L 4 AL 140/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 15 AL 499/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 AL 140/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. November 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für das gesamte Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 10. Juni 2002.

Der 1958 geborene Kläger war bei der Firma IC Team M Gesellschaft für Zeitarbeit mbH als Elektroinstallateur beschäftigt.

Nach einem Auszug aus dem Handelsregister B des Amtsgerichts München vom 20. April 2004 (Nr. der Firma: ) wurde diese GmbH mit Gesellschaftsvertrag vom 8. April 1998 gegründet und am 18. August 1998 in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung in jeder Art und Form. Das Stammkapital betrug 100.000,- DM. Geschäftsführer waren zunächst die Herren E P und E S. Mit Wirkung vom 17. Mai 2002 schied E P als Geschäftsführer aus. Mit Wirkung vom 1. August 2003 schied auch E S als Geschäftsführer aus; an seiner Stelle wurde Herr E C zum Geschäftsführer bestellt. Die Gesellschaft wurde am 8. Juni 2004 wegen Vermögenslosigkeit gemäß § 141 a FGG im Handelsregister gelöscht. Nach einer Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit, Landesarbeitsamt Bayern, vom 11. September 2003 besaß die Firma bis zum 6. Mai 2002 die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung. Die Erlaubnisurkunde wurde zu diesem Zeitpunkt zurückgegeben, so dass ab dem 7. Mai 2002 Arbeitnehmerüberlassung nicht mehr betrieben werden durfte.

Nach einer von der Landeshauptstadt München, Kreisverwaltungsreferat, erstellten Auskunft aus dem Gewerberegister vom 17. Januar 2005 war die GmbH seit dem 1. Juli 1999 für den Betrieb einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung angemeldet; die Abmeldung erfolgte zum 30. Juni 2002. Nach einer Mitteilung des Vollstreckungsgerichts in München gegenüber der DGB Rechtsschutz GmbH in Berlin – Zentrale Vollstreckungsstelle – war im dortigen Schuldnerverzeichnis eine Eintragung vorhanden, wonach am 11. März 2002 der Erlass eines Haftbefehls zur Abgabe der Eidesstattlichen Versicherung bezüglich der GmbH verzeichnet ist.

In einer "betriebsbedingten Kündigung" vom 30. April 2002 teilte die Arbeitgeberin dem Kläger mit, dass man sich leider gezwungen sehe, das bestehende Arbeitsverhältnis zu kündigen. Man habe die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung dem Landesarbeitsamt zurückgegeben. Die Kündigung erfolge fristlos zum 30. April 2002, vorsorglich der Einrede form- und fristgerecht zum 31. Mai 2002 bzw. 15. Mai 2002. Man sei bemüht, keine Insolvenz zu beantragen, sondern mit einer Liquidation die noch bestehenden Forderungen zu begleichen. Ab 1. Mai 2002 arbeitete der Kläger nicht mehr für die Arbeitgeberin und bezog Arbeitslosengeld.

Am 1. Juli 2002 erwirkte der Kläger vor dem Arbeitsgericht München ein Versäumnisurteil gegen die Arbeitgeberin, wonach festgestellt wurde, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 30. April 2002 nicht aufgelöst worden sei. Die Arbeitgeberin wurde verurteilt, den Kläger zu den bisherigen Bedingungen als Elektriker über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus weiter zu beschäftigen. Mit Versäumnisurteil vom 26. Juli 2002 und Teil-Versäumnisurteil vom 27. September 2002 verurteilte das Arbeitsgericht München die Arbeitgeberin außerdem, an den Kläger Arbeitslohn in Höhe von 1.087,55 EUR netto sowie in Höhe von 4.359,60 EUR brutto zu zahlen; auf welche Zeiträume sich diese Forderungen beziehen, ist unklar. Diesbezügliche Vollstreckungsbemühungen des Klägers blieben erfolglos. Die Gerichtsvollzieherin M V teilte dem Kläger am 17. Oktober 2002 mit, dass die Schuldnerin – die GmbH – unbekannt verzogen sei. Der Geschäftsführer E S habe am 17. Oktober 2002 telefonisch mitgeteilt, dass die Firma verkauft worden sei. Am Firmensitz L Straße befänden sich keine Geschäftsräume der GmbH mehr. Die Räume würden von Herrn S privat genutzt. Über den derzeitigen Sitz der GmbH könne Herr S keine Angaben machen.

Am 24. Juni 2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld. In der Anlage zum Antrag gab er an, für den Monat März 2002 stehe ihm noch Arbeitsentgelt in Höhe von 315,75 EUR netto zu; gleichzeitig legte er aber eine vom Geschäftsführer E S erstellte Quittung vom 23. Mai 2002 vor, wonach er 560,- EUR erhalten habe und damit alle Forderungen bis 31. März 2002 abgegolten seien. Für den Monat April 2002 belaufe sich seine offene Gehaltsforderung auf 1.025,84 EUR netto. Für die folgenden Monate bezifferte er seine Gehaltsforderungen nicht, Gehaltsabrechnungen wurden offenbar nicht mehr erstellt. Gleichzeitig gab der Kläger an, ab dem 11. Juni 2002 wieder in einem anderweitigen Arbeitsverhältnis zu stehen.

Mit Bescheid vom 30. Januar 2003 lehnte die Beklagte – Arbeitsamt Bautzen – den Antrag auf Insolvenzgeld ab, weil kein Insolvenzereignis vorliege. In seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, seinen Arbeitgeber verklagt zu haben und mittels eines vollstreckbaren Titels versucht zu haben, seine Forderungen nach nicht gezahltem Lohn bis zur Kündigung zu vollstrecken. Der Gerichtsvollzieher habe mitgeteilt, dass die Arbeitgeberin ihre Arbeit eingestellt und die Firma verkauft habe. Damit sei die Betriebstätigkeit eingestellt. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2003 zurück. Nach den Ermittlungen des Arbeitsamtes habe ein Insolvenzgeldtatbestand im Zeitpunkt der Antragstellung nicht festgestellt werden können. Einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens habe die Arbeitgeberin nicht gestellt. Auch hätten die Ermittlungen ergeben, dass die Betriebstätigkeit nicht eingestellt worden sei. Anhaltspunkte für eine Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers bestünden nicht. Nicht gezahlte Löhne seien lediglich ein Indiz, aber kein Beweis dafür, dass der Arbeitgeber zahlungsunfähig sei. Weil ein Insolvenzereignis nicht nachgewiesen sei, bestehe kein Anspruch auf Bewilligung von Insolvenzgeld.

Mit der am 26. Juni 2003 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er meint, es liege ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III vor. Der Arbeitgeber habe seine Betriebstätigkeit vollständig beendet, auch wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden sei. Die Betriebstätigkeit sei spätestens am 31. Mai 2002 beendet worden. Dies ergebe sich bereits aus dem eigenen Vortrag der Arbeitgeberin in der Kündigung gegenüber dem Kläger vom 30. April 2003. Nach Rückgabe der Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung hätte die Arbeitgeberin ihrer Betriebstätigkeit naturgemäß nicht mehr nachgehen können. Ob die Firma inzwischen ggf. verkauft worden sei, sei unerheblich. Bei der Behauptung des Geschäftsführers S, der Betrieb sei verkauft worden, dürfe es sich im Übrigen um eine Schutzbehauptung handeln. Der Hintergrund für die Einstellung der Betriebstätigkeit habe darin bestanden, dass gegenüber den Geschäftsführern P und S bereits am 11. März 2002 aufgrund vollstreckbarer zivilrechtlicher Titel eine Haftanordnung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über das Vermögen der GmbH ergangen sei. Damit sei auch das zweite Kriterium für den Insolvenztatbestand belegt, nämlich dass ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht gekommen sei. Die Masselosigkeit habe bereits im Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorgelegen, weil der Arbeitgeber bereits Ende April 2002 nicht mehr nur den Lohn des Klägers nicht habe zahlen können, sondern auch sonstige Gläubiger nicht mehr habe bedienen können. Welche Ermittlungen das Arbeitsamt angestellt habe, um zu erkennen, dass die Betriebstätigkeit nicht eingestellt worden sei, sei nicht nachzuvollziehen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Potsdam am 9. November 2005 hat der Kläger ergänzend versichert, beim Empfang der betriebsbedingten Kündigung am 30. April 2002 mit eigenen Augen gesehen zu haben, dass an dem Büroinventar der Firma IC Team M GmbH bereits Pfandsiegel geklebt hätten. Es habe sich bei den Geschäftsräumen der Firma lediglich um ein Büro mit einer Sekretärin gehandelt. Daher sei er auch davon ausgegangen, dass bei der Firma nichts mehr zu holen und diese offensichtlich zahlungsunfähig sei.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat ergänzend ausgeführt, vor allem die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin sei bislang nicht nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der Gesellschaftsform dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass der Geschäftsführer bei einer GmbH ohne schuldhaftes Zögern gemäß § 64 Abs. 1 GmbH-Gesetz verpflichtet sei, innerhalb von 3 Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag zu stellen. Weil dies unterlassen worden sei, könne auf eine offensichtliche Masseunzulänglichkeit nicht geschlossen werden.

Mit Urteil vom 9. November 2005 hat das Sozialgericht Potsdam der Klage stattgegeben, den angefochtenen Bescheid aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, an den Kläger Insolvenzgeld für den Zeitraum 1. April 2002 bis 10. Juni 2002 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Entgegen der Auffassung der Beklagten liege ein Insolvenzereignis vor. Spätestens mit der Abmeldung des Gewerbes am 30. Juni 2002 sei die Firma IC Team M GmbH von ihrem verantwortlichen Geschäftsführer E S stillgelegt worden. Zum einen habe sie nachweislich bereits am 6. Mai 2002 ihre Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung an das Landesarbeitsamt Bayern zurückgegeben. Zum anderen sei sie von ihrem Käufer E C nicht wieder zum Gewerberegister angemeldet und damit auch nicht über den 30. Juni 2002 hinaus werbend tätig geworden. Dementsprechend sei auch die vom Kläger beauftragte Gerichtsvollzieherin von E S im Oktober 2002 darüber informiert worden, dass die Firma verkauft worden sei. Die Firma sei zu diesem Zeitpunkt unbekannt verzogen gewesen. Unter der Geschäftsadresse hätten keine Geschäftsräume mehr festgestellt werden können. Auch die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin sei hinreichend nachgewiesen. Dies zeige sich schon daran, dass die Firma nicht nur ab März 2002 den Lohn des Klägers schuldig geblieben sei. Auch gegenüber anderen Arbeitnehmern habe sie ihre Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt. Außerdem seien Vollstreckungsversuche unter anderem des Klägers fruchtlos verlaufen. Die Erklärung des Klägers, schon am 30. April 2002 wahrgenommen zu haben, dass an den Büromöbeln der Arbeitgeberin Pfandsiegel angebracht gewesen seien, habe das Gericht insbesondere vor dem Hintergrund der gescheiterten Vollstreckungsversuche der Gerichtsvollzieherin V als glaubhaft angesehen. Die Masselosigkeit der Arbeitgeberin sei auch nicht zuletzt durch den Umstand als erwiesen anzusehen, dass sie spätestens am 30. Juni 2002 ihre Gewerbetätigkeit aufgegeben habe, ohne danach wieder von ihrem Käufer erwerbsmäßig angemeldet worden zu sein. Sie habe offensichtlich keine neuen Geschäftsräume bezogen. Für das Gericht liege es auf der Hand, dass sie bei einem solchen Geschäftsgebaren jedenfalls keinen Umsatz und damit auch keinen Gewinn habe erzielen können, um die noch ausstehenden Forderungen des Klägers und seiner Kollegen befriedigen zu können.

Gegen das ihr am 6. März 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 30. März 2006 Berufung eingelegt, zu deren Begründung sie im Wesentlichen vorgetragen hat: Dem Sozialgericht Potsdam könne nicht darin gefolgt werden, dass die Arbeitgeberin von ihrem Geschäftsführer E S spätestens am 30. Juni 2002 stillgelegt worden und zugleich zu diesem Zeitpunkt zahlungsunfähig gewesen sei. Auf der Kündigung des Klägers sei noch vermerkt gewesen, dass man sich bemühen wolle, keine Insolvenz zu beantragen, sondern mit einer Liquidation die Forderungen zu begleichen. Ein Indiz für die Einstellung der Betriebstätigkeit möge zwar darin bestehen, dass die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung im Mai 2002 zurückgegeben worden sei. Andererseits habe die Firma aber weiter existiert und E S sei erst zum 1. August 2003 als Geschäftsführer ausgeschieden. Auch das Sozialgericht Frankfurt (Oder) habe in einem rechtskräftigen Urteil vom 4. August 2005 (S 13 AL 298/03) entschieden, dass einem Arbeitskollegen des Klägers kein Insolvenzgeld zustehe, weil ein Insolvenzereignis nicht vorliege. Es sei nicht abschließend klärbar, wann der Betrieb der Arbeitgeberin tatsächlich eingestellt worden sei; auch eine Feststellung zur Zahlungsunfähigkeit könne nicht getroffen werden, denn diese erfordere eine stichtagsbezogene Gegenüberstellung der verfügbaren Zahlungsmittel und der vollständigen Geldschulden. Darüber hinaus müsse nach allen Umständen der Anschein der Masseunzulänglichkeit gegeben sein, der objektive Betrachter müsse also vom Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit überzeugt sein. Eine bloße Glaubhaftmachung genüge nicht. Im Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) habe der ehemalige Geschäftsführer E S ausgesagt, dass das Finanzamt wegen fehlender Bilanzen Ende 2001 eine Steuerschätzung in Höhe von 700.000 Euro durchgeführt und in der Folge Pfändungen am Büroinventar vorgenommen habe. Kontenpfändungen seien nicht erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Firma finanziell gesund gewesen und habe insbesondere ohne Bankkredite gearbeitet. Diese Aussage decke sich mit der Erklärung des ehemaligen Geschäftsführers E P vom 17. Januar 2003, die dieser auf Anfrage der Regionaldirektion Sachsen hinsichtlich offener Entgeltansprüche gemacht und wonach es bis zu seinem Rückzug als Geschäftsführer im April 2002 (Eintragung 17. Mai 2002) keine Unzulänglichkeiten gegeben habe. Die Würdigung aller bekannten äußeren Umstände lasse keinen zwingenden Schluss dahingehend zu, dass Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin gegeben gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das mit der Berufung angegriffene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Die Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin sei daraus zu schließen, dass vom Amtsgericht München am 11. März 2002 ein Haftbefehl zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gegen die Geschäftsführer ergangen sei. Ob dieser letztlich wegen Erfüllung der Vollstreckungsforderungen aufgehoben worden sei, sei allerdings nicht bekannt. Es sei nahe liegend, dass bei umfangreichen Pfändungen des Finanzamtes die Arbeitgeberin auch andere Gläubiger nicht mehr habe bedienen können. Ob die Pfändungen tatsächlich, wie von E S behauptet, aufgehoben worden seien, nur weil Bilanzen erstellt worden seien, dürfte äußerst zweifelhaft sein. Die Behauptung des ehemaligen Geschäftsführers P, im Zeitraum seiner Geschäftsführertätigkeit habe es zu keiner Zeit unbezahlte Lohnforderungen gegeben, sei unwahr. Dies zeige schon der vorliegende Rechtsstreit. Daneben gebe es andere Arbeitnehmer, deren Lohnforderungen ebenfalls nicht beglichen worden seien. Wenn tatsächlich alle Gläubiger hätten befriedigt werden können, hätte keine Veranlassung bestanden, die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zurückzugeben und das Gewerbe Ende Juni 2002 abzumelden. Auch der Verkauf der Geschäftsanteile lasse keine andere Sichtweise zu. Trotz dieses Verkaufs sei die Firma von dem Käufer nicht wieder zum Gewerberegister angemeldet und deshalb auch nicht über den 30. Juni 2002 hinaus werbend tätig geworden. Offenbar hätten die ehemaligen Geschäftsführer P und S die "elegante" Variante gewählt, die Geschäftsanteile an einen so genannten "Firmenbestatter" zu übertragen, um unbelastet an anderer Wirkungsstätte die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung zu erhalten und entsprechend tätig zu werden. So sei E P nunmehr als Geschäftsführer der "IC Team B Gesellschaft für Zeitarbeit mbH" tätig. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin nach der Gewerbeabmeldung noch in irgendeiner Form tätig geworden sei. Die gegenteilige Auffassung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar. Die Behauptungen der ehemaligen Geschäftsführer, die Firma sei finanziell gesund gewesen, seien widerlegt. Vollstreckungsversuche des Klägers und weiterer Arbeitnehmer seien fruchtlos verlaufen. Sämtliche bekannten äußeren Tatsachen und damit auch der Anschein sprächen für die Masseunzulänglichkeit der ehemaligen Arbeitgeberin, auch im Hinblick darauf, dass diese mangels Tätigkeit keinen Umsatz und damit auch keinen Gewinn habe erzielen können.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen Bezug genommen auf den Inhalt der Akte S 13 AL 298/03 (Sozialgericht Frankfurt/Oder), der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. November 2005 ist zulässig und begründet. Der Kläger hat im Gegensatz zur Auffassung des Sozialgerichts keinen Anspruch auf Insolvenzgeld, denn ein Insolvenzereignis ist nicht erkennbar. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III – nur dieses Insolvenzereignis kommt in Betracht – hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld bei vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt; der Anspruch ist gegeben, sofern für die dem Insolvenzereignis vorangehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt bestehen.

Das Insolvenzereignis der vollständigen Beendigung der Betriebstätigkeit nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III beinhaltet damit zwei zusätzliche Tatbestandsmerkmale, nämlich das Fehlen eines Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowie die offensichtliche Masseunzulänglichkeit. Nach Sinn, Zweck und Systematik kann die Vorschrift nur so verstanden werden, dass alle Tatbestandsmerkmale im Zeitpunkt der Betriebseinstellung vorliegen müssen. Anderenfalls wäre das Insolvenzereignis nach § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III nicht eindeutig bestimmbar, etwa mit der Folge, dass der dreimonatige Leistungszeitraum und die zweimonatige Ausschlussfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III nicht klar datierbar wären (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 4. März 1999, B 11/10 AL 3/98 R, zitiert nach Juris; vgl. auch Schmidt in Wissing u.a., SGB III, Rdnr. 48 zu § 183).

Zur Überzeugung des Senats hat die Arbeitgeberin des Klägers, die IC Team M Gesellschaft für Zeitarbeit mbH, ihre Betriebstätigkeit bereits am 7. Mai 2002 vollständig eingestellt, denn ab diesem Zeitpunkt durfte sie aufgrund der Rückgabe der Erlaubnis ihren einzigen Betriebszweck, die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, nicht mehr ausüben und übte ihn – soweit ersichtlich und von den Beteiligten nicht bestritten – auch nicht mehr aus. Das Merkmal der Betriebsstilllegung in § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB III erfordert die Einstellung aller vom Arbeitgeber veranlassten und den Betriebszwecken dienenden Tätigkeiten, ausgenommen reine Erhaltungs-, Abwicklungs- oder Liquidationsarbeiten (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 42 zu § 183; Bundessozialgericht, Urteil vom 5. Juni 1981, 10/8b RAr 3/80, SozR 4100 § 141 b Nr. 19); im Mittelpunkt der Betrachtung steht dabei der konkret zu bestimmende Betriebszweck, hier die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 8. Februar 2001, B 11 AL 27/00 R, zitiert nach juris). Dieser wurde nach dem 7. Mai 2002 aber nicht mehr verfolgt. Nach der Rückgabe der Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung erfolgten offensichtlich nur noch Abwicklungsarbeiten, so etwa die Abmeldung aus dem Gewerberegister zum 30. Juni 2002. Dass die GmbH als solche noch fortbestand, ist dabei unerheblich; in der Zeit nach dem 7. Mai 2002 trat sie nach außen hin zur Erfüllung ihres Betriebszwecks nicht mehr in Erscheinung. Nach innen vollzogen sich noch Geschäftsführerwechsel, bis dann am 8. Juni 2004 die Löschung im Handelsregister erfolgte. Eine "Betriebstätigkeit" vermag der Senat hierin nicht zu erkennen.

Am 7. Mai 2002 war ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt. Zur Überzeugung des Senats mangelt es, bezogen auf diesen maßgeblichen Zeitpunkt, jedoch am Vorliegen der offensichtlichen Masselosigkeit, so dass die Voraussetzungen für ein Insolvenzereignis am 7. Mai 2002 nicht erfüllt sind. Die Masselosigkeit muss vor oder gleichzeitig mit der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit eintreten, so dass spätere Masselosigkeit unerheblich ist. Es muss nicht letzte Klarheit darüber bestehen und exakt ermittelt werden, ob eine den Kosten des Insolvenzverfahrens entsprechende Masse nicht vorhanden ist. Es genügt, wenn alle äußeren Tatsachen und insofern der Anschein für die Masseunzulänglichkeit sprechen (vgl. Roeder in Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, Rdnr. 47 zu § 183; Bundessozialgericht, Urteil vom 4. März 1999, B 11/10 AL 3/98 R, zitiert nach juris). Masselosigkeit ist danach aus der Sicht eines unbefangenen Beobachters in der Regel anzunehmen, wenn unter Hinweis auf die Zahlungsunfähigkeit kein Arbeitsentgelt mehr gezahlt, die Betriebstätigkeit eingestellt und kein Insolvenzantrag gestellt wird, da der Arbeitnehmer die Vermögensverhältnisse des Arbeitgebers in der Regel nicht überschaut; Indiz für Masselosigkeit ist gerade auch ausgebliebene Lohnzahlung, verbunden etwa mit arbeitsgerichtlichen Versäumnisurteilen (vgl. Roeder, a.a.O.).

Hieran gemessen lag am 7. Mai 2002 keine offensichtliche Masselosigkeit vor, was sich schon daraus ergibt, dass der Kläger noch am 23. Mai 2002 quittiert hat, sein ausstehendes Märzgehalt vom Geschäftsführer in Empfang genommen zu haben. Dieser Vorgang macht deutlich, dass im Zeitpunkt der vollständigen Betriebseinstellung offensichtlich noch gewisse finanzielle Mittel vorhanden waren, um ausstehende Forderungen zu begleichen. Dass die Arbeitgeberin dem Kläger jedenfalls den Aprillohn schuldig geblieben ist, stellt sich danach nicht als Versicherungsfall im Sinne des Insolvenzgeldrechts dar. Die Arbeitgeberin stellte vielmehr ihre Betriebstätigkeit abrupt ein, verfügte noch über gewisse Mittel und verhielt sich nach außen hin vollkommen passiv. Mit dem Kündigungsschreiben vom 30. April 2002 – mithin nur eine Woche vor der vollständigen Betriebseinstellung – war dem Kläger noch mitgeteilt worden, man sei bemüht, die offenen Forderungen zu begleichen. Der Anschein musste daher im Zeitpunkt der Kündigung und auch im Moment der Betriebseinstellung nicht für eine Masselosigkeit sprechen. Weil der Kläger tatsächlich noch wenige Wochen nach der Betriebseinstellung eine Zahlung restlichen Gehalts erhielt, müssen die sonst noch vorhandenen Aspekte – etwa die Beteuerungen der Geschäftsführer oder die Be-obachtungen des Klägers in den Geschäftsräumen – nicht weiter gewürdigt werden. Der Kläger mag hier Opfer unvorhersehbaren und für ihn nicht beeinflussbaren Arbeitgeberverhaltens geworden sein; ein Insolvenzereignis im Sinne von § 183 SGB III ist jedoch nicht zu erkennen.

Die Berufung der Beklagten hatte nach alledem Erfolg.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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