L 10 B 734/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 91 AS 8917/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 734/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26. April 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwaltes wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Mit dieser verfolgt er seinen zuletzt erstinstanzlich gestellten Antrag weiter, die Antragsgegnerin im Wege einer Regelungsanordnung iS von § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, ihm für die Zeit ab dem 01. April 2007 Kosten der Unterkunft und Heizung monatlich zu zahlen, deren Gewährung die Antragsgegnerin mit insoweit noch nicht (iS von § 77 SGG) bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 11. April 2007 abgelehnt hat, der die vorangegangen diesbezüglichen ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden vom 09. März 2007 und 19. März 2007 ersetzt hat (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch).

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Ab¬wendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die danach zu treffende Ent¬scheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung ((vorläufige und möglicherweise teilweise) Zuer¬kennung/aktuelle Versagung des Anspruch) - 1. Alternative - als auch auf eine Überprü¬fung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - 2. Alternative - gestützt werden, wobei Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechts¬lage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechts¬verwirk¬lichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je absehbare Dauer des Hauptsache¬ver¬fahrens bei ablehnender Entscheidung nicht durch die beanspruchte Leistung gedeckt wird. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilver¬fahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausge¬richtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert.

Nach dem dargetanen und aktenkundigen Sachstand ist der erhobene Anspruch nicht begrün¬det; da der derzeitige Sachstand auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gibt, kann nach abschließender Würdigung der Sach- und Rechtslage (siehe oben, 2. Alterna¬tive) ent¬schieden werden, eines "Rückgriffs" auf die Folgenabwägung bedarf es nicht.

Ob und in welchem Umfang der Antragsteller, dessen generelle Anspruchsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II einmal unterstellt - neben den bereits im Bescheid vom 11. April 2007 bewilligten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Regelleistungen für die Zeit vom 01. April 2007 bis zum 31. August 2007 iHv 345,00 EUR monatlich) - die Übernahme der Kosten für die von ihm angemietete Wohnung in der E in B beanspruchen kann, beurteilt sich nach § 22 Abs. 1 SGB II. Nach dessen Satz 1 werden Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann die bezeichnete Wohnung – jedenfalls seit Beginn des streitigen Zeitraums - nicht als Unterkunft verstanden werden, da hierfür deren tatsächliche Nutzung zu Wohnzwecken Voraussetzung ist.

Diese Voraussetzung ist hier zur Überzeugung des Senats unter Berücksichtigung der anonymen Anzeige vom 07. Dezember 2006 und der Prüfberichte der Antragsgegnerin (vom 20. Februar 2007, 19. März 2007 und 28. März 2007) nicht gegeben. Insbesondere die Prüfberichte lassen nur den Schluss zu, dass der Unterkunftsbedarf des Antragstellers nicht durch die Wohnung in der E gedeckt wird.

Diese Wohnung ist dreimal von Bediensteten der Antragsgegnerin aufgesucht worden. Sie befand sich zu keinem Zeitpunkt in einem Zustand, der die Annahme rechtfertigen könnte, sie diene zu mehr als vorübergehendem Aufenthalt, d.h. sie sei regel- und dauerhaft genutzter Lebensmittelpunkt des Antragstellers. Beim ersten Besuch ergaben sich klare Anhaltspunkte für eine aktuell fehlende Nutzung (nicht entnommene Reklamesendungen in größerem Umfang, nachbarschaftliche Auskunft, dass der Antragsteller sich nur dreimal im Jahr dort aufhalte). Bei den weiteren Besuchen war der Antragsteller zwar zugegen bzw. wurde angetroffen. Die Wohnung war aber in einem Zustand, der bei vernünftiger Betrachtung ausschließt, dass sie der Ort des überwiegenden Aufenthalts und der Verrichtungen war, die "das Wohnen" ausmachen. Sie war zum Zeitpunkt des zweiten Besuchs nicht für die Abwicklung der sanitären Bedürfnisse ausgestattet. Sie diente nicht als Aufbewahrungsort für Kleidung und persönliche Dinge. Zur Zubereitung von Mahlzeiten war sie weder nach der Küchenausstattung noch nach dem Lebensmittelbestand eingerichtet. Auch unter der Annahme, dass der Antragssteller bezüglich seiner Ernährung nur geringen Aufwand betreibt, genügte der vorgefundene Stand dem nicht. Ebenso wenig gab es eine Schlafgelegenheit, die üblichen Ansprüchen entsprach. Der dritte Besuch ergab keine prinzipiellen, sondern nur eine nicht sehr weit gehende graduelle Veränderung. Die Darlegungen zum Zustand der Schlafstelle, zu den vorhandenen Lebensmitteln und Kleidungsstücken lässt erkennen, dass nunmehr mit einfachsten Mitteln Verhältnisse geschaffen waren, die einen tatsächlichen Aufenthalt in der Wohnung zu Wohnzwecken nicht mehr auf den ersten Blick ausgeschlossen erscheinen lassen, dafür aber keineswegs einen positiven Anhalt bieten, d.h. Verhältnisse repräsentieren, die nahe liegen könnten, dass der Antragsteller regelhaft seinen Aufenthalt in dieser Wohnung hat und überwiegend dort den alltäglichen Verrichtungen nachkommt.

Das Schreiben des Antragstellers vom 04. Juni 2007 führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Soweit der Antragsteller den Sachverhalt teilweise anders darstellt als in den Besuchsberichten wiedergegeben (z.B. bzgl. der bei dem Besuch am 27. März 2007 in der Wohnung vorgefundenen Schuhe) sind seine Ausführungen nicht glaubhaft, da in seiner Person weit eher eine interessengebundene Darstellung zu vermuten ist, als bei den eingeschalteten Behördenvertretern. Im Übrigen stellt sich seine Darstellung als eine Mischung aus wenig überzeugenden Erläuterungen (etwa Renovierung seit Bezug der Wohnung (im Jahre 2004)) und – jedenfalls bezogen auf den Zeitpunkt der Besuche – nicht belegbare ergänzende Sachverhaltsdarstellungen (z.B. Renovierungsstand im Flur, Bettwäsche zum Zeitpunkt des zweiten Besuchs im Waschcenter) dar, die der Senat in Ansehung des objektivierten Sachverhalts und der erkennbaren Interessenlage insgesamt als Schutzbehauptungen wertet.

Die vom Antragsteller vorgelegte Erklärung seiner Vermieterin vom 14. März 2007 ist nicht geeignet, die vom Senat gewonnene Einschätzung zu erschüttern. Soweit die Vermieterin darin angegeben hat, der Antragsteller lebe allein in der hier in Rede stehenden Wohnung, er habe noch nie einen Untermieter gehabt und er habe auch noch nie um die Genehmigung gebeten, einen Untermieter aufnehmen zu dürfen, spiegelt diese Erklärung zunächst einmal den Stand der Vertragsbeziehungen zwischen dem Antragsteller und der Vermieterin wieder. Selbst wenn der Erklärungswert dieser Äußerungen sich darin nicht erschöpft haben sollte, sondern ihnen darüber hinaus die Behauptung entnommen werden könnte, dass der Antragsteller auch tatsächlich die Wohnung aktuell zu Wohnzwecken nutze, müsste ihnen schon deshalb jeglicher Beweiswert abgesprochen werden, weil die Erklärung selbst keinerlei Hinweise darauf enthält, worauf die Vermieterin ihr Wissen insoweit stützt. Es ist auch nicht so, dass es sich dem Senat anhand außerhalb dieser Erklärung liegender Umstände aufdrängen müsste, worauf sich ein entsprechendes Wissen der Vermieterin über die tatsächlichen Wohnverhältnisse gründet. Denn die Vermieterin bewohnt keineswegs selbst eine Wohnung in der E, sondern am E in Berlin.

Mangels hinreichender Erfolgsaussicht des Begehrens war auch der der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zurückzuweisen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Beschluss kann nicht mit einer Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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