L 12 RJ 22/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 444/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RJ 22/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung knappschaftlicher Versicherungszeiten.

Der 1929 in der U geborene Kläger wurde 1943 als Volksdeutscher nach Deutschland verbracht. Im November 1945 wurde er in die UdSSR repatriiert und in eine Sondersiedlung in der Stadt A (Uralgebiet) eingewiesen, wo er bis zum 20. Januar 1956 wohnen musste. Nach seinem russischen Arbeitsbuch nahm er am 14. Februar 1946 eine Erwerbstätigkeit in einem T für die Gewinnung und Anreicherung von Asbest und für Erzeugnisse aus Asbest auf. In den Jahren von 1954 bis 1958 besuchte er eine Bergbaufachschule und wurde daraufhin als Mechaniker eingesetzt. In der Zeit vom 13. November 1961 bis 11. Juni 1962 war er in der Asbest-Aufbereitungsanlage Nr. 4 beschäftigt. Anschließend war er bis Juni 1964 in der Montageverwaltung des U tätig. Seit dieser Zeit arbeitete er nicht mehr in der Asbestindustrie, sondern war in anderen Wirtschaftsbereichen der damaligen UdSSR tätig, so in einer mechanischen Reparaturwerkstatt, der Baumwollreinigungsindustrie, dem Wasserbau, dem Eisenbahnbau und dem Industrie- und Zivilbau. Ab Juli 1989 (Vollendung des 60. Lebensjahres) bezog er von der russischen Sozialversicherung Altersrente. Am 2. Dezember 1993 kam er nach Deutschland, wo er als Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes anerkannt wurde.

Am 21. März 1994 beantragte der Kläger bei der Bundesknappschaft die Gewährung einer Altersrente. Zu seinen Beschäftigungszeiten gab er an, dass er vom 14. Februar 1946 bis 6. Februar 1952 für die Bohr- und Sprengverwaltung der Stadt A Löcher in Gestein zur Vorbereitung von Sprengungen gebohrt habe. Vom 7. Februar 1952 bis 28. August 1954 habe er dasselbe für die Bergwergsverwaltung O getan, die Nachfolgerin der Bohr- und Sprengverwaltung gewesen sei. Beide Betriebe hätten zum T S gehört. Vom 13. November 1961 bis 10. Juni 1962 habe er die Montage technischer Anlagen in einem Asbestaufbereitungsbetrieb geleitet, der ebenfalls zum T S gehört habe.

Die Bundesknappschaft gab das Verfahren im März 1995 an die Beklagte ab, da keine in der knappschaftlichen Rentenversicherung anrechenbaren Zeiten vorhanden seien. Nach dem Werksverzeichnis der Bundesknappschaft handele es sich bei S nicht um einen knappschaftlichen Betrieb. Durch Bescheid vom 19. März 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente für langjährig Versicherte ab dem 2. Dezember 1993 mit einem Zahlbetrag von 1.488,12 DM (Stand: Mai 1996). Der Kläger erhob Widerspruch, mit dem er unter anderem die Anerkennung der Zeit vom 14. Februar 1946 bis 28. August 1954 als knappschaftliche Versicherungszeit begehrte. Im Übrigen begehrte er die Aufhebung pauschaler Kürzungen für Fehlzeiten sowie die Einordnung in günstigere Leistungsgruppen und Wirtschaftsbereiche. Die Beklagte gab durch Rentenbescheid vom 11. September 1996 dem Widerspruch teilweise statt, ohne allerdings knappschaftliche Zeiten anzuerkennen. Der Kläger erneuerte seinen Widerspruch, insbesondere wegen der knappschaftlichen Zeiten. Im laufenden Widerspruchsverfahren stellte die Beklagte die Rente durch Bescheid vom 21. März 1997 nochmals neu fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1997). Bereits vor Erlass des Widerspruchsbescheides hatte der Kläger von der Beklagten noch die Anerkennung weiterer Versicherungszeiten, insbesondere von Ersatzzeiten, verlangt.

Gegen den Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 1997 erhob der Kläger am 30. Juni 1997 Klage vor dem Sozialgericht Berlin zum Az. S 27 RJ 915/97. Im laufenden Klageverfahren stellte die Beklagte die Rente wiederholt von Rentenbeginn an neu fest, nämlich durch Bescheide vom 22. September 1999, 29. März 2000 und 18. August 2000. Nach dem letzten Bescheid betrug der laufende Zahlbetrag 1.791,68 DM (Stand: Oktober 2000). Der Kläger nahm daraufhin die Klage zurück, obwohl keine Anerkennung knappschaftlicher Zeiten erfolgt war.

Am 26. Oktober 2000 beantragte der Kläger die Überprüfung der Rentenberechnung wegen der Nichtanerkennung knappschaftlicher Zeiten. Er habe nicht gewusst, dass die Klagerücknahme auch diese Frage, die er bei der Bundesknappschaft noch für anhängig hielt, erledigt habe. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 30. Oktober 2000 eine Änderung der Rentenbescheide ab. Der damalige Arbeitgeber des Klägers gehöre nicht zu den knappschaftlichen Betrieben. Auf den Widerspruch des Klägers befragte die Beklagte erneut die Bundesknappschaft, welche ausführte, dass der Kläger nicht in einem knappschaftlichen Betrieb der Industrie der Steine und Erden tätig gewesen sei. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 8. Februar 2001). In dem Beschäftigungsbetrieb des Klägers "S" sei Tagebau betrieben worden.

Mit der am 21. Februar 2001 eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Anerkennung knappschaftlicher Versicherungszeiten. Das Sozialgericht hat die (damalige) Bundesknappschaft zum Verfahren beigeladen (Beschluss vom 24. März 2001) und die Akten des Sozialgerichts Gießen aus dem Verfahren S 6 KN 20/75 beigezogen, in denen sich Ermittlungsergebnisse über eine Tätigkeit des dortigen Klägers in den Aufbereitungsfabriken Nr. 1 und 5 des T S befinden (Auskunft des H-Institut für Wirtschaftsforschung H vom 14. Juli 1976, des Hessischen Oberbergamtes vom 26. November 1976, des Instituts für O M e.V. vom 4. Januar 1977, Stellungnahme eines Dr. S vom Bergbauamt in W vom 25. April 1978). Es hat weiter eine Auskunft beim Bundesverband Baustoffe Steine und Erden e.V. eingeholt, in der die Knappschaftlichkeit des Beschäftigungsbetriebes (T) verneint worden ist (Schreiben vom 13. November 2003). Die Beklagte hat die Rente des Klägers durch Bescheid vom 14. März 2003 mit einem Zahlbetrag von 1.026,91 Euro (Stand: Mai 2003) neu festgestellt.

Anschließend hat das Sozialgericht die Klage durch Urteil vom 18. Juni 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage zulässig, aber unbegründet sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 19. März 1996. Denn in diesem Bescheid sei weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden. Eine Zuordnung von Fremdrentenzeiten zur knappschaftlichen Versicherung setze voraus, dass die Beschäftigung in einem knappschaftlichen Betrieb erfolgt sei und sie - wäre sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet verrichtet worden - der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung unterlegen hätte. Bei verbleibenden Zweifeln sei eine Zuordnung zur Arbeiterrentenversicherung vorzunehmen. Knappschaftliche Betriebe seien solche, in denen Mineralien und ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen würden, Betriebe der Industrie der Steine und Erden jedoch nur dann, wenn sie überwiegend unterirdisch betrieben würden. Für den Beschäftigungsbetrieb des Klägers aus den Jahren von 1946 bis 1954 und von 1961 bis 1962 sei nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass es sich um einen knappschaftlichen Betrieb gehandelt habe. Zwar sei davon auszugehen, dass in dem Beschäftigungsbetrieb das Mineral Asbest bergmännisch gewonnen worden sei. Da es sich überwiegend um Tagebau gehandelt habe, komme es indessen darauf an, dass der Betrieb nicht der Industrie der Steine und Erden zuzuordnen wäre. Dieser Begriff bestimme sich nach seiner Verwendung durch den Gesetzgeber des Reichsknappschaftsgesetzes, der auf die verbandspolitische Abgrenzung der Wirtschaftsbereiche der Industrie der Steine und Erden vom Bergbau abgestellt habe. An die Verbandszugehörigkeit eines entsprechenden Betriebes im Inland könne aber nicht angeknüpft werden, weil es in Deutschland mangels Vorkommens niemals Asbestabbau gegeben habe. Deswegen müsse eine Abgrenzung anhand warenstatistischer und wissenschaftlich-technologischer Gesichtspunkte erfolgen. Asbest werde sowohl in dem Warenverzeichnis für die Industriestatistik als auch in dem für die Außenhandelsstatistik zusammen mit Steinen und Erden (und weiteren Mineralien wie Glimmer, Speckstein, Feldspat, Schwefelkies, Quarz, Kaolin) einer Warengruppe zugeordnet, während die Erze und mineralischen Brennstoffe jeweils eigene Warengruppen bilden würden. Für die Einordnung in die Industrie der Steine und Erden spreche auch, dass diese sich im Wesentlichen mit Baurohstoffen befassen würde. Zudem handele es sich bei Steinen und Erden um Silikate, zu denen auch Asbest gehöre. Der Kläger könne auch nichts daraus herleiten, dass Asbest ein gefährlicher Stoff sei. Die Privilegierung knappschaftlicher Versicherungszeiten beruhe auf der besonderen bergbautypischen Gefahr, die mit dem Untertagebau verbunden sei, und nicht auf der Gefährlichkeit der abgebauten Stoffe. Danach habe sich die Kammer nicht die Überzeugung bilden können, dass die Beschäftigung des Klägers in einem knappschaftlichen Betrieb erfolgte.

Gegen das ihm am 30. Juni 2004 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Klägers vom 29. Juli 2004. Er hält seinen Beschäftigungsbetrieb für einen knappschaftlichen Betrieb. Soweit das H-Institut für Wirtschaftsforschung H in seiner Auskunft vom 14. Juli 1976 die asbestproduzierenden Betriebe der Sowjetunion zu der Industrie der Steine und Erden gezählt habe, fehle es dafür an nachvollziehbaren Gründen. Auch seien die eingeholten Auskünfte verschiedener Behörden widersprüchlich. Die Angaben der Beigeladenen über seinen Beschäftigungsbetrieb seien falsch. Ebenso fehlerhaft sei die Einordnung des Betriebs "S " als Transportbetrieb in dem von der Beigeladenen geführten Werksverzeichnis. Zu Unrecht beziehe sich das Sozialgericht auch auf die Stellungnahme des Instituts für O M vom 4. Januar 1977, weil diese sich nur mit Strafgefangenen in der Sowjetunion beschäftige. Asbest sei ein Mineral und werde bergmännisch gewonnen, was die Einordnung als knappschaftlichen Betrieb rechtfertige. Das Erfordernis eines unterirdischen Abbaus betreffe nur die Gewinnung von Steinen und Erden. Besonderes Gewicht sei auf die Auskunft des hessischen Oberbergamts vom 26. November 1976 zu legen, das ausgeführt habe, dass die Gewinner bzw. Verarbeiter von Asbest in Deutschland niemals der Verbandsorganisation der Steine und Erden - Industrie angehört hätten. Asbest gehöre nicht mit Steinen zusammen, weil sich die beiden Waren durch ihre Eigenschaften, Verwendungszwecke und Preise deutlich voneinander unterscheiden würden. Fehlerhaft sei die vom Sozialgericht eingeholte Auskunft des Bundesverbandes Baustoffe, Steine und Erden vom 13. November 2003. Dort sei unzutreffend von einem Asbest-Steinbruch die Rede und werde auf das inhaltlich falsche Werksverzeichnis der Bundesknappschaft verwiesen. Asbest gehöre auch nicht deswegen zu den Steinen und Erden, weil es mit diesen in dem Warenverzeichnis des Statistischen Bundesamtes in einem Kapitel aufgeführt werde. Keine Ware des betreffenden Kapitels habe eine "leitende Stellung ". Der Landesverband Nordostdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften habe ihm – dem Kläger – am 20. September 2004 schriftlich bestätigt, dass ein Betrieb, der sich mit der Gewinnung von Asbest im Tagebau beschäftige, bei der Bergbau-Berufsgenossenschaft zu versichern wäre. Aus der Anordnung Nr. 1 über den Katalog der bergmännischen Tätigkeiten vom 29. Mai 1972 (GBl. DDR Sonderdruck Nr. 739) und der 1. Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung vom 23. November 1979 (GBl. DDR I S. 413ff) ergebe sich, dass entgegen dem Sozialgericht - die Gesundheitsschädlichkeit geeignet sei, eine bergmännische Tätigkeit zu begründen. Im T seien einundzwanzig und seit dem Jahre 1953 zweiunddreißig selbstständige Betriebe zusammengeschlossen gewesen, darunter fünf Bergbaubetriebe und vier Asbestaufbereitungswerke. Obwohl sein Beschäftigungsbetrieb dem Leiter und Chefingenieur des T unterstanden habe, sei er ein selbstständiger Betrieb mit eigener Leitung gewesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Juni 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2001 aufzuheben, die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 18. August 2000 in der Fassung des Bescheides vom 14. März 2003 zurückzunehmen und die Beigeladene zu verurteilen, ihm unter Anerkennung der Zeiträume vom 14. Februar 1946 bis 28. August 1954, vom 13. November 1961 bis 11. Juni 1962, vom 1. Januar 1945 bis 13. Februar 1946 und vom 1. September 1954 bis 31. Dezember 1956 als Zeiten der knappschaftlichen Versicherung Rente zu gewähren.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Entscheidung des Sozialgerichts sei nicht zu beanstanden, da sie sich innerhalb der Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung bewege. Entscheidungserheblich sei, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers im Bundesgebiet als Betrieb der Industrie der Steine und Erden einzuordnen gewesen wäre. Die in der Mitteilung des Landesverbandes Nordostdeutschland der gewerblichen Berufsgenossenschaften deutlich werdende Auffassung sei nicht maßgebend, da es nicht auf berufsgenossenschaftliche Zuständigkeiten ankomme. Auch auf das Recht der ehemaligen DDR könne nicht abgestellt werden, weil es für die Gleichstellung auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet ankomme. Fraglich sei auch, ob der Beschäftigungsbetrieb des Klägers überhaupt ein eigenständig wirtschaftender und handelnder Betrieb gewesen sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte aus dem Verfahren S 27 RJ 915/97 und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten (3 Bände) verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.

Der Bescheid vom 30. Oktober 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Februar 2001 ist nicht rechtswidrig. Die Beklagte war nicht verpflichtet, den Rentenbescheid vom 18. August 2000 (in der Fassung des Bescheides vom 14. März 2003) zurückzunehmen. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Zeiträume vom 14. Februar 1946 bis 28. August 1954 und vom 13. November 1961 bis 11. Juni 1962 als knappschaftliche Beitragszeiten und die Zeiträume vom 1. Januar 1945 bis 13. Februar 1946 und vom 1. September 1954 bis 31. Dezember 1956 als knappschaftliche Ersatzzeiten anerkannt werden. Deswegen hat der Kläger auch keinen Anspruch entsprechend § 140 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch (SGB VI) alter Fassung (bzw. der §§ 136; 273 Abs. 3 SGB VI neuer Fassung) gegen die Beigeladene, dass diese ihm anstelle der Beklagten Rentenleistungen gewährt.

Nach § 44 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs, Zehntes Buch (SGB X) ist ein Verwaltungsakt zurückzunehmen, wenn bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, soweit deshalb Sozialeistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Die vom Kläger beanstandete Nichtberücksichtigung knappschaftlicher Zeiten bei der Rentenberechnung entspricht indessen dem geltenden Recht. Für den Kläger, der keine Beitragszeiten zur deutschen knappschaftlichen Rentenversicherung zurückgelegt und auch in der damaligen UdSSR keiner Sonderversicherung für Bergleute unterlegen hat, ist eine Anerkennung knappschaftlicher Beitragszeiten nur über § 20 Abs. 3 des Fremdrentengesetzes (FRG) iVm § 134 SGB VI möglich. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen, nämlich dass Beitrags- oder Beschäftigungszeiten in einem knappschaftlichen Betrieb im Sinne des § 134 SGB VI zurückgelegt worden sind und dass die Beschäftigung, wäre sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet zurückgelegt worden, nach den jeweils geltenden reichs- oder bundesrechtlichen Vorschriften der Versicherungspflicht in der knappschaftlichen Rentenversicherung unterlegen hätte, erfüllt der Kläger jedoch nicht.

Knappschaftliche Betriebe sind nach der gesetzlichen Definition in § 134 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Betriebe, in denen Mineralien oder ähnliche Stoffe bergmännisch gewonnen werden, Betriebe der Industrie der Steine und Erden jedoch nur dann, wenn sie überwiegend unterirdisch betrieben werden. Nach § 134 Abs. 3 SGB VI gelten als knappschaftliche Betriebe auch Betriebsanstalten oder Gewerbeanlagen, die als Nebenbetriebe eines knappschaftlichen Betriebs mit diesem räumlich und betrieblich zusammenhängen. Unter einem Betrieb ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urt. v. 22. Mai 1974 5 RKn 7/73 - = BSGE 37, 245) eine auf die Erreichung eines arbeitstechnischen Zweckes gerichtete selbständige Einheit zu verstehen, in der personelle, sachliche und andere Arbeitsmittel organisatorisch zusammengefasst sind. Der Kläger hat angegeben, während der von ihm geltend gemachten knappschaftlichen Beitragszeiten (14. Februar 1946 bis 28. August 1954 und 13. November 1961 bis 10. Juni 1962) in verschiedenen "Betrieben" gearbeitet zu haben, die sämtlich dem T "S" zugehörig gewesen seien. Der Senat kann offen lassen, was als Beschäftigungsbetrieb des Klägers anzusehen ist. Die Frage, inwieweit die Betriebe des T "S" als selbständige Einheiten mit eigenen arbeitstechnischen Zwecken angesehen werden können, ist nämlich nicht entscheidungserheblich. Wegen der nach dem Fremdrentenrecht vorzunehmenden Eingliederung in die Verhältnisse der (alten) Bundesrepublik Deutschland wäre ohnehin nicht auf die durch das sowjetische Wirtschaftsrecht geprägten Strukturen innerhalb des T abzustellen, sondern zu ermitteln, ob die Beschäftigung des Klägers bei gedanklicher Verlegung in die Bundesrepublik Deutschland der Art nach in einem knappschaftlichen Betrieb verrichtet worden wäre (BSG, Urt. v. 12. März 1986 – 5a RKn 9/85 -; Urt. v. 5. Juni 1986 – 5a RKn 13/85). Das muss hier indessen nicht erörtert werden, weil die Knappschaftlichkeit eines Beschäftigungsbetriebes nur aus dem Gegenstand seiner betrieblichen Tätigkeit herrühren kann. Innerhalb des T "S" (bzw. für die einzelnen dem Trust angehörenden "Betriebe") kommt insoweit als Gegenstand einer knappschaftlichen Tätigkeit allein die Gewinnung von Asbest in Betracht. Diese erweist sich indessen bereits dem Grunde nicht als knappschaftliche Tätigkeit, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger einem Betrieb zugeordnet werden kann, dessen Hauptzweck die Gewinnung von Asbest (und nicht die Verfolgung sonstiger arbeitstechnischer Zwecke) war.

Der Abbau von Asbest, so wie er im Rahmen des T"S" vorgenommen wurde, ist keine knappschaftliche Tätigkeit, obwohl er die in § 134 SGB VI normierte Grundvoraussetzung eines knappschaftlichen Betriebs, nämlich die bergmännische Gewinnung von Mineralien, erfüllt. Minerale sind definiert als feste natürlich vorkommende Stoffe mit einheitlicher chemischer Zusammensetzung (vgl, Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort: Minerale). Es unterliegt keinem Zweifel, dass Asbest ein Mineral ist. Bergmännische Gewinnung liegt vor, wenn Stoffe aus einer Fundstätte nach bergtechnischen Regeln abgebaut werden, also auf der Grundlage eines Betriebsplanes und mit Vorkehrungen zur Sicherung der Abbaustätte (Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht-Niesel, § 134 SGB VI Rdnr. 7/8, vgl. auch Miesbach-Busl, Reichsknappschaftsgesetz, Kommentar, Stand: 1990, § 2 Rdnr. 3). Eine bergmännische Gewinnung setzt nicht voraus, dass der Abbau untertage erfolgt. Auf der Grundlage der Schilderungen des Klägers ist nicht zu bezweifeln, dass Asbest in dem T "S" nach bergtechnischen Regeln und also bergmännisch gewonnen wurde. Schon der Umfang der Abbautätigkeiten lässt keinen anderen Schluss zu. Nach der Auskunft des H-Instituts für Wirtschaftsforschung vom 14. Juli 1976 wurden bei der Stadt A 90 Prozent des in der Sowjetunion insgesamt geförderten Asbests bergmännisch abgebaut.

Der Abbau des Minerals Asbest in bergmännischer Gewinnung begründet jedoch keine Zugehörigkeit zur Knappschaft, weil der Abbau in dem T "S" überirdisch erfolgte und diese Tätigkeit der Industrie der Steine und Erden zuzuordnen ist. Dass im Tt "S" die Gewinnung von Asbest im Tagebau betrieben wurde, ist schon vom Kläger so vorgetragen worden und ergibt sich auch aus der Auskunft des H-Instituts für Wirtschaftsforschung. Der Übertageabbau ist überdies für Asbestvorkommen typisch (Gwosdz/Lorenz, Bewertungskriterien für Industrieminerale, Steine und Erden, 2005, S. 135).

Der Abbau von Asbest ist – im Rahmen des § 20 Abs. 3 FRG iVm 134 SGB VI - der Industrie der Steine und Erden zuzuordnen. Der Begriff "Betrieb der Industrie der Steine und Erden" ist gesetzlich nicht näher definiert. Er ist von dem Gesetzgeber des SGB VI aus dem Reichsknappschaftsgesetz übernommen worden. Das Reichsknappschaftsgesetz (RKG) wollte mit dem Begriff der Industrie der Steine und Erden an vorgefundene Verbandszuständigkeiten anknüpfen (Reuß/Hense, RKG, Kommentar, 1923, § 2 Rdnr. 6; Miesbach-Busl, RKG, Kommentar, Stand: 1990, § 2 Rdnr. 4). Demnach sind als Betriebe der Industrie der Steine und Erden grundsätzlich alle diejenigen anzusehen, die einem entsprechenden Industrieverband angehören. In Deutschland gehören zu den Industrieverbänden der Steine und Erden zwar keine asbestabbauenden Betriebe. Dies wird durch die Auskunft des Hessischen Oberbergamtes vom 26. November 1976, auf die der Kläger sich bezieht, so bestätigt. Daraus kann aber nichts für die Einordnung der Tätigkeit des Klägers abgeleitet werden, weil es in Deutschland – mangels eines entsprechenden Rohstoffvorkommens – nie eine Asbestgewinnung von einiger wirtschaftlicher Bedeutung gegeben hat (vgl. Gäbert, Mitteldeutsche Bodenschätze [Archiv für Lagerstättenforschung Heft 50], 1931, S. 14 und nochmals die Auskunft des Hessischen Oberbergamtes vom 26. November 1976). Nach dem im Fremdrentenrecht geltenden Eingliederungsprinzip ist indessen darauf abzustellen, wie sich die Verhältnisse darstellen würden, wenn die tatsächlich im Ausland vorgenommene Tätigkeit gedanklich nach Deutschland verlegt wird. Die betrieblichen Rahmenbedingungen sind gedanklich anzupassen (BSG, Urt. v. 5. Juni 1986, 5a RKn 13/85). Würde es in Deutschland tatsächlich Asbestabbau geben, stellte sich die Frage nach der Verbandszugehörigkeit der Betriebe neu. Die Einordnung des Beschäftigungsbetriebs des Klägers hängt damit davon ab, ob asbestabbauende Betriebe auch dann nie den Verbänden der Industrie der Steine und Erden angehört hätten, wenn es sie in Deutschland geben würde. Für die Beantwortung dieser hypothetischen Frage geben tatsächliche Verbandszugehörigkeiten naturgemäß nichts her.

Maßgeblich für die hypothetische Zuordnung eines asbestabbauenden Betriebes ist, welchen Inhalt der Begriff der Steine und Erden im Wirtschaftsleben hat. Nach allgemeinem Sprachgebrauch kennzeichnet der Begriff Steine und Erden (mittlerweile) bestimmte Warengruppen, er ist eine "Sammelbezeichnung für natürlich vorkommende, technisch wichtige Minerale und Gesteine" (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort: Steine und Erden). Im engen Zusammenhang mit dem Begriff "Steine und Erden" werden Begriffe wie "Industriemineralien" oder "nichtmetallische Mineralrohstoffe" verwandt, unter die Asbest gehört (Gwosdz/Lorenz, Bewertungskriterien für Industrieminerale, Steine und Erden, 2005, S. 5; 123). Daraus erklärt sich die Gruppenbildung im Warenverzeichnis des Statistischen Bundesamtes, welche Salz, Schwefel, Steine und Erden, Gips, Kalk und Zement zur Gruppe 25 zusammenfasst, bei der unter den Warennummern 25241000 und 25249000 Asbeste aufgeführt sind. Auch im Rahmen seiner Verwendung in § 134 SGB VI umfasst der Begriff der Industrie der "Steine und Erden" nicht nur ganz eng die Gewinnung von Natursteinen (und –erden), die ohne weitere Verarbeitung insbesondere zu Bauzwecken verwendet werden können, sondern bezieht die Industriemineralien mit ein. Denn von jeher werden zu der Industrie der Steine und Erden Betriebe gezählt wie Ton- und Graphitgruben sowie Betriebe "auf Schwerspat, Speckstein, Flussspat und Feldspat" oder der Kalk-, Gips- und Kreideindustrie (Reuß/Hense, RKG, Kommentar, 1923, § 2 Rdnr. 6; Kasseler Kommentar zum Sozialgesetzbuch-Niesel, § 134 Rdnr. 9). Diese Rohstoffe gehören in die Gruppe der Industriemineralien (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., Stichwort: Industrieminerale). Das rechtfertigt die fiktive Einbeziehung von Betrieben, die sonstige, in Deutschland nicht vorkommende Industriemineralien abbauen, in die Industrie der Steine und Erden.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Zuordnung seines Beschäftigungsbetriebs zur Industrie der Steine und Erden nicht bereits ausgeschlossen, weil mit Asbest ein Mineral abgebaut wurde. Die Einordnung als Mineral schließt nicht aus, einen Stoff auch zu den Steinen und Erden gehörig zu zählen. Die Geowissenschaften verstehen unter einem Stein einen festen Körper, der aus einem Mineral oder einem Mineralgemenge besteht (vgl. Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. Stichwort: Stein). Erden hingegen ist eine alte Bezeichung der Chemie für Oxide (Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl. Stichwort: Erden), zu denen als magnesiumoxidreicher Stoff (Gwosdz/Lorenz, Bewertungskriterien für Industrieminerale, Steine und Erden, 2005, S. 91, 123) auch Asbest gehört, das von daher begrifflich den Erden zugeordnet werden kann (vgl. Gäbert, Mitteldeutsche Bodenschätze [Archiv für Lagerstättenforschung Heft 50], 1931, S. 7, 14). Steine und Erden ist danach weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch im Rahmen seiner Bedeutung in § 134 SGB VI ein Gegenbegriff zu dem Begriff des Minerals, sondern kennzeichnet eine besondere Gruppe von Mineralien bzw. Verbindungen von Mineralien (und ähnlichen Stoffen). Die Abgrenzung kann dabei nicht nach technisch-wissenschaftlichen Kriterien der Mineralogie, der Petrographie oder der Chemie erfolgen. Denn der Gesetzgeber hat nicht an solche Kriterien angeknüpft.

Aus dem Gesetzgebungsverfahren des Reichsknappschaftsgesetzes ergibt sich, dass eine Sonderregelung für die Betriebe der Industrie der Steine und Erden eingeführt worden ist, weil es dem Begriff des Bergbaubetriebs an Eindeutigkeit mangelte (Reuß/Hense, RKG, Kommentar, 1923, § 2 Rdnr. 2 und 3). Bei der Einführung einer knappschaftlichen Rentenversicherung für das gesamte Reichsgebiet musste über die bisherigen regionalen Unterschiede hinweg ein einheitlicher Begriff des knappschaftlichen Betriebs gefunden werden. § 2 RKG hat diese Aufgabe gelöst, indem alle Abbaubetriebe unter Tage und Abbaubetriebe über Tage dann der Knappschaft zugeordnet wurden, wenn sie nicht der Industrie der Steine und Erden angehörten. Der Begriff der Industrie der Steine und Erden dient danach der Abgrenzung von den Betrieben, die schon nach ihrem Gegenstand traditionell und allgemein dem Bergbau zuzuordnen waren, was bei dem Abbau von Metallerzen, Steinsalz und fossilen Brennstoffen der Fall ist. Die knappschaftliche Rentenversicherung erfasste so ohne Rücksicht auf Tage- oder Untertagebau die Betriebe, die durch die Art ihrer Tätigkeit traditionell (und entsprechend eindeutig) dem Bergbau (mit seinen besonderen Versicherungssystemen) angehörten, und darüber hinaus auch Abbaubetriebe ohne gewachsene eindeutige und allgemeine Zugehörigkeit, bei denen aber wegen der vom Untertagebau ausgehenden besonderen Gefahren die knappschaftlichen Besonderheiten der Versicherung sachlich gerechtfertigt waren. Auch das bestätigt die (fiktive) Zuordnung des Beschäftigungsbetriebs des Klägers zur Industrie der Steine und Erden. Da Asbestabbau in Deutschland keine traditionelle bergmännische Tätigkeit darstellt, ist der im T "S" vorgenommene Abbau im Übertagebetrieb anspruchsschädlich. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, dass sich in Deutschland mangels geeigneter Vorkommen kein Asbestabbau entwickeln konnte. Der Kläger muss sich an den Verhältnissen festhalten lassen, in die er eingegliedert werden soll.

Die von der Beklagten zuletzt mit Bescheiden vom 18. August 2000 und 14. März 2003 vorgenommene Rentenfeststellung ist auch nicht deswegen rechtswidrig, weil die von dem Kläger für die Zeiten vom 1. Januar 1945 bis 13. Februar 1946 und vom 1. September 1954 bis 31. Dezember 1956 geltend gemachten knappschaftlichen Ersatzzeiten nicht berücksichtigt worden sind. Nach § 254 SGB VI werden Ersatzzeiten dann der knappschaftlichen Rentenversicherung zugeordnet, wenn der letzte Beitrag vor diesen Zeiten oder der erste nach ihnen der knappschaftlichen Rentenversicherung zuzuordnen ist. Der Kläger erfüllt diese Voraussetzungen nicht, weil für ihn keine knappschaftlichen Beitragszeiten zu berücksichtigen sind.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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