L 19 B 1099/06 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 9508/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 1099/06 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung von der Antragsgegnerin - vorläufig - Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB II -.

Der 1950 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 von der Antragsgegnerin Leistungen zu Sicherung des Lebensunterhaltes. Er bewohnt eine 3-Zimmer Wohnung in einem Fachwerkhaus i S in B, die ihm zunächst von 1993 bis 1998 als so genannte Sommerwohnung diente und die er nach einem 1999 von ihm durchgeführten Umbau ganzjährig bewohnt. Die Mieter bauten selbst Gasheizungen ein, die anfangs durch Propangasflaschen, die außerhalb der Wohnung montiert waren, gespeist wurden. Auf Anregung der Mieter erfolgte 2003 eine Umstellung auf eine zentrale Gasversorgungsanlage, die Wohnungen werden weiterhin durch Heizthermen beheizt. Die Vermieterin erteilte dafür die Genehmigung. Die Kosten der Umstellung wurden von den Mietern getragen. Der Antragsteller und die Vermieterin vereinbarten in dem Mietvertrag vom 1. August 2003 eine Kaltmiete in Höhe von 347,06 Euro und in dem Nachtrag zum Mietvertrag vom selben Tag u. a. die Tragung von 1/10 aller anfallenden Wartungskosten der Gasversorgungsanlage durch den Antragsteller. Die Kosten der Unterkunft und Heizung belaufen sich auf derzeit 570,41 Euro.

Der Antragsteller beantragte Ende Dezember 2005 die Übernahme der Kosten für den Austausch einer defekten Gastherme. Zur Begründung führte er aus, dass die 16 Jahre alte Gastherme defekt und die Reparatur unwirtschaftlich sei. Mit Bescheid vom 11. Januar 2006 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag mit der Begründung ab, der Antragsteller hätte für eine derartige Lebenssituation Rücklagen bilden müssen. Dagegen legte der Antragsteller Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2006 zurückwies. Dagegen hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 55 AS 9508/06 geführt wird.

Der Antragsteller hat am 18. Oktober 2006 beim Sozialgericht Berlin beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für die Anschaffung einer Gastherme in Höhe von ca. 2.500,00 Euro, hilfsweise die Reparaturkosten für die vorhandene Heiztherme zu übernehmen. Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 8. November 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, es fehle bereits an einem eiligen Regelungsbedürfnis im Sinne von § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -, das sich nur auf gegenwärtige Notlagen beziehen könne. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen und in eine beheizbare Wohnung zu ziehen. Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung des Mietverhältnisses seien erfüllt. Die Wohnung des Antragstellers sei nicht beheizt und im Hinblick auf den bevorstehenden Winter bestünde eine erhebliche Gefährdung der Gesundheit des Antragstellers. Das außerordentliche Kündigungsrecht sei auch vertraglich nicht ausgeschlossen. Angesichts der entspannten Lage auf dem Berliner Wohnungsmarkt drohe dem Antragsteller keine Wohnungslosigkeit. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf Übernahme der Anschaffungs- bzw. Reparaturkosten für eine Gastherme sei nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II gegeben, da dem Antragsteller für derartige Aufwendungen keine mietvertragliche Verpflichtung zur Seite stehe. Es sei vielmehr Aufgabe des Vermieters, gegebenenfalls erforderliche Aufwendungen zur Sicherstellung der Beheizbarkeit der Wohnung zu übernehmen.

Gegen diesen dem Antragstellern am 13. November 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. November 2006 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller verweist darauf, dass die Heiztherme sein Eigentum sei, dies habe er bereits der Antragsgegnerin mitgeteilt.

Der Senat geht davon aus, der Antragsteller wolle beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. September 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm - vorläufig - Leistungen durch Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den Austausch einer Heiztherme in Höhe von ca. 2.500,00 Euro, hilfsweise für die Kosten der Reparatur der vorhandenen Heiztherme zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben.

Bei der im Eilverfahren regelmäßig nur möglichen summarischen Prüfung des Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin kein Anspruch auf - vorläufige - Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den Austausch der Heiztherme nach § 22 Abs. 1 SGB II zu. Danach werden Leistun¬gen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese ange¬messen sind (Satz 1). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des allein stehenden Hilfe¬bedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen, wie es dem allein stehenden Hilfebedürftigen oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (Satz 2). Der danach zu deckende Unterkunftsbedarf umfasst neben dem Mietzins unter anderem die Nebenkosten. Zu den Unterkunftskosten für eigen genutzte Eigenheime oder Eigentumswohnungen zählen alle notwendigen Ausgaben. Diese umfassen auch den Erhaltungsaufwand und sonstige Aufwendungen zur Bewirtschaftung des Haus- und Grundbesitzes. Grundsätzlich hat der Vermieter Sorge für die Beheizbarkeit der Wohnung zu tragen. Nach dem Gesetz zur Beseitigung von Wohnungsmissständen in Berlin (Wohnungsaufsichtsgesetz - WoAufG Bln -) vom 6. März 1973 in der Fassung vom 3. April 1990 genügt den Mindestanforderungen an erträgliche Wohnungsverhältnisse eine Wohnung u. a. dann nicht, wenn innerhalb der Wohnung die Heizungsmöglichkeit fehlt oder ungenügend ist (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 WoAufG Bln). Dann kann die Wohnungsaufsichtsbehörde anordnen, dass der Verfügungsberechtigte die Mängel beseitigt (§ 4 Abs. 1 WoAufG Bln). Ist jedoch der Mieter Eigentümer der Heizungsanlage bzw. hier Heiztherme und wurde die Pflicht, für die Beheizbarkeit der Wohnung Sorge zu tragen, wirksam dem Mieter auferlegt, so dürfte er insoweit einem Eigentümer eines eigen genutzten Eigenheims oder einer Eigentumswohnung gleichzustellen sein. Kosten für den Unterhalt der im Eigentum des Mieters stehenden Heizungsanlage könnten daher zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die (Unterkunft und) Heizung zählen. Voraussetzung wäre insoweit, dass diese Aufwendungen erforderlich und angemessen sind.

Wenn zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen wird, dass die für den Unterhalt der in seinem Eigentum stehenden Gastherme zu den berücksichtigungsfähigen Aufwendungen für die (Unterkunft und) Heizung zählen, so hat er weder die Erforderlichkeit noch die Angemessenheit des Austauschs der Heiztherme glaubhaft gemacht. Der Umfang der Reparaturbedürftigkeit der Heiztherme sowie die Notwendigkeit eines Austausches ergeben sich weder aus dem Vorbringen des Antragstellers noch aus den von ihm eingereichten Kostenvoranschlägen. Nach den Erklärungen des Antragstellers ist die Heiztherme noch - wenn auch eingeschränkt - funktionsfähig. Die Unwirtschaftlichkeit einer Reparatur wurde in dem Kostenvoranschlag der Firma K K vom 30. August 2006 zwar behauptet, jedoch nicht mit Tatsachen belegt bzw. erläutert. Insbesondere das von dieser Firma angegebene Alter der Gastherme von ca. 20 bis 22 Jahre vermag insoweit als Grund für die behauptete Unwirtschaftlichkeit der Reparatur nicht zu überzeugen, da die Gastherme nach den Angaben des Antragstellers zwar 16 Jahre, aber damit gleichwohl deutlich jünger ist. Dass Ersatzteile nur noch bis - einschließlich - 2007 geliefert werden, steht nicht zwingend einer Reparatur entgegen.

Die Kosten für einen Austausch der Gastherme werden bei hier anzustellender summarischer Prüfung nur in dem Umfang angemessen sein können, in dem auch die Kosten der Unterkunft angemessen sind. Daran bestehen vorliegend unter Berücksichtigung der Größe der Wohnung und der Anzahl der Bewohner Zweifel unabhängig davon, ob die AV-Wohnen zu Grunde gelegt wird, wovon das SG ausgegangen ist, oder die Angemessenheit nach der sogen. Produkttheorie (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R -) zu bestimmen sein wird.

Bei der im Eilverfahren regelmäßig nur möglichen summarischen Prüfung des Sach- und Rechtslage steht dem Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin auch nicht der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf - vorläufige - Übernahme der Kosten für die Reparatur der Heiztherme nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu.

Auch insoweit wäre Voraussetzung, dass diese Aufwendungen erforderlich und angemessen sind.

Wenn zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen wird, dass die Heiztherme reparaturbedürftig und auch reparaturfähig ist, so hat der Antragsteller die voraussichtlichen Kosten einer Reparatur nicht glaubhaft gemacht. Bei der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung werden die Reparaturkosten der Gastherme nur dann von der Antragsgegnerin zu übernehmen sein, wenn die Pflicht, für die Beheizbarkeit der Wohnung Sorge zu tragen, wirksam dem Mieter auferlegt wurde und zudem werden sie nur in dem Umfang angemessen sein können, in dem auch die Kosten der Unterkunft angemessen sind. Daran bestehen vorliegend unter Berücksichtigung der Größe der Wohnung und der Anzahl der Bewohner Zweifel unabhängig davon, ob die AV-Wohnen zu Grunde gelegt wird, wovon das SG ausgegangen ist, oder die Angemessenheit nach der sogen. Produkttheorie (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 18/06 R - zitiert nach juris) zu bestimmen sein wird.

Auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlichen Belange (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a. a. O.) und des Umstandes, dass die Heiztherme zwar defekt, aber nicht funktionsuntüchtig und die Wohnung daher beheizbar ist, ist es dem Antragsteller zuzumuten, in dem bereits beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 55 AS 9508/06 anhängigen Verfahren klären zu lassen, ob ihm der dort erhobene Anspruch zusteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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