L 24 KR 238/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 485/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 238/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Prothese, die er von einem nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassenen Sanitätshaus bezogen hat.

Dem 1924 geborenen Kläger wurde am 07. Juni 2005 durch die Orthopäden Dres. R und R eine Kohlefaserleichtorthese nach Abdruck mit Tuberaufsitz linkt mit Schweizersperre rechts, frei beweglich bei rückgelagerten Kniegelenken bei Paraparese beider unterer Extremitäten verordnet.

Der Kläger, dem bekannt war, dass das Sanitätshaus D K in Z nicht zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen ist, ließ dennoch dort die entsprechenden Orthesen herstellen. Die Rechnung vom 21. Dezember 2005 in Höhe von 6 751,95 EUR versandte der Leistungserbringer an die Beklagte, die die Zahlung verweigerte, wie sie dies bereits mit Bescheid vom 06. Juli 2005 angekündigt hatte.

Den Widerspruch des Klägers hiergegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2006 zurück.

Bereits am 02. Januar 2005 hatte der Kläger beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 82 KR 4/06 eine Leistungsklage erhoben, an das Sanitätshaus K 6 751,95 EUR zu zahlen.

Am 17. März 2006 hat der Kläger erneut, mit wortgleichem Antrag, Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, die unter dem Aktenzeichen L 24 KR 238/06 eingetragen wurde.

Diese Klage hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 27. April 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, während der Dauer der Rechtshängigkeit könne die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden, so dass die zweite Klage unzulässig sei.

Gegen diesen dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers einem Angestellten des Leistungserbringers zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung des Klägers vom 19. Mai 2006, mit der dieser beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2006 und unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 27. April 2006 zu verurteilen, an den Kläger 6 751,95 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und die Unzulässigkeit der zweiten Klage nicht durch die während des Berufungsverfahrens erfolgte Rücknahme der Klage im Verfahren S 82 KR 4/06 (LSG Berlin-Brandenburg L 9 B 239/06 KR ) für entfallen.

Während des Berufungsverfahrens wurde ein Betreuungsverhältnis für den Kläger durch Herrn M W mit der Wahrnehmung der Vermögens- und Behördenangelegenheiten nachgewiesen (Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg vom 11. Mai 2006, Geschäftsnummer ). Der Betreuer W hat die Rechtsanwältin W als Prozessbevollmächtigten gewählt und dem Mitarbeiter K des Leistungserbringers die vom Kläger selbst erteilte Vollmacht entzogen.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch aus zwei Gründen nicht begründet:

1. Das Sozialgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Klage unzulässig gewesen ist, so dass sein Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden ist. Nach § 202 Sozialgerichtsgesetz SGG finden auf das sozialgerichtliche Verfahren die Regeln der Zivilprozessordnung ZPO Anwendung. Deren § 261 Abs. 3 Ziffer 1 bestimmt, dass während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden kann. Hier war die Streitsache, nämlich die Zahlung der vom Sanitätshaus K hergestellten Orthesen, bereits beim Sozialgericht am 02. Januar 2006 anhängig gemacht worden, als die hier zu entscheidende Klage vom 17. März 2006 erhoben wurde. Die Klage war somit, wie das Sozialgericht zutreffend dargelegt hat, unzulässig.

Zur Überzeugung des Senats ist die Unzulässigkeit auch nicht durch die Rücknahme der Parallelklage beseitigt worden. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, nachdem während der Dauer der Rechtshängigkeit die Streitsache nicht anderweitig anhängig gemacht werden kann. Hier jedoch ist die zu entscheidende Klage während der Rechtshängigkeit anhängig geworden. Eine Auslegung dahingehend, dass die Klage zulässig würde, verstieße somit gegen den Wortlaut der Norm. Das trifft ebenso für § 17 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes GVG zu, der die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtsweges regelt. Danach ist eine neue Klage während der Rechtshängigkeit bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit, auch beim selben Gericht, unzulässig. Sie ist auch bei einem Gericht eines anderen Gerichtszweiges nicht zulässig (BSG SozR 1500 § 55 Nr. 31, Seite 28). Die teilweise vertretene Auffassung, die spätere Klage könne zulässig werden, wenn die Rechtshängigkeit der ersten Klage durch Klagerücknahme entfällt (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 52 Rdnr. 29), überzeugt nicht, da sie gegen den Wortlaut der Norm verstößt und es keine Veranlassung für eine derartige erweiternde Auslegung gibt, da es im Ermessen des Klägers liegt, welche der beiden Klagen er zurücknimmt. Nimmt er die zweite unzulässige Klage zurück, so kann er sein Begehren im ersten Verfahren problemlos weiterverfolgen. Es gibt hier keine Lücke beim nach Art. 19 Grundgesetz GG gewährleisteten Rechtsschutzanspruch, dieser ist auch möglich, wenn § 261 ZPO und § 17 Abs. 1 GVG entsprechend ihrem Wortlaut angewandt werden.

2. Die Berufung ist auch deswegen unbegründet, da die Klage nicht nur unzulässig war, sondern auch unbegründet:

Gegenstand dieses Verfahrens ist ein Anspruch des Klägers auf Kostenerstattung.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistung, soweit dieser oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch SGB IX nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsehen (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind dieses von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Der Kostenerstattungsanspruch geht dabei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 27/02 R und vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3 2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).

Nach § 33 Abs. 5 haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, so dass der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf die begehrten Orthesen hat und diesen gegenüber der Beklagten bei Beachtung der weiteren gesetzlichen Vorschriften auch hätte durchsetzen können. Dies hat er jedoch nicht getan. Denn § 126 Abs. 1 SGB V bestimmt, dass Hilfsmittel an Versicherte nur von zugelassenen Leistungserbringern abgegeben werden. Danach ist zuzulassen, wer eine ausreichende, zweckmäßig, funktionsgerechte und wirtschaftliche Herstellung, Abgabe und Anpassung der Hilfsmittel gewährleistet und die für die Versorgung der Versicherten geltenden Vereinbarungen anerkennt. Der Leistungserbringer Sanitätshaus D K ist nach § 126 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht zugelassen, da dieser Betrieb, insbesondere wegen des Verhaltens des Mitarbeiters K, die dort genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Somit erfolgte die Leistungserbringung durch einen Leistungserbringer, der nicht über die Zulassung nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB V verfügte. Daher schließt das Gesetz aus, dass Sachleistungen, hier Hilfsmittel, durch das Sanitätshaus D K erbracht werden. Dementsprechend können, da, wie dargelegt, der Kostenerstattungsanspruch nicht weiter als der Sachleistungsanspruch geht, Kosten für Leistungen, die dieser Betrieb erbracht hat, nicht erstattet werden.

Die Berufung war aus den dargelegten Gründen mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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