L 2 SF 159/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 SF 159/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung der Antragstellerin wird auf 2.276,21 EUR festgesetzt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr W S, wurde in dem Rechtsstreit L 6 RJ 67/01, in dem die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit streitig war, mit Schreiben vom 4. Oktober 2005 beauftragt, im Rahmen eines berufskundlichen Gutachtens zu möglichen Verweisungstätigkeiten für den leistungsgeminderten Kläger im Bereich Lagerwirtschaft Stellung zu nehmen. Dazu wurden die rentenrechtlichen Grundlagen für eine Verweisung eingehend dargelegt. Weiter heißt es in dem Schreiben, Zweck des Gutachtens sei nicht nur, einen Beitrag zur Lösung des im hiesigen Verfahren zu beurteilenden individuellen Sachverhaltes zu erbringen, vielmehr solle es auch für eine Vielzahl ähnlich gelagerter Fälle Verwendung finden können; auch aus diesem Grunde würden die Anforderungsprofile allgemein "abgefragt". Die Antragstellerin erstattete das am 11. Januar 2006 von ihrem Geschäftsführer und Herrn K S unterzeichnete Gutachten, das einen Umfang von 24 Seiten hat. Für das Gutachten machten sie eine Entschädigung von 14.025,00 EUR zzgl. 2.244,00 EUR MwSt. geltend. Dieser Betrag war, wie sich aus beigefügten "Aufwandsnachweisen" ergibt, aufgrund einer Bearbeitungszeit von 165 Stunden (dies entsprach bei einer angenommenen Arbeitszeit von acht Stunden täglich einer Bearbeitungszeit von 20,63 Tagen) errechnet. Die Kostenstelle des Gerichts errechnete eine Vergütung von 2.041,60 EUR, die sie wie folgt aufschlüsselte: Aktenstudium (96 Seiten) 1,0 Stunden Recherchearbeiten/Datenerhebung 4,0 Stunden Ausarbeitung des Gutachtens 12,0 Stunden Diktat und Korrektur 4,8 Stunden gesamt 21,8 Stunden gerundet auf 22,0 Stunden à 80,00 EUR 1.760,00 EUR zzgl. 16 % Umsatzsteuer 281,60 EUR insgesamt 2.041,60 EUR Hiergegen richtet sich der Antrag auf gerichtliche Festsetzung, mit dem die Antragstellerin geltend macht, das vorliegende Schriftstück sei kein Gutachten zur Verwendung in einer einzelnen Rechtsstreitigkeit, sondern müsse als Leitfaden zum Verfassen von Gutachten in der Lagerwirtschaft angesehen werden. Es könne somit als grundsätzliche Vorlage in zukünftigen Rechtsstreitigkeiten verwendet werden. Dies folge auch aus der Aufgabenbeschreibung in dem Schreiben vom 4. Oktober 2005. Der Antragsgegner ist mit der Kostenstelle der Auffassung, dass die für die Vergütung von medizinischen Gutachten entwickelten Grundsätze auch bei berufskundlichen heranzuziehen seien. Daraus ergebe sich die Errechnung der für die Gutachtenerstattung erforderlichen Zeit von 22 Stunden, die mit einem Stundensatz von 80,00 EUR zu vergüten seien. Der Senat hat zur Feststellung des angemessenen Stundensatzes eine Auskunft der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund vom 15. Februar 2007 eingeholt, auf die Bezug genommen wird. Auf den gemäß § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) zulässigen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, über den nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache der Senat entschieden hat, wird die Vergütung auf 2.276,21 EUR festgesetzt. Dabei ist vorab festzustellen, dass die Verfasser mit der Abfassung des Gutachtens als Sachverständige im Sinne dieses Gesetzes tätig geworden sind; sie haben dem Gericht mit ihrer besonderen Sachkunde (hier im Bereich der Lagerwirtschaft) Fachwissen vermittelt, das zunächst der Entscheidung des Rechtsstreites diente, in dem das Gutachten eingeholt wurde. Dafür ist eine Vergütung nach dem JVEG zu gewähren. Das Gesetz regelt den Vergütungsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 2 JVEG einheitlich, abschließend und zwingend nach Grund und Höhe (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 38. Auflage 2005, Grdz JVEG, Rdzf. 6). Daran hat auch die Erläuterung des Auftrages durch die Berichterstatterin, es solle nicht nur einen Beitrag zur Lösung des anhängigen Rechtsstreites erbringen, sondern auch für ähnlich gelagerte Fälle Verwendung finden können, nichts geändert. Seiner Qualität nach ist es eine für einen Rechtsstreit erstattete Stellungnahme eines Sachverständigen geblieben, die nach den dafür vorgesehen gesetzlichen Regelungen zu vergüten ist. Anders kann auch das Schreiben der Berichterstatterin nicht verstanden werden; insbesondere machte es das Gutachten nicht, wie die Antragstellerin offensichtlich meint, zu einem –nach anderen Grundsätzen zu vergütenden – "Leitfa den zum Verfassen von Gutachten in der Lagerwirtschaft". Unabhängig davon, dass dies nicht geschehen ist, ist darauf hinzuweisen, dass eine etwaige Vereinbarung des Sachverständigen mit dem Gericht oder eine vorherige Zusicherung des Gerichts eines bestimmten Betrages oder eines Stundensatzes rechtlich ohne Bedeutung ist (vgl. Meier-Höver-Bach, JVEG, 23. Auflage 2004, § 8 Rdnr. 8.6). Die Zusage einer bestimmten Entschädigung durch den Richter wäre deshalb rechtlich bedeutungslos. Eine solche ist indessen nicht erfolgt. Die Höhe der geforderten Vergütung sprengt jedenfalls hinsichtlich ihrer Größenordnung den Rahmen für im sozialgerichtlichen Verfahren erstattete Gutachten bei weitem. Wenn in den eingereichten Tätigkeitsbeschreibungen allein für die Arbeitsschritte "Darlegung der Aufgabenstellung" (acht Stunden), "Sichtung und Analyse Unterlagen" (acht Stunden), "Interne Datenerhebung" (neun Stunden), "Auswertung der bereitgestellten Unterlagen" und "Abgleich der Unterlagen" jeweils sechzehn Stunden angegeben werden, allein für die vorbereitenden Arbeiten also insgesamt 57 Stunden (mehr als sieben volle Arbeitstage), kann damit eine nachvollziehbare objektiv erforderliche Zeit nicht mehr festgestellt werden. Der Senat ist deshalb bei der Bewertung der einzelnen Arbeitsschritte von den im medizinischen Gutachtenbereich entwickelten Grundsätzen ausgegangen, und zwar unabhängig von den Angaben der Antragstellerin.

Maßgebend für die Höhe der Vergütung ist gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 JVEG die Zahl der "erforderlichen" Stunden. Die letzte bereits begonnene Stunde wird voll angerechnet, wenn sie zu mehr als dreißig Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des für eine volle Stunde sich ergebenden Betrages (§ 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG). Dabei kommt es nicht auf die von einem Sachverständigen tatsächlich aufgewendete, möglicherweise höhere Stundenzahl an, sondern auf die Zeit, die ein Sachverständiger mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität benötigt. Es handelt sich bei der "erforderlichen" Zeit um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der richterlichen Ausfüllung und Konkretisierung bedarf. Der Senat verwendet für medizinische Sachverständigengutachten bei der Festsetzung der Vergütung für alle zur Erstellung eines Gutachtens erforderlichen Arbeitsschritte Richtwerte, die die Zeiten berücksichtigen, die für die einzelnen Stadien angemessen und damit erforderlich sind. Dabei ist auch – und zwar als allgemein gültiger Grundsatz – zu berücksichtigen, dass der zeitliche Aufwand (und damit die durch diesen entstehenden Kosten) zu dem Zweck in einem angemessenen und durch den Auftrag gerechtfertigten Verhältnis stehen muss. Wenn die Antragstellerin angibt, 165 Stunden, also 20,6 Arbeitstage, für die Erstellung des Gutachtens benötigt zu haben, ist dieser Rahmen eindeutig und erheblich überschritten worden. Jedenfalls hätte sie sich vor Aufwendung einer Zeit in dieser Größenordnung mit dem Gericht in Verbindung setzen müssen, um den Umfang der zu erbringenden Leistung zu klären. Für das Aktenstudium (von 96 Blatt) ist eine Stunde anzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist einem Sachverständigen die Durcharbeitung von 100 Blatt pro Stunde möglich. Für die vorbereitenden Arbeiten (Datenerhebung, Auswertung) geht der Senat mit Rücksicht auf die recht umfassende Aufgabenstellung geringfügig über die Festsetzung der Kostenstelle hinaus und berücksichtigt sechs Stunden. Für die Ausarbeitung des Gutachtens ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats für die Diskussion der Untersuchungsergebnisse und die Bearbeitung und Beantwortung der Beweisfragen ein Zeitfaktor von einer Stunde für zwei Seiten angemessen. Dies führt bei dem 24 Seiten umfassenden Gutachten (die anschließenden Lebensläufe der Verfasser bleiben unberücksichtigt) zu einer Zeit von zwölf Stunden. Für Diktat, Durchsicht und Korrektur ist davon auszugehen, dass der Sachverständige stündlich etwa fünf Seiten bewältigen kann. Dies führt bei 24 berücksichtungsfähigen Seiten zu einem Zeitaufwand von 4,8 Stunden. Aus alledem ergibt sich insgesamt eine zu berücksichtigende Zeit von 23,8 (gerundet 24) Stunden. Diese sind, wie von der Festsetzungsstelle zu Recht entschieden, mit einem Stundensatz von 80,00 EUR zu vergüten. Der Senat berücksichtigt insoweit die Auskunft der Industrie- und Handelskammer zu Dortmund vom 15. Februar 2007, die in Kenntnis der Honorargruppen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG) und der Tätigkeitsbeschreibungen (Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG) ausgeführt hat, die Tätigkeit der Antragstellerin dürfte am ehesten dem Bereich der Honorargruppen 6 oder 7 zuzuordnen sein. Wird hier das Sachgebiet "Honorare (Architekten und Ingenieure)", das vergleichbar, und in die Honorargruppe 7 einzustufen ist, herangezogen, ist ein Stundensatz von 80,00 EUR angemessen. Schreibauslagen sind bei (geschätzt) 25.000 Anschlägen gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG in Höhe von 42,25 EUR zu vergüten. Die Vergütung der Antragstellerin setzt sich danach wie folgt zusammen: Gutachtenerstattung 24 Std. à 80,00 EUR = 1.920,00 EUR Schreibauslagen = 42,25 EUR Gesamt = 1.962,25 EUR zzgl. 16 % USt. = 313,96EUR insgesamt = 2.276,21 EUR Diese Entscheidung ist gerichtsgebührenfrei und nicht anfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
Saved