L 16 R 1490/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 13 RA 277/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 1490/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. August 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im gesamten Verfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte als Versorgungsträger für das Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) verpflichtet ist, für Beschäftigungszeiten des Klägers vom 21. Juni 1966 bis zum 30. Juni 1990 Zeiten der Zugehörigkeit zur Alterversversorgung der technischen Intelligenz (AVTI) sowie die entsprechenden Arbeitsentgelte festzustellen.

Der 1941 geborene Kläger erwarb nach einem Studium in der Hauptfachrichtung Bauingenieurwesen an der T U D in der früheren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) den akademischen Grad eines Diplom-Ingenieurs (Urkunde vom 15. Februar 1966). Er war vom 21. Juni 1966 bis 31. August 1967 bei dem VEB B und M Ost (VEB BMK Ost) als Statiker, vom 1. September 1967 bis 31. Dezember 1968 bei dem VEB I als Konstrukteur und ab 1. Januar 1969 bei dem VEB B und M Kohle und Energie (VEB BMK K und E) als Konstrukteur, Problemanalytiker und Koordinierungsingenieur im unselbständigen Kombinatsbetrieb (KB) Forschung und Projektierung beschäftigt. Der KB F und P des VEB BMK K und E wurde nach Maßgabe der Verordnung zur Umwandlung von volkseigenen Kombinaten, Betrieben und Einrichtungen in Kapitalgesellschaften (Umwandlungsverordnung - UmwVO) vom 1. März 1990 (GBl. I S. 107) in die Ipro B GmbH - Bauplanung und -beratung - umgewandelt; die Eintragung der GmbH in das Register beim Staatlichen Vertragsgericht der DDR erfolgte am 25. Juni 1990. Der Kläger war noch am 30. Juni 1990 und darüber hinaus bis zum 31. Dezember 1991 bei der Ipro B GmbH als Projektleiter für Spezialgebiete der Statik beschäftigt. Er war mit Wirkung vom 1. August 1975 der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) beigetreten. Eine Versorgungszusage hatte er nicht erhalten.

Den Antrag des Klägers auf Feststellung der Beschäftigungszeiten vom 21. Juni 1966 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG lehnte die Beklagte ab mit der Begründung, dass eine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG nicht entstanden sei (Bescheid vom 16. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Dezember 2003).

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat im sich anschließenden Klageverfahren Registerauszüge der Ipro B GmbH und des KB F und P B des VEB BMK K und E sowie den Gesellschaftsvertrag und den Gründungsbericht der Ipro B GmbH beigezogen und Niederschriften über die Vernehmung der Zeugen D (im Folgenden: D.), L (im Folgenden: L.) und S (im Folgenden: S.) aus dem Verfahren - S 13 RA 3977/04 - (SG Berlin) in das Verfahren eingeführt. Mit Urteil vom 8. August 2005 hat das SG die Beklagte antragsgemäß verpflichtet, die Zeit vom 21. Juni 1966 bis 30. Juni 1990 als eine solche der Zugehörigkeit des Klägers zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz anzuerkennen und die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei begründet. Der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellung der Zugehörigkeit zur AVTI und der tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte nach der einzig in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage der §§ 5, 8 Abs. 2 und 3 AAÜG für den gesamten streitigen Zeitraum. Das AAÜG sei auf ihn anwendbar. Die persönlichen, sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen hätten am 30. Juni 1990 für eine obligatorische Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz vorgelegen. Ausweislich der Diplomurkunde der T U D vom 15. Februar 1966 sei er berechtigt gewesen, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Eine Tätigkeit als Statiker sei eine rein technische Tätigkeit, die offenkundig zum Berufsbild eines Diplom-Ingenieurs gehöre. An der ingenieurtechnischen Ausprägung der Tätigkeiten des Klägers im Jahr 1990 als Gruppenleiter für Spezialstatik (Dynamik, Gründungen, extreme Einwirkungen) sowie als Projektleiter für Spezialgebiete der Statik bestünden keine Zweifel. Zwar sei der Kläger am 30. Juni 1990 nicht bei einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen. Dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe am 30. Juni 1990 die Rechtsform eines volkseigenen Betriebes oder Kombinatsbetriebes gefehlt. Die Ipro B GmbH sei jedoch am 30. Juni 1990 ein den Produktionsbetrieben nach § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung (DB) vom 24. Mai 1951 gleichgestelltes Konstruktionsbüro gewesen. Der Betrieb habe auch im Jahre 1990 die technische Entwicklung von Bauwerken zum Gegenstand gehabt. Nachdem in der Zeit davor der Kombinatsbetrieb sich vornehmlich mit Kraftwerksbauten befasst habe, seien ab 1990 auch Gesellschaftsbauten hinzugetreten. Dabei sei es Aufgabe des Betriebes gewesen, Konstruktionszeichnungen anzufertigen, statische Berechnungen durchzuführen und teilweise auch die Umsetzung der Entwürfe zu überwachen, wenn die hierfür eigentlich zuständigen Baubetriebe Unterstützung benötigt hätten. Die bautechnischen Planungen seien in den Bereichen Architektur, Tragwerksplanung und technische Gebäudeausstattung erfolgt. Neben der Erstellung der technischen Entwurfszeichnungen nach den Vorgaben der Auftraggeber sei auch ein Gesamtpreis für das Projekt auf Grundlage der feststehenden Stücklisten ermittelt worden. Mit dem letzten Aufgabenbereich seien maximal 15 % der Mitarbeiter des Betriebes befasst gewesen. Der Rest der Mitarbeiter sei im bautechnischen Bereich sowie bei der Zuarbeit beschäftigt gewesen. Die Feststellungen zur Tätigkeit des Betriebes im bautechnischen Bereich beruhten auf den insoweit weitestgehend übereinstimmenden und glaubhaften Aussagen der Zeugen. Nur ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Entwicklungstätigkeit bis 1989 die Kriterien zur Tätigkeit eines Forschungsinstituts im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2 DB erfülle. Die betrieblichen Voraussetzungen hätten bei allen Beschäftigungsbetrieben im streitigen Zeitraum vorgelegen. Der KB F und P des VEB BMK K und E sei ein Konstruktionsbüro im Sinne der 2. DB gewesen. Die betrieblichen Voraussetzungen hätten auch für die Zeit vorgelegen, in der der Bereich bautechnische Projektierung ein unselbständiger Betriebsteil des VEB BMK K und E gewesen sei. Auch der VEB I B erfülle die Anforderungen an ein Konstruktionsbüro. Schließlich sei auch der VEB B und M Ost ein volkseigener Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen.

Mit der Berufung wendet sich die Beklagte gegen dieses Urteil. Sie trägt vor: Es sei nachgewiesen, dass der Beschäftigungsbetrieb im Wirtschaftssystem der DDR als Projektierungsbetrieb angesehen worden sei. Der VEB F und P im BMK K und E habe nicht zu den in der 2. DB den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellten Betrieben gezählt. Die Auflistung in der 2. DB sei vollständig. Es sei unerheblich, dass der VEB F und P im BMK K und E im Rahmen der Projektierung auch Konstruktionsaufgaben durchgeführt habe. Diese im Rahmen der Projektierung anfallenden Konstruktionen hätten dem Betrieb nicht das Gepräge gegeben. Sein Hauptzweck sei der eines Projektierungsbetriebes gewesen. Die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR mit einer Zuordnung des Beschäftigungsbetriebes zur Wirtschaftsgruppe 63350 bestätige dieses Ergebnis. Das SG verkenne, dass es einen Unterschied zwischen Konstruktion und Projektierung gebe. Auf die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2006 (L 22 R 244/05) werde Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. August 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung führt er aus: Die Charakterisierung des Beschäftigungsbetriebes als Konstruktionsbüro ergebe sich aus den durch das erstinstanzliche Gericht beigezogenen Unterlagen und durchgeführten Beweisaufnahmen. So habe zu den Aufgaben des Betriebes die gebäudeseitige Konstruktion von Industrieanlagen gehört. Der Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 26. Januar 2006 weiche von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ab. Dieser Entscheidung könne deshalb nicht gefolgt werden. Es werde bestritten, dass eine wirksame Eintragung am 25. Juni 1990 in dem gemäß § 6 UmwVO dafür zuständigen Register tatsächlich erfolgt sei. Er müsse sich diese Eintragung daher auch nicht entgegen halten lassen. Im Übrigen werde die korrekte Eintragung bestritten. In dem Registereintrag des Bezirksvertragsgerichtes B, HRB 15-5870, sei angegeben, dass die Eintragung angeblich durch eine Person "S" vorgenommen worden sei. Offensichtlich sei diese Person "Beauftragter für Registerführung" gewesen. Die Verfügung zur Eintragung in das Register sei ebenso durch eine Person "S" abgefasst worden. Dafür habe diese Person gar nicht zuständig sein können, denn über die Eintragung einer Gesellschaft könne ausschließlich der Richter entscheiden. Er verweise auf die rechtskräftige Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 13. November 2006 (L 22 R 808/06). Das BSG habe in den beiden Urteilen von 7. September 2006 (B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R) keinen eigenen Begriff des Konstruktionsbüros herausgebildet, sondern sich - ebenso wie das erstinstanzliche Gericht im vorliegenden Verfahren - auf die Definition im "Ökonomischen Lexikon" gestützt. Die Berufungsklägerin habe schließlich keine Ausführungen zur Eigenschaft seines Beschäftigungsbetriebes als Forschungsinstitut gemacht oder diese geeignet widerlegt.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte der Beklagten, die Rentenakte des Rentenversicherungsträgers sowie die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Die Kläger hat keinen mit den Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) durchsetzbaren Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 1 AAÜG auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG für den Zeitraum vom 21. Juni 1966 bis 30. Juni 1990.

Der Kläger erfüllt die beiden ausdrücklich in § 1 Abs. 1 AAÜG genannte Tatbestände nicht. Er war bei In-Kraft-Treten des AAÜG am 1. August 1991 weder Inhaber einer Versorgungsberechtigung (Satz 1 aaO), noch war er in der DDR vor dem 1. Juli 1990 (= Zeitpunkt der Schließung der Zusatzversorgungssysteme) in ein Versorgungssystem einbezogen und vor diesem Zeitpunkt rechtmäßig ausgeschieden (Satz 2 aaO). Der Kläger war auch nicht aufgrund einer Verwaltungsentscheidung oder aber einer Rehabilitierungsentscheidung in das System einbezogen worden. Ihm war keine Versorgungszusage durch Aushändigung eines "Dokumentes über die zusätzliche Altersversorgung" erteilt worden.

Der Kläger war am 1. August 1991 auch nicht Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft (vgl. st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R - veröffentlicht in juris -, und B 4 RA 41/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 11). Der fiktive bundesrechtliche Anspruch hängt im Bereich der AVTI gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVTI) vom 17. August 1950 (GBl S 844) und § 1 Abs. 1 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die kumulativ am 30. Juni 1990 erfüllt gewesen sein müssen (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R, aaO, mwN): 1. von der Berechtigung eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), 2. der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung) und 3. der Ausübung dieser Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs. 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs. 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

Zwar erfüllt der Kläger die persönliche und die sachliche Voraussetzung. Denn er war berechtigt, die ihm durch staatlichen Zuerkennungsakt (Urkunde vom 15. Februar 1966) verliehene Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen. Auch war er am Stichtag, dem 30. Juni 1990, ingenieurtechnisch beschäftigt. Hierfür ist ausreichend, dass der Kläger als Projektleiter für Spezialgebiete der Statik im Rahmen seines Berufsbildes beschäftigt und nicht berufsfremd eingesetzt war (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 47/05 R = SozR 4-8570 § 1 Nr. 12). Entgegen der vom Kläger und dem SG vertretenen Rechtsauffassung ist jedoch die dritte sog. betriebliche Voraussetzung nicht gegeben. Denn die Ipro B GmbH war am 30. Juni 1990 weder ein volkseigener Produktionsbetrieb noch ein gleichgestellter Betrieb iSd 2. DB und dabei insbesondere auch kein Konstruktionsbüro.

Ob die betriebliche Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich danach, wer am maßgeblichen Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne war. Abzustellen ist hierbei auf die tatsächlichen Gegebenheiten am 30. Juni 1990 (st. Rspr. des BSG, z.B. Urteile vom 7. September 2006, B 4 RA 39/05 R und B 4 RA 41/05 R, aaO). Danach war Arbeitgeber des Klägers im rechtlichen Sinn die Ipro B GmbH. Die Eintragung der Kapitalgesellschaft in das Register (HRB 15-5870 des Stadtbezirksgerichts B) erfolgte bereits - vor dem Stichtag - am 25. Juni 1990 (HRB 34388 des Amtsgerichts [AG] C); damit wurde nach § 7 UmwVO die Umwandlung der GmbH wirksam. Zu diesem Zeitpunkt erlosch der Vorgängerbetrieb der GmbH, der KB F und P B des VEB BMK K und E. Für das Wirksamwerden der Umwandlung kommt es nach § 7 UmwVO allein auf die Eintragung der GmbH in das Register an. Das HRB 34388 des AG C beweist die Eintragung in das HRB 15-5870 des Stadtbezirksgerichts B (vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2006, L 22 R 244/05, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de). Die Person "S" als Beauftragter für Registerführung war gemäß § 4 Abs. 2 der Anordnung über die Führung des Registers für private und gemischt-wirtschaftliche Unternehmen und für treuhänderisch verwaltete Kapitalgesellschaften (RegAO) vom 19. März 1990 (GBl. I S. 183) befugt, sowohl Geschäfte des Vertragsrichters (Registerrichters) als auch des Urkundsbeamten vorzunehmen. Im Übrigen war die Ipro B GmbH als Beschäftigungsbetrieb des Klägers - unstreitig - ohnehin kein Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens.

Die Ipro B GmbH, die am 30. Juni 1990 Arbeitgeberin des Klägers war, war aber auch nicht nach ihrem Unternehmens- und Betriebszweck ein den volkseigenen Produktionsbetrieben gleichgestellter Betrieb. Sie war - wie der Senat bereits in seinem Urteil vom 20. März 2007 (L 16 R 171/06) entschieden hat - insbesondere kein Konstruktionsbüro, das in § 1 Abs. 2 der 2. DB als gleichgestellter Betrieb ausdrücklich benannt wird. Die Auslegung des Begriffs "Konstruktionsbüro", wie er in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannt wird, hat sich dabei strikt am Wortlaut zu orientieren, so dass – in § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht aufgeführte - Projektierungsbetriebe schon aus diesem Grunde versorgungsrechtlich keine gleichgestellten Betriebe sein können (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05, aaO). Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht aber fest, dass der Kläger am 30. Juni 1990 nicht in einem Konstruktionsbüro, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt war.

Schon nach dem Sprachverständnis der DDR wurde ausdrücklich zwischen Konstruktions- und Projektierungsbüros unterschieden. Ausgangspunkt für die Feststellung des am Stichtag maßgeblichen Sprachverständnisses der DDR ist der "Beschluss über die Errichtung eines technischen Projektierungs- und Konstruktionsbüros der Energiewirtschaft" vom 29. Juni 1949 (ZVOBl 1949 Teil 1 Nr. 59 S. 1). Danach wurde für die Aufgabenbereiche der Projektierung und Konstruktion zwar nur ein Büro errichtet, dennoch wurde deutlich zwischen den beiden Funktionen unterschieden. Die Projektierungsaufgabe bestand darin, in allen Kraftanlagen alle Teile, Anlagenteile und Anlagen zu "bearbeiten", also die "Projektierung der Verteilung, der Erweiterungen und der Neuanlagen einschließlich der Verbesserungsvorschläge" vorzunehmen, dagegen betraf die Konstruktion "die Herstellung und den Betrieb der Teile, Anlagenteile und Anlagen". Hieraus erhellt, dass Konstruktionsarbeiten Fragen der technischen Herstellung von Einzelteilen oder auch ganzer Anlagen und ihres betrieblichen Einsatzes zu beantworten hatten, während die Projektierung sich nicht mit der Lösung derartiger Probleme befasste, sondern sie voraussetzte, um ein technisches Gesamtkonzept zu erstellen, das die optimale Realisierung des Unternehmenszweckes gewährleistete (vgl. BSG aaO). Die Projektierung hatte somit im Vergleich zur Konstruktion eine übergeordnete Funktion (vgl. auch die Begriffsbestimmung der Projektierungsleistung in der Verordnung über das Projektierungswesen – Projektierungsverordnung – vom 20. November 1964 – GBl. II S. 909). Danach gehörten zu den Projektierungsleistungen u.a. die Ausarbeitung von Aufgabenstellungen, von Projekten, Teilprojekten und Projektteilen, die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen, die Ausarbeitung von Studien und Variantenuntersuchungen. Auch die Anordnung über die Einführung der Rahmenrichtlinie für die Neugliederung der Beschäftigten der Industrie und des Bauwesens vom 10. Dezember 1974 (GBl. I S. 1), die noch am 30. Juni 1990 galt, unterschied zwischen Konstruktion und Projektierung. Hieran knüpfen auch die Definitionen im "Ökonomischen Lexikon" der DDR (3. Auflage 1979) an. Danach waren Gegenstand von Konstruktionsarbeiten die Gestaltung der Erzeugnisse im Prozess der Vorbereitung der Produktion, die Anfertigung von Konstruktionszeichnungen, die Aufstellung von Stücklisten und die Funktionserprobung des Erzeugnisses. Projektierungen im weiteren Sinne waren alle Leistungen, die von Projektierungseinrichtungen insbesondere für die Lösung von Investitionsaufgaben erbracht wurden. Sie umfassten im Wesentlichen die Mitwirkung an "grundfondswirtschaftlichen" Untersuchungen, Aufgabenstellungen für die Vorbereitung von Investitionen, die Ausarbeitung von Dokumentationen zur Vorbereitung von Investitionsentscheidungen, die Erarbeitung der Ausführungsprojekte, die Lösung von Aufgaben des "Planes Wissenschaft und Technik", die Vorbereitung von Reparaturen und die Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen. In einem engeren Sinn wurde unter Projektierung die Ausarbeitung des Investitionsprojekts verstanden (vgl. BSG aaO).

Nach Maßgabe dieser Differenzierungskriterien war der Kläger am Stichtag nicht in einem Konstruktionsbüro, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt. Gegenstand der Ipro B GmbH war nach § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 31. Mai 1990 die Erstellung von und der Handel mit planungs- und ingenieurtechnischen Leistungen sowie die Erbringung von Beratungsleistungen für Industrie- und Gesellschaftsbauten sowie Verkehrsanlagen. Hiermit korrespondiert, dass dieser Betrieb wie auch die Vorgängerbetriebe im statistischen Betriebsregister der DDR der Wirtschaftsgruppe 63350 (Bauprojektierung) zugeordnet waren. Die vom SG in das Verfahren eingeführten und im Wege des Urkundenbeweises - mit dem konkludent durch Bezugnahme hierauf in den vorbereitenden Schriftsätzen erklärten Einverständnis der Beteiligten - verwerteten Aussagen der Zeugen D., L. und S., die umfangreiche, nachvollziehbare und im wesentlichen übereinstimmende Angaben zu den Aufgabenbereichen und betrieblichen Tätigkeitsfeldern der Ipro B GmbH und auch der Vorgängerbetriebe gemacht haben, bestätigen, dass am maßgeblichen Stichtag (30. Juni 1990) der Hauptzweck der Ipro B GmbH nicht die Erbringung von Konstruktionsleistungen war, sondern die Planung technischer Gesamtkonzepte für Industrie- und Gesellschaftsbauten sowie anderer Anlagen. Der Ipro B GmbH oblag damit die Gesamtplanung, die sich nicht nur in der Entwicklung und Fertigung von Konstruktionszeichnungen erschöpfte, sondern die Planung und Entwicklung der gesamten Anlage umfasste. Der Zeuge D., der Geschäftsführer der Ipro B GmbH war und damit über fundierte Kenntnisse des Betriebes verfügt, hat diesbezüglich ausdrücklich bestätigt, dass der Betrieb ein "Planungsbüro" gewesen sei, wofür damals der Begriff "Projektierung" verwandt worden sei. D. hat auch anschaulich geschildert, dass die eigentliche Planung in der Gewinnung einer Vorstellung vom Aussehen des Gebäudes, der Abklärung mit den Bauherren, der Anfertigung der technischen Zeichnungen und teilweise in der Qualitätsüberwachung und dem Eingriff in die Bauablaufpläne bestanden hätten. Dies sind mit Ausnahme der Anfertigung technischer Zeichnungen typische Projektierungsarbeiten. Auch der Zeuge S., ein Kollege des Klägers, bestätigt, dass die Tätigkeit der Ipro B GmbH eine "typische Planungstätigkeit" für bautechnische Planungen "in allen Fachgebieten in allen Leistungsphasen" gewesen sei. Die Ipro B GmbH war somit mit der gesamten Ausarbeitung des konkreten Investitionsprojekts (Ausführungsobjekts) befasst, nicht nur mit dessen technischer Gestaltung im Vorfeld. Unter Berücksichtigung dessen, dass sich nach den übereinstimmenden Angaben der Zeugen der Unternehmens- und Betriebszweck der Ipro B GmbH von dem des KB F und P B des VE BMK K und E nicht unterschieden hatte, ergibt sich auch aus dem vom SG beigezogenen Aufsatz über die "Leistungsentwicklung im KB F und P B in den 40 Jahren seines Bestehens" (Wolfgang Hocke) nicht anderes. Dieser Aufsatz listet vielmehr unter teilweiser Nennung der konkreten Projektierungsobjekte die Aufgaben zur Projektierung von Vorhaben im Anlagen- und Gesellschaftsbau im Einzelnen auf und weist darauf hin, dass die Projektierungsaufgaben "stets im Mittelpunkt" des Betriebes standen, und zwar zuletzt nach Maßgabe des "Programmes zur weiteren Entwicklung als Beispielbetrieb der Projektierung im Industriebau der DDR für die komplexe durchgängige Rationalisierung der bautechnischen Projektierung" vom 14. März 1988. Insoweit wird ausdrücklich an das sich aus den genannten abstrakt-generellen Regelungen der DDR ergebende staatliche Sprachverständnis angeknüpft, das zwischen "Konstruktion" und "Projektierung" eine deutliche Unterscheidung getroffen hatte. Im Ergebnis steht somit fest, dass der Kläger am Stichtag nicht in einem Konstruktionsbüro, sondern in einem Projektierungsbetrieb beschäftigt war. Hieran ändern die Ausführungen des LSG Berlin-Brandenburg in dem vom Kläger genannten - rechtskräftigen -Beschluss vom 13. November 2006 (L 22 R 808/06, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de) nichts. Denn diese Entscheidung betrifft einen gänzlich anderen Beschäftigungsbetrieb und einen anderen Sachverhalt. Vielmehr ist die Ipro GmbH auch nach Auffassung des 22. Senats des LSG Berlin-Brandenburg ein Projektierungsbetrieb (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26. Januar 2007, L 22 R 742/06, veröffentlicht in www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Der Anteil der am 30. Juni 1990 in der Ipro B GmbH im "bautechnischen Bereich" Beschäftigten an der Gesamtzahl der Mitarbeiter des Betriebes lässt nicht den Rückschluss zu, dass die Ipro B GmbH ein Konstruktionsbüro war. Denn eine Tätigkeit im "bautechnischen Bereich" ist nicht gleichbedeutend mit einer Tätigkeit in einem Konstruktionsbüro. Zudem ist der vom SG im angefochtenen Urteil festgestellte Anteil von immerhin 10 bis 15 % Mitarbeiter in der Kostenberechnung bzw. im Bereich der Verpreisung nicht als "sehr geringer Anteil" einzuschätzen. Letztlich maßgebend ist ohnehin das sich aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens ergebende Gesamtbild eines Projektierungsbetriebes.

Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob am 30. Juni 1990 in der DDR überhaupt noch Konstruktionsbüros als selbstständige Betriebe oder Betriebsteile eines Kombinats existierten, die als solche Arbeitgeber und damit versorgungsrechtlich gleichgestellte Betriebe im Sinne des § 1 Abs. 2 der 2. DB hätten sein können (vgl. hierzu zweifelnd BSG aaO). In Bezug auf Konstruktionsbüros wäre dann die Gleichstellungsnorm des § 1 Abs. 2 der 2. DB bereits am 30. Juni 1990 objektiv gegenstandslos gewesen und insoweit schon deshalb kein Bundesrecht geworden. Da Projektierungsbüros in § 1 Abs. 2 der 2. DB nicht aufgeführt werden, sind sie versorgungsrechtlich in jedem Fall keine gleichgestellten Betriebe. Eine über den Wortlaut hinausgehende erweiternde Auslegung ist insoweit nicht zulässig (vgl. BSG aaO). Die Ipro B GmbH war am Stichtag auch - entgegen dem Hinweis des Klägers auf Seite 16 seines Schriftsatzes vom 10. Mai 2006 - kein Forschungsinstitut, das in § 1 Abs. 2 der 2. DB als gleichgestellter Betrieb ausdrücklich benannt wird. Dass auch Verfahrensforschung betrieben worden ist, wie der Zeuge D. ausgesagt hat, vermag an dem Betriebszweck der Ipro B GmbH, die als Planungsbetrieb fungierte, jedenfalls nichts zu ändern. Entgegen der Auffassung des SG können im Hinblick auf das Gesamtbild Forschungstätigkeiten bis zum Jahr 1989 und auch am Stichtag allenfalls ein untergeordneter Teil der unternehmerischen Tätigkeiten und keinesfalls den Gesamtbetrieb prägend gewesen sein. Es ist im Übrigen weder vorgetragen worden noch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens irgendwie ersichtlich, dass der Hauptzweck der Ipro B GmbH die zweck- und betriebsbezogene wissenschaftliche Forschung und Entwicklung gewesen sein könnte (vgl. BSG, Urteil vom 26. Oktober 2004, B 4 RA 40/04 R = SozR 4-8570 § 5 Nr. 6). Auch die anderen der in § 1 Abs. 2 der 2. DB genannten Betriebsarten sind nicht einschlägig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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