L 13 VG 2/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 40 VG 54/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 2/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Januar 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der 1966 geborene Kläger begehrt als Opfer einer Gewalttat von dem Beklagten die Anerken-nung weiterer Schädigungsfolgen und die Feststellung einer höheren auf Grund der Schädi-gungsfolgen eingetretenen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nach dem Opferentschädi-gungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Er erlitt am 14. Dezember 1986 u. a. eine Kieferfraktur, als ihm mit einer schweren Schaufel mehrfach auf den Kopf geschlagen wurde. Auf seinen Antrag auf Leistungen nach dem OEG von April 1987 erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 3. Januar 1989, geändert durch Bescheid vom 8. Oktober 1990, als Schädi-gungsfolgen den Verlust der Zähne rechts unten 1 sowie links unten 1 bis 3, eine Gefühlsstö-rung im Bereich des linken Kinns und reizlose Narben im Bereich der linken Gesichtshälfte an und setzte die MdE auf 10 v. H. fest. Im Januar 2000 stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag. Auf der Grundlage der Gutachten der Zahnärztin H vom 24. Februar 2000, des Nervenarztes Dr. D vom 9. Januar 2001 und der HNO-Ärztin Dr. F vom 25./29. Januar 2001 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 24. September 2001 folgende Schädigungsfolgen (die verwaltungsintern mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-MdE bewertet wurden) mit einer MdE von insgesamt 40 fest: a) Narben in der linken Gesichtshälfte und im linken oberen Halsbereich sowie auch intraoral, Sensibilitätsminderung im linken Unterkieferbereich, den oralen Bereich einschließend, verbliebenes Osteosynthesematerial im linken Unterkiefer, traumati-scher Zahnverlust im unteren Frontzahnbereich (41/31/32/33) (MdE von 30 v.H.), b) reaktive psychische Störungen auf die bestehenden Gesichtsnarben (MdE von 10 v.H.). Die Anerkennung eines Tinnitussyndroms als Schädigungsfolge lehnte er ab. Im anschließenden Widerspruchsverfahren stellte der Kläger einen weiteren Verschlimme-rungsantrag, den der Beklagte mit Bescheid vom 4. Januar 2002 ablehnte. Mit Widerspruchs-bescheid vom 4. Februar 2002 wies der Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Bescheide vom 24. September 2001 und vom 4. Januar 2002 seien rechtmäßig. Mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat der Kläger insbesondere vorgebracht, als weitere Schädigungsfolgen seien seine Tinnitusbeschwerden sowie Kopfschmerzen, Gleichge-wichtsstörungen, Konzentrationsschwächen und Durchschlafstörungen zu berücksichtigen. Auf seinen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der HNO-Arzt Prof. Dr. K gehört worden, der im Gutachten vom 10. Mai 2004 einen Zusammenhang der Gewalttat mit dem Tinnitus nicht für wahrscheinlich gehalten hat. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2005 als unbegründet ab-gewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Die angefochtenen Verwaltungs-entscheidungen seien rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten: Bei ihm lägen infolge der Gewalttat vom 14. Dezember 1986 dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen vor, die eine MdE in Höhe von insgesamt 40 v. H. bedingten. Eine höhere MdE ergebe sich nicht. Das bei dem Kläger vorliegende Tinnitusleiden könne mit Wahrscheinlichkeit nicht ur-sächlich auf die Gewalttat zurückgeführt werden. Dem schlüssigen Gutachten der HNO-Ärztin Dr. F vom 25. Januar 2001 sei zu entnehmen, dass bei dem Kläger narbige Veränderungen der Trommelfelle vorlägen, die eine anlagebedingte, degenerative Verursachung der Ohrgeräusche nahe legten. Signifikante Anhaltspunkte für eine traumatisch bedingte Verursachung des Tinnitusleidens beständen nicht. Bei durch Gewalteinwirkungen verursachten Ohrgeräuschen seien diese, wie aus den Äußerungen der Gutachterin folge, bereits anfänglich in hoher Intensität vorhanden, was sich vorliegend weder der medizinischen Aktenlage noch dem Vortrag des Klägers entnehmen lasse. Auch auf die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen bestehe kein Anspruch. Nach dem schlüssigen und den Bewertungsmaßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehinder-tengesetz", Ausgabe 2004 (AHP 2004) entsprechenden Gutachten des Nervenarztes Dr. D vom 9. Januar 2001 seien die von dem Kläger geltend gemachten Kopfschmerzen, Gleichgewichts-störungen und weiteren psychovegetativen Symptome nicht auf die Gewalteinwirkung zurück-zuführen. Gegen das Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Hierzu hat er das Privatgutachten der Zahnärztin PD Dr. P vom 18. August 2005 vorgelegt, in dem diese u.a. ausgeführt hat: Es sei durchaus denkbar, dass die fortbestehende Okklusionsstö-rung (offener Biss, Hyperbalancekontakte) auf der Dysokklusion im Rahmen der Unterkiefer-fraktur beruhe. Hinzu komme, dass der Kläger stark mit den Zähnen knirsche. Ein derartiger Bruxismus könne durch Okklusionsstörungen bedingt sein, stelle jedoch häufiger eine psychosomatische Störung dar. Auch dies könne auf das erlebte Trauma und dessen psychische Verarbeitung zurückzuführen sein. Diese funktionellen Störungen könnten möglicherweise die Entstehung des Tinnitus mitbeeinflusst haben. Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 3. Januar 2005 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 24. September 2001 und vom 4. Januar 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2002 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bun-desversorgungsgesetz weitere Schädigungsfolgen der Gewalttat vom 14. Dezember 1986 anzuerkennen und eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit als 40 v. H festzustellen. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Er hält an seiner Entscheidung fest. Auf den Antrag des Klägers nach § 109 SGG ist das Gutachten des Prof. Dr. G vom 28. August 2006 eingeholt worden. Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genom-men. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht einen Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrten Feststel-lungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) verneint.

Der Beklagte hat es mit Recht abgelehnt, nach § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit §§ 1, 30, 31 BVG weitere Schädigungsfolgen als die in den angegriffenen Verwaltungsentscheidun-gen festgestellten anzuerkennen. Das Sozialgericht hat ausführlich und überzeugend dargelegt, dass die von dem Kläger vorgebrachten Tinnitusbeschwerden sowie Kopfschmerzen, Gleich-gewichtsstörungen, Konzentrationsschwächen und Durchschlafstörungen nicht mit hinreichen-der Wahrscheinlichkeit auf die Gewalttat zurückzuführen sind. Der Senat folgt den zutreffen-den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides vom 3. Januar 2005 und sieht insoweit nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Die mit der Berufung vorgebrachten Einwände des Klägers vermögen keine abweichende Ent-scheidung zu rechtfertigen. Die Feststellungen des Sozialgerichts werden durch den nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Prof. Dr. G bestätigt. Dieser konnte lediglich nicht ausschlie-ßen, dass zwischen der Gewalttat und dem Tinnitus ein Zusammenhang besteht. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG setzt die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs voraus. Dessen Beweis ist nicht erfor-derlich, andererseits genügt nicht die Möglichkeit eines Zusammenhangs. Damit ist eine hin-reichende Wahrscheinlichkeit, dass der Tinnitus ursächlich auf die Gewalttat zurückgeht, auch nach Auffassung des Gutachters nicht gegeben. An diesem Maßstab gemessen sind ebensowe-nig die Ausführungen der Zahnärztin PD Dr. P im Privatgutachten vom 18. August 2005, es sei durchaus denkbar, dass die fortbestehende Okklusionsstörung auf die Unterkieferfraktur und der Bruxismus auf das erlebte Trauma und dessen psychische Verarbeitung zurückzuführen sei, geeignet, die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen zu begründen. Die von dem Beklagten nach § 30 Abs. 1 BVG vorgenommene Bildung der Gesamt-MdE in Höhe von 40 v. H. ist nicht zu beanstanden. Im Übrigen schließt sich dieser Einschätzung auch Prof. Dr. G im Gutachten vom 28. August 2006 an. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Rechtskraft
Aus
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