L 30 AL 1259/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 AL 4113/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 30 AL 1259/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) ab dem 19. Februar 2004.

Der Kläger war von Januar 1992 bis zum 31. Oktober 1993 als Abteilungsleiter bei der BB und vom 01. November 1993 bis zum 31. August 1994 als Marketingleiter der K A B beschäftigt. Hieran schloss sich vom 01. September 1994 bis zum 31. Oktober 1996 eine Tätigkeit bei der C. S. T. e. G. (H) an. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages vom 07. November 1996 zum 31. Oktober 1996 unter Zahlung einer Abfindung.

Zum 16. Juli 1997 meldete sich der Kläger bei dem Arbeitsamt B W arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Die Beklagte bewilligte ihm Arbeitslosengeld ab dem 16. Juli 1997 für die Dauer von 728 Tagen (Bewilligungsverfügung vom 24. Oktober 1997). Gezahlt wurde ihm Arbeitslosengeld bis zum 30. Juni 1998; zu diesem Zeitpunkt bestand noch ein Restanspruch auf Alg von 500 Tagen.

Am 01. Juli 1998 nahm der Kläger eine selbständige Tätigkeit als Berater auf und beantragte hierfür Überbrückungsgeld. Dieses wurde ihm nach seinen eigenen Angaben mit Bescheid vom 06. August 1998 bis zum 31. Dezember 1998 bewilligt.

Mit folgendem Schreiben vom 28. März 2001 wandte sich der Kläger an die Beklagte:

"Unter der St.Nr. war ich bei Ihnen arbeitslos gemeldet und habe Arbeitslosengeld bezogen.

Mit Bewilligungsbescheid vom 06. August 1998 hatten Sie mir Überbrückungsgeld bis 31. Dezember 1998 bewilligt.

Bis jetzt war es mir auch gelungen mein Einkommen durch verschiedene freiberufliche Tätigkeiten zu sichern. Ab 1.4.2001 werde ich aber ohne jedes Einkommen sein (siehe beiliegende Kündigung) und bitte Sie deswegen mir doch mitzuteilen, ob ich von Ihnen noch einmal Arbeitslosengeld beziehen könnte.

Bitte, schreiben Sie mir auch wie hoch der Betrag wäre und für welchen Zeitraum er gezahlt würde.

Vielen Dank für Ihre Mühe.

Mit freundlichem Gruß"

Auf diesem Schreiben wurde dem Kläger folgende handschriftliche Auskunft erteilt:

"Vermutlich noch Restanspruch Arbeitslosengeld. Computerdaten sind nicht mehr vorhanden.

Eventuell Anmeldung ausfüllen und Pers. arbeitslos melden. Mo-Fr. 7.30 – 12.30 Uhr".

Weiter ist dieses Schreiben mit einem Stempel des Arbeitsamtes B W sowie einer Unterschrift unter dem Datum 10. April 2001 versehen.

Am 20. Februar 2004 schließlich meldete sich der Kläger bei dem Arbeitsamt B N mit Wirkung zum 19. Februar 2004 erneut arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld/ Arbeitslosenhilfe.

Mit Bescheid vom 24. Februar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, mit dem Antrag vom 16. Juli 1997 sei ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben worden. Seither habe der Kläger nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und daher keine neue Anwartschaftszeit erworben. Es bestehe auch kein Restanspruch aus einer früheren Anwartschaft. Schließlich bestünde auch kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe, da der Kläger nicht innerhalb der Vorfrist von einem Jahr Arbeitslosengeld bezogen habe.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 01. März 2004 Widerspruch erhoben. Zur Begründung führte er insbesondere aus, er habe bis zum 31. Juli 1998 Arbeitslosengeld und anschließend Überbrückungsgeld bis zum 31. Dezember 1998 erhalten. Als seine Geschäfte nicht so gut gegangen seien wie erwartet, habe er sich im März 2001 mit einem Auskunftsbegehren an die Beklagte gewandt. Er habe daraufhin als Antwort die handschriftliche Auskunft erhalten, es bestünde vermutlich noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld. Außerdem sei ihm mitgeteilt worden, er müsse sich erneut arbeitslos melden. Erst im Falle einer persönlichen Meldung und Antragstellung würde eine eingehende Prüfung seiner Ansprüche erfolgen. Aus der schriftlichen Antwort gehe nicht hervor, dass es Fristen gebe, die einzuhalten seien. Es sei vielmehr aus dem Hinweis, Computerdaten seien nicht mehr vorhanden, zu folgern, dass solche Fristen nicht existierten. Denn sonst habe es einer Führung im Computer mit klarem Fristvermerk bedurft.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06. Juli 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es bestünde kein Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ein neuer Anspruch sei mangels Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht entstanden. Aus dem Jahre 1998 habe zwar noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld bestanden. Dieser Anspruch könne jedoch nach § 147 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht mehr geltend gemacht werden, da seit seiner Entstehung mehr als vier Jahre verstrichen seien. Die schriftliche Anfrage vom 28. März 2001 sei schließlich zutreffend beantwortet worden. Der Kläger sei darauf hingewiesen worden, dass möglicherweise Arbeitslosengeld bei einer persönlichen Arbeitslosmeldung bewilligt werden könnte. Eine solche Meldung sei von ihm jedoch nicht zeitnah erfolgt.

Am 05. August 2004 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Er ist der Ansicht, er habe Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 117 SGB III. Insbesondere erfülle er die Anwartschaftszeit nach § 117 Abs. 1 Nr. 3 SGB III. Er habe vor seiner Arbeitslosmeldung zwar nicht mindestens 12 Monate in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden, ihm stehe jedoch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld zu. Zwar sei die Vierjahresfrist am 16. Juli 2001 abgelaufen. Mit Schreiben vom 28. März 2001 habe er sich jedoch mit einem Beratungsersuchen an die Beklagte gewandt und diesem Ersuchen sei die Beklagte nur unvollständig nachgekommen. Sie habe damit ihre Beratungspflicht gemäß § 14 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verletzt und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches sei ihm somit der Restanspruch auf Arbeitslosengeld zu gewähren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2004 zu verurteilen, dem Kläger den Restanspruch auf Arbeitslosengeld ab dem 19. Februar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass neben dem Antwortschreiben vom 10. April 2001 auch aus dem dem Kläger ausgehändigten Merkblatt für Arbeitslose zu entnehmen sei, dass der erworbene Anspruch auf Arbeitslosengeld nur vier Jahre lang erhalten bleibe.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 23. September 2005 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2004 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 19. Februar 2004 zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei der Beklagten verwehrt, sich auf die Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III zu berufen, da sie sich damit treuwidrig verhalten würde. Durch ihre unvollständige und dadurch pflichtwidrige Auskunft vom 10. April 2001 habe es die Beklagte mitverursacht, dass der Kläger seinen Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht habe. Der Kläger habe glaubhaft geltend gemacht, dass er sich bei einer vollständigen Auskunft durch die Beklagte anders verhalten hätte und den Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht hätte verfallen lassen. Auch wenn für den Sachbearbeiter nur bei Stellung eines Antrages die konkrete Ermittlung des bestehenden Restanspruches möglich gewesen sein sollte, so sei doch jedenfalls der Hinweis erforderlich gewesen, dass bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung ein Erlöschen des Anspruches drohe. Demgegenüber komme ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vorliegend nicht in Betracht. Dieser könne zwar ggf. eine fehlende rechtzeitige Geltendmachung ersetzen, nicht aber die weiteren Voraussetzungen für den Leistungsanspruch (Arbeitslosmeldung, Verfügbarkeit). Deshalb sei der allgemeine Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben heranzuziehen.

Gegen das der Beklagten am 27. Oktober 2005 zugestellte Urteil hat diese am 11. November 2005 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe zutreffend festgestellt, dass ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch vorliegend nicht greife. Darüber hinaus lägen jedoch auch materiell-rechtlich die Voraussetzungen für die begehrte Leistungsart nicht vor. Ein Anspruch nach dem SGB III bestehe insgesamt nicht. Soweit ein eingetretener Schaden geltend gemacht werde, könne dieser allenfalls aus einer Amtspflichtverletzung resultieren und der Zivilrechtsweg sei hierfür gegeben. Eine Verurteilung durch das Sozialgericht habe daher nicht erfolgen dürfen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist auf die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten (1 Band, Stammnr. ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist ohne weitere Zulassung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 Euro übersteigt.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet.

Das Sozialgericht Berlin hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klage gegen den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 24. Februar 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06. Juli 2004 ist zulässig, jedoch unbegründet. Der genannte Bescheid ist rechtmäßig.

Der Kläger hat für den streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld gegen die Beklagte. Weder kann der Kläger einen neuen Anspruch geltend machen (hierzu im Folgenden unter I.) noch kann er einen Altanspruch auf Arbeitslosengeld durchsetzen (II.).

I. Nach § 117 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden und hier anzuwendenden Fassung haben Anspruch auf Arbeitslosengeld Arbeitnehmer, die

1. arbeitslos sind, 2. sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben.

Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden und hier anzuwendenden Fassung). Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 in der hier anzuwendenden ab 1. Januar 2004 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistung am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl. I S. 2848).

Nach diesen Regelungen ist ein neuer Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld nicht entstanden.

Ein vom Sozialgericht erkannter Anspruch ab dem 19. Februar 2004 scheitert bereits daran, dass die als Leistungsvoraussetzung notwendige Meldung erst am 20. Februar 2004 erfolgte. Darüber hinaus scheitert ein Anspruch bei einer Meldung am 20. Februar 2004 zumindest daran, dass der Kläger innerhalb der Rahmenfrist keine 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Ausgehend von der Meldung am 20. Februar 2004 läuft die Rahmenfrist vom 20. Februar 2002 bis zum 19. Februar 2004. Innerhalb dieses Zeitraumes lebte der Kläger nach eigenen Angaben von der Unterstützung seiner Frau und erhaltenem Erziehungsgeld sowie gelegentlichen Einkünften als Selbständiger. Einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ging er innerhalb dieses Zeitraumes nicht nach.

Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten wird die Anwartschaftszeit auch nicht dadurch erfüllt, dass dem Kläger aufgrund eines entstandenen Anspruches auf Arbeitslosengeld ab dem 16. Juli 1997 für die Dauer von 728 Tagen nur 228 Tage mit einem Restanspruch von 500 Tagen gewährt wurde. Ein solcher Restanspruch kann nicht zur Erfüllung der Anwartschaftszeit im Rahmen eines neuen Anspruches auf Arbeitslosengeld führen, sondern allenfalls einen Weitergewährungsanspruch des bereits erworbenen Anspruches auf Arbeitslosengeld begründen.

II. Auch ein solcher Anspruch ist jedoch aufgrund des Antrages vom 20. Februar 2004 nicht gegeben.

Nach § 147 Abs. 2 SGB III kann der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung vier Jahre verstrichen sind.

Vorliegend führt die Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III dazu, dass der Kläger beim Antrag am 20. Februar 2004 den Anspruch nicht mehr geltend machen konnte. Denn zum Zeitpunkt der Beantragung (20. Februar 2004) waren seit der Entstehung des Anspruches auf Arbeitslosengeld (16. Juli 1997) bereits über vier Jahre verstrichen. Die Vierjahresfrist endete mit Ablauf des 15. Juli 2001.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 125 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) als Vorgängervorschrift von § 147 Abs. 2 SGB III hat die Verfallsregelung eine Ausschlussfrist zum Inhalt, die, auch bei ruhendem Arbeitslosengeldanspruch, ohne Hemmungs- oder Unterbrechungsmöglichkeit kalendermäßig abläuft (ständige Rechtsprechung BSG, u.a. BSGE 54,212, 214 = SozR 4100 § 125 Nr. 2; BSGE 62,179, 180 = SozR 4100 § 125 Nr. 3, zuletzt BSG Urteil vom 19. Januar 2005, B 11a/11 AL 35/04 R m.w.N. – in SozR 4-4300 § 147 Nr. 3). Der Ablauf der Ausschlussfrist hat das Untergehen der gesamten Anspruchsberechtigung zur Folge (BSG, Urteil vom 19. Januar 2005, B 11a/11 AL 35/04 R). Mit Ablauf dieses Tages ist jeglicher noch vorhanden gebliebener Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld aus dem alten Anspruch erloschen (BSG, Urteil vom 21. März 1990 - 7 RAr 36/88 = BSGE 66, 258 ff.). Anders ausgedrückt ist mit dem Ablauf der Frist des § 125 Abs. 2 AFG die gesamte Anspruchsberechtigung, d.h. die gesamte rechtliche Grundlage untergegangen, aufgrund derer der Arbeitnehmer durch Arbeitslosigkeit einen Anspruch erwerben kann ( BSG a.a.O.; ebenso BSGE 47, 101, 102 = SozR 4100 § 119 Nr. 5).

Nach dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat nach eigener Prüfung folgt und die auch auf die wort- und inhaltsgleiche Regelung des § 147 Abs. 2 SGB III übertragbar ist, ist der Anspruch des Klägers mit Ablauf der vier Jahre am 15. Juli 2001 erloschen.

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht im Hinblick auf die Auskunft der Beklagten vom 10. April 2001 auf das Schreiben des Klägers vom 28. März 2001.

Weder kann wegen dieser Auskunft auf den Rechtsgedanken aus § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - Treu und Glauben - noch auf die Rechtsprechung zum sozialrechtlichen Herstellungsanspruch abgestellt werden.

An einer Anwendbarkeit des Rechtsgedankens aus § 242 BGB bei einer Prüfung nach § 147 Abs. 2 SGB III hat der Senat entgegen der Entscheidungen der Landessozialgerichte für Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 22.Oktober 2003, L 12 AL 190/02 – zitiert nach juris) und Niedersachsen- Bremen (Urteil vom 27. Februar 2003, L 8 AL 536/01– zitiert nach juris) bereits deshalb Zweifel, weil nach der erwähnten ständigen Rechtsprechung des BSG die Vier-Jahres-Frist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist darstellt. Eine andere Sichtweise ergibt sich auch nicht aus dem Wortlaut des § 147 Abs. 2 SGB III (" ...kann nicht mehr geltend gemacht werden"). Zum einen ist der Wortlaut des § 147 Abs. 2 SGB III mit dem seiner Vorgängerregelung (§ 125 Abs. 2 AFG) identisch und die ständige Rechtsprechung des BSG war bei Verabschiedung des SGB III bekannt. Hätte der Gesetzgeber entgegen dieser Rechtsprechung keine Ausschlussfrist schaffen wollen, so wäre eine andere Formulierung nahe liegend gewesen. Zum anderen wird mit der Überschrift des § 147 SGB III der Regelungsgehalt auch hinreichend verdeutlicht. In § 147 SGB III werden nämlich die Voraussetzungen genannt, unter denen ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erlischt.

Gegen eine Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches spricht, dass nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat ebenfalls anschließt, durch den Herstellungsanspruch nur ein Fehlverhalten des Leistungsträgers insoweit berichtigt werden kann, als die Korrektur mit dem jeweiligen Gesetzeszweck in Einklang steht (u.a. BSG; Urteil vom 5. April 2000, B 5 RJ 50/98 R- SozR 1200 § 14 Nr. 29 m.w.N.).

Das Bundessozialgericht (BSG) hat hierzu mit Urteil vom 31. Januar 2006 (B 11a AL 15/05 R- in SGb 2006, 227 - Kurzwiedergabe) folgendes ausgeführt:

"Selbst bei einem (unterstelltem) Fehlverhalten der Beklagten kommt eine Korrektur im Wege des Herstellungsanspruchs jedenfalls deshalb nicht in Frage, weil ein Nachteilsausgleich auf ein gesetzwidriges Handeln des Leistungsträgers hinauslaufen würde (vgl. BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4; BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr. 1 jeweils RdNr. 40). Der in diesem Zusammenhang von der Revision sinngemäß erhobene Einwand, die Rechtsprechung habe den Herstellungsanspruch bei der Versäumung von Ausschlussfristen zugelassen, greift im Ergebnis nicht durch (so bereits BSG SozR 4100 § 112 Nr. 51). Denn die in den §§ 118 , 119 SGB III geregelten tatsächlichen Anforderungen an die Arbeitslosigkeit schließen es aus, den - hier erforderlichen - Eintritt der Arbeitslosigkeit vor Ablauf der Erlöschensfrist im Wege des Herstellungsanspruchs in gesetzeskonformer Weise zu fingieren. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war der Kläger während der gesamten Dauer der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme weder objektiv noch subjektiv verfügbar (zur Verfügbarkeit während der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen s auch BSG vom 24. April 1997 - 11 RAr 39/96 und vom 17. Juli 1997 - 7 RAr 12/96 ). Ohne das (Wieder-) Vorliegen von Arbeitslosigkeit des Antragstellers als Voraussetzung des Anspruchs auf Alhi vor Ablauf der Erlöschensfrist des § 196 SGB III kommt eine Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs indes nicht in Betracht. Eine weiter gehende Korrektur im Wege dieses richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts widerspräche dem Gesetzeszweck, weil eine Ersetzung von tatsächlichen Umständen, denen gestaltende Entscheidungen des Antragstellers zu Grunde liegen, in Abgrenzung zum Amtshaftungsanspruch ausgeschlossen ist. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt nachhaltig von den Verhältnissen, die der Entscheidung des Senats vom 19. Januar 2005 - B 11a/11 AL 41/04 R - zu Grunde lagen (vgl. auch schon BSG vom 29. September 1987 - 7 RAr 23/86 = BSGE 62,179 , 182 = SozR 4100 § 125 Nr. 3). In der Entscheidung vom 19. Januar 2005 ist insbesondere darauf abgestellt worden, dass sich für die dort relevante Zeit der Bezug von Erziehungsgeld und Alhi nicht ausschließen und die Klägerin nicht auf eine Beendigung der Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Erlöschensfrist verwiesen werden könne. Auch der 7. Senat des BSG hat zu der für den Alg-Anspruch geltenden Verfallsfrist (früher: § 125 Abs. 2 AFG , jetzt: § 147 Abs 2 SGB III) in Fortführung und Abgrenzung zu seiner Entscheidung vom 29. September 1987 darauf hingewiesen, dass tatsächliche Gegebenheiten (dort der Bestand eines Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Verfallsfrist) idR nicht mit Hilfe des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden können (Urteil vom 21. März 1990 - 7 RAr 36/88 = BSGE 66, 258 , 267 = SozR 3-4100 § 125 Nr. 1 mwN)."

Der 7. Senat des BSG (Urteil vom 29.September 1987 - 7 RAr 23/86 – in SozR 4100 § 125 Nr. 3) führte hierzu ferner aus, eine Klägerin könne im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht mehr erhalten, als ihr zustünde, wenn sie sich rechtzeitig, d.h. spätestens am letzten Tage der Frist des § 125 Abs 2 AFG arbeitslos gemeldet und Alg beantragt und deshalb von diesem Zeitpunkt an kein Mutterschaftsgeld mehr bezogen hätte.

Dass neben einem Antrag nach § 323 SGB III (im Sinne einer Geltendmachung nach § 147 Abs. 2 SGB III) auch die Arbeitslosmeldung, Beschäftigungslosigkeit und Verfügbarkeit im Nachhinein hergestellt werden kann, gilt danach als ausgeschlossen. Zumindest an einer fristgemäßen Arbeitslosmeldung bis zum 15. Juli 2001 fehlt es jedoch im vorliegenden Fall. Zu einer Arbeitslosmeldung ist gemäß § 122 Abs. 1 Satz 1 SGB III die persönliche Vorsprache bei dem zuständigen Arbeitsamt notwendig. Eine solche erfolgte durch den Kläger 2001 nicht, sondern nur eine schriftliche Anfrage. Erst im Februar 2004 und damit weit außerhalb der Ausschlussfrist des § 147 Abs. 2 SGB III meldete sich der Kläger erneut arbeitslos.

Selbst wenn jedoch nicht bereits aufgrund dieser Erwägungen ein Anspruch des Klägers ausgeschlossen wäre, so scheitert er doch wegen der weiteren Voraussetzungen.

Sowohl die Anwendung des Rechtsgedankens aus § 242 BGB als auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzen ein Fehlverhalten der Beklagten voraus, welches kausal ist für die eingetretenen Umstände. Ein solches Fehlverhalten ist aber vorliegend nicht gegeben.

Vorliegend könnte es einzig aus der Antwort der Beklagten vom 10. April 2001 auf die Anfrage des Klägers vom 28. März 2001 resultieren. In dieser Antwort ist aber weder ein Beratungs- noch ein Hinweispflichtverstoß zu sehen.

Das Bundessozialgericht hat wiederholt ausgeführt, dass bei Verstoß gegen die Beratungs- bzw. Hinweispflicht aus § 14 SGB I der Arbeitslose im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches verlangen kann, so gestellt zu werden, wie er bei entsprechender Beratung stände, das heißt, als hätte er den Anspruch rechtzeitig geltend gemacht (BSG SozR 3-4100 § 125 Nr. 1 m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG a.a.O.) setzt eine Beratungspflicht jedoch voraus, dass dafür nach den Umständen des Einzelfalles besonderer Anlass besteht. In der Regel wird eine solche Pflicht erst durch ein entsprechendes Begehren ausgelöst (vgl BSG SozR 1200 § 14 Nrn. 9, 12). Allerdings ist der Versicherungsträger, auch wenn ein Beratungsbegehren nicht vorliegt, gehalten, die Versicherten bei Vorliegen eines konkreten Anlasses von sich aus "spontan" auf klar zutage liegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und die von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt werden (so schon BSG SozR Nr. 3 zu § 1233 RVO; vgl. ferner BSG SozR 1200 § 14 Nrn. 15, 25; SozR 3-1200 § 14 Nrn. 5, 6).

Eine Verletzung der Beratungs- und Hinweispflicht vermag der Senat unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung nicht zu erkennen.

Zwar ersuchte der Kläger mit Schreiben vom 28. März 2001 die Beklagte um Auskunft, ob er noch einmal Arbeitslosengeld beziehen könne, wie hoch der Betrag wäre und für welchen Zeitraum gezahlt würde. Diesem Ersuchen entsprechend erfolgte jedoch eine zutreffende Auskunft und Beratung durch die Beklagte. Da Computerdaten nicht mehr vorhanden waren, wurde dem Kläger die zutreffende Auskunft gegeben, dass vermutlich noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld besteht. Er wurde ferner darauf hingewiesen, dass er zur Geltendmachung eine Anmeldung ausfüllen und sich persönlich arbeitslos melden müsse. Diese Auskunft wurde unter dem 10. April 2001 erteilt und damit noch rechtzeitig vor Ablauf der Vierjahresfrist des § 147 Abs. 2 (15. Juli 2001). Dem Kläger wäre es mithin möglich gewesen, innerhalb der verbleibenden gut drei Monate sich wieder persönlich arbeitslos zu melden und die Fortzahlung von Arbeitslosengeld zu beantragen. Dies unterließ er jedoch und meldete sich vielmehr erst annähernd drei Jahre später (am 20. Februar 2004).

Ein Beratungspflichtverstoß kann auch nicht darin gesehen werden, dass der Kläger nicht ausdrücklich auf den Ablauf der Ausschlussfrist mit dem 17. Juli 2001 hingewiesen wurde. Denn nach den Umständen des Falles bestand hierzu kein konkreter Anlass.

Für den Mitarbeiter der Beklagten war das Datum des drohenden Fristablaufes nicht erkennbar und damit auch ein Hinweis hierauf nicht nahe liegend. Weder konnte er nach seinem Hinweis an den Kläger auf Computerdaten zurückgreifen noch hat der Kläger in seinem Schreiben vom 28. März 2001 den Zeitpunkt des Arbeitslosengeldbeginns (16. Juli 1997) erwähnt. Es waren damit nur allgemeine Auskünfte möglich.

Selbst wenn jedoch ordnungsgemäß die Verwaltungsakte des Klägers vorgelegen hätte und hieraus der drohende Fristablauf ermittelbar gewesen wäre, hätte sich ein Hinweis auf diesen Fristablauf nicht aufgedrängt.

Bei dem Auskunftsersuchen des Klägers ist nämlich zu berücksichtigen, dass er in seinem Schreiben vom 28. März 2001 erkennbar auf den 01. April 2001 abstellte. Er wies ausdrücklich unter Vorlage eines Kündigungsschreibens vom Februar 2001 darauf hin, dass er ab dem 01. April 2001 ohne jedes Einkommen sein werde und "deswegen" nach der Möglichkeit des weiteren Arbeitslosengeldbezuges nachfrage. Dem Wortlaut und den Umständen nach bat der Kläger damit erkennbar nur um Auskunft, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sowie für welchen Zeitraum ihm ab dem 01. April 2001 Arbeitslosengeld gezahlt werden konnte.

Unter Bezugnahme auf den vom Kläger genannten Zeitpunkt (01. April 2001) ist die erteilte Auskunft ebenfalls weder pflichtwidrig noch kausal für den Untergang des Anspruches. Hätte der Kläger sich entsprechend des Hinweises vom 10. April 2001 unverzüglich persönlich arbeitslos gemeldet und einen Antrag gestellt, so wäre die Bewilligung von Arbeitslosengeld nicht an § 147 Abs. 2 SGB III gescheitert. Wie bereits dargestellt, hatte der Kläger zur Vermeidung des Eintrittes der Ausschlussfrist noch rund drei Monate Zeit, den Antrag zu stellen und sich persönlich bei dem für ihn zuständigen Arbeitsamt (§ 122 SGB III) zu melden. Dass der Kläger bis zu einer erneuten Meldung annähernd drei Jahre verstreichen lassen würde, war nach seinem Schreiben vom 28. März 2001 nicht zu erwarten und musste daher auch nicht im Rahmen der Auskunft durch einen ausdrücklichen Hinweis auf den Fristablauf am 15. Juli 2001 Berücksichtigung finden. Im Übrigen hätte es, wenn der Kläger die Auskunft entsprechend seinen Erläuterungen im Widerspruchsschreiben als unzureichend ansah, nahe gelegen, sich zeitnah zur Klärung der offenen Fragen an die Beklagte zu wenden. Stattdessen gab sich der Kläger mit der nach seiner Ansicht unzureichenden Auskunft zufrieden, so dass letztlich die Folge des § 147 Abs. 2 SGB III eintrat.

Die erteilte Auskunft konnte entgegen der Behauptung des Klägers auch nicht dahingehend verstanden werden, Fristen seien nicht einzuhalten. Vielmehr ist der Auskunft zu entnehmen, dass eine klare Aussage zu einem Arbeitslosengeldanspruch erst bei einer Antragstellung und persönlichen Arbeitslosmeldung möglich wäre. Deshalb wurde formuliert, es sei "vermutlich" noch ein Restanspruch vorhanden. Besteht aber mangels vorliegender Computerdaten nicht einmal die Prüfmöglichkeit, ob überhaupt ein Restanspruch nach der Leistungsgewährung verblieben war, so ist offenbar, dass eine Auskunft zu weiteren Einzelheiten hierzu und damit insbesondere zur Vier- Jahres-Frist ebenfalls nicht gegeben werden kann.

Dies hat der Kläger im Ergebnis auch richtig erkannt. In seinem Widerspruchsschreiben vom 27. Februar 2004 schreibt er hierzu: "Außerdem hieß es, ich müsste mich erneut arbeitslos melden, wohl weil Sie sich sonst nicht die Arbeit machen wollten, mir eine konstruktive Auskunft zu geben, aus der auch verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten Ihrerseits und die Gefahren von Fristversäumnissen hervorgegangen wären Ihre Antwort auf meinen Brief habe ich also ganz eindeutig so verstehen müssen, dass vielleicht noch Restbeträge aus der Zeit der ersten Arbeitslosengeldzahlung bestehen- deren Höhe und Dauer man sehen wird und kann, wenn der wirkliche Bedarf wieder auftritt, aber bis dahin nichts versäumt wird."

Insgesamt vermag der Senat somit nicht zu erkennen, dass die Auskunft vom 10. April 2001 pflichtwidrig erfolgte und hierdurch der begehrte Anspruch auf Arbeitslosengeld begründet sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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