Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 5855/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 86/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit vorzumerken und der Klägerin eine Altersrente zu gewähren hat.
Die 1921 geborene Klägerin erlitt als Angehörige des jüdischen Glaubens Verfolgung durch den Nationalsozialismus; sie erhielt Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Nach Beendigung des Krieges kam sie in das heutige Bundesgebiet und lebte überwiegend in Lagern für Displaced Persons (im Folgenden: DP), so von 1946 bis 1948 in S. Anfang 1949 wanderte die Klägerin nach Israel aus und nahm die israelische Staatsangehörigkeit an.
Im Februar 1994 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente und gab dabei an, von Oktober 1946 bis Dezember 1948 im DP-Lager S an der "B-B-School" als Lehrerin gearbeitet und dafür ein Gehalt erhalten zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte sie insbesondere einen Mitgliedsausweis der "Jewish Teachers Union in Germany" vor, wonach sie der Vereinigung ab dem 3. Oktober 1946 angehört habe. Nachdem die von der Beklagten angestellten Ermittlungen erfolglos geblieben waren (Recherche im eigenen Kontenarchiv sowie Anfragen bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg und der Allgemeinen Ortskrankenkasse S), lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 1994 ab, weil die behauptete Beitragszeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch betonte die Klägerin, in dem angegeben Zeitraum als Lehrerin tätig gewesen zu sein. Die Beklagte trat zunächst in weitere Ermittlungen ein – Beiziehung der Entschädigungsakten der Klägerin sowie ihres Ehemannes vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg, Anfragen bei der AOK S und beim Amt für Verteidigungslasten Rheinland-Pfalz – und wies den Widerspruch sodann mit Bescheid vom 28. November 1994 zurück. Für die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 sei eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung liege vor, wenn die rechtserheblichen Tatsachen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich seien. Im Falle der Klägerin sei schon die Dauer des behaupteten Beschäftigungsverhältnisses nicht belegt worden. Zudem lägen keine ausreichenden Merkmale für die begründete Annahme einer erfolgten Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung vor. Obwohl grundsätzlich von der Beitragstreue der Besatzungskostenämter, die die Beitragsabführung für die in den DP-Lagern beschäftigten Personen durchgeführt haben, auszugehen sei, bewirke selbst die immer wieder behauptete pauschale Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Lohnsummen für den Einzelfall keine Beitragsentrichtung. Es müsse daher für jeden Einzelfall zur Anerkennung von Beitragszeiten das Beschäftigungsverhältnis und die Beitragsentrichtung nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht sein. Sämtliche Ermittlungen seien im Sande verlaufen. In der am 29. November 1946 in S ausgestellten "Deutschen Kennkarte" sei als Beruf der Klägerin "Hausfrau" angegeben gewesen. Ihr verstorbener Ehemann habe in seinem Entschädigungsverfahren am 2. November 1948 angegeben, dass die Klägerin im Haushalt arbeite und über kein eigenes Einkommen verfüge. In ihrem eigenen Entschädigungsverfahren habe die Klägerin ausgeführt, sich bereits Anfang 1948 nach München begeben zu haben, wo sie sich in ärztlicher Behandlung befunden habe. Die mit einem Ausweis belegte Mitgliedschaft in einer Lehrerorganisation sei kein Nachweis über die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder gar eine Beitragsentrichtung.
Die hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage (S 16 An 7238/94) hat die Klägerin am 27. Oktober 1997 zurückgenommen. Die dort vom Sozialgericht vorgenommenen Ermittlungsbemühungen – Anfragen bei der AOK S, beim Amt für Verteidigungslasten Rheinland-Pfalz, bei der LVA Württemberg und beim Versicherungsamt der Stadt S – hatten keinen Hinweis auf eine Beitragsentrichtung für das von der Klägerin behauptete Beschäftigungsverhältnis ergeben. Außerdem hatte das Sozialgericht Berlin den Zeugen P K, geboren im Jahre 1918, am 6. Juli 1997 in Israel vernehmen lassen; wegen des Ergebnisses dieser Vernehmung wird auf Blatt 210 bis 211 der Rentenakte Bezug genommen.
Am 11. November 1999 hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 6. Mai 1994 zu überprüfen. Sie trägt erneut vor, von September 1946 bis Dezember 1948 als Lehrerin in der B-B-Schule in S tätig gewesen zu sein. Diesen Umstand könne sie auch glaubhaft machen. Von einem Arbeitgeber müsse grundsätzlich angenommen werden, dass er sich gesetzestreu verhalte, also seinen Pflichten, zu denen auch die Entrichtung von Pflichtversicherungsbeiträgen gehöre, nachkomme. In ihrem Falle bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Beitragsabführung nicht nachgekommen sei. Aufgrund von Bestimmungen der US-Besatzungs- und Militärbehörden aus dem Jahre 1946 hätten auch ausländische Arbeitnehmer der Sozialversicherungspflicht unterlegen, ohne Rücksicht darauf, wo genau sie beschäftigt gewesen seien. Das Arbeitsministerium Württemberg-Baden habe am 25. März 1946 Durchführungsbestimmungen erlassen, wonach auf die deutschen und ausländischen Zivilarbeiter im Dienste der US-Besatzungs- und Militärbehörden die rentenrechtlichen Vorschriften anzuwenden gewesen seien. Dies habe auch für Ausländer gegolten, die – wie die Klägerin – zu Tätigkeiten in den Lagern der UNRRA herangezogen worden seien. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die DP`s – wie die Klägerin – den deutschen Sozialversicherungsregelungen unterlegen hätten. Aus Lohnlisten für die Lager L/L, U und Sch H ergebe sich, dass die Beschäftigten ein Entgelt in Höhe von rund 200 DM monatlich erhielten und dass davon Beiträge zur Sozialversicherung einbehalten worden seien.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2000 lehnte die Beklagte eine Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 1994 ab, weil dieser nicht zu beanstanden sei. Eine Anerkennung der behaupteten Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948 könne weiterhin nicht erfolgen, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht worden sei.
Auf den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch trat die Beklagte in weitere Ermittlungen zur Frage der Beitragsentrichtung ein. Anfragen bei der Jewish Agency for Israel in Frankfurt, beim Versicherungsamt der Stadt S, bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs und bei der AOK S sowie eine erneute Suchaktion in den eigenen Kontenbeständen blieben ohne Erfolg. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 7. Dezember 2000 zurück. Es sei nicht erkennbar, dass mit dem Bescheid vom 6. Mai 1994 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Auf die beantragte Rente bestehe kein Anspruch, weil die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt sei. Trotz umfangreicher Ermittlungen hätten Unterlagen, die eine Beitragsentrichtung während des strittigen Zeitraumes glaubhaft machten, nicht aufgefunden werden können.
Mit der am 14. Dezember 2000 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse man grundsätzlich davon ausgehen, dass sich ein Arbeitgeber gesetzestreu verhalte und seiner Pflicht zur Beitragsentrichtung nachkomme. Die Klägerin hat aus einem anderen Rechtsstreit eine Auskunft des Bayerischen Hauptstaatsarchivs an das Sozialgericht Berlin vom 30. April 2001 nebst Anlagen sowie Schreiben des Mitarbeiters der AOK M, P K, vom 7. November 2000 und vom 4. März 2002 zu den Akten gereicht. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 10 bis 61, 63, 64 und 68 bis 74 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, eine Beitragsentrichtung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im fraglichen Zeitraum September 1946 bis Dezember 1948 sei nach wie vor nicht glaubhaft gemacht. Im Lande Baden-Württemberg, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden sei, habe aufgrund von Erlassen des Arbeitsministers vom 25. Februar und 25. März 1946 die Versicherungspflicht gegolten. Dennoch könne selbst beim Nachweis eines Beschäftigungsverhältnisses nicht von einer Beitragstreue der entgeltzahlenden Stellen ausgegangen werden, weil die UNRRA sich immer wieder gegen den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen gewehrt habe. Einzelfallbezogene Unterlagen, die für eine Beitragsentrichtung sprächen, lägen nicht vor. Die Bekundungen des AOK-Mitarbeiters P K seien unerheblich, weil sie sich auf den Zuständigkeitsbereich der AOK M bezögen, während die Klägerin sich in S aufgehalten habe. Abgesehen davon lägen bisher keine Erkenntnisse vor, ob die B-B-School überhaupt von der UNRRA in S betrieben worden sei oder ob es sich – worauf die englische Bezeichnung für die Gewerkschaft "Jewish Teachers Union in Germany" schließen lasse – um eine übergeordnete Organisation aus dem Ausland gehandelt habe. Die Klägerin wäre für diesen Fall nicht Angestellte der UNRRA in Deutschland gewesen und damit dem Grunde nach auch nicht sozialversicherungspflichtig. Aus den eigenen Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren ergebe sich, dass sie häufig krank gewesen sei und sich 1948 für einen längeren Zeitraum in M zur Behandlung aufgehalten habe. Die genaueren Zeiträume des Beschäftigungsverhältnisses seien damit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Berufsangabe "Hausfrau" in der am 29. November 1946 ausgestellten Kennkarte spreche ebenfalls dagegen, seit September 1946 als Lehrerin tätig gewesen zu sein.
Mit Urteil vom 23. Juli 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Überprüfungsbescheid vom 31. Januar 2000 sei rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht habe die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 6. Mai 1994 nach § 44 Abs. 1 SGB X abgelehnt, denn dieser sei nicht rechtswidrig. Die Ablehnung einer Rentengewährung sei rechtmäßig, weil die Klägerin die Wartezeit nicht erfüllt habe, denn die einzig geltend gemachte Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948 sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Glaubhaft gemacht sei eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich sei. Zwar sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin eine Beschäftigung als Lehrerin gegen Entgelt ausgeübt habe, wobei Beginn und Ende jedoch offen blieben. Die Kammer beziehe sich dabei auf die Zeugenaussage des P K, gegen dessen Glaubwürdigkeit nichts spreche, sowie auf die Angaben in dem Ausweis der Jewish Teachers Union in Germany. Allerdings sei eine Beitragsabführung nicht glaubhaft gemacht. Keine der im Verfahren angeschriebenen Stellen habe eine Beitragsleistung bestätigen oder sonst Hinweise geben können, aus denen auf eine Beitragsabführung im konkreten Einzelfall geschlossen werden könne. Einen Grundsatz, dass von der Beitragstreue des Arbeitgebers auszugehen sei, gebe es nicht. Dies würde zu einer Umkehrung der Beweislast führen, die das Recht nicht vorsehe. Es sei allein Sache des Gesetzgebers, den normierten Beweismaßstab zu ändern. Auch in Fällen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem DP-Lager müssten deshalb im Einzelfall ausreichende Anhaltspunkte für eine Beitragsabführung bestehen (Bezugnahme auf LSG Berlin, Urteil vom 7. August 2003, L 8 RA 54/00). In den DP-Lagern in der amerikanischen und britischen Zone der späteren Bundesrepublik hätten Ende 1946 schätzungsweise 185.000 aus der Verfolgung durch den Nationalsozialismus befreite oder aufgrund von Kriegseinwirkungen aus ihren Heimatländern geflüchtete Menschen vornehmlich jüdischer Herkunft gelebt. Bis Ende 1952 seien schätzungsweise 650.000 Menschen über diese Lager ausgewandert. Sie hätten unter der Kontrolle der Militärbehörden gestanden. Die Lagerbewohner seien durch die UNRRA und ihre Nachfolgeorganisation, die IRO, betreut worden. Im Laufe der Zeit seien auch externe Wohlfahrtsorganisationen tätig geworden und hätten die Selbsthilfe der auf Auswanderung wartenden Flüchtlinge unterstützt. Daher seien bei der Tätigkeit eines Bewohners ganz unterschiedliche Ausgestaltungen möglich gewesen, sowohl im Hinblick auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch in Bezug auf eine Beitragsabführung. Auch wenn das glaubhaft gemachte Beschäftigungsverhältnis nach den zugrunde liegenden Regelungen eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung begründet habe, könnten Erkenntnisse aus anderen DP-Lagern über die Abführung von Beiträgen nicht auf das Lager S übertragen werden. Bei einer Vielzahl von bei der UNRRA Beschäftigten sei eine Beitragsabführung erfolgt. Jedoch könne nicht von einer einheitlichen Vorgehensweise der UNRRA ausgegangen werden. Hierfür fehlten jegliche Anhaltspunkte, zumal die Lager nicht einheitlich organisiert gewesen seien. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die UNRRA sich zum Teil vehement gegen eine Beitragspflicht gewährt habe, weil vorrangiges Ziel der in den Lagern untergebrachten Menschen nicht dauerhafter Aufenthalt oder Eingliederung in Deutschland, sondern die Auswanderung gewesen sei. Für die Betroffenen sei nicht ersichtlich gewesen, weshalb sie dann durch eine ihre Einkünfte schmälernde Beitragsleistung in Deutschland Rentenansprüche erwerben sollten, zumal die allgemeine Wartezeit damals noch 15 Jahre betragen habe und der Abschluss von Sozialversicherungsabkommen nicht abzusehen gewesen sei. Auch sei die im März 1946 angeordnete Sozialversicherungspflicht zunächst nicht vollständig akzeptiert worden. Noch im August 1948 sei eine Klarstellung z.B. des Oberversicherungsamtes M erforderlich gewesen, dass auch der Kreis der DP`s der Versicherungspflicht unterliege. Wenn aber die Beitragspflicht dem Arbeitgeber auch im Interesse des Beschäftigten höchst unerwünscht gewesen sei, könne nicht ohne weiteres von einer Beitragstreue ausgegangen werden. Im Ergebnis könne daher eine Beitragsabführung nur dann angenommen werden, wenn die Beschäftigung in einem Lager ausgeübt worden sei, von dem Erkenntnisse vorlägen, die auf eine Beitragsabführung hindeuten. Hinsichtlich des DP-Lagers S seien der Kammer keine diesbezüglichen Erkenntnisse bekannt. Weil die Klägerin zudem in einem württembergischen DP-Lager gelebt habe, habe die Stellungnahme des Mitarbeiters der AOK M, P K, nur sehr begrenzten Beweiswert. Ein Rückschluss aus in anderen Streitverfahren gewonnenen Erkenntnissen scheitere auch daran, dass im Falle der Klägerin nicht einmal feststehe, ob die UNRRA ihre Arbeitgeberin gewesen sei. Es komme auch in Betracht, dass eine externe Wohlfahrtsorganisation Trägerin der Schule und damit Arbeitgeberin gewesen sei. Es habe auch externe Wohlfahrtsorganisationen gegeben, die vorrangig die Selbsthilfe der auf Auswanderung wartenden Flüchtlinge unterstützt hätten. Wenn aber nicht einmal glaubhaft gemacht sei, dass die Klägerin gerade bei der UNRRA beschäftigt gewesen sei, verböten sich sämtliche Rückschlüsse aus Unterlagen, die allein die UNRRA als Arbeitgeberin betreffen.
Gegen das ihr am 6. August 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. August 2004 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie trägt ergänzend vor, dass die B-B-Schule eine Einrichtung unter Verwaltung der Stadtverwaltung S gewesen sei, die auch für die Zahlung der Gehälter und die Entrichtung von Beiträgen zuständig gewesen sei. In einer persönlichen Erklärung vom 23. August 2004 hat sie betont, es sei doch selbstverständlich, dass für sie als gesetzlich angestellte Lehrerin die Pflicht zur Beitragsentrichtung erfüllt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. Mai 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1994 zurückzunehmen, ihr eine Altersrente zu gewähren und dabei die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die mit der Berufung angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte S 16 An 7238/94 und der Rentenakten der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage in seiner mit der Berufung angegriffenen Entscheidung zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente unter Zugrundelegung einer Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführlichen, sorgfältigen und eine überzeugende Beweiswürdigung enthaltenden Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, mit denen das Sozialgericht der Klage vollständig gerecht wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen: Im Hinblick auf die Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses hat das Sozialgericht zutreffend betont, dass die Eckdaten eines solchen – Anfang und Ende – offen geblieben sind. Der Senat teilt auch die Annahme des Sozialgerichts, wonach eine Beschäftigung der Klägerin gegen Entgelt als Lehrerin an der "B-B-School" im DP-Lager S überwiegend wahrscheinlich sein mag. Offen geblieben ist in diesem Zusammenhang allerdings, wer der Arbeitgeber der Klägerin gewesen ist. Die Klägerin hat hier zwar vorgebracht, bei der Schule habe es sich um eine "rechtmäßige Einrichtung im Rahmen der Stadtverwaltung S" gehandelt, "welche auch für das Auszahlen der Gehälter und die Entrichtung von Beiträgen zuständig war". Der Senat hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Klägerin an einer Schule in "normaler" Trägerschaft der Stadt S beschäftigt war, denn unstreitig handelte es sich bei der Schule um eine Einrichtung des DP-Lagers. Der Eindruck der Klägerin, bei der Stadt S beschäftigt gewesen zu sein, mag daher rühren, dass die Gehälter der in den DP-Lagern beschäftigten Personen regelmäßig auf Veranlassung des UNRRA / IRO vom zuständigen Besatzungskostenamt beglichen wurden. Gleichzeitig ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin unmittelbar bei der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen angestellt war oder auch bei einer der externen Wohlfahrtsorganisationen, z.B. dem American Jewish Joint Distribution Committee oder der jüdischen Berufsausbildungsorganisation ORT (vgl. hierzu mit Nachweis zur geschichtswissenschaftlichen Literatur das Urteil des 8. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 7. August 2003, L 8 RA 54/00, zitiert nach juris). In die letztgenannte Richtung weist die Aussage des Zeugen P K im Verfahren S 16 An 7238/94, der bekundet hat, die Schule sei eine der Einrichtungen des Flüchtlingslagers gewesen; die an der Schule tätigen Lehrer seien von der Jewish Agency ausgewählt worden, die sich um das Schicksal der Flüchtlinge gekümmert habe.
Letztlich kann die Frage des Arbeitgebers und der genauen Natur des Beschäftigungsverhältnisses jedoch auf sich beruhen, denn das Sozialgericht hat zutreffend und überzeugend herausgearbeitet, dass jedenfalls eine Beitragsabführung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Eine Beitragsabführung ist genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich; die "Pattsituation" geht zu Lasten der Klägerin (vgl. zur Beweislage für DP-Lager im bayerischen Teil der amerikanischen Besatzungszone ausführlich die 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00, dokumentiert bei www.sozialgerichtsbarkeit.de).
In ständiger Rechtsprechung hat der Senat in geringfügig anderen (fremdrentenrechtlichen) Zusammenhängen den Standpunkt vertreten, dass eine "Beitragstreue" von Arbeitgebern nicht grundsätzlich unterstellt werden kann und die Anerkennung versicherungsrechtlich relevanter Zeiten auch davon abhängt, ob im Einzelfall konkrete Indizien vorliegen, aus denen sich eine Glaubhaftmachung gerade auch der Beitragsabführung ergibt (vgl. z.B. Urteil vom 14. Februar 2003, L 5 RA 2/00, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Hieran hält der Senat fest. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach eine nachgewiesene Beschäftigung gleichzeitig die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (ebenso: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 1986, 11a RA 59/85, SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2; Urteil vom 7. September 1989, 5 RJ 79/88, Reg.-Nr. 18952 (BSG-Intern); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2002, L 3 RJ 88/00; zitiert jeweils nach juris).
Dies gilt auch und gerade in Zusammenhang mit der Beschäftigung von so genannten DP´s in DP-Lagern unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (ebenso [mit einzelfallbezogener Betrachtung]: 8. Senat des Landessozialgerichts Berlin, Urteil vom 15. Mai 2003, L 8 RA 4/99 sowie 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00, veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat nimmt an, dass gerade in den ersten Nachkriegsjahren keine Gewähr für eine flächendeckende Abführung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung bestand, zumal in Zusammenhang mit der Beschäftigung von auf ihre Auswanderung wartenden Flüchtlingen in DP-Lagern, die unter internationaler Aufsicht standen. An der Beitragsabführung bestehen im Falle der Klägerin umso größere Zweifel, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie (nur) bei einer der oben genannten Wohltätigkeitsorganisationen beschäftigt war, über deren Beitragstreue keine Informationen vorliegen.
Weil die Klägerin ihre Berufung darüber hinaus nicht weiter begründet hat und weil die Darstellung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil vollständig ist, erübrigen sich weitere Ausführungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht klärungsbedürftig, ob vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses automatisch auf eine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu schließen ist. Diese Frage ist im Rahmen der hier allein in Betracht kommenden Glaubhaftmachung durch die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat sich anschließt, geklärt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens darüber, ob die Beklagte die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit vorzumerken und der Klägerin eine Altersrente zu gewähren hat.
Die 1921 geborene Klägerin erlitt als Angehörige des jüdischen Glaubens Verfolgung durch den Nationalsozialismus; sie erhielt Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Nach Beendigung des Krieges kam sie in das heutige Bundesgebiet und lebte überwiegend in Lagern für Displaced Persons (im Folgenden: DP), so von 1946 bis 1948 in S. Anfang 1949 wanderte die Klägerin nach Israel aus und nahm die israelische Staatsangehörigkeit an.
Im Februar 1994 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente und gab dabei an, von Oktober 1946 bis Dezember 1948 im DP-Lager S an der "B-B-School" als Lehrerin gearbeitet und dafür ein Gehalt erhalten zu haben. Zur Glaubhaftmachung legte sie insbesondere einen Mitgliedsausweis der "Jewish Teachers Union in Germany" vor, wonach sie der Vereinigung ab dem 3. Oktober 1946 angehört habe. Nachdem die von der Beklagten angestellten Ermittlungen erfolglos geblieben waren (Recherche im eigenen Kontenarchiv sowie Anfragen bei der Landesversicherungsanstalt Württemberg und der Allgemeinen Ortskrankenkasse S), lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom 6. Mai 1994 ab, weil die behauptete Beitragszeit weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht sei. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch betonte die Klägerin, in dem angegeben Zeitraum als Lehrerin tätig gewesen zu sein. Die Beklagte trat zunächst in weitere Ermittlungen ein – Beiziehung der Entschädigungsakten der Klägerin sowie ihres Ehemannes vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg, Anfragen bei der AOK S und beim Amt für Verteidigungslasten Rheinland-Pfalz – und wies den Widerspruch sodann mit Bescheid vom 28. November 1994 zurück. Für die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 sei eine Beitragsentrichtung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Glaubhaftmachung liege vor, wenn die rechtserheblichen Tatsachen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich seien. Im Falle der Klägerin sei schon die Dauer des behaupteten Beschäftigungsverhältnisses nicht belegt worden. Zudem lägen keine ausreichenden Merkmale für die begründete Annahme einer erfolgten Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung vor. Obwohl grundsätzlich von der Beitragstreue der Besatzungskostenämter, die die Beitragsabführung für die in den DP-Lagern beschäftigten Personen durchgeführt haben, auszugehen sei, bewirke selbst die immer wieder behauptete pauschale Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen nach Lohnsummen für den Einzelfall keine Beitragsentrichtung. Es müsse daher für jeden Einzelfall zur Anerkennung von Beitragszeiten das Beschäftigungsverhältnis und die Beitragsentrichtung nachgewiesen oder zumindest glaubhaft gemacht sein. Sämtliche Ermittlungen seien im Sande verlaufen. In der am 29. November 1946 in S ausgestellten "Deutschen Kennkarte" sei als Beruf der Klägerin "Hausfrau" angegeben gewesen. Ihr verstorbener Ehemann habe in seinem Entschädigungsverfahren am 2. November 1948 angegeben, dass die Klägerin im Haushalt arbeite und über kein eigenes Einkommen verfüge. In ihrem eigenen Entschädigungsverfahren habe die Klägerin ausgeführt, sich bereits Anfang 1948 nach München begeben zu haben, wo sie sich in ärztlicher Behandlung befunden habe. Die mit einem Ausweis belegte Mitgliedschaft in einer Lehrerorganisation sei kein Nachweis über die tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung oder gar eine Beitragsentrichtung.
Die hiergegen bei dem Sozialgericht Berlin erhobene Klage (S 16 An 7238/94) hat die Klägerin am 27. Oktober 1997 zurückgenommen. Die dort vom Sozialgericht vorgenommenen Ermittlungsbemühungen – Anfragen bei der AOK S, beim Amt für Verteidigungslasten Rheinland-Pfalz, bei der LVA Württemberg und beim Versicherungsamt der Stadt S – hatten keinen Hinweis auf eine Beitragsentrichtung für das von der Klägerin behauptete Beschäftigungsverhältnis ergeben. Außerdem hatte das Sozialgericht Berlin den Zeugen P K, geboren im Jahre 1918, am 6. Juli 1997 in Israel vernehmen lassen; wegen des Ergebnisses dieser Vernehmung wird auf Blatt 210 bis 211 der Rentenakte Bezug genommen.
Am 11. November 1999 hat die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 6. Mai 1994 zu überprüfen. Sie trägt erneut vor, von September 1946 bis Dezember 1948 als Lehrerin in der B-B-Schule in S tätig gewesen zu sein. Diesen Umstand könne sie auch glaubhaft machen. Von einem Arbeitgeber müsse grundsätzlich angenommen werden, dass er sich gesetzestreu verhalte, also seinen Pflichten, zu denen auch die Entrichtung von Pflichtversicherungsbeiträgen gehöre, nachkomme. In ihrem Falle bestehe kein Anhaltspunkt dafür, dass der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Beitragsabführung nicht nachgekommen sei. Aufgrund von Bestimmungen der US-Besatzungs- und Militärbehörden aus dem Jahre 1946 hätten auch ausländische Arbeitnehmer der Sozialversicherungspflicht unterlegen, ohne Rücksicht darauf, wo genau sie beschäftigt gewesen seien. Das Arbeitsministerium Württemberg-Baden habe am 25. März 1946 Durchführungsbestimmungen erlassen, wonach auf die deutschen und ausländischen Zivilarbeiter im Dienste der US-Besatzungs- und Militärbehörden die rentenrechtlichen Vorschriften anzuwenden gewesen seien. Dies habe auch für Ausländer gegolten, die – wie die Klägerin – zu Tätigkeiten in den Lagern der UNRRA herangezogen worden seien. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass die DP`s – wie die Klägerin – den deutschen Sozialversicherungsregelungen unterlegen hätten. Aus Lohnlisten für die Lager L/L, U und Sch H ergebe sich, dass die Beschäftigten ein Entgelt in Höhe von rund 200 DM monatlich erhielten und dass davon Beiträge zur Sozialversicherung einbehalten worden seien.
Mit Bescheid vom 31. Januar 2000 lehnte die Beklagte eine Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 1994 ab, weil dieser nicht zu beanstanden sei. Eine Anerkennung der behaupteten Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948 könne weiterhin nicht erfolgen, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht worden sei.
Auf den hiergegen von der Klägerin erhobenen Widerspruch trat die Beklagte in weitere Ermittlungen zur Frage der Beitragsentrichtung ein. Anfragen bei der Jewish Agency for Israel in Frankfurt, beim Versicherungsamt der Stadt S, bei der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württembergs und bei der AOK S sowie eine erneute Suchaktion in den eigenen Kontenbeständen blieben ohne Erfolg. Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 7. Dezember 2000 zurück. Es sei nicht erkennbar, dass mit dem Bescheid vom 6. Mai 1994 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Auf die beantragte Rente bestehe kein Anspruch, weil die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren nicht erfüllt sei. Trotz umfangreicher Ermittlungen hätten Unterlagen, die eine Beitragsentrichtung während des strittigen Zeitraumes glaubhaft machten, nicht aufgefunden werden können.
Mit der am 14. Dezember 2000 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse man grundsätzlich davon ausgehen, dass sich ein Arbeitgeber gesetzestreu verhalte und seiner Pflicht zur Beitragsentrichtung nachkomme. Die Klägerin hat aus einem anderen Rechtsstreit eine Auskunft des Bayerischen Hauptstaatsarchivs an das Sozialgericht Berlin vom 30. April 2001 nebst Anlagen sowie Schreiben des Mitarbeiters der AOK M, P K, vom 7. November 2000 und vom 4. März 2002 zu den Akten gereicht. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 10 bis 61, 63, 64 und 68 bis 74 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten und hat im Wesentlichen ausgeführt, eine Beitragsentrichtung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im fraglichen Zeitraum September 1946 bis Dezember 1948 sei nach wie vor nicht glaubhaft gemacht. Im Lande Baden-Württemberg, in dem die Beschäftigung ausgeübt worden sei, habe aufgrund von Erlassen des Arbeitsministers vom 25. Februar und 25. März 1946 die Versicherungspflicht gegolten. Dennoch könne selbst beim Nachweis eines Beschäftigungsverhältnisses nicht von einer Beitragstreue der entgeltzahlenden Stellen ausgegangen werden, weil die UNRRA sich immer wieder gegen den Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen gewehrt habe. Einzelfallbezogene Unterlagen, die für eine Beitragsentrichtung sprächen, lägen nicht vor. Die Bekundungen des AOK-Mitarbeiters P K seien unerheblich, weil sie sich auf den Zuständigkeitsbereich der AOK M bezögen, während die Klägerin sich in S aufgehalten habe. Abgesehen davon lägen bisher keine Erkenntnisse vor, ob die B-B-School überhaupt von der UNRRA in S betrieben worden sei oder ob es sich – worauf die englische Bezeichnung für die Gewerkschaft "Jewish Teachers Union in Germany" schließen lasse – um eine übergeordnete Organisation aus dem Ausland gehandelt habe. Die Klägerin wäre für diesen Fall nicht Angestellte der UNRRA in Deutschland gewesen und damit dem Grunde nach auch nicht sozialversicherungspflichtig. Aus den eigenen Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren ergebe sich, dass sie häufig krank gewesen sei und sich 1948 für einen längeren Zeitraum in M zur Behandlung aufgehalten habe. Die genaueren Zeiträume des Beschäftigungsverhältnisses seien damit nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die Berufsangabe "Hausfrau" in der am 29. November 1946 ausgestellten Kennkarte spreche ebenfalls dagegen, seit September 1946 als Lehrerin tätig gewesen zu sein.
Mit Urteil vom 23. Juli 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Überprüfungsbescheid vom 31. Januar 2000 sei rechtmäßig und verletzte die Klägerin nicht in ihren Rechten. Zu Recht habe die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 6. Mai 1994 nach § 44 Abs. 1 SGB X abgelehnt, denn dieser sei nicht rechtswidrig. Die Ablehnung einer Rentengewährung sei rechtmäßig, weil die Klägerin die Wartezeit nicht erfüllt habe, denn die einzig geltend gemachte Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948 sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Glaubhaft gemacht sei eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen überwiegend wahrscheinlich sei. Zwar sei überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin eine Beschäftigung als Lehrerin gegen Entgelt ausgeübt habe, wobei Beginn und Ende jedoch offen blieben. Die Kammer beziehe sich dabei auf die Zeugenaussage des P K, gegen dessen Glaubwürdigkeit nichts spreche, sowie auf die Angaben in dem Ausweis der Jewish Teachers Union in Germany. Allerdings sei eine Beitragsabführung nicht glaubhaft gemacht. Keine der im Verfahren angeschriebenen Stellen habe eine Beitragsleistung bestätigen oder sonst Hinweise geben können, aus denen auf eine Beitragsabführung im konkreten Einzelfall geschlossen werden könne. Einen Grundsatz, dass von der Beitragstreue des Arbeitgebers auszugehen sei, gebe es nicht. Dies würde zu einer Umkehrung der Beweislast führen, die das Recht nicht vorsehe. Es sei allein Sache des Gesetzgebers, den normierten Beweismaßstab zu ändern. Auch in Fällen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem DP-Lager müssten deshalb im Einzelfall ausreichende Anhaltspunkte für eine Beitragsabführung bestehen (Bezugnahme auf LSG Berlin, Urteil vom 7. August 2003, L 8 RA 54/00). In den DP-Lagern in der amerikanischen und britischen Zone der späteren Bundesrepublik hätten Ende 1946 schätzungsweise 185.000 aus der Verfolgung durch den Nationalsozialismus befreite oder aufgrund von Kriegseinwirkungen aus ihren Heimatländern geflüchtete Menschen vornehmlich jüdischer Herkunft gelebt. Bis Ende 1952 seien schätzungsweise 650.000 Menschen über diese Lager ausgewandert. Sie hätten unter der Kontrolle der Militärbehörden gestanden. Die Lagerbewohner seien durch die UNRRA und ihre Nachfolgeorganisation, die IRO, betreut worden. Im Laufe der Zeit seien auch externe Wohlfahrtsorganisationen tätig geworden und hätten die Selbsthilfe der auf Auswanderung wartenden Flüchtlinge unterstützt. Daher seien bei der Tätigkeit eines Bewohners ganz unterschiedliche Ausgestaltungen möglich gewesen, sowohl im Hinblick auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses als auch in Bezug auf eine Beitragsabführung. Auch wenn das glaubhaft gemachte Beschäftigungsverhältnis nach den zugrunde liegenden Regelungen eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung begründet habe, könnten Erkenntnisse aus anderen DP-Lagern über die Abführung von Beiträgen nicht auf das Lager S übertragen werden. Bei einer Vielzahl von bei der UNRRA Beschäftigten sei eine Beitragsabführung erfolgt. Jedoch könne nicht von einer einheitlichen Vorgehensweise der UNRRA ausgegangen werden. Hierfür fehlten jegliche Anhaltspunkte, zumal die Lager nicht einheitlich organisiert gewesen seien. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die UNRRA sich zum Teil vehement gegen eine Beitragspflicht gewährt habe, weil vorrangiges Ziel der in den Lagern untergebrachten Menschen nicht dauerhafter Aufenthalt oder Eingliederung in Deutschland, sondern die Auswanderung gewesen sei. Für die Betroffenen sei nicht ersichtlich gewesen, weshalb sie dann durch eine ihre Einkünfte schmälernde Beitragsleistung in Deutschland Rentenansprüche erwerben sollten, zumal die allgemeine Wartezeit damals noch 15 Jahre betragen habe und der Abschluss von Sozialversicherungsabkommen nicht abzusehen gewesen sei. Auch sei die im März 1946 angeordnete Sozialversicherungspflicht zunächst nicht vollständig akzeptiert worden. Noch im August 1948 sei eine Klarstellung z.B. des Oberversicherungsamtes M erforderlich gewesen, dass auch der Kreis der DP`s der Versicherungspflicht unterliege. Wenn aber die Beitragspflicht dem Arbeitgeber auch im Interesse des Beschäftigten höchst unerwünscht gewesen sei, könne nicht ohne weiteres von einer Beitragstreue ausgegangen werden. Im Ergebnis könne daher eine Beitragsabführung nur dann angenommen werden, wenn die Beschäftigung in einem Lager ausgeübt worden sei, von dem Erkenntnisse vorlägen, die auf eine Beitragsabführung hindeuten. Hinsichtlich des DP-Lagers S seien der Kammer keine diesbezüglichen Erkenntnisse bekannt. Weil die Klägerin zudem in einem württembergischen DP-Lager gelebt habe, habe die Stellungnahme des Mitarbeiters der AOK M, P K, nur sehr begrenzten Beweiswert. Ein Rückschluss aus in anderen Streitverfahren gewonnenen Erkenntnissen scheitere auch daran, dass im Falle der Klägerin nicht einmal feststehe, ob die UNRRA ihre Arbeitgeberin gewesen sei. Es komme auch in Betracht, dass eine externe Wohlfahrtsorganisation Trägerin der Schule und damit Arbeitgeberin gewesen sei. Es habe auch externe Wohlfahrtsorganisationen gegeben, die vorrangig die Selbsthilfe der auf Auswanderung wartenden Flüchtlinge unterstützt hätten. Wenn aber nicht einmal glaubhaft gemacht sei, dass die Klägerin gerade bei der UNRRA beschäftigt gewesen sei, verböten sich sämtliche Rückschlüsse aus Unterlagen, die allein die UNRRA als Arbeitgeberin betreffen.
Gegen das ihr am 6. August 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. August 2004 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie trägt ergänzend vor, dass die B-B-Schule eine Einrichtung unter Verwaltung der Stadtverwaltung S gewesen sei, die auch für die Zahlung der Gehälter und die Entrichtung von Beiträgen zuständig gewesen sei. In einer persönlichen Erklärung vom 23. August 2004 hat sie betont, es sei doch selbstverständlich, dass für sie als gesetzlich angestellte Lehrerin die Pflicht zur Beitragsentrichtung erfüllt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. Juli 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 6. Mai 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 1994 zurückzunehmen, ihr eine Altersrente zu gewähren und dabei die Zeit von September 1946 bis Dezember 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit zugrunde zu legen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die mit der Berufung angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Die Beteiligten haben schriftlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte S 16 An 7238/94 und der Rentenakten der Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage in seiner mit der Berufung angegriffenen Entscheidung zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente unter Zugrundelegung einer Beitragszeit von September 1946 bis Dezember 1948. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführlichen, sorgfältigen und eine überzeugende Beweiswürdigung enthaltenden Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, mit denen das Sozialgericht der Klage vollständig gerecht wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend bleibt auszuführen: Im Hinblick auf die Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses hat das Sozialgericht zutreffend betont, dass die Eckdaten eines solchen – Anfang und Ende – offen geblieben sind. Der Senat teilt auch die Annahme des Sozialgerichts, wonach eine Beschäftigung der Klägerin gegen Entgelt als Lehrerin an der "B-B-School" im DP-Lager S überwiegend wahrscheinlich sein mag. Offen geblieben ist in diesem Zusammenhang allerdings, wer der Arbeitgeber der Klägerin gewesen ist. Die Klägerin hat hier zwar vorgebracht, bei der Schule habe es sich um eine "rechtmäßige Einrichtung im Rahmen der Stadtverwaltung S" gehandelt, "welche auch für das Auszahlen der Gehälter und die Entrichtung von Beiträgen zuständig war". Der Senat hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Klägerin an einer Schule in "normaler" Trägerschaft der Stadt S beschäftigt war, denn unstreitig handelte es sich bei der Schule um eine Einrichtung des DP-Lagers. Der Eindruck der Klägerin, bei der Stadt S beschäftigt gewesen zu sein, mag daher rühren, dass die Gehälter der in den DP-Lagern beschäftigten Personen regelmäßig auf Veranlassung des UNRRA / IRO vom zuständigen Besatzungskostenamt beglichen wurden. Gleichzeitig ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin unmittelbar bei der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen angestellt war oder auch bei einer der externen Wohlfahrtsorganisationen, z.B. dem American Jewish Joint Distribution Committee oder der jüdischen Berufsausbildungsorganisation ORT (vgl. hierzu mit Nachweis zur geschichtswissenschaftlichen Literatur das Urteil des 8. Senats des Landessozialgerichts Berlin vom 7. August 2003, L 8 RA 54/00, zitiert nach juris). In die letztgenannte Richtung weist die Aussage des Zeugen P K im Verfahren S 16 An 7238/94, der bekundet hat, die Schule sei eine der Einrichtungen des Flüchtlingslagers gewesen; die an der Schule tätigen Lehrer seien von der Jewish Agency ausgewählt worden, die sich um das Schicksal der Flüchtlinge gekümmert habe.
Letztlich kann die Frage des Arbeitgebers und der genauen Natur des Beschäftigungsverhältnisses jedoch auf sich beruhen, denn das Sozialgericht hat zutreffend und überzeugend herausgearbeitet, dass jedenfalls eine Beitragsabführung weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Eine Beitragsabführung ist genauso wahrscheinlich wie unwahrscheinlich; die "Pattsituation" geht zu Lasten der Klägerin (vgl. zur Beweislage für DP-Lager im bayerischen Teil der amerikanischen Besatzungszone ausführlich die 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00, dokumentiert bei www.sozialgerichtsbarkeit.de).
In ständiger Rechtsprechung hat der Senat in geringfügig anderen (fremdrentenrechtlichen) Zusammenhängen den Standpunkt vertreten, dass eine "Beitragstreue" von Arbeitgebern nicht grundsätzlich unterstellt werden kann und die Anerkennung versicherungsrechtlich relevanter Zeiten auch davon abhängt, ob im Einzelfall konkrete Indizien vorliegen, aus denen sich eine Glaubhaftmachung gerade auch der Beitragsabführung ergibt (vgl. z.B. Urteil vom 14. Februar 2003, L 5 RA 2/00, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Hieran hält der Senat fest. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach eine nachgewiesene Beschäftigung gleichzeitig die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (ebenso: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 1986, 11a RA 59/85, SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2; Urteil vom 7. September 1989, 5 RJ 79/88, Reg.-Nr. 18952 (BSG-Intern); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2002, L 3 RJ 88/00; zitiert jeweils nach juris).
Dies gilt auch und gerade in Zusammenhang mit der Beschäftigung von so genannten DP´s in DP-Lagern unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (ebenso [mit einzelfallbezogener Betrachtung]: 8. Senat des Landessozialgerichts Berlin, Urteil vom 15. Mai 2003, L 8 RA 4/99 sowie 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00, veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat nimmt an, dass gerade in den ersten Nachkriegsjahren keine Gewähr für eine flächendeckende Abführung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung bestand, zumal in Zusammenhang mit der Beschäftigung von auf ihre Auswanderung wartenden Flüchtlingen in DP-Lagern, die unter internationaler Aufsicht standen. An der Beitragsabführung bestehen im Falle der Klägerin umso größere Zweifel, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie (nur) bei einer der oben genannten Wohltätigkeitsorganisationen beschäftigt war, über deren Beitragstreue keine Informationen vorliegen.
Weil die Klägerin ihre Berufung darüber hinaus nicht weiter begründet hat und weil die Darstellung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil vollständig ist, erübrigen sich weitere Ausführungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht klärungsbedürftig, ob vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses automatisch auf eine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu schließen ist. Diese Frage ist im Rahmen der hier allein in Betracht kommenden Glaubhaftmachung durch die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat sich anschließt, geklärt.
Rechtskraft
Aus
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BRB
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