Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 2417/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 381/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers auf Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung zum Lebensunterhalt eine Entscheidung zu treffen und dem Antragsteller ab Zugang dieses Beschlusses per Telefax vorläufig bis zu ihrer Entscheidung über den Leistungsantrag, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2007, zur Sicherung seines Lebensunterhalts Lebensmittelgutscheine zu gewähren. Eine Kostenentscheidung bleibt der Beschwerdeentscheidung vorbehalten.
Gründe:
Der Antragsteller (Ast) begehrt im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von der Antragsgegnerin (Ageg) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von "5.000,00 Euro" monatlich mit dem Vortrag, er erhalte keinerlei Leistungen und müsse hungern.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den am 30. Januar 2007 gestellten und am 31. Januar 2007 der Ageg per Fax übermittelten Antrag des Ast auf Verpflichtung der Ageg zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II durch Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Beschluss vom "15. Januar 2007" (richtig: 15. Februar 2007) abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es bestehe schon kein Anordnungsanspruch, da der Ast bisher keinen Leistungsantrag bei der Ageg gestellt habe und eine Klage in der Hauptsache mangels vorangegangenem Verwaltungsverfahren unzulässig wäre.
Hiergegen wendet sich der Ast mit seiner Beschwerde.
Der Senat macht vor diesem Hintergrund wegen der Eilbedürftigkeit und zur Gewährung effektiven Rechtschutzes (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) von der ihm nach §§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, bis zur Entscheidung über die jedenfalls nicht offensichtlich unbegründete Beschwerde gegen den Beschluss des SG Berlin vom 15. Februar 2007 eine Zwischenregelung zur Sicherung des Lebensunterhalts des Ast zu treffen. Denn erst nach Herbeiführung einer (anfechtbaren) Verwaltungsentscheidung der Ageg ist für den Senat eine abschließende Beurteilung der Begründetheit der Beschwerde des Ast möglich, d.h. die Entscheidung darüber, ob für den einstweiligen Rechtsschutzantrag ein Rechtsschutzbedürfnis besteht und ob sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind.
Der Ast hatte bis zum Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG am 30. Januar 2007 nach Auskunft der Ageg im Schriftsatz vom 06. Februar 2007 noch keinen Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Ageg gestellt, so dass es dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu diesem Zeitpunkt an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hatte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, RdNr 26b zu § 86b). Spätestens mit Zugang des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei der Ageg lag jedoch ein von ihr zu bescheidender Leistungsantrag iSd § 37 SGB II vor. Denn der Antrag nach § 37 SGB II ist an keine Form gebunden; er ist zwar beim zuständigen Leistungsträger (nach der Wohnanschrift des Ast ist dies die Ageg) zu stellen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)), eine Antragstellung ist aber auch bei anderen Behörden möglich (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Dem Antrag muss nur mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass der Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (nach §§ 7, 19 SGB II) von der Ageg (und keinem anderen Leistungsträger) begehrt. Dieses Leistungsbegehren ist in dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (ebenfalls) enthalten. Davon hat die Ageg mit Übersendung des einstweiligen Rechtsschutzantrages per Fax am 31. Januar 2007 Kenntnis erlangt, so dass im Hinblick auf § 17 Abs. 1 SGB I iVm § 18 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Sachverhaltsermittlungen aufzunehmen waren.
Davon ausgehend war der Ageg aufzugeben, eine Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II herbeizuführen. Dazu wird sie zunächst den zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit iSv § 9 SGB II (Höhe des Einkommens und des Vermögens des Ast, Höhe der Kosten der Unterkunft etc) und der Erwerbsfähigkeit des Ast iSv § 8 SGB II maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und den Ast kurzfristig zur Ausfüllung der Formanträge – evtl. unter Mithilfe des ServiceCenters – aufzufordern haben. Des Weiteren ist unter Einschaltung des medizinischen Dienstes die Erwerbsfähigkeit des Ast u.a. im Hinblick auf die von ihm vorgetragene "Blindheit" zu klären (§ 44a Abs. 1 Satz 1 SGB II), evtl. auch unter Einbeziehung der Einigungsstelle nach § 44a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB II, da der Ast in anderen Streitverfahren auch Leistungsansprüche gegen den Sozialhilfeträger geltend macht. Die Ageg wird jedoch zu beachten haben, dass Leistungen nach dem SGB II vor der abschließenden Entscheidung der Einigungsstelle nicht wegen einer fehlenden Erwerbsfähigkeit iSv § 8 SGB II abgelehnt werden können. Der Ast seinerseits ist verpflichtet, umgehend an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken (§§ 60 SGB I ff), insbesondere alle Tatsachen anzugeben, Nachweise vorzulegen und auf Verlangen der Erteilung der erforderlichen Auskünfte von Dritten zuzustimmen sowie sich den erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen zu unterziehen (§ 62 SGB I).
Mit der Verpflichtung, den Sachverhalt zu ermitteln und eine Entscheidung zu treffen, hat eine Gewährung unterhaltssichernder Leistungen einherzugehen, da auch die derzeit unzureichende Kooperation des Ast eine Grundrechtsbeeinträchtigung (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, veröffentlicht in Juris), verursacht durch die Vorenthaltung jeglicher Leistung, nicht ausschließt. Da mit diesem Beschluss lediglich die Zeit zwischen dem Eingang der Beschwerde und der Entscheidung der Ageg und des Senats überbrückt werden soll und der Sachverhalt bisher gänzlich ungeklärt ist, war die Gewährung von Leistungen auf das unabdingbar Notwendige zu beschränken. Sollte sich erweisen, dass diese Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, ist der Ast verpflichtet, der Ageg den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 945 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
Der Antragsteller (Ast) begehrt im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von der Antragsgegnerin (Ageg) die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von "5.000,00 Euro" monatlich mit dem Vortrag, er erhalte keinerlei Leistungen und müsse hungern.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den am 30. Januar 2007 gestellten und am 31. Januar 2007 der Ageg per Fax übermittelten Antrag des Ast auf Verpflichtung der Ageg zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II durch Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Beschluss vom "15. Januar 2007" (richtig: 15. Februar 2007) abgelehnt. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es bestehe schon kein Anordnungsanspruch, da der Ast bisher keinen Leistungsantrag bei der Ageg gestellt habe und eine Klage in der Hauptsache mangels vorangegangenem Verwaltungsverfahren unzulässig wäre.
Hiergegen wendet sich der Ast mit seiner Beschwerde.
Der Senat macht vor diesem Hintergrund wegen der Eilbedürftigkeit und zur Gewährung effektiven Rechtschutzes (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) von der ihm nach §§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, bis zur Entscheidung über die jedenfalls nicht offensichtlich unbegründete Beschwerde gegen den Beschluss des SG Berlin vom 15. Februar 2007 eine Zwischenregelung zur Sicherung des Lebensunterhalts des Ast zu treffen. Denn erst nach Herbeiführung einer (anfechtbaren) Verwaltungsentscheidung der Ageg ist für den Senat eine abschließende Beurteilung der Begründetheit der Beschwerde des Ast möglich, d.h. die Entscheidung darüber, ob für den einstweiligen Rechtsschutzantrag ein Rechtsschutzbedürfnis besteht und ob sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden sind.
Der Ast hatte bis zum Eingang des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim SG am 30. Januar 2007 nach Auskunft der Ageg im Schriftsatz vom 06. Februar 2007 noch keinen Antrag nach § 37 Abs. 1 SGB II auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes bei der Ageg gestellt, so dass es dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu diesem Zeitpunkt an einem Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hatte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 8. Auflage, RdNr 26b zu § 86b). Spätestens mit Zugang des einstweiligen Rechtsschutzantrages bei der Ageg lag jedoch ein von ihr zu bescheidender Leistungsantrag iSd § 37 SGB II vor. Denn der Antrag nach § 37 SGB II ist an keine Form gebunden; er ist zwar beim zuständigen Leistungsträger (nach der Wohnanschrift des Ast ist dies die Ageg) zu stellen (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)), eine Antragstellung ist aber auch bei anderen Behörden möglich (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Dem Antrag muss nur mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen sein, dass der Ast Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (nach §§ 7, 19 SGB II) von der Ageg (und keinem anderen Leistungsträger) begehrt. Dieses Leistungsbegehren ist in dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (ebenfalls) enthalten. Davon hat die Ageg mit Übersendung des einstweiligen Rechtsschutzantrages per Fax am 31. Januar 2007 Kenntnis erlangt, so dass im Hinblick auf § 17 Abs. 1 SGB I iVm § 18 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) das Verwaltungsverfahren einzuleiten und die Sachverhaltsermittlungen aufzunehmen waren.
Davon ausgehend war der Ageg aufzugeben, eine Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II herbeizuführen. Dazu wird sie zunächst den zur Feststellung der Hilfebedürftigkeit iSv § 9 SGB II (Höhe des Einkommens und des Vermögens des Ast, Höhe der Kosten der Unterkunft etc) und der Erwerbsfähigkeit des Ast iSv § 8 SGB II maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und den Ast kurzfristig zur Ausfüllung der Formanträge – evtl. unter Mithilfe des ServiceCenters – aufzufordern haben. Des Weiteren ist unter Einschaltung des medizinischen Dienstes die Erwerbsfähigkeit des Ast u.a. im Hinblick auf die von ihm vorgetragene "Blindheit" zu klären (§ 44a Abs. 1 Satz 1 SGB II), evtl. auch unter Einbeziehung der Einigungsstelle nach § 44a Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB II, da der Ast in anderen Streitverfahren auch Leistungsansprüche gegen den Sozialhilfeträger geltend macht. Die Ageg wird jedoch zu beachten haben, dass Leistungen nach dem SGB II vor der abschließenden Entscheidung der Einigungsstelle nicht wegen einer fehlenden Erwerbsfähigkeit iSv § 8 SGB II abgelehnt werden können. Der Ast seinerseits ist verpflichtet, umgehend an der Aufklärung des Sachverhaltes mitzuwirken (§§ 60 SGB I ff), insbesondere alle Tatsachen anzugeben, Nachweise vorzulegen und auf Verlangen der Erteilung der erforderlichen Auskünfte von Dritten zuzustimmen sowie sich den erforderlichen ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen zu unterziehen (§ 62 SGB I).
Mit der Verpflichtung, den Sachverhalt zu ermitteln und eine Entscheidung zu treffen, hat eine Gewährung unterhaltssichernder Leistungen einherzugehen, da auch die derzeit unzureichende Kooperation des Ast eine Grundrechtsbeeinträchtigung (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 -, veröffentlicht in Juris), verursacht durch die Vorenthaltung jeglicher Leistung, nicht ausschließt. Da mit diesem Beschluss lediglich die Zeit zwischen dem Eingang der Beschwerde und der Entscheidung der Ageg und des Senats überbrückt werden soll und der Sachverhalt bisher gänzlich ungeklärt ist, war die Gewährung von Leistungen auf das unabdingbar Notwendige zu beschränken. Sollte sich erweisen, dass diese Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, ist der Ast verpflichtet, der Ageg den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 945 Zivilprozessordnung).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
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