L 27 B 96/06 U

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 2 U 9/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 B 96/06 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 21. März 2006 geändert. Der Streitwert wird auf 10.000.- Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beklagte hatte die von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge für die Jahre 1997, 1998, 1999, 2000, 2001durch nicht angefochtene Beitragsbescheide festgesetzt. Durch Bescheide vom 17. September 2002 hat die Beklagte jeweils unter Abänderung dieser vorangegangenen Beitragsbescheide die von der Klägerin zu entrichtenden Beiträge unter Berücksichtigung von "2000 Lernende – Monate" für die Jahre 1997, 1998, 1999, 2000, 2001 neu festgesetzt und hat einen nachzuzahlenden Gesamtbetrag für die Jahre 1997 bis 2001 in Höhe von 45.748,60 Euro geltend gemacht.

Nach Erhalt von Mahnungen wies die Klägerin mit Schreiben vom 28. November 2002 darauf hin, dass ihr geänderte Beitragsbescheide vom 17. September 2002 nicht vorlägen. Sie lege vorsorglich Widerspruch gegen die geänderten Beitragsbescheide ein. Wegen der Nichtbescheidung dieses Rechtsbehelfs hat die Klägerin mit am 15. Januar 2004 eingegangenem Schreiben bei dem Sozialgericht Potsdam Untätigkeitsklage erhoben (S 2 U 10/04 / L 3 B 97/06 U).

Mit Bescheiden vom 09. Dezember 2002 hat die Beklagte wiederholt fünf Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 erlassen mit dem Inhalt der Bescheide vom 17. September 2002. Gegen diese Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2002 ebenfalls Widerspruch eingelegt. Zur Begründung wurde ausgeführt, die veranlagten Summen stimmten in der Höhe nicht mit den von ihr eingereichten Beitragsnachweisen überein. Außerdem seien die von ihr für diese Jahre bereits abgeführten Beiträge nicht berücksichtigt worden. Es sei nicht ersichtlich, warum (bereits) die zugesandten Bescheide geändert worden seien.

Die Klägerin hat mit dem am 15. Januar 2004 beim Sozialgericht Potsdam eingegangenen Schriftsatz Untätigkeitsklage erhoben, die dem hier angefochtenen Streitwertbeschluss vorangegangen war (S 2 U 9/04 / L 27 B 96/06 U) mit dem Antrag, die Beklagte zu verurteilen, den Widerspruch der Klägerin vom 23. Dezember 2002 gegen die Bescheide der Beklagten vom 09. Dezember 2002 neu zu bescheiden.

Nachdem die Beklagte mit (fünf) Mahnungen vom 11. Februar 2003 um umgehende Überweisung der ausstehenden Beträge für die Jahre 1997 bis 2001 gebeten hatte, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. Februar 2003 weiteren Widerspruch gegen die Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 eingelegt mit dem Inhalt der Begründung des Widerspruch vom 23. Dezember 2002. Wegen der Nichtbescheidung dieses Rechtsbehelfs hat die Klägerin mit am 15. Januar 2004 eingegangenem Schriftsatz Untätigkeitsklage erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 2 U 11/04 beim Sozialgericht Potsdam geführt wurde.

Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2003 rügte die Klägerin den Ansatz von Beiträgen für die Teilnehmer an denjenigen Umschulungsmaßnahmen, die im Auftrage des Arbeitsamts durchgeführt worden seien. Sie sei der Ansicht, der Sachkostenträger, also das Arbeitsamt habe für die Bezahlung der Beiträge zur Unfallversicherung aufzukommen. Unabhängig davon sei die Berechnung der Beiträge für die Lernenden zu überprüfen. Nach der Satzung der Beklagten richte sich der Beitrag nach der Zahl der Versicherten. Je 9 gemeldeter Lernende-Monate sei ein Versicherter zu rechnen. Die Berechnung der Beiträge in den Bescheiden sei jedoch von den vollen Lernende-Monaten ausgegangen. Weiterhin beanstandete die Klägerin, in den Bruttoarbeitsentgelten für die Jahre 1998 bis 2002 seien Beiträge für die nicht sozialversicherungspflichtige Geschäftsführerin C B enthalten, bei dem Geschäftsführer B seien Bruttoentgelte über der Jahreshöchstlohnsumme berücksichtigt worden. Hierdurch verringerten sich die Beträge der Bescheide. Mit Schriftsatz vom 13. August 2003 führte sie weiter aus, es mangele auch an einer Begründung der Zahl der angesetzten Lernende-Monate; es sei nicht ersichtlich, wie diese berechnet worden seien und woraus sich diese ergeben sollten.

Durch Widerspruchsbescheid vom 27. Februar 2004 hat die Beklagte u. a. die Widersprüche vom 23. Dezember 2002 gegen die Änderungs-Beitragsbescheide 1997 bis 2001 vom 09. Dezember 2002 zurückgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 27. April 2004 hat die Klägerin den Rechtsstreit (S 2 U 9/04) in der Hauptsache für erledigt erklärt und hat beantragt, der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 21. November 2005 hat das Sozialgericht der Beklagten die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin auferlegt. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2006 hat die Klägerin Kostenfestsetzung auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 22.874,30 Euro beantragt. Sie meint, der Streitwert berechne sich aus den in den streitgegenständlichen Bescheiden geltend gemachten Restforderungen, die zuviel erhoben worden seien und bei einem Anfechtungsverfahren Klagegegenstand gewesen wären. Nach Nr. I.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit sei bei einer Untätigkeitsklage davon mindestens die Hälfte anzusetzen.

Durch Beschluss vom 21. März 2006 hat das Sozialgericht den Streitwert auf 4.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Festsetzung beruhe auf § 13 Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in der im Zeitpunkt der Klageerhebung geltenden Fassung. Bei der hier erledigten Untätigkeitsklage könne weder von dem Anfechtungsinteresse des die Klägerin belastenden Beitragsbescheides noch von einem Bruchteil desselben ausgegangen werden, denn der Anspruch auf Bescheidung des eingelegten Anfechtungswiderspruchs habe auf ein ausstehendes Verwaltungshandeln gezielt, dessen wirtschaftliche Bedeutung sich für die Klägerin wegen der Ergebnisoffenheit nicht weiter einschätzen lasse.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 29. März 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 20. April 2006 beim Sozialgericht Potsdam eingegangene Beschwerde der Klägerin. Sie meint, der Auffangstreitwert von 4.000 Euro komme nur dann in Betracht, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger bestünden, insbesondere wenn die wirtschaftliche Bedeutung nicht weiter einzuschätzen sei. Das sei vorliegend nicht gegeben. Für den Streitwert müsse die Höhe der Beitragsforderungen der streitgegenständlichen Bescheide maßgebend sein (hier 45.748,60 Euro). Der Tatsache, dass es sich vorliegend um eine Untätigkeitsklage handele, sei dadurch ausreichend Rechnung getragen worden, dass als Streitwert lediglich die Hälfte angesetzt worden sei. Die Nichtbescheidung habe rein tatsächlich die Gefahr einer Vollstreckung bedeutet. Insofern sei eine wirtschaftliche Bedeutung erkennbar.

Die Klägerin beantragt,

den Streitwert auf 22.874,30 Euro festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen sowie der Klägerin die notwendigen Aufwendungen und Auslagen gemäß § 197a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit den §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufzuerlegen.

Zur Begründung bezieht sich die Beklagte auf die Ausführungen des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht (LSG) vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Verwaltungsakten. II. Die gemäß § 25 Abs. 3 Satz 1 GKG in der bis zum 30. Juni 2004 gültig gewesenen Fassung (aF) statthafte, frist- und formgemäß eingelegte Beschwerde der Klägerin ist zulässig und in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.

Das GKG ist, wovon das Sozialgericht zutreffend ausgegangen ist, in der bis zum 30. Juni 2004 gültig gewesenen Fassung anzuwenden, weil die Klage vor dem Inkrafttreten des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) am 01. Juli 2004 erhoben worden ist (§ 72 Nr. 1 GKG).

Nach § 13 Abs. 1 GKG aF ist in Verfahren vor den Gerichten des Sozialgerichtsbarkeit vorbehaltlich der folgenden (hier nicht einschlägigen) Vorschriften der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Bietet der bisherige Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 4.000 Euro anzunehmen. Nach § 13 Abs. 2 GKG aF ist, wenn der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, deren Höhe maßgebend.

Hier bietet der bisherige Sach- und Streitstand keine genügenden Anhaltspunkte für die Bedeutung der Sache für die Klägerin. Insbesondere lässt sich die wirtschaftliche Bedeutung der Sache nicht nach der geänderten Höhe der Beitragsforderungen der streitgegenständlichen Bescheide und der resultierenden Nachberechnung in Höhe von 45.748,60 Euro bestimmen. Vielmehr bietet der Sach- und Streitstand hierfür keine genügenden Anhaltspunkte. Daher ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG aF von dem Auffangstreitwert auszugehen.

Dieser Streitwert ist jedoch nicht in voller Höhe von 4.000 Euro, sondern nur in Höhe der Hälfte dieses Betrages in Ansatz zu bringen. Handelt es sich - wie hier - um eine wegen behaupteter Untätigkeit des Verwaltungsträgers erhobene Klage auf Verurteilung zur Bescheidung, ist regelmäßig von einer geringeren Bedeutung der Sache auszugehen, als sie bei einer Anfechtungs- und/oder Verpflichtungsklage anzunehmen wäre. Der Senat hält es für gerechtfertigt, bei Untätigkeitsklagen im Sinne des § 88 SGG auf I.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (in der bis 30. Juni 2004 gültig gewesenen Fassung: ab 01. Juli 2004 I.4) zurückzugreifen, wonach, wenn lediglich Bescheidung beantragt wird, der Streitwert einen Bruchteil, mindestens jedoch die Hälfte des Wertes der entsprechenden Verpflichtungsklage betragen kann. Die Werte des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, in dem auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung Empfehlungen ausgesprochen werden, können in der Sozialgerichtsbarkeit entsprechend herangezogen werden (LSG Berlin-Brandenburg, L 3 B 98/06 U; BSG, Beschluss vom 28. Februar 2006 - B 2 U 31/05 R - )

Bei der Festsetzung des Streitwertes war weiterhin zu berücksichtigen, dass Gegenstand der am 15. Januar 2004 erhobenen Untätigkeitsklage die Bescheidung von fünf Widersprüchen gegen die fünf geänderten Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 war. Jeder dieser Bescheide stellt einen selbstständigen Streitgegenstand dar, gegen den gesondert Widerspruch hätte eingelegt werden können. Nach I. 3 des Streitwertkataloges aF werden in der Regel die Werte addiert, wenn mehrere Anträge mit selbständiger Bedeutung gestellt werden.

Soweit die Klägerin die Auffassung vertritt, der nachgeforderte Betrag stelle ihr wirtschaftliches Interesse dar, nach der sich die für die Streitwertfestsetzung maßgebende Bedeutung der Sache bestimme, lässt sich dies mit der Aktenlage nicht begründen. Ihr Vortrag im Widerspruchsverfahren bis zur Erhebung der Untätigkeitsklage lässt lediglich erkennen, dass sie die geänderten Beitragsbescheide für die Jahre 1997 bis 2001 hinsichtlich der geänderten Beitragshöhe anfechten wollte. Die Widerspruchsbegründung vom 28. Dezember 2002, in der ausgeführt wurde, die veranlagten Summen stimmten in der Höhe nicht mit den eingereichten Beitragsnachweisen überein, abgeführte Beiträge seien unberücksichtigt geblieben, enthalten ebenso wie die Schriftsätze vom 17. Juli 2003 und 13. August 2003 Beanstandungen zur Höhe, ohne dass sich ihnen ein konkreter Antrag zur Bestimmung der Bedeutung der Sache für die Klägerin entnehmen ließe. Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass sich die Klägerin dem Grunde nach gegen den Ansatz der Lernenden-Monate wenden und damit die einzelnen geänderten Beitragsbescheide in vollem Umfang, also in Höhe der gesamten nach zu zahlenden Beiträge, anfechten wollte (so auch LSG Berlin Brandenburg L 3 B 98/06 U).

Auch soweit die Klägerin in dem Schreiben vom 17. Juli 2003 den Ansatz von (zu hohen) Bruttoarbeitsentgelten für ihre Geschäftsführer beanstandet hat richtet sich dies auch gegen ein Berechnungselement der Höhe der geänderten Beitragsbescheide.

Das Verfahren über die Beschwerde ist nach § 25 Abs. 4 Satz 1 GKG aF gebührenfrei.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten (§ 25 Abs. 4 Satz 2 GKG aF). Dem Kostenantrag der Beklagten konnte daher nicht entsprochen werden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 25 Abs. 3 Satz 2 GKG aF).
Rechtskraft
Aus
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