L 16 R 571/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 2156/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 571/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Versichertenrente wegen voller Erwerbsminderung (EM), hilfsweise wegen teilweiser EM, hilfsweise wegen teilweiser EM bei Berufsunfähigkeit (BU), ab 01. Juni 2003.

Die 1947 geborene Klägerin hatte keine Berufsausbildung abgeschlossen. Von April 1964 bis Dezember 1965 war sie als Arzthelferin ohne Abschluss tätig. Von 1969 bis 1979 arbeitete die Klägerin als Bürohilfe und zuletzt von 1985 bis zum 31. März 2001 im Rahmen einer ungelernten Tätigkeit als überwiegend mit Reinigungsarbeiten betraute Hauswartsfrau bei einer B W. Vom 05. April 2001 bis zum 12. März 2005 bezog die Klägerin von der Bundesanstalt bzw. Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld, unterbrochen durch den Bezug von Krankengeld vom 02. April 2003 bis zum 22. Juli 2004. Seit 1. März 2007 erhält die Klägerin Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Zahlbetrag = monatlich 772,20 EUR; Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2006).

Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 anerkannt aufgrund folgender Leiden: Funktionsstörungen der Kniegelenke besonders links und des linken Sprunggelenkes, Krampfadern, Fußfehlbildungsoperation rechts, psychische Störungen, Wirbelsäulenfunktionsstörung, Schulterarmsyndrom beidseits, rezidivierende Epicondylitis radialis humeri rechts, Reizblase, Funktionsstörung des Verdauungstraktes, Hörbehinderung (Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales – Versorgungsamt – Berlin vom 22. Mai 2003).

Nachdem die Klägerin auf ihren Antrag vom Juni 2003 eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme im Reha-Zentrum T der Beklagten vom 18. August 2003 bis 12. September 2003 durchlaufen hatte, beantragte sie im Dezember 2003 die Gewährung von Rente wegen EM; dabei legte sie medizinische Unterlagen vor, u. a. den Entlassungsbericht der S-K B hinsichtlich der am 18. Juni 2003 erfolgten Knieoperation links (stationäre Behandlung vom 17. Juni 2003 bis 01. Juli 2003). Die Beklagte ließ die Klägerin durch die Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. R-S und den Orthopäden Z untersuchen und begutachten. Beide Ärzte bescheinigten der Klägerin noch ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte (Z) bis mittelschwere (Dr. R-S) Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen (Kniegelenkstotalendoprothese links bei Gonarthrose links, degeneratives Wirbelsäulensyndrom, anamnestisch Schilddrüsenfunktionsstörung, Gastritis, Vaskulopathie der Halsgefäße, lumbale Schmerzsymptomatik ohne Bewegungseinschränkungen bei mäßiggradiger bis ausgeprägter Osteochondrose und Pseudospondylolisthesis L1 bis L3; zervikale Beschwerden ohne Bewegungseinschränkungen bei degenerativen Veränderungen in Höhe C5/C6; Gutachten vom 17. März 2004 und 22. April 2004). Mit Bescheid vom 04. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2004 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Volle bzw. teilweise EM bzw. teilweise EM bei BU würden nicht vorliegen.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) Berlin Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von den Orthopäden Dr. W u.a. vom 08. Dezember 2004 und von der Ärztin G vom 20. März 2005. Das SG hat den Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B als Sachverständigen eingesetzt. Dieser Arzt hat in seinem Gutachten vom 04. Juli 2005 (Untersuchung am 27. Juni 2005) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: geringgradige Arthralgien nach Kniegelenksendoprothese links ohne Bewegungseinbuße, degeneratives Zervikal- und Lumbalsyndrom ohne stärkere Funktionsminderung bei psychosomatisch verstärkten Weichteilbeschwerden, depressives Syndrom mit Somatisierungsstörung. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten sowie einfache geistige Tätigkeiten – unter Beachtung der aufgezeigten qualitativen Leistungseinschränkungen – ausführen. Höhere Anforderungen an die Entschluss-, Verantwortungs-, Kontakt-, Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit könnten nicht gestellt werden. Das Hörvermögen links sei mäßig reduziert.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. März 2006 hat das SG die auf Gewährung von Rente wegen voller EM, hilfsweise wegen teilweiser EM, hilfsweise wegen teilweiser EM bei BU, gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte weder einen Anspruch auf Rente wegen voller EM noch einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bzw. teilweiser EM bei BU gemäß den §§ 43, 240 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI). Die Klägerin könne täglich sechs Stunden und mehr zumindest körperlich leichte Arbeiten mit diversen qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. Dies folge aus den letztlich übereinstimmenden Beurteilungen der im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren gehörten Sachverständigen. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig. Denn sie genieße aufgrund ihrer bisherigen Tätigkeit als Hauswart keinen Berufsschutz und könne auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden. Eine konkrete Verweisungstätigkeit sei daher nicht zu benennen. Leichte körperliche Tätigkeiten, etwa die einer einfachen Pförtnerin oder einer Mitarbeiterin in einer Poststelle, könne die Klägerin noch täglich sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Das SG habe die bei ihr vorliegende depressive Symptomatik nicht ausreichend abgeklärt und gewürdigt. Wegen ihrer psychischen Beschwerden sei sie nicht mehr in der Lage, selbst eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. März 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 04. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit ab 01. Juni 2003 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung auch im Hinblick auf die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme für zutreffend.

Der Senat hat im Berufungsverfahren erneut Befundberichte von den behandelnden Ärzten der Klägerin erstatten lassen, und zwar von dem Chirurgen Dr. K vom 27. August 2006, von der Fachärztin für Anästhesiologie und spezielle Schmerztherapie Dr. B vom 31. August 2006, von dem Internisten Dr. K vom 31. August 2006, von dem Neurologen Dr. L vom 29. August 2006 und von der Fachärztin für Psychiatrie F vom 27. September 2006.

Der Senat hat die Ärztin für Psychiatrie G mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Diese Ärztin hat in ihrem Gutachten vom 28. März 2007 (Untersuchungen am 15. Februar 2007 und 05. März 2007) folgende Gesundheitsstörungen der Klägerin mitgeteilt: Dysthymia, leichte depressive Episode, Panikstörung, lumbalgieformes Schmerzsyndrom mit neurologischem Defizit, cervicobrachiales Schmerzsyndrom, Zustand nach Totalendoprothese des linkes Kniegelenks. Die Klägerin könne täglich regelmäßig und vollschichtig noch körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten unter Berücksichtigung der aufgeführten qualitativen Leistungseinschränkungen ausführen. In der Ausübung geistiger Arbeiten sei die Klägerin bei reduzierter Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie Entschlussfähigkeit nicht beschränkt.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen, wegen der medizinischen Feststellungen auf die zum Verfahren eingeholten Befundberichte und die Sachverständigengutachten von Dr. B und der Ärztin G Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten der Beklagten (Renten- und Rehabilitationsakten; 4 Bände), die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes Berlin, die Leistungsakten der Agentur für Arbeit Tempelhof-Schöneberg und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2, 155 Abs. 3 und Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin, mit der diese ihre erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG auf Gewährung von Rente wegen voller EM, hilfsweise wegen teilweiser EM, hilfsweise wegen teilweiser EM bei BU, für die Zeit ab 01. Juni 2003 weiter verfolgt, ist nicht begründet.

Die Klägerin hat aufgrund ihres im Juni 2003 bzw. Dezember 2003 gestellten Rehabilitations- (vgl. hierzu § 116 Abs. 2 SGB VI) bzw. Rentenantrages weder einen Anspruch auf Rente wegen voller EM (§ 43 Abs. 2 SGB VI) noch auf Rente wegen teilweiser EM nach § 43 Abs. 1 SGB VI oder auf Rente wegen teilweiser EM bei BU nach § 240 SGB VI.

Die Vorschriften des § 43 SGB VI und des § 240 SGB VI (vgl. § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB VI) setzen zunächst die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit (vgl. §§ 50 Abs. 1, 51 Abs. 1 SGB VI) sowie das Vorhandensein von drei Jahren mit Pflichtbeiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der EM bzw. BU voraus (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB VI, § 240 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Darüber hinaus müssen volle oder teilweise EM bzw. BU vorliegen (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI, § 240 Abs. 2 SGB VI).

Voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei bzw. mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfanges ihrer Ausbildung sowie ihres Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 4 SGB VI).

Die Klägerin war und ist in dem vorliegend streitigen Zeitraum ab 01. Juni 2003 nicht voll bzw. teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 SGB VI und auch nicht berufsunfähig im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI. Denn sie verfügte und verfügt in dem maßgebenden Zeitraum noch über ein vollschichtiges und damit auch ein mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen zumindest für leichte körperliche und leichte geistige Arbeiten, mit dem sie regelmäßig einer vollschichtigen und damit auch mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit auf dem – ihr sozial zumutbaren - allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen konnte und kann. Dass die Klägerin über ein derartiges Leistungsvermögen verfügte und auch derzeit noch verfügt, folgt zur Überzeugung des Senats aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens, insbesondere aus den vorliegenden Gutachten der im Verwaltungsverfahren als Sachverständige eingesetzten Ärzte Dr. R-S und Z sowie der im Klage- und Berufungsverfahren bestellten Gerichtssachverständigen Dr. B und G. Denn alle diese Ärzte haben der Klägerin übereinstimmend ein derartiges vollschichtiges bzw. mindestens sechsstündiges Restleistungsvermögen bescheinigt, und zwar durchgehend seit dem 01. Juni 2003.

Das vollschichtige bzw. mindestens sechsstündige Restleistungsvermögen der Klägerin war und ist nach den von den Sachverständigen festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen auch nicht derart reduziert, dass es einem Arbeitseinsatz der Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter betriebsüblichen Bedingungen entgegenstünde (vgl. § 43 Abs. 3 SGB VI). Die Klägerin kann zwar nach den von den Sachverständigen getroffenen Feststellungen wegen ihrer Leiden jedenfalls nur noch körperlich leichte Tätigkeiten mit dem Heben und Tragen von Lasten bis fünf Kilogramm (Ärztin G) bzw. zehn Kilogramm (Dr. B) im Wechsel der Haltungsarten ohne überwiegendes Stehen verrichten. Ausgeschlossen sind Arbeiten unter erschwerten Expositionsbedingungen, Arbeiten in Zwangshaltungen, unter Zeitdruck, in Wechsel- oder Nachtschicht, auf Leitern und Gerüsten und an laufenden Maschinen sowie Arbeiten mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Hörvermögen. Bei Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen bestand und besteht aber weder eine spezifische Leistungsbehinderung noch lag oder liegt eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 1998 – B 5/4 RA 58/97 R – veröffentlicht in juris).

Es lagen und liegen zwar bei der Klägerin Leistungseinschränkungen vor, die teilweise über den Rahmen dessen hinausgehen, was inhaltlich vom Begriff der körperlich leichten Tätigkeiten umfasst wird. Dies gilt besonders hinsichtlich der Notwendigkeit, bestimmte äußere Einwirkungen wie Hitze und Kälte zu vermeiden (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1991 – B 13 RJ 71/90 R – veröffentlicht in juris). Die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen sind aber nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Denn die vorliegenden Leistungseinschränkungen, namentlich der Ausschluss von Arbeiten unter extremen Expositionsbedingungen, auf Leitern und Gerüsten, in Zwangshaltungen, an laufenden Maschinen, in Wechsel- und Nachschicht sowie mit besonderen Anforderungen an das Hörvermögen zählen nicht zu den ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen und schon gar nicht zu den spezifischen schweren Leistungsbehinderungen (vgl. dazu die auf die Vorlagebeschlüsse des 13. Senats ergangenen Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 – GS 1- 4/95 – GS 2/95 = SozR 3600 § 44 Nr. 8). Das Gleiche gilt hinsichtlich der geistigen Fähigkeiten der Klägerin, die keine nennenswerten Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen, dem Ausbildungsniveau der Klägerin entsprechenden Arbeitsplatz erkennen lassen. Vielmehr sind ihre Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit, Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit und auch ihre Auffassungsgabe zwar geringfügig reduziert, jedoch nicht in besonderem Maße beeinträchtigt. Auch die Beschränkung auf Lastgewichte bis zu regelmäßig fünf Kilogramm, die von der Sachverständigen G mitgeteilt worden ist, erscheint nicht als geeignet, das Feld leichter körperlicher Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Regelmäßig wird zwar bereits die Beschränkung auf zehn Kilogramm zu dem Bereich leichter körperlicher Arbeiten gezählt. Dies reicht aber nicht aus, das Vorliegen eines noch ausreichenden Arbeitsfeldes zu verneinen (vgl. BSG, Urteil vom 19. August 1997 – B 13 RJ 87/96 – veröffentlicht in juris). Insgesamt betreffen die bei der Klägerin festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen jedenfalls lediglich einen kleinen Teilbereich des allgemeinen Arbeitsmarktes, lassen aber ein weites Feld von Beschäftigungsmöglichkeiten unberührt.

So konnte und kann die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen etwa noch leichte Bürotätigkeiten verrichten. Das Gleiche gilt für Sortier- und Verpackungstätigkeiten sowie die Tätigkeit einer – einfachen – Pförtnerin. Im Hinblick darauf, dass nach der Leistungsbeurteilung der gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls für derart leichte Tätigkeiten keine relevanten Einschränkungen bezüglich der Entschluss- und Verantwortungsfähigkeit, der Auffassungsgabe und der Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit bestanden und bestehen, konnte und kann die Klägerin auch noch derart einfache Tätigkeiten nach einer Zeit der Einarbeitung bis zu drei Monaten vollwertig verrichten.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei BU. Denn sie war und ist in dem vorliegend maßgebenden Zeitraum seit 01. Juni 2003 nicht berufsunfähig im Sinne des § 240 Abs. 2 SGB VI.

Ausgangspunkt für die Prüfung von BU ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) der "bisherige Beruf" der Versicherten. Das ist in der Regel die zuletzt versicherungspflichtig ausgeübte Beschäftigung (vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 130, 164; BSG, Urteil vom 01. Mai 2000 – B 13 RJ 43/99 R – veröffentlicht in juris). Danach ist als bisheriger Beruf der Klägerin der Beruf des Hauswarts mit überwiegender Verrichtung von Reinigungsarbeiten der rentenrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen. Diesen Beruf hatte die Klägerin zuletzt seit 1985 bis zum 31. März 2001 versicherungspflichtig ausgeübt. Ungeachtet dessen, ob die Klägerin diesen ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten konnte und möglicherweise auch nicht mehr verrichten kann, war und ist sie nicht berufsunfähig. Denn ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM bei BU steht der Versicherten nicht schon dann zu, wenn sie ihren bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für die Versicherte auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vorhanden ist, die sie mit dem ihr verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zwecks Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) das so genannte Mehrstufenschema entwickelt. Dieses Schema untergliedert die Arbeiterberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe der Vorarbeiterin mit Vorgesetztenfunktion bzw. der besonders hoch qualifizierten Facharbeiterin, der Facharbeiterin (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), der angelernten Arbeiterin (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und der ungelernten Arbeiterin charakterisiert (vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 132, 138, 140; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 43/99 R –).

Unter Zugrundelegung dieses Mehrstufenschemas ist die Klägerin allenfalls der zweiten Berufsgruppe mit dem Leitberuf der angelernten Arbeiterin zuzuordnen, wobei lediglich eine Zuordnung zum unteren Bereich dieser großen inhomogenen Gruppe in Betracht kommt. Denn die Klägerin hatte keine Berufsausbildung abgeschlossen und war zuletzt lediglich als – allenfalls einfach angelernte – Hauswartfrau überwiegend mit Reinigungsarbeiten beschäftigt. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass für diese Tätigkeit eine Ausbildungs- oder Anlernzeit von wenigstens 12 Kalendermonaten – als Voraussetzung einer Zuordnung der Versicherten zum oberen Bereich der Berufsgruppe der Angelernten (vgl. z. B. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45; BSG, Urteil vom 27. Februar 1997 – 13 RJ 9/96 – veröffentlicht in juris) – erforderlich gewesen wäre. Ob die Klägerin angesichts dessen sogar der Gruppe der Ungelernten zuzuordnen wäre, kann jedoch dahinstehen. Denn sowohl als Ungelernte wie auch als Angelernte im unteren Bereich ist die Klägerin sozial zumutbar auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Grundsätzlich darf die Versicherte im Vergleich zu ihrem bisherigen Beruf auf die nächst niedrigere Berufsgruppe verwiesen werden (ständige Rechtsprechung: vgl. z. B. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 143 mit weiteren Nachweisen; BSG, Urteil vom 11. Mai 2000 – B 13 RJ 43/99 R –). Das ist hier in jedem Falle die Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter. Ein Berufsschutz, der die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erfordert hätte, steht der Klägerin mithin nicht zu. In Betracht kommende Tätigkeitsfelder sind bereits aufgezeigt worden.

Darauf, ob die Klägerin einen ihrem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz tatsächlich erhalten konnte oder erhält, kommt es nicht an. Denn die jeweilige Arbeitsmarktlage, die für leistungsgeminderte Arbeitnehmer – wie die Klägerin – derzeit kaum entsprechende Arbeitsplatzangebote zur Verfügung stellt, ist für die Feststellung von voller bzw. teilweiser EM oder BU – wie der Gesetzgeber ausdrücklich klargestellt hat – unerheblich (vgl. § 43 Abs. 3 Halbsatz 2, § 240 Abs. 2 Satz 4 Halbsatz 2 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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