L 19 B 100/07 AS NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 101 AS 8361/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 100/07 AS NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin geht zu Recht davon aus, dass sie das Urteil des Sozialgerichts nur mittels einer Nichtzulassungsbeschwerde anfechten kann. Sie ist durch dieses Urteil in Höhe von 30,00 EUR beschwert, denn das Sozialgericht hat auf die Klage den Bescheid vom 1. Februar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21. August 2006, der eine teilweise Aufhebung und Erstattung des dem Kläger im Juli 2005 gewährten Arbeitslosengeldes II wegen einer während dessen ihm zugeflossenen Mietnebenkostenrückzahlung in Höhe von 43,39 EUR zum Regelungsgegenstand hat, abgeändert und den Erstattungsbetrag auf 13,39 EUR – wegen Abzugs einer so genannten Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR – vermindert. Wegen des damit 500,00 EUR nicht übersteigenden Beschwerdegegenstandes bedarf die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – der – hier nicht erfolgten – Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts. Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann gemäß § 145 Abs. 1 SGG mit der Beschwerde angefochten werden. Über sie entscheidet das Landessozialgericht durch Beschluss, dem im Falle der Ablehnung der Beschwerde eine kurze Begründung beigefügt werden soll (§ 145 Abs. 4 SGG).

Die Beschwerde hat keinen Erfolg, weil keiner der in § 144 Abs. 2 SGG genannten Zulassungsgründe vorliegt. Da ein Verfahrensmangel nicht gerügt wurde und auch nicht vorgetragen ist, dass die Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG vorliegen, kommt nur eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache als Zulassungsgrund in Betracht. Nur dieser wird ersichtlich geltend gemacht.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art aufwirft, die bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist. Eine grundsätzliche Bedeutung liegt vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Rechtsprechung und Fortentwicklung des Rechts berührt ist und zu erwarten ist, dass die Entscheidung dazu führen kann, die Rechtseinheitlichkeit in ihrem Bestand zu erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Meyer-Ladewig, SGG 8. Auflage, § 160 Rdnr. 6 a).

Es ist bereits zweifelhaft, ob eine Berufungszulassung im Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung geboten ist. Die Auffassung der Beschwerdeführerin und damit die streitige Rechtsfrage, die Gutschrift aus der Betriebskostenabrechnung stelle weder Einkommen noch Vermögen dar und sei in voller Höhe zu berücksichtigen, wird – nach der alten Rechtslage – nicht von der Rechtsprechung geteilt. Soweit ersichtlich haben die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit einheitlich den Zufluss von Betriebskostenguthaben vor Änderung der Rechtslage mit Wirkung vom 1. August 2006 als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – angesehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg L 25 B 483/06 AS ER und L 5 B 949/06 AS ER sowie Beschluss des erkennenden Senats L 19 B 303/06 AS ER). Aus dem soeben benannten Beschluss des 5. Senats ist zudem ersichtlich, dass das dort beteiligte JobCenter Berlin Tempelhof-Schöneberg das Einkommen aus Betriebskostenguthaben vor Anrechnung um eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR vermindert hatte. Dass es sich dabei nicht um eine – ggf. unrichtige – Einzelmeinung einer Arbeitsgemeinschaft nach dem SGB II handelte, wird durch die Gesetzesbegründung zur Anfügung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II bestätigt. In der Drucksache 16/1696 des Deutschen Bundestages, Seite 26 zu Nr. 6 Buchstabe a, heißt es: "Betriebskostenrückzahlungen werden derzeit von den Trägern der Grundsicherung als Einkommen im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt. Diese Einkommensanrechnung führt oft zu nicht sachgerechten Ergebnissen: Zum einen müssen – wie bei jeder Einkommensart – ein Pauschbetrag für zweckmäßige Versicherungen sowie ggf. die Kosten für eine Kfz-Haftpflichtversicherung von der Rückzahlung abgesetzt werden." Auch nach den Erkenntnissen des Gesetzgebers sind damit die benannten Träger, zu denen auch die Beschwerdeführerin zählt, so verfahren, wie es der hier angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts entspricht. Unabhängig davon ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen jedenfalls, dass zu der hier streitigen Rechtsfrage bereits eine einheitliche Rechtssprechung bestehen dürfte.

Entscheidend dafür, dass die Beschwerde kein Erfolg haben konnte, ist aber die Tatsache, dass die Gesetzesfassung mit Wirkung vom 1. August 2006 – wie oben bereits dargelegt – grundlegend geändert worden ist. Nach dem zu diesem Zeitpunkt angefügten Satz 4 in § 22 Abs. 1 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstandenen Aufwendungen. Damit kann sich die von der Beschwerdeführerin geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung nur auf die Gesetzesfassung und Rechtslage bis 31. Juli 2006 beziehen. Nach der ständigen Rechtssprechung des Bundessozialgerichts kann aber eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift in aller Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage mehr aufwerfen, sofern nicht noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden sind und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (ständige Rechtssprechung des BSG seit dem Beschluss vom 28. November 1975, 12 B J 150/75). Im vorliegenden Verfahren ist zwar keine Rechtsvorschrift außer Kraft getreten, es liegt aber eine damit vergleichbare Situation vor, weil sich die Gesetzeslage durch eine Gesetzesergänzung grundlegend geändert hat.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass noch eine erhebliche Zahl von Fällen, auf die die frühere Rechtslage Anwendung findet, einer Entscheidung harrt. Die Beschwerdeführerin hat zwar geltend gemacht, sie habe noch offene Rechtsstreite vor dem Sozialgericht und auch offene Widerspruchsverfahren hinsichtlich der fraglichen Thematik. Sie hat es aber bereits unterlassen dazulegen, dass es sich in ihrem Zuständigkeitsbereich um eine erhebliche Zahl von Fällen handelt. Da – wie oben dargelegt – nach den mit dem Gesetzgeber übereinstimmenden Erkenntnissen des Senats andere Arbeitsgemeinschaften nach dem SGB II die frühere Rechtslage so wie hier vom Sozialgericht beurteilt gesehen haben, spricht nichts dafür, dass im gesamten Zuständigkeitsbereich des Gerichts noch eine erhebliche Anzahl von Fällen nach alter Rechtslage zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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