfolgte damit nicht auf dem Betriebsgelände eines Herstellers, wie es für eine industrielle Fertigung fordistischer Art typisch wäre. Insbesondere fehlt es aber an dem Einsatz von Maschinen im Herstellungsprozess. Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass bei der Zusammenstellung der Anlagen maschinengestützte Produktionsschritte angefallen sind. Der Zeuge S hat in seinen Aussagen in dem Verfahren vor dem SG Berlin S 9 RA 398/03 und dem LSG Potsdam L 2 RA 14/03 angegeben, dass die besonderen technischen Produktionsmittel des VEB R B, die beim Zusammenbau der Anlagen Verwendung gefunden hätten, spezielle Mess- und Prüfgeräte gewesen seien. Mess- und Prüfgeräte dienen aber nur der Kontrolle, sie bewirken keine Umgestaltung. Es gab danach keine maschinelle Bearbeitung der Vorprodukte. Eine Produktion fordistischer Art setzt indessen voraus, dass der Herstellungsprozess in einzelne maschinelle Bearbeitungsschritte aufgespalten ist. Fehlen diese, sind die Bedingungen industrieller Fertigung nicht gegeben. Schon aus diesem Grund kann die im Beschäftigungsbetrieb des Klägers vorgenommene Zusammensetzung von Computeranlagen nicht als Gegenstand industrieller Produktion angesehen werden. Infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob die Annahme einer industriellen Produktion auch daran scheitern muss, dass die Zahl der zusammengesetzten Anlagen nicht ausreichte, um die Voraussetzung einer Massenproduktion zu erfüllen. Exakte Vorgaben zur erforderlichen Stückzahl sind insoweit schwierig zu bestimmen, weil die Schwelle zur Massenproduktion auch von der Art des Produktes abhängig ist.

Der VEB R-Vertrieb war in der Zeit vom 1. Januar 1974 bis 28. Februar 1983 schließlich auch kein gleichgestellter Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB. Maßgeblich für die Gleichstellung ist ausschließlich das Versorgungsrecht der DDR (BSG, Urt. v. 9. April 2002 - B 4 RA 3/02 R = SozR 3-8570 § 1 Nr. 7 ). In versorgungsrechtlicher Sicht ist keine Gleichstellung eines Vertriebsunternehmens mit einem Produktionsbetrieb erfolgt, was sich daran zeigt, dass Vertriebsunternehmen in § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht erwähnt sind.

Nach alledem war der Berufung nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben, im Übrigen war sie abzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Der Senat weicht aus den schon erörterten Gründen insbesondere nicht von dem Urteil des BSG vom 31. März 2004 – B 4 RA 31/03 R - ab. Auch eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist nicht erkennbar. Das BSG hat sich bereits mehrfach zu den Voraussetzungen für die Anerkennung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (vgl. etwa Urt. v. 26. Oktober 2004 – B 4 RA 40/04 R – m.w.N.) und in diesem Zusammenhang auch zum VEB -Vertrieb D geäußert, dessen Funktion nach dem Statut des VEB Kombinat R mit der des VEB R-Vertrieb B vergleichbar ist (Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R –).
Rechtskraft
Aus
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