Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 4149/05-1
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 440/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 16. November 2004 bis zum 20. Dezember 2004 und gegen eine Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 830,41 Euro.
Seit dem 23. September 2004 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Im hier streitigen Zeitraum betrug der Auszahlungsbetrag vom 16. November 2004 bis zum 12. Dezember 2004 13,10 Euro täglich (Minderung wegen verspäteter Arbeitslosmeldung) und vom 13. Dezember 2004 bis zum 20. Dezember 2004 26,19 Euro täglich.
In einem anderen Zusammenhang teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit Schreiben vom 28. Januar 2005 mit, der Kläger habe sich vom 16. November 2004 bis zum 21. Dezember 2004 bei seinem kranken Onkel in W aufgehalten und von Post erst wieder am 21. Dezember 2004 Kenntnis nehmen können.
Mit Bescheid vom 22. August 2005 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16. November 2004 bis zum 20. Dezember 2004 daraufhin ganz auf. In diesem Zeitraum habe der Kläger für die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden, weil er ortsabwesend gewesen sei. Ein Leistungsanspruch bestehe damit nicht. Der Verpflichtung, der Beklagten seine Ortsabwesenheit mitzuteilen, sei der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Unabhängig davon hätte er auch wissen müssen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Ortsabwesenheit zum Ruhen gekommen sei. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld führte die Beklagte § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X an. Die erbrachten Leistungen in Höhe von 563,22 Euro seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Der Erstattung unterlägen auch 238,80 Euro an Kranken- sowie 28,39 Euro an Pflegeversicherungsbeiträgen. Damit ergebe sich eine Gesamtforderung von 830,41 Euro.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, der nicht weiter begründet wurde, wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2005 zurück. Voraussetzung für den Leistungsanspruch eines Arbeitslosen sei, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Im streitigen Zeitraum habe der Kläger sich nicht im Nahbereich der Agentur für Arbeit, sondern in W aufgehalten. Die vorherige Zustimmung der Agentur für Arbeit habe er nicht eingeholt. Er habe deren Vermittlungsbemühungen im streitigen Zeitraum daher wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur Verfügung gestanden. Er sei damit nicht arbeitslos im Sinne von § 118 Abs. 1 SGB III gewesen und habe keinen Leistungsanspruch.
Hiergegen richtet sich die am 23. Dezember 2005 erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, in der Zeit vom 16. November bis zum 20. Dezember 2004 keine Meldeauflagen von der Beklagten erhalten zu haben. Bei entsprechender Anforderung durch die Beklagte hätte er auch innerhalb weniger Stunden vorstellig werden können.
Die Beklagte hat hierauf entgegnet, dass es unerheblich sei, wenn im streitigen Zeitraum keine Meldeaufforderung ergangen sei. Es sei allein maßgeblich, dass der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs nach den gesetzlichen Vorschriften zum Wegfall der Verfügbarkeit führe, wenn nicht ausdrücklich und im jeweiligen Einzelfall vorher durch den Arbeitsvermittler geprüft und entschieden worden sei, dass Verfügbarkeit fortbestehe.
Mit Urteil vom 18. Juli 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Im Übrigen liege die Klagebegründung neben der Sache. Es sei völlig unerheblich, ob die Beklagte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Meldeauflagen gemacht habe. Auch sei unerheblich, ob er einer Meldeaufforderung alsbald hätte Folge leisten können. Entscheidend sei allein, dass er sich in dem fraglichen Zeitraum nicht unter der von ihm angegebenen Anschrift aufgehalten habe und seine Ortsabwesenheit nicht von der Beklagten genehmigt worden sei.
Gegen das ihm am 12. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. September 2006 erhobene Berufung des Klägers. Unstreitig habe er sich in dem streitbefangenen Zeitraum in Westdeutschland bei seinem Onkel aufgehalten. Eine Pflicht zum werktäglichen Aufenthalt und zu einer Erreichbarkeit unter der angegebenen Meldeanschrift habe seinerzeit nicht bestanden. Erreichbar sei er jedoch gewesen. Die Beklagte habe sich im fraglichen Zeitraum nicht mit Meldeauflagen an ihn gewandt. Das Urteil des Sozialgerichts sei damit rechtsfehlerhaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass der Arbeitslose nach der maßgeblichen Erreichbarkeitsanordnung in der Lage sein müsse, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung unverzüglich Folge zu leisten. Der Arbeitslose habe sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Dies sei im Falle des Klägers nicht gewährleistet gewesen. Im Schriftsatz vom 28. Januar 2005 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst damit argumentiert, dass der Kläger in der Zeit bis zum 21. Dezember 2004 postalisch nicht erreichbar gewesen sei.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II.
Die Berufung ist zulässig, denn ihr Gegenstand besteht in einer Geldleistung von über 500 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der angefochtene Bescheid ist, wie das Sozialgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er war in dem Zeitraum 16. November bis 20. Dezember 2004 wegen fehlender Verfügbarkeit nicht arbeitslos im Rechtssinne. Dem hat die Beklagte rechtsfehlerfrei Rechnung tragen, indem sie den ergangenen Bewilligungsbescheid insoweit aufhob und die Erstattung geleisteter Zahlungen forderte.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum 16. November bis 20. Dezember 2004 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt. Eine solche Änderung ist zur Überzeugung des Senats ab dem 16. November 2004 infolge des Wegfalls der Erreichbarkeit des Klägers eingetreten, weshalb dieser ab dem genannten Zeitpunkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hatte.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer - abgesehen von weiteren Erfordernissen - arbeitslos ist (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Ein Element der Arbeitslosigkeit besteht nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung sucht nach der in § 119 SGB III enthaltenen Legaldefinition, wer - neben weiteren subjektiven Voraussetzungen - den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zur Verfügung steht ("Verfügbarkeit", § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Den Vermittlungsbemühungen steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III). Ein Erfordernis der Arbeitsfähigkeit besteht nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III darin, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können, mithin für das Arbeitsamt erreichbar zu sein.
Wann ein Arbeitsloser im Sinne der genannten Vorschrift erreichbar ist, ist auf der Grundlage und im Rahmen des § 152 Nr. 2 SGB III durch die "Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können" (Erreichbarkeits-Anordnung [EAO] vom 23. Oktober 1997) geregelt. Danach kann Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wer u.a. in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EAO); deshalb hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EAO).
Der Kläger hat durch anwaltliches Schreiben vom 28. Januar 2005 eingeräumt und sogar ausdrücklich betont, vom 16. November bis zum 20. Dezember 2004 nicht unter seiner B Adresse erreichbar gewesen zu sein, sondern sich bei seinem kranken Onkel in W aufgehalten zu haben. Der Kläger war deshalb in diesem Zeitraum nicht arbeitsfähig im Sinne von § 119 Abs. 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III. Somit hatte er keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld. Dass die Beklagte den Kläger im streitigen Zeitraum nicht zur Vorsprache aufgefordert und ihm auch kein Arbeitsangebot unterbreitet hat, ändert hieran nichts. Grundsätzlich beruht das Erfordernis der unmittelbaren persönlichen Erreichbarkeit auf dem gesetzlichen Konzept einer effektiven Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung, für die jederzeitiger unmittelbarer Zugang zu dem Leistungsempfänger unentbehrlich ist. Unstreitig bestand hier für den Kläger ab dem 16. November 2004 nicht mehr die Möglichkeit, Briefpost unmittelbar persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob er gegebenenfalls innerhalb weniger Stunden hätte in B sein können. Mit den Vorgaben der Erreichbarkeits-Anordnung ist seine Arbeitslosigkeit im fraglichen Zeitraum zu verneinen. Soweit der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen meint, trotz seiner Ortsabwesenheit "erreichbar" gewesen zu sein, geht sein Begriffsverständnis an der Rechtslage vorbei.
Die Regelungen des § 1 Abs. 1 EAO sind im Übrigen mit der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 152 Nr. 2, 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III vereinbar, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von gesetzlichen Ermächtigungen zu untergesetzlicher Rechtssetzung genügen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Juni 2001, B 11 AL 10/01 R, SozR 3-4300 § 119 Nr. 3). Die Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist.
Durch die unmissverständlichen Ausführungen in dem Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift auf dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ausdrücklich bestätigte, musste der Kläger erkennen, dass sein Leistungsanspruch wegfallen würde, wenn er für das Arbeitsamt nicht erreichbar ist. Sofern er sinngemäß anführt, diese Rechtsfolge nicht gekannt zu haben, so hat er die ihm obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor, der die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen der Verhältnisse ermöglicht. Der Kläger musste aufgrund der Hinweise im Merkblatt auch wissen, dass er bei mehrwöchiger Ortsabwesenheit zur vorherigen Unterrichtung der Beklagten verpflichtet war.
Die mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid verbundene Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Forderung der Erstattung von Arbeitslosengeld ist damit dem Grunde, aber auch der Höhe nach (27 Leistungstage i.H.v. jeweils 13,10 Euro, acht Leistungstage i.H.v. jeweils 26,19 Euro) nicht zu beanstanden.
Die Rechtsgrundlage für die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung besteht in § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Der Bezieher dieser Leistungen hat sie zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend aufgehoben worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 16. November 2004 bis zum 20. Dezember 2004 und gegen eine Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 830,41 Euro.
Seit dem 23. September 2004 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Im hier streitigen Zeitraum betrug der Auszahlungsbetrag vom 16. November 2004 bis zum 12. Dezember 2004 13,10 Euro täglich (Minderung wegen verspäteter Arbeitslosmeldung) und vom 13. Dezember 2004 bis zum 20. Dezember 2004 26,19 Euro täglich.
In einem anderen Zusammenhang teilte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Beklagten mit Schreiben vom 28. Januar 2005 mit, der Kläger habe sich vom 16. November 2004 bis zum 21. Dezember 2004 bei seinem kranken Onkel in W aufgehalten und von Post erst wieder am 21. Dezember 2004 Kenntnis nehmen können.
Mit Bescheid vom 22. August 2005 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit vom 16. November 2004 bis zum 20. Dezember 2004 daraufhin ganz auf. In diesem Zeitraum habe der Kläger für die Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit nicht zur Verfügung gestanden, weil er ortsabwesend gewesen sei. Ein Leistungsanspruch bestehe damit nicht. Der Verpflichtung, der Beklagten seine Ortsabwesenheit mitzuteilen, sei der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Unabhängig davon hätte er auch wissen müssen, dass sein Anspruch auf Arbeitslosengeld mit der Ortsabwesenheit zum Ruhen gekommen sei. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld führte die Beklagte § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X an. Die erbrachten Leistungen in Höhe von 563,22 Euro seien nach § 50 SGB X zu erstatten. Der Erstattung unterlägen auch 238,80 Euro an Kranken- sowie 28,39 Euro an Pflegeversicherungsbeiträgen. Damit ergebe sich eine Gesamtforderung von 830,41 Euro.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch, der nicht weiter begründet wurde, wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. November 2005 zurück. Voraussetzung für den Leistungsanspruch eines Arbeitslosen sei, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Im streitigen Zeitraum habe der Kläger sich nicht im Nahbereich der Agentur für Arbeit, sondern in W aufgehalten. Die vorherige Zustimmung der Agentur für Arbeit habe er nicht eingeholt. Er habe deren Vermittlungsbemühungen im streitigen Zeitraum daher wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur Verfügung gestanden. Er sei damit nicht arbeitslos im Sinne von § 118 Abs. 1 SGB III gewesen und habe keinen Leistungsanspruch.
Hiergegen richtet sich die am 23. Dezember 2005 erhobene Klage. Der Kläger trägt vor, in der Zeit vom 16. November bis zum 20. Dezember 2004 keine Meldeauflagen von der Beklagten erhalten zu haben. Bei entsprechender Anforderung durch die Beklagte hätte er auch innerhalb weniger Stunden vorstellig werden können.
Die Beklagte hat hierauf entgegnet, dass es unerheblich sei, wenn im streitigen Zeitraum keine Meldeaufforderung ergangen sei. Es sei allein maßgeblich, dass der Aufenthalt außerhalb des Nahbereichs nach den gesetzlichen Vorschriften zum Wegfall der Verfügbarkeit führe, wenn nicht ausdrücklich und im jeweiligen Einzelfall vorher durch den Arbeitsvermittler geprüft und entschieden worden sei, dass Verfügbarkeit fortbestehe.
Mit Urteil vom 18. Juli 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Im Übrigen liege die Klagebegründung neben der Sache. Es sei völlig unerheblich, ob die Beklagte dem Kläger für den streitigen Zeitraum Meldeauflagen gemacht habe. Auch sei unerheblich, ob er einer Meldeaufforderung alsbald hätte Folge leisten können. Entscheidend sei allein, dass er sich in dem fraglichen Zeitraum nicht unter der von ihm angegebenen Anschrift aufgehalten habe und seine Ortsabwesenheit nicht von der Beklagten genehmigt worden sei.
Gegen das ihm am 12. September 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 22. September 2006 erhobene Berufung des Klägers. Unstreitig habe er sich in dem streitbefangenen Zeitraum in Westdeutschland bei seinem Onkel aufgehalten. Eine Pflicht zum werktäglichen Aufenthalt und zu einer Erreichbarkeit unter der angegebenen Meldeanschrift habe seinerzeit nicht bestanden. Erreichbar sei er jedoch gewesen. Die Beklagte habe sich im fraglichen Zeitraum nicht mit Meldeauflagen an ihn gewandt. Das Urteil des Sozialgerichts sei damit rechtsfehlerhaft.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juli 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. August 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass der Arbeitslose nach der maßgeblichen Erreichbarkeitsanordnung in der Lage sein müsse, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung unverzüglich Folge zu leisten. Der Arbeitslose habe sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen könne. Dies sei im Falle des Klägers nicht gewährleistet gewesen. Im Schriftsatz vom 28. Januar 2005 habe der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst damit argumentiert, dass der Kläger in der Zeit bis zum 21. Dezember 2004 postalisch nicht erreichbar gewesen sei.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
II.
Die Berufung ist zulässig, denn ihr Gegenstand besteht in einer Geldleistung von über 500 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn der angefochtene Bescheid ist, wie das Sozialgericht in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er war in dem Zeitraum 16. November bis 20. Dezember 2004 wegen fehlender Verfügbarkeit nicht arbeitslos im Rechtssinne. Dem hat die Beklagte rechtsfehlerfrei Rechnung tragen, indem sie den ergangenen Bewilligungsbescheid insoweit aufhob und die Erstattung geleisteter Zahlungen forderte.
Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum 16. November bis 20. Dezember 2004 ist § 48 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist jede tatsächliche oder rechtliche Änderung, die sich auf Grund oder Höhe der bewilligten Leistung auswirkt. Eine solche Änderung ist zur Überzeugung des Senats ab dem 16. November 2004 infolge des Wegfalls der Erreichbarkeit des Klägers eingetreten, weshalb dieser ab dem genannten Zeitpunkt keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld mehr hatte.
Anspruch auf Arbeitslosengeld hat nur, wer - abgesehen von weiteren Erfordernissen - arbeitslos ist (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der hier maßgeblichen, bis 31. Dezember 2004 geltenden Fassung). Ein Element der Arbeitslosigkeit besteht nach § 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der Beschäftigungssuche. Eine Beschäftigung sucht nach der in § 119 SGB III enthaltenen Legaldefinition, wer - neben weiteren subjektiven Voraussetzungen - den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamts zur Verfügung steht ("Verfügbarkeit", § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Den Vermittlungsbemühungen steht zur Verfügung, wer arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs. 2 SGB III). Ein Erfordernis der Arbeitsfähigkeit besteht nach § 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III darin, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können, mithin für das Arbeitsamt erreichbar zu sein.
Wann ein Arbeitsloser im Sinne der genannten Vorschrift erreichbar ist, ist auf der Grundlage und im Rahmen des § 152 Nr. 2 SGB III durch die "Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können" (Erreichbarkeits-Anordnung [EAO] vom 23. Oktober 1997) geregelt. Danach kann Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wer u.a. in der Lage ist, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EAO); deshalb hat der Arbeitslose sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EAO).
Der Kläger hat durch anwaltliches Schreiben vom 28. Januar 2005 eingeräumt und sogar ausdrücklich betont, vom 16. November bis zum 20. Dezember 2004 nicht unter seiner B Adresse erreichbar gewesen zu sein, sondern sich bei seinem kranken Onkel in W aufgehalten zu haben. Der Kläger war deshalb in diesem Zeitraum nicht arbeitsfähig im Sinne von § 119 Abs. 3 SGB III und damit auch nicht arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III. Somit hatte er keinen Anspruch mehr auf Arbeitslosengeld. Dass die Beklagte den Kläger im streitigen Zeitraum nicht zur Vorsprache aufgefordert und ihm auch kein Arbeitsangebot unterbreitet hat, ändert hieran nichts. Grundsätzlich beruht das Erfordernis der unmittelbaren persönlichen Erreichbarkeit auf dem gesetzlichen Konzept einer effektiven Arbeitsförderung und Arbeitsvermittlung, für die jederzeitiger unmittelbarer Zugang zu dem Leistungsempfänger unentbehrlich ist. Unstreitig bestand hier für den Kläger ab dem 16. November 2004 nicht mehr die Möglichkeit, Briefpost unmittelbar persönlich zur Kenntnis zu nehmen. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob er gegebenenfalls innerhalb weniger Stunden hätte in B sein können. Mit den Vorgaben der Erreichbarkeits-Anordnung ist seine Arbeitslosigkeit im fraglichen Zeitraum zu verneinen. Soweit der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen meint, trotz seiner Ortsabwesenheit "erreichbar" gewesen zu sein, geht sein Begriffsverständnis an der Rechtslage vorbei.
Die Regelungen des § 1 Abs. 1 EAO sind im Übrigen mit der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 152 Nr. 2, 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III vereinbar, die ihrerseits den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Bestimmtheit von gesetzlichen Ermächtigungen zu untergesetzlicher Rechtssetzung genügen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 20. Juni 2001, B 11 AL 10/01 R, SozR 3-4300 § 119 Nr. 3). Die Beklagte war auch berechtigt, die Bewilligung des Arbeitslosengeldes mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene wusste oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist.
Durch die unmissverständlichen Ausführungen in dem Merkblatt für Arbeitslose, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger mit seiner Unterschrift auf dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld ausdrücklich bestätigte, musste der Kläger erkennen, dass sein Leistungsanspruch wegfallen würde, wenn er für das Arbeitsamt nicht erreichbar ist. Sofern er sinngemäß anführt, diese Rechtsfolge nicht gekannt zu haben, so hat er die ihm obliegende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt.
Im Übrigen liegen auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X vor, der die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung einer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen der Verhältnisse ermöglicht. Der Kläger musste aufgrund der Hinweise im Merkblatt auch wissen, dass er bei mehrwöchiger Ortsabwesenheit zur vorherigen Unterrichtung der Beklagten verpflichtet war.
Die mit dem angefochtenen Aufhebungsbescheid verbundene Erstattungsforderung beruht auf § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X, wonach erbrachte Leistungen zu erstatten sind, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Die Forderung der Erstattung von Arbeitslosengeld ist damit dem Grunde, aber auch der Höhe nach (27 Leistungstage i.H.v. jeweils 13,10 Euro, acht Leistungstage i.H.v. jeweils 26,19 Euro) nicht zu beanstanden.
Die Rechtsgrundlage für die Erstattung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung besteht in § 335 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Der Bezieher dieser Leistungen hat sie zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld rückwirkend aufgehoben worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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