L 7 KA 42/03

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 280/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 42/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2002 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höheren Honorars für die vertragsärztliche Tätigkeit des Klägers in den Quartalen IV/1997 bis II/1998.

Der Kläger ist Facharzt für Dermatologie ohne Zusatzbezeichnung und ist im Bezirk der Beklagten zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Bei der Honorierung der vertragsärztlichen Tätigkeit des Klägers in den hier streitbefangenen Quartalen legte die Beklagte zunächst ein so genanntes Praxisbudget nach dem einheitlichen Bewertungsmaßstab für Ärzte (EBM) zugrunde, außerdem erhielt der Kläger zwei so genannte Zusatzbudgets zugestanden, nämlich zum einen für Psychosomatik, Übende Verfahren und zum anderen für Allergologie (ohne Zusatzbezeichnung).

Mit Honorarbescheid für das Quartal IV/1997 erkannte die Beklagte dem Kläger für das Praxisbudget insgesamt 382.228,0 Punkte zu; angefordert hatte der Kläger 611.555,0 Punkte. Für das Quartal I/1998 forderte der Kläger 802.685,0 Punkte für das Praxisbudget an und erhielt 472.150,0 Punkte zuerkannt. Die Anforderung des Klägers für das Quartal II/1998 belief sich auf insgesamt 752.885,0 Punkte zuerkannt wurden ihm 486.070,0 Punkte.

Gegen die Honorarbescheide für die vorgenannten Quartale legte der Kläger jeweils fristgerecht Widerspruch ein. Zur Begründung stützte er sich zum einen darauf, dass die Einführung des Praxisbudgets fehlerhaft gewesen sei, zum anderen darauf, dass der Berechnung des Praxisbudgets zu Unrecht die teilbudgetierten Werte des ersten Halbjahres 1996 zugrunde gelegt worden seien, obwohl das Bundessozialgericht die rückwirkende Teilbudgetierung für rechtswidrig erklärt habe. Die Widersprüche bezüglich der vorgenannten drei Quartale wies die Beklagte einheitlich durch Widerspruchsbescheid vom 17. April 2000 zurück: Die Einführung des Praxisbudgets sei aufgrund des EBM erfolgt und stehe im Einklang mit höherrangigem Recht. Die Einführung der Praxisbudgets und auch ihre Berechnung seien nach sachlich zutreffenden Kriterien erfolgt. Auch die Anknüpfung an die Bezugszahlen des ersten Halbjahres 1996 sei nicht zu beanstanden. Das Bundessozialgericht habe sich nicht inhaltlich gegen eine Anknüpfung an die Teilbudgetierungen des ersten Halbjahres 1996 gewandt, sondern es habe lediglich gerügt, dass die Teilbudgetierung für die damaligen Honorierungen zu spät eingeführt worden sei. Auch der Ansatz der Betriebskosten sei zutreffend erfolgt.

Mit Urteil vom 20. November 2002 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Der Ansatz der Budgets sei zutreffend erfolgt. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass die Budgetbildung unter Anwendung betriebswirtschaftlicher Kalkulationen einer so genannten Modellpraxis für die jeweilige ärztliche Fachgruppe erfolgt sei. Auch wenn das Bundessozialgericht die rückwirkende Einführung einer Teilbudgetierung für das erste Halbjahr 1996 als rechtswidrig erachtet habe, dürfe für die Zukunft dennoch von den rechnerisch ermittelten Werten für das erste Halbjahr 1996 in Gestalt einer Rechengröße ausgegangen werden.

Gegen dieses ihm am 17. April 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Mai 2003 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Er hält die Höhe des Honorars in den streitbefangenen Quartalen für zu niedrig bemessen und sieht sich im Vergleich zu anderen Ärzten rechtswidrig benachteiligt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihrer Honorarbescheide für die Quartale IV/1997 bis II/1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatter vom 20. Oktober 2006 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung geworden sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, denn der Kläger ist durch die von ihm angefochtenen Honorarbescheide für die Quartale IV/1997 bis II/1998 nicht in rechtswidriger Weise beschwert (§ 54 Abs. 2 SGG). Insbesondere ist weder die Einführung der regionalisierten Praxisbudgets des EBM noch deren Berechnung in den hier streitbefangenen Bescheiden rechtswidrig.

Rechtsgrundlage für den Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung vertragsärztlichen Honorars ist § 85 Abs. 4 Satz 1 bis 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) in der hier anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988, Bundesgesetzblatt I Seite 2477. Danach steht jedem Vertragsarzt ein Anspruch auf Teilhabe an den von den Krankenkassen errichteten Gesamtvergütungen entsprechend der Art und dem Umfang der von ihm erbrachten - abrechnungsfähigen - Leistungen nach Maßgabe der Verteilungsregelungen im Honorarverteilungsmaßstab zu. Das Nähere zu Inhalt und Umfang der abrechnungsfähigen Leistungen ist im EBM bestimmt, an dessen Vorgaben die Beklagte bei der Ausgestaltung ihrer Honorarverteilung gebunden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. unter anderem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Juni 2005 - B 6 KA 80/03 R -).

Die von der Beklagten vorgenommene Umsetzung der Praxisbudgets, die im Zeitraum 1. Juli 1997 bis 30. Juni 2003 gemäß den Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B des EBM anzuwenden waren, ist rechtmäßig. Die Beklagte hat die nach Nummer 3 der Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B EMB i. V. m. Anlage 3 vorzunehmende regionalisierte Berechnung der Fallpunktzahlen in der Weise durchgeführt, dass sie für den in die Berechnungsformel einzustellenden "regionalen prozentualen Anteil der in den Praxisbudgets aufgenommenen Leistungen der ersten beiden Quartale des Jahres 1996" die teilbudgetierten Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 zugrunde gelegt hat. Die Auslegung der Berechnungsvorschrift in jener Anlage 3 im Sinne einer Heranziehung der mit Hilfe der Teilbudgetierung bereinigten Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 ist nicht zu beanstanden.

Für die Auslegung der vertragsärztlichen Vergütungsregelungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in erster Linie der Wortlaut der Bestimmungen maßgeblich. Soweit der Wortlaut einer Vergütungsregelung zweifelhaft ist und es der Klarstellung dient, kann eine systematische Interpretation im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen erfolgen. Hingegen kommt eine entstehungsgeschichtliche Auslegung unklarer oder mehrdeutiger Regelungen nur in Betracht, wenn Dokumente vorliegen, in denen die Urheber der Bestimmungen diese in der Zeit ihrer Entstehung selbst erläutert haben (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen).

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu beanstanden, dass der Wortsinn der hier anzuwendenden Vorschriften des EBM dahingehend verstanden wird, dass mit der Formulierung "Anteil der in den Praxisbudgets aufgenommenen Leistungen der ersten beiden Quartale des Jahres 1996 am Gesamtleistungsbedarf" diejenige Leistungsmenge gemeint ist, die sich nach Anwendung der Regelungen zur Teilbudgetierung ergab. Ebenso wie die Teilbudgets sollten die Praxisbudgets nämlich dem Ziel dienen, eine medizinisch nicht begründbare Leistungsmengenausweitung, wie sie nach der Einführung des neu gestalteten EBM zum 1. Januar 1996 in besonderem Maße zu beobachten war, zu verhindern und die Punktwerte auf einer angemessenen Höhe zu stabilisieren. Dass die Praxisbudgets auf der früheren Teilbudgetierung aufbauen und diese konsequenter als bis dahin fortführen, keinesfalls aber deren positive Wirkungen außer Acht lassen und dadurch medizinisch nicht erklärbare Leistungsausweitungen in die Zukunft festschreiben sollten, entspricht schon vom Wortsinn her erkennbar der Zielrichtung des Normgebers, d. h. des Bewertungsausschusses.

Die vorgenannte Auslegung, die zu einer Heranziehung der teilbudgetierten Abrechnungswerte des ersten Halbjahres 1996 führt, ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Allerdings war die mit Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 eingeführte Teilbudgetierung von bestimmten Beratungs- und Untersuchungsleistungen, soweit sie sich Rückwirkung auch für die ersten beiden Quartale des Jahres 1996 beimaß, verfassungswidrig und deshalb unwirksam (BSG a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Das hat aber lediglich zur Folge, dass die Teilbudgetierung jener Leistungen nicht der Honorarfestsetzung für die Quartale I/1996 und II/1996 zugrunde gelegt werden durfte. Das aus den verfassungsrechtlichen Grenzen einer echten Rückwirkung und nicht etwa aus dem Regelungsgehalt der Teilbudgetierung selbst hergeleitete Anwendungsverbot für die Honorarbescheide für die Quartale I und II/1996 hindert jedoch die Vertragspartner des EBM nicht daran, bei der Bestimmung der angemessenen Höhe der ab 1. Juli 1997 geltenden Praxisbudgets an die - um medizinisch nicht erklärbare Leistungsausweitungen bereinigten - Abrechnungswerte anzuknüpfen, die sich im ersten Halbjahr 1996 unter Berücksichtigung der vorgenannte Teilbudgetierung ergeben hätten (BSG a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Sache selbst.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht ersichtlich sind.
Rechtskraft
Aus
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