L 16 AL 537/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AL 536/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 537/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 28. Juni 2003.

Der 1954 geborene Kläger hatte von der Beklagten zuletzt vom 22. März 1997 bis 30. Juni 1997 Alg bezogen. Ab 01. Juli 1997 war er selbständig tätig, zuletzt vom 01. Februar 2000 bis 09. Oktober 2001 als Gesellschafter–Geschäftsführer der R G in C. Vom 01. November 2001 bis 28. Februar 2002 erhielt der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach Maßgabe des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG). Er wurde nach Maßgabe des Gründungsvertrages der J & R M-D m (im Folgenden: J & R) vom 07. Februar 2002 zum Geschäftsführer dieser G bestellt. Vom 11. Februar 2002 bis 05. Mai 2003 und vom 11. Juni 2003 bis 11. August 2003 bezog der Kläger Krankengeld und vom 06. Mai 2003 bis 10. Juni 2003 Übergangsgeld aus Anlass einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme.

Am 26. Juni 2003 meldete sich der Kläger zum 28. Juni 2003 arbeitslos. Er legte eine Arbeitsbescheinigung der J & R vor, ausweislich derer er vom 11. Februar 2002 bis 28. Juni 2003 als Isolierer bzw. Monteur beschäftigt gewesen sei; es sei jedoch lediglich Krankengeld bezogen worden. Der Kläger reichte ferner einen Arbeitsvertrag mit der J & R vom 11. Februar 2002 über eine Beschäftigung im Bereich "Dienstleistung/Monteur/Baubetreuung" ab 11. Februar 2002 ein, ferner seine Anmeldung zur Sozialversicherung ab 11. Februar 2002.

Mit Bescheid vom 08. Juli 2003 lehnte die Beklagte den Alg-Antrag ab mit der Begründung, dass der Kläger innerhalb der Rahmenfrist vom 28. Juni 1998 bis zum 27. Juni 2003 nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Der Krankengeldbezug ab 11. Februar 2002 könne nicht als versicherungspflichtige Zeit berücksichtigt werden, da unmittelbar vor Beginn der Leistung kein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestanden habe bzw. keine Lohnersatzleistung bezogen worden sei. Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger einen Beschäftigungsbeginn bei der J & R bereits zum 01. Januar 2002 geltend. Er legte eine entsprechend korrigierte Arbeitsbescheinigung der J & R vom 12. August 2003 und eine – nach Mitteilung der Krankenkasse (B G) im August 2003 "eingespielte" – entsprechend geänderte Mitgliedsbescheinigung vor. Das weitere Vorbringen des Klägers, er habe vor dem Bezug von Krankengeld im Rahmen eines Projekts "Arbeit statt Sozialhilfe" gearbeitet, konnte das Sozialamt C nicht bestätigen. Mit Schreiben vom 05. Mai 1994 teilte der Kläger schließlich selbst mit, er habe am 11. Februar 2002 eine beitragspflichtige Beschäftigung als Arbeitnehmer bei der J & R aufgenommen und bitte um Korrigierung der entsprechenden Meldung an den Rentenversicherungsträger. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2004).

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Cottbus eine Auskunft der BG vom 17. November 2004, Gewerbemeldeauskünfte der Stadt C vom 03. Dezember 2004, einen Auszug aus dem Handelregister des Amtsgerichts C – HRB –, den Gesellschaftsvertrag über die Gründung der J & R vom 07. Februar 2002 sowie den Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 14. Februar 2002 beigezogen; auf diese Unterlagen wird Bezug genommen. Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. April 2005 stellte die B G zwischenzeitlich u. a. fest, dass ab 01. Januar 2002 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers bei der J & R bestanden habe.

Mit Urteil vom 27. September 2006 hat das SG die auf Gewährung von Alg ab 28. Juni 2003 gerichtete Klage abgewiesen und dabei gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zur Begründung im Wesentlichen auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Bei seiner Beweiswürdigung sei das Gericht im Übrigen davon ausgegangen, dass die im Widerspruchsverfahren abgegebenen Erklärungen des Klägers unglaubhaft seien.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Das SG habe nicht berücksichtigt, dass seine versicherungspflichtige Beschäftigung bereits ab 01. Januar 2002 durch die korrigierte Arbeitsbescheinigung und die korrigierte Anmeldung zur Krankenkasse belegt sei. Der Bescheid der Krankenkasse über das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht ab 01. Januar 2002 sei für das Gericht nicht bindend.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 27. September 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 08. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 28. Juni 2003 Arbeitslosengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Leistungsakten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Alg für die Zeit ab 28. Juni 2003. Für die Zeit vom 28. Juni 2003 bis zum 11. August 2003 gilt dies schon deshalb, weil der Kläger in dieser Zeit – unstreitig – Krankengeld bezogen hatte; der Bezug von Krankengeld führt zum Ruhen eines etwaigen Alg-Anspruches (vgl. § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III). Auch für die Zeit ab 12. August 2003 steht dem Kläger jedoch kein Alg-Anspruch zu.

Nach § 117 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden und vorliegend noch anwendbaren Fassung haben Anspruch auf Alg Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt bzw. der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr. 1 SGB III in der Fassung des 1. SGB III–Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 – BGBl. I S. 2970). Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung beträgt die Rahmenfrist drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg; durch Zeiten einer mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden selbständigen Tätigkeit wird die Rahmenfrist auf längstens fünf Jahre erweitert (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung). In der sich danach längstens ergebenden Rahmenfrist vom 27. Juni 2003 bis zum 28. Juni 1998 stand der Kläger nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis von mindestens 12 Monaten.

Als Versicherungspflichtverhältnisse kommen insoweit lediglich die Tätigkeit als Geschäftsführer vom 01. Februar 2000 bis zum 09. Oktober 2001, die von dem Kläger behauptete Beschäftigung vom 01. Januar 2001 bis zum 10. Februar 2001 und der sich anschließende Bezug von Kranken- bzw. Übergangsgeld in Betracht. Als Gesellschafter–Geschäftsführer der R G kann der Kläger in der Zeit vom 01. Februar 2000 bis zum 09. Oktober 2001 schon deshalb nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden haben, weil er alleiniger Gesellschafter dieser G war und es daher schon aus diesem Grunde an der für das Beschäftigungsverhältnis typischen Abhängigkeit von der Gesellschaft fehlte (vgl. BSG, Urteil vom 09. Februar 1995 – 7 RAr 76/94 – veröffentlicht in juris – m. w. N.).

Der Bezug von Krankengeld bzw. Übergangsgeld in der Zeit vom 11. Februar 2002 bis 11. August 2003 ist als Tatbestand eines Versicherungspflichtverhältnisses ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger unmittelbar vor Beginn der Leistung nicht versicherungspflichtig war und auch keine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB III bezogen hatte (vgl. § 26 Abs. 2 Nr. 1 SGB III). Der Bezug von Sozialhilfe nach Maßgabe des BSHG vom 01. November 2001 bis zum 28. Februar 2002 stellt bereits keine Leistung nach dem SGB III dar und kann einer derartigen Leistung auch nicht gleichgestellt werden. Der Krankengeldbezug ab 11. Februar 2002 schloss auch nicht unmittelbar an eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers an. Dieser war insbesondere nicht – wie er im Widerspruchs- und Klageverfahren vorgetragen hat – in der Zeit vom 01. Januar 2002 bis zum 10. Februar 2002 bereits bei der J & R gegen Arbeitsentgelt beschäftigt (vgl. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III). Der Kläger selbst hatte zunächst eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei der J & R erst ab 11. Februar 2002 behauptet und dies auch im Widerspruchsverfahren mit Schreiben vom 05. Mai 2004 nochmals bekräftigt. Belegt hatte er diese Angaben durch eine Arbeitsbescheinigung der J & R und entsprechende Anmeldungen zur Sozialversicherung. Dass eine frühere Arbeitsaufnahme bei der J & R ohnehin gar nicht hätte möglich sein können, erhellt im Übrigen daraus, dass der Gründungsvertrag für die J & R erst am 07. Februar 2002 geschlossen wurde und auch der schriftliche Arbeitsvertrag vom 11. Februar 2002 erst einen Dienstantritt mit Wirkung von diesem Tag an vorsah. Im Übrigen war und ist das Vorbringen des Klägers zu seinen angeblichen Beschäftigungen vom 01. Januar 2002 bis zum 10. Februar 2002 höchst widersprüchlich und letztlich unglaubhaft. So gab er im Widerspruchsverfahren an, vom 01. Januar 2002 bis zum 10. Februar 2002 im Rahmen eines Projekts "Arbeit statt Sozialhilfe" bei der – seinerzeit noch gar nicht existenten – J & R beschäftigt gewesen zu sein. Dies hat das Sozialamt C als seinerzeit zuständiger Leistungsträger auf Nachfrage der Beklagten jedoch nicht bestätigen können. Es sind nicht ansatzweise Anhaltspunkte dafür ersichtlich, weshalb das Vorbringen des Klägers bei der Stellung seines Alg-Antrages im Juni 2003 nicht zutreffend gewesen sein sollte. Vielmehr ist sein Vortrag im Widerspruchs- und Klageverfahren – nach Kenntnisnahme der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung des Krankengeldbezuges als Versicherungspflichtzeit - als zweckgerichtet anzusehen. Insbesondere hat der Kläger nicht plausibel darlegen können, weshalb es zu den Korrekturen der Arbeitsbescheinigung und der Anmeldung zur Krankenkasse, die im August 2003 (!) erfolgten, erst zu einem derart späten Zeitpunkt kam, zumal auch die B G zwischenzeitlich das Nichtbestehen von Versicherungspflicht ab 01. Januar 2002 bestandskräftig festgestellt hatte. Es sind unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers keine Gesichtspunkte dafür ersichtlich, weshalb dieser während des laufenden Bezugs von Sozialhilfe für eine seinerzeit noch gar nicht – auch nicht als Vor-GmbH – existente Arbeitgeberin eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ausgeübt haben sollte. Dabei war auch zu berücksichtigen, dass die von dem Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegte Bescheinigung über den Bezug von Krankengeld bereits ab 01. Januar 2002 offensichtlich nach ihrer Erstellung manipuliert worden ist, und zwar nicht von der zuständigen Krankenkasse. Denn diese hat auf Nachfrage der Beklagten im September 2003 eine Bescheinigung übersandt, die den – tatsächlichen – Krankengeldbezug erst ab 11. Februar 2002 ausweist. In der manipulierten Bescheinigung vom 20. August 2003 wurde das Datum des Bezugsbeginns von Krankengeld offensichtlich mit Tipp-Ex geweißt und mit dem Datum "01.01." überschrieben. Bei einer Würdigung des Gesamtergebnisses der Verfahrens vermag sich der Senat nicht des Eindrucks zu erwehren, dass der Kläger im Widerspruchs- und Klageverfahren sein Vorbringen "angepasst" und mit entsprechend geänderten Dokumenten untermauert hat, die auf eine Erfüllung der nunmehr bekannten Anspruchsvoraussetzungen abzielen.

Weitere Versicherungspflichtverhältnisse in der maßgebenden Rahmenfrist von längstens fünf Jahren vom 27. Juni 2003 bis zum 28. Juni 1998 sind nicht ersichtlich und auch von dem Kläger nicht vorgetragen worden.

Der Kläger hat auch keinen Restanspruch auf Alg aus seinem am 22. März 1997 erworbenen Anspruch auf Alg, weil nach Entstehung dieses Anspruches mehr als vier Jahre verstrichen sind (vgl. § 147 Abs. 2 SGB III).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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