L 8 AL 458/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 64 AL 3519/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 AL 458/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Weiterbildung. Der Kläger ist 1967 geboren worden. Von 1991 bis 1999 war er als selbständiger Handelsvertreter, anschließend versicherungspflichtig als kaufmännischer Angestellter im Baustoffhandel beschäftigt. Seit 1. Juli 2003 bezog er Arbeitslosengeld bis zur Erschöpfung des Anspruchs und ab 25. Juni 2004 Arbeitslosenhilfe. Im März 2004 beantragte er, ihm für eine Weiterbildung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel mit anerkanntem Abschluss beim N-Institut für Berufliche Fortbildung und Umschulung Leistungen zur beruflichen Weiterbildung zu gewähren, die am 3. Mai 2004 beginnen sollte. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 30. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2004 ab. Die Weiterbildung sei nicht notwendig. Der Kläger verfüge über ausreichende Berufserfahrungen, so dass andere Hilfen zweckmäßiger seien, um eine Beschäftigung zu erhalten. Ferner könne eine Eingliederungschance von 70 Prozent für ihn nicht prognostiziert werden. Hierbei sei unter anderem das Alter bedeutsam und auch, dass er wegen seiner zwei Kinder selbst seine bundesweite Mobilität eingeschränkt habe. Mit der Klage hat der Kläger das Begehren weiterverfolgt, ihm allgemein Leistungen der beruflichen Weiterbildung für die Teilnahme an einer Maßnahme mit dem Ziel "Groß- und Einzelhandelskaufmann" (gemeint wohl: Groß- und Außenhandelskaufmann) zu gewähren. Er hat die Auffassung vertreten, dass die von der Beklagten genannten Gründe einer Förderung nicht entgegenstehen könnten und teils sogar diskriminierend seien. Im laufenden Verfahren hat ihm die Beklagte nach seinen Angaben einen Bildungsgutschein ausgestellt, auf Grund dessen er sich (im Februar 2005) in einer Weiterbildung von sieben Monaten Dauer befunden hatte. Das angestrebte Berufsziel könne er damit jedoch nicht erreichen. Das Begehren auf Erteilung eines Bildungsgutscheins könne er selbst dann im vorliegenden Rechtsstreit durchsetzen, wenn er inzwischen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beziehe. Denn auch das SGB II sehe gleichartige Leistungen wie das Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zur Förderung der beruflichen Weiterbildung vor. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 3. August 2006 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien zutreffend. Abgesehen davon fehle es für eine Verpflichtung der Beklagten ab dem 1. Januar 2005 an einer Rechtsgrundlage, da Leistungen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB III an Hilfebedürftige nach dem SGB II gesetzlich ausdrücklich ausgeschlossen seien. Soweit die Klage des Klägers in eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgedeutet werde, fehle dafür ein Rechtsschutzbedürfnis. Das Interesse, die eigene Rechtsauffassung in einer gerichtlichen Entscheidung bestätigt zu sehen, reiche nicht. Mit der nicht begründeten Berufung wendet sich der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts. Dem erstinstanzlich geltend gemachten Begehren ist der Antrag zu entnehmen, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 3. August 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 30. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Mai 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm das Vorliegen der Voraussetzungen für eine berufliche Weiterbildung zum Kaufmann für den Groß- und Außenhandel zu bescheinigen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten lagen dem Gericht bei seiner Entscheidung vor. Für Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt dieser Aktenstücke Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte über die Berufung nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheiden, da er sie einstimmig für unbegründet hält und angesichts der geklärten Sach- und der unproblematischen Rechtslage eine mündliche Verhandlung nicht als erforderlich ansieht. Die vor dem Sozialgericht erhobene Klage war entweder zum 1. Januar 2005 oder – wenn unterstellt wird, dass es sich um eine nach dem SGB III geförderte Weiterbildung handelte – spätestens mit dem Ende der vom Kläger mitgeteilten siebenmonatigen Maßnahme der beruflichen Weiterbildung unzulässig geworden. Denn ein Bedürfnis für gerichtlichen Rechtsschutz besteht seither nicht mehr. Durch die angefochtenen Bescheide ist lediglich eine Entscheidung über den Antrag auf Weiterbildungsförderung nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) getroffen worden. Nach diesem Leistungsgesetz kann der Kläger seit dem 1. Januar 2005, spätestens aber nach dem Ende der von ihm mitgeteilten beruflichen Weiterbildung (nach § 434j Abs. 10 SGB III sind die Leistungsvorschriften des Weiterbildungsrechts nach dem SGB III für die Bezieher von Arbeitslosenhilfe, die am 31. Dezember 2004 bereits an einer Maßnahme teilgenommen haben, über dieses Datum hinaus bis zum Ende einer Maßnahme weiter anzuwenden) schlechterdings keine Leistungsrechte mehr haben. Denn er gehört seither zum Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach dem SGB II. Für diesen Personenkreis sind Leistungen der Weiterbildungsförderung nach dem SGB III kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 22 Abs. 4 SGB III in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung). Da der Kläger die von ihm begehrte Ausbildung nicht aufgenommen hat, kann ihm die Übergangsregelung nach § 434j Abs. 10 SGB III nicht mehr zugute kommen. Dass die Gewährung von Leistungen zur Weiterbildungsförderung für die ehemaligen Bezieher von Arbeitslosenhilfe nur im Rahmen des § 434j Abs. 10 SGB III möglich ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn das SGB II sieht selbst Leistungen der beruflichen Weiterbildung in ähnlicher Ausgestaltung vor (§ 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit §§ 77 ff SGB III). Dem entsprechend kann die Beklagte unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt mehr zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB III verurteilt werden. Leistungsrechte nach dem SGB II können nicht Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits sein. Das Landessozialgericht ist ein Rechtsmittelgericht (§ 29 SGG), der Streitgegenstand muss deshalb bereits vor dem Sozialgericht zulässig angebracht worden sein. Nur ausnahmsweise kann das Landessozialgericht erstinstanzlich über einen Streitgegenstand entscheiden, wenn Verwaltungsentscheidungen, die während des laufenden Berufungsverfahrens ergehen, über § 153 Abs. 1 i.V. mit § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Verfahrensgegenstand werden (s. dazu BSG SozR 3-1500 § 29 Nr. 1). Die streitigen Bescheide betreffen ausschließlich Leistungsrechte nach dem SGB III. Das ergibt sich bereits daraus, dass vor dem 1. Januar 2005 lediglich dieses Gesetz die vom Kläger begehrte Leistung vorsah. Nur dieser Streitgegenstand konnte somit zulässig vor dem Sozialgericht anhängig gemacht werden. Die Bescheide können nicht in Bescheide über die Ablehnung von Leistungen der beruflichen Weiterbildung nach dem SGB II umgedeutet werden (§ 43 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]), selbst wenn unterstellt würde, dass die Beklagte auch der für den Kläger zuständige Leistungsträger der Weiterbildungsförderung nach dem SGB II (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V. mit § 16 Abs. 1 SGB II) wäre. Mit Blick auf die erforderliche Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, die Beeinträchtigung der verfahrensrechtlichen Stellung des Betroffenen und nicht zuletzt den Grundsatz der Gewaltenteilung kommt eine Umdeutung im gerichtlichen Verfahren ohnehin nur eingeschränkt in Betracht (zusammenfassend dazu BSG, Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 86/96 R -, SozR 3-4100 § 112 Nr. 29 mit weiteren Nachweisen). Im vorliegenden Fall ist sie in jedem Fall deshalb ausgeschlossen, weil dem Kläger anderenfalls der gesetzliche Richter entzogen würde. Denn entsprechend dem in der Sozialgerichtsbarkeit geltenden Fachkammerprinzip (§ 10 Abs. 1 Satz 1 SGG) sind für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende besondere Spruchkörper neben denen für Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit zu bilden. Wie das Sozialgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auch nicht in eine zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage umgedeutet werden, weil hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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