L 16 R 139/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 4713/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 139/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Altersrente (AR) wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bereits ab 01. März 2005 anstelle des von der Beklagten festgesetzten Rentenbeginns zum 01. Mai 2005.

Der 1945 geborene und bis 31. August 2002 versicherungspflichtig beschäftigte Kläger bezog vom 01. September 2002 bis 31. August 2003 Arbeitslosengeld (Alg). Nach einer weiteren versicherungspflichtigen Beschäftigung vom 01. September 2003 bis zum 29. Februar 2004 erhielt der Kläger vom 01. März 2004 bis zum 16. September 2004 erneut Alg, und zwar unter den erleichterten Bedingungen des § 428 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III). Anschließend bezog der bereits seit 06. August 2004 arbeitsunfähig erkrankte Kläger bis zum 11. Oktober 2004 Krankengeld und vom 12. Oktober 2004 bis zum 12. März 2005 erneut Alg. Auch über den 12. März 2005 hinaus war er arbeitslos gemeldet.

Im Dezember 2003 beantragte der Kläger die Gewährung von AR ab 01. März 2005. Mit Bescheid vom 29. April 2005 gewährte die Beklagte dem Kläger AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für die Zeit ab 01. Mai 2005 (Zahlbetrag ab 01. Juni 2005 = monatlich 893,46 EUR). Soweit der Kläger mit seinem Widerspruch die Zahlung der AR bereits ab 01. März 2005 begehrte, wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. September 2005 zurück. Durch die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit (AU) vom 06. August bis 11. Oktober 2004 sei die Voraussetzung von 52 Wochen Arbeitslosigkeit nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten bei einer seit 01. März 2004 bestehenden Arbeitslosigkeit nicht bereits zum 01. März 2005, sondern erst zum 01. Mai 2005 erfüllt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung von AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bereits ab 01. März 2005 gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 08. Januar 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe für die Monate März und April 2005 keinen Anspruch auf die begehrte AR nach § 237 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Gemäß § 237 Abs. 2 SGB VI gelte zwar auch der Versicherte als arbeitslos, der nach Maßgabe des § 428 SGB III unter erleichterten Bedingungen Alg trotz Fehlens der subjektiven Verfügbarkeit bezogen habe. Im Übrigen müssten jedoch für die AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit außer der subjektiven Verfügbarkeit alle übrigen Voraussetzungen der Arbeitslosigkeit gemäß den §§ 117 ff. SGB III erfüllt sein. Während der Zeit der AU sei der Kläger objektiv nicht verfügbar und damit auch nicht arbeitslos gewesen. Damit sei die AU-Zeit nicht als Zeit der Arbeitslosigkeit i. S. von § 237 SGB VI zu berücksichtigen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 08. Januar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 29. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07. September 2005 zu verurteilen, ihm Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bereits ab 01. März 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze Bezug genommen.

Die Rentenakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der er im Wege der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sein erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt, ihm AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit bereits ab 01. März 2005 zu gewähren, ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer derartigen Rente vor dem von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid festgesetzten Rentenbeginn (01. Mai 2005).

Anspruch auf AR haben Versicherte, wenn sie vor dem 01. Januar 1952 geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet haben, bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben (§ 237 Abs. 1 SGB VI). Nach § 237 Abs. 2 SGB VI besteht ein Anspruch auf AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit auch für Versicherte, die während der Arbeitslosigkeit von 52 Wochen nur deshalb der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung standen, weil sie nicht arbeitsbereit waren und nicht alle Möglichkeiten nutzten und nutzen wollten, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Eine Rente aus eigener Versicherung wird von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind (vgl. § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI).

Der Kläger erfüllt die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen für die begehrte AR erst ab 22. April 2005, so dass frühestens ein Rentenbeginn zum 01. Mai 2005 in Betracht kommt. Der Kläger war nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten, mithin ab 19. August 2003, in der Zeit vom 19. August 2003 bis zum 31. August 2003, vom 01. März 2004 bis zum 05. August 2004 und ab 12. Oktober 2004 arbeitslos. Das Erfordernis von insgesamt 52 Wochen (= 364 Tagen) Arbeitslosigkeit nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten war mithin (erst) am 22. April 2005 erfüllt. Der aus § 99 Abs. 1 SGB VI folgende Rentenbeginn ist somit der 01. Mai 2005.

Während der Zeit der krankheitsbedingten AU vom 06. August 2004 bis zum 11. Oktober 2004 war der Kläger hingegen nicht arbeitslos, obgleich das Alg bis zum 16. September 2004 weiter gezahlt worden war. Denn es fehlt im Hinblick auf die vorliegende AU insoweit an der objektiven Verfügbarkeit des Klägers, ohne die eine Arbeitslosigkeit des Beschäftigungslosen nicht vorliegt (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III in der vorliegend anwendbaren, bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung – im Folgenden: alter Fassung (a.F.)). Der Begriff der Arbeitslosigkeit wird auch im Rentenrecht durch das jeweils maßgebende, während der in Rede stehenden Arbeitslosigkeit geltende Recht der Arbeitslosenversicherung, also vorliegend durch das SGB III in der seinerzeit maßgebenden Fassung, bestimmt (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 – B 5 RJ 27/05 R = SozR 4-2600 § 237 Nr 10 mit weiteren Nachweisen).

Neben einer Nichtausübung einer mehr als geringfügigen Beschäftigung setzt die Arbeitslosigkeit danach u.a. voraus, dass der Beschäftigungslose der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 119 Abs. 2 SGB III a.F. nur zur Verfügung, wer arbeitsfähig (objektive Verfügbarkeit) und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit (subjektive Verfügbarkeit) ist. Der Kläger war während der Zeit vom 06. August 2004 bis zum 11. Oktober 2004 aber nicht arbeits- und somit vermittlungsfähig, sondern – was zwischen den Beteiligten unstreitig ist – arbeitsunfähig. Der Umstand, dass dem Kläger nach Eintritt der AU bis zum 16. September 2004 Alg weiter gewährt wurde, ändert daran nichts. Denn die Weitergewährung des Alg beruht auf § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Diese Vorschrift regelt die Weiterzahlung von Alg im Krankheitsfalle bis zu sechs Wochen (Leistungsfortzahlung). Für diesen Zeitraum soll ein Wechsel des Sozialleistungsträgers vermieden werden, weil andernfalls die Krankenkasse – was bei dem Kläger ab 17. September 2004 auch der Fall war – Krankengeld zahlen müsste. Während des Bezugs von Alg nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III liegt jedoch keine "echte" Arbeitslosigkeit vor (vgl. zur entsprechenden Vorgängerregelung in § 105b Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz: BSG, Urteil vom 14. Mai 1985 – 4a RJ 5/84 = NZA 1986, 108 bis 109).

Dass dem Kläger ab 01. März 2004 Alg unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III gewährt wurde, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Nach dieser Vorschrift gilt zwar auch der Versicherte als arbeitslos, der wegen Fehlens subjektiver Verfügbarkeit im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F. grundsätzlich ein Tatbestandsmerkmal der Arbeitslosigkeit nicht erfüllt; die subjektive Verfügbarkeit wird somit kraft Gesetzes fingiert, was im Übrigen auch aus § 237 Abs. 2 SGB VI erhellt. Indes müssen, damit Arbeitslosigkeit vorliegt, die übrigen Voraussetzungen der §§ 118, 119 SGB III kumulativ uneingeschränkt erfüllt sein, der Beschäftigungslose muss mithin u. a. auch objektiv verfügbar (gewesen) sein. Ein arbeitsunfähiger Beschäftigungsloser kann aber schon begrifflich der Arbeitsvermittlung objektiv nicht zur Verfügung stehen, und zwar ungeachtet dessen, ob er subjektiv willens und bereit gewesen wäre, eine ihm angebotene Tätigkeit anzunehmen. Die erforderlichen 52 Wochen einer Arbeitslosigkeit des Klägers nach Vollendung eines Lebensalters von 58 Jahren und sechs Monaten können daher erst im April 2005 abgelaufen sein mit der Folge, dass die AR erst am 01. Mai 2005 beginnen konnte.

Da der Kläger sich nur gegen den von der Beklagten verlautbarten Rentenbeginn gewandt hat und die Beklagte zudem auch in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid ausschließlich hierzu eine Verwaltungsentscheidung verlautbart hatte, war über die Höhe des Werts des Rechts des Klägers auf AR wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit nicht zu befinden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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