Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AS 1203/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 172/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt V wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Mit dieser verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2006 über die Absenkung des Arbeitslosengeldes (Alg) II nach Maßgabe des § 31 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01. August 2006 bis 31. Oktober 2006 um 30 vom Hundert der Regelleistung (monatlich 104 EUR) anzuordnen.
Statthafte Antragsart ist insoweit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006 - L 13 AS 1709/06 ER-B -; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER -; beide veröffentlicht in juris). Denn die Sanktion nach § 31 SGB II tritt nicht kraft Gesetzes ein (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31 Rn. 55). Vielmehr regelt der im Bescheid enthaltene Verwaltungsakt Beginn und Dauer der Absenkung (§ 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II) und greift in den Bestand des Bescheides vom 07. Februar 2006 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zum 31. August 2006 ein. Damit hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Absenkung verfahrensrechtlich eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erfordert oder die Absenkung nach § 31 SGB II die §§ 45 ff SGB X verdrängt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006, aaO).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2006 hat keinen Erfolg. Die im einstweiligen Rechtsschutz über die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen sind auch in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges - wie hier nach § 39 Nr. 1 SGB II - stets das Ergebnis eine Folgenabwägung. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Absenkungsbescheides vom 21. Juli 2006 ist gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers der Vorrang zu gewähren; denn bei summarischer Prüfung bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides noch hat die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (Rechtsgedanke des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG). Die nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung erforderliche vorherige Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgte im Rahmen eines Gesprächs am 03. Juli 2006 (vgl. den Vermerk auf Bl. 70 der Verwaltungsakte). Auch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind bei summarischer Prüfung erfüllt. Die vom Antragsteller abgebrochene Trainingsmaßnahme betraf die Vermittlung kaufmännischer Kenntnisse für die Arbeit in einem Call-Center. Diese Maßnahme war dem Antragsteller zumutbar. Durch die Teilnahme an der Maßnahme sollte der Antragsteller nicht für eine spätere Beschäftigung in einem Call-Center vorbereitet werden. Vielmehr sollten ihm neue Perspektiven eröffnet werden. So standen im Vordergrund der Trainingsmaßnahme nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterrichtsplan der Erwerb von Kenntnissen im kaufmännischen Bereich zur Kundenakquise und Kundenbetreuung im Rahmen von Vorträgen, Gruppenarbeiten, praktischen Übungen und Rollenspielen. Auch bestehen bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken gegen die gesundheitliche Zumutbarkeit der Maßnahme. Der behandelnde Facharzt für Nervenheilkunde Dr. B teilt in seinem Attest vom 18. Juli 2006 mit, dass wegen einer psychischen Störung des Antragstellers aus ärztlicher Sicht Tätigkeiten mit Publikumsverkehr (z.B. Call-Center) vermieden werden sollten, da sie zu einer Zunahme der Gesundheitsstörungen führen werden. Diese gutachterliche Äußerung ist indes nicht nachvollziehbar, denn Tätigkeiten im Call-Center werden am Telefon ohne Publikumsverkehr ausgeübt. Die von Dr. B in seinem Befundbericht vom 10. September 2006 mitgeteilte Diagnose einer Panikstörung (ICD 10 F 41.0) begründet bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht die Unzumutbarkeit der Trainingsmaßnahme. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Antragsteller trotz der ihm attestierten psychischen Störung in der Lage war, eine von September bis November 2006 andauernde Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit (MAE - § 2 Abs. 1 SGB II) im Stadt- und Technikmuseum der Stadt L (Katalogisierungsarbeiten am PC) durchzuführen, dafür, dass er auch an der Teilnahme an der Trainingsmaßnahme im Call-Center aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert gewesen sein kann.
Auch hat die Vollziehung des Absenkungsbescheides für den Antragsteller keine unbillige Härte im Hinblick auf die abzuwartende Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren (S 19 AS 1350/06) zur Folge. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Existenz des Antragstellers trotz der Absenkung von monatlich 104 EUR in den Monaten August bis Oktober 2006 nicht hinreichend gesichert gewesen ist. Zudem erhielt der Antragsteller während der MAE eine Mehraufwandsentschädigung in Höhe von 1,30 EUR pro Stunde bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von 25 Stunden (vgl. Integrationsvertrag vom 5. September 2006), die er ebenfalls zur Existenzsicherung einsetzen konnte.
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des Absenkungsbescheides nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG sowie - entsprechend seinem ursprünglichen Antrag vom 1. August 2006 - die Gewährung von Leistungen ohne Absenkung im Wege einer Regelungsordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) begehrt, kann der Senat über diese Begehren in zulässiger Weise - erstinstanzlich - nicht entscheiden (§ 29 SGG); denn das Sozialgericht (SG) hat im angefochtenen Beschluss nur über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs befunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Begehrens war auch der mit der Beschwerde erhobene Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt V abzulehnen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet.
Mit dieser verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2006 über die Absenkung des Arbeitslosengeldes (Alg) II nach Maßgabe des § 31 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01. August 2006 bis 31. Oktober 2006 um 30 vom Hundert der Regelleistung (monatlich 104 EUR) anzuordnen.
Statthafte Antragsart ist insoweit ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006 - L 13 AS 1709/06 ER-B -; LSG Niedersachsen, Beschluss vom 30. Januar 2006 - L 9 AS 17/06 ER -; beide veröffentlicht in juris). Denn die Sanktion nach § 31 SGB II tritt nicht kraft Gesetzes ein (vgl. Rixen in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 31 Rn. 55). Vielmehr regelt der im Bescheid enthaltene Verwaltungsakt Beginn und Dauer der Absenkung (§ 31 Abs. 6 Satz 2 SGB II) und greift in den Bestand des Bescheides vom 07. Februar 2006 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zum 31. August 2006 ein. Damit hat der Widerspruch gegen den Absenkungsbescheid gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Absenkung verfahrensrechtlich eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nach § 48 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) erfordert oder die Absenkung nach § 31 SGB II die §§ 45 ff SGB X verdrängt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. Juli 2006, aaO).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 21. Juli 2006 hat keinen Erfolg. Die im einstweiligen Rechtsschutz über die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Klage zu treffenden gerichtlichen Entscheidungen sind auch in den Fällen des gesetzlich angeordneten Sofortvollzuges - wie hier nach § 39 Nr. 1 SGB II - stets das Ergebnis eine Folgenabwägung. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Absenkungsbescheides vom 21. Juli 2006 ist gegenüber dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers der Vorrang zu gewähren; denn bei summarischer Prüfung bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides noch hat die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge (Rechtsgedanke des § 86 a Abs. 3 Satz 2 SGG). Die nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der bis 31. Juli 2006 geltenden Fassung erforderliche vorherige Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgte im Rahmen eines Gesprächs am 03. Juli 2006 (vgl. den Vermerk auf Bl. 70 der Verwaltungsakte). Auch die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II sind bei summarischer Prüfung erfüllt. Die vom Antragsteller abgebrochene Trainingsmaßnahme betraf die Vermittlung kaufmännischer Kenntnisse für die Arbeit in einem Call-Center. Diese Maßnahme war dem Antragsteller zumutbar. Durch die Teilnahme an der Maßnahme sollte der Antragsteller nicht für eine spätere Beschäftigung in einem Call-Center vorbereitet werden. Vielmehr sollten ihm neue Perspektiven eröffnet werden. So standen im Vordergrund der Trainingsmaßnahme nach dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Unterrichtsplan der Erwerb von Kenntnissen im kaufmännischen Bereich zur Kundenakquise und Kundenbetreuung im Rahmen von Vorträgen, Gruppenarbeiten, praktischen Übungen und Rollenspielen. Auch bestehen bei summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken gegen die gesundheitliche Zumutbarkeit der Maßnahme. Der behandelnde Facharzt für Nervenheilkunde Dr. B teilt in seinem Attest vom 18. Juli 2006 mit, dass wegen einer psychischen Störung des Antragstellers aus ärztlicher Sicht Tätigkeiten mit Publikumsverkehr (z.B. Call-Center) vermieden werden sollten, da sie zu einer Zunahme der Gesundheitsstörungen führen werden. Diese gutachterliche Äußerung ist indes nicht nachvollziehbar, denn Tätigkeiten im Call-Center werden am Telefon ohne Publikumsverkehr ausgeübt. Die von Dr. B in seinem Befundbericht vom 10. September 2006 mitgeteilte Diagnose einer Panikstörung (ICD 10 F 41.0) begründet bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht die Unzumutbarkeit der Trainingsmaßnahme. Vielmehr spricht der Umstand, dass der Antragsteller trotz der ihm attestierten psychischen Störung in der Lage war, eine von September bis November 2006 andauernde Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit (MAE - § 2 Abs. 1 SGB II) im Stadt- und Technikmuseum der Stadt L (Katalogisierungsarbeiten am PC) durchzuführen, dafür, dass er auch an der Teilnahme an der Trainingsmaßnahme im Call-Center aus gesundheitlichen Gründen nicht gehindert gewesen sein kann.
Auch hat die Vollziehung des Absenkungsbescheides für den Antragsteller keine unbillige Härte im Hinblick auf die abzuwartende Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren (S 19 AS 1350/06) zur Folge. Es ist weder ersichtlich noch dargetan, dass die Existenz des Antragstellers trotz der Absenkung von monatlich 104 EUR in den Monaten August bis Oktober 2006 nicht hinreichend gesichert gewesen ist. Zudem erhielt der Antragsteller während der MAE eine Mehraufwandsentschädigung in Höhe von 1,30 EUR pro Stunde bei einer wöchentlichen Beschäftigungszeit von 25 Stunden (vgl. Integrationsvertrag vom 5. September 2006), die er ebenfalls zur Existenzsicherung einsetzen konnte.
Soweit der Antragsteller mit seiner Beschwerde die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung des Absenkungsbescheides nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG sowie - entsprechend seinem ursprünglichen Antrag vom 1. August 2006 - die Gewährung von Leistungen ohne Absenkung im Wege einer Regelungsordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) begehrt, kann der Senat über diese Begehren in zulässiger Weise - erstinstanzlich - nicht entscheiden (§ 29 SGG); denn das Sozialgericht (SG) hat im angefochtenen Beschluss nur über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs befunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Begehrens war auch der mit der Beschwerde erhobene Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt V abzulehnen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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