L 12 AL 28/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 3529/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 AL 28/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Kläger für die Zeit vom 26. April 2003 bis 30. April 2004 Arbeitslosenhilfe zu gewähren ist. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch für das Verfahren vor dem Landessozialgericht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 26. April 2003 bis 30. April 2004.

Der 1957 geborene Kläger begann nach Erwerb des Abiturs und Ableistung des Zivildienstes zum Sommersemester 1979 mit dem Studium der Publizistik und Germanistik an der Freien Universität B. Das Studium schloss er 1991 mit dem Grad eines Magister Artium ab, er ging daneben Erwerbstätigkeiten nach, insbesondere war er 1986 bei der U G & CS K(die zur Verlagsgruppe Zweite Hand gehörte) beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst als versicherungsfreie Beschäftigung geführt, seit April 1990 wurden dann Beiträge zur Sozialversicherung gezahlt. Zuletzt war der Kläger als Geschäftsführer mit einem Bruttogehalt von 3.750 Euro monatlich angestellt. Das Arbeitsverhältnis endete durch arbeitgeberseitige Kündigung, der Kläger erhielt eine Abfindung von 20.451,68 Euro. Am 30. April 2002 meldete er sich arbeitslos, die Beklagte bewilligte Arbeitslosengeld vom 1. Mai 2002 bis 25. April 2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt von 860 Euro.

Am 28. April 2003 beantragte der Kläger Arbeitslosenhilfe und gab an, Vermögen in der Form eines Girokontos und eines Sparbuchs mit 5.721 Euro und 3.022 Euro Guthaben zu haben. Daneben bestehe eine Kapitallebensversicherung mit einer Versicherungssumme von 61.232 Euro. Der Auszahlungsbetrag bei Rückkauf betrage 17.635 Euro, er habe bisher 17.486 Euro eingezahlt. Durch Bescheid vom 8. Mai 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosenhilfe ab. Der Kläger verfüge über ein Vermögen von 23.862,50 Euro, dessen Verwertung nach Abzug eines Freibetrages von 9.200 Euro zumutbar sei. Er sei daher nicht bedürftig.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Auflösung der Lebensversicherung unwirtschaftlich sei, weil er so auf Zinserträge verzichten müsse. Da er erst 12 Jahre lang sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, drohe ohne die Lebensversicherung der Eintritt von Altersarmut. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2003). Die Gewährung von Arbeitslosenhilfe setze Bedürftigkeit voraus. Der Kläger habe ein Vermögen in Höhe von 26.378,- Euro. Die Verwertung der Lebensversicherung sei zumutbar, weil der Rückkaufswert die eingezahlten Beiträge übersteige.

Auf die dagegen am 10. Juli 2003 erhobene Klage hat das Sozialgericht die Beklagte am 2. März 2004 unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger ab 26. April 2003 wöchentlich 239,89 Euro Arbeitslosenhilfe zu gewähren, und zur Begründung ausgeführt, dass die Lebensversicherung nicht verwertbar sei. Aus einer beim Versicherer eingeholten Auskunft ergebe sich, dass von Rückkaufswert (15.365,53 Euro) und Überschussbeteiligung (3.001, 50 Euro) Kapitalertragssteuer (1.363,01 Euro) und Solidaritätszuschlag (74,97 Euro) abzuführen seien. Der Auszahlbetrag von 16.929,05 Euro bleibe damit hinter der Summe der eingezahlten Beiträge von 17.486,46 Euro zurück.

Gegen das ihr am 22. März 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. April 2004 eingegangene Berufung der Beklagten, die dem Kläger ab 1. Mai 2004 wieder Arbeitslosenhilfe bewilligt hat. Sie ist der Auffassung, dass die Verwertung der Lebensversicherung selbst dann zumutbar sei, wenn die Steuern in Abzug gebracht würden. Nach ihrer bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis werde eine Verwertung nämlich für zulässig gehalten, wenn der Auszahlungsbetrag nicht mehr als 10 Prozent unter den einzahlten Beiträgen liege. Zwar habe das Bundessozialgericht (BSG) mittlerweile in ständiger Rechtsprechung die Freibetragsregelung der Alhi-Verordnung mit einer allgemeinen Härteklausel verknüpft. Dies führe aber nur zur Berücksichtigung eines weiteren Freibetrags von 200 Euro je Lebensjahr, der – angesichts der Guthaben des Klägers auf Girokonto und Sparbuch - an der Verwertbarkeit der Lebensversicherung nichts ändere. Soweit der Kläger wegen seines langen Studiums in einer besonderen Situation sei, habe das seine Ursache in persönlichen Entscheidungen, die nicht von der Versichertengemeinschaft auszugleichen seien. Im Übrigen habe der Kläger noch 15 Jahre Zeit, weitere Rentenansprüche zu erwerben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Pflichtbeitragszeiten in der Rentenversicherung habe er erst seit April 1990 zurückgelegt. Die Verwertung der Lebensversicherung sei unwirtschaftlich, weil die Zinsen sich erst in den letzten Jahren der Versicherung besonders wertsteigernd auswirkten. Für die Unwirtschaftlichkeit könne nicht allein auf ein Zurückbleiben des Auszahlungsbetrags um 10 Prozent hinter den eingezahlten Beiträgen abgestellt werden. Er dürfe nicht schlechter gestellt werden als jemand, der eine "Riesterrente" mit besonderen Freibeträgen abgeschlossen habe, weil er sich zu einer Zeit für die Lebensversicherung entschlossen habe, als es die "Riesterrente" noch nicht gab. Aus den Entscheidungen des BSG vom 9. Dezember 2004 (- B 7 AL 30/04 R und B 7 AL 44/04 R -) ergebe sich, dass die Alhi-Verordnung 2002 insoweit nicht mit ihrer Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehe, als eine Härtefallregelung fehle. Vorliegend sei ein Härtefall gegeben, der innerhalb der Verordnung nicht berücksichtigt werden könne. Deswegen sei die Absenkung der Freibeträge von 520 Euro auf 200 Euro verfassungswidrig. Eine Verwertung der Lebensversicherung erscheine unter wirtschaftlich-ökonomischen Bedingungen nicht sinnvoll, weil die zu erwartende Auszahlung hinter den eingezahlten Beiträgen zurückbleibe. Das Studium habe nicht innerhalb der Regelstudienzeit beendet werden können, weil der Lebensunterhalt habe selbst verdient werden müssen und die FU Berlin überbelegt gewesen sei. Weiterhin habe er – der Kläger - stets praktische Erfahrungen sammeln wollen und sei der Abschluss der Magisterarbeit durch die Krankheit des Betreuers verzögert worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen, die ebenso wie die Akte der Beklagten vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Gewährung von Arbeitslosenhilfe verurteilt. Der Senat hat lediglich von der in § 130 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Verurteilung dem Grunde nach auszusprechen.

Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosenhilfe nach § 190 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 des Sozialgesetzbuchs, Drittes Buch (SGB III) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung ist zunächst, dass ein Arbeitnehmer arbeitslos und beim Arbeitsamt gemeldet ist, sowie dass er in der Vorfrist Arbeitslosengeld bezogen hat, ohne dass der Anspruch wegen des Eintritts von Sperrzeiten von mehr als 24 Wochen erloschen ist. Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger, der in dem Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis 25. April 2003 - und damit innerhalb der nach § 192 Abs. 1 SGB III ein Jahr betragenden Vorfrist - Arbeitslosengeld ohne den Eintritt von Sperrzeiten bezogen hatte, der beschäftigungslos und auf Beschäftigungssuche, mithin arbeitslos im Sinne des § 118 SGB III war, sich arbeitslos gemeldet hatte und am 28. April 2003 bei der Beklagten Arbeitslosenhilfe beantragte.

Der Kläger war in der Zeit vom 26. April 2003 bis 30. April 2004 auch bedürftig im Sinne der §§ 190 Abs. 1 Nr. 5, 193 SGB III. Nach diesen Vorschriften ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann; nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen die Erbringung von Arbeitslosenhilfe nicht gerechtfertigt ist. Näheres über das zu berücksichtigende Vermögen ergibt sich aus § 1 der auf der Grundlage von § 206 Nr. 3 SGB III erlassenen Arbeitslosenhilfeverordnung (Alhi-Verordnung). Maßgebend ist hier die ab dem 1. Januar 2003 geltende Fassung der Verordnung. Die Übergangsvorschriften der Verordnung, welche zur Anwendung der Verordnung in ihrer bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung, insbesondere zur Berücksichtigung eines höheren Freibetrags von 520,- Euro führen, greifen nicht ein, weil sie sich nach § 4 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 2 Satz 1 Alhi-Verordnung nur auf eine laufende Bewilligung beziehen und bei einem neuen Bewilligungszeitraum ihre Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (BSG, Urt v. 3. Mai 2005 – B 7a/7 AL 84/04 R ). Der Kläger ist zudem nicht vor dem 1. Januar 1948 geboren, so dass eine Weitergeltung der Alhi-Verordnung in ihrer alten Fassung auch nach § 4 Abs. 2 Satz 2 der Alhi-Verordnung wegen höheren Lebensalters des Arbeitslosen nicht in Frage kommt.

Allerdings läge nach dem Wortlaut der Alhi-Verordnung bei dem Kläger wegen seines Vermögens Bedürftigkeit nicht vor. Nach § 1 Alhi-Verordnung ist das gesamte verwertbare Vermögen zu berücksichtigen, soweit es einen Freibetrag von 200 Euro je vollendetem Lebensjahr des Arbeitslosen übersteigt und auch nicht zu dem gesondert aufgezählten nicht zu berücksichtigenden Vermögen gehört. Der allgemeine Freibetrag (§ 1 Abs. 2 Alhi-Verordnung) am 26. April 2003 betrug für den zu diesem Zeitpunkt 45 Jahre alten Kläger 9.000,- Euro, er stieg im Laufe des streitigen Zeitraums mit Vollendung des 46. Lebensjahres am 3. Oktober 2003 auf 9.200 Euro an. Am 26. April 2003 bestand das Vermögen des Klägers aus Guthaben auf Giro- und Sparkonto sowie einer Kapitallebensversicherung. Guthaben auf Giro- und Sparkonten stellen von vornherein kein anrechnungsfreies Vermögen im Sinne des § 1 Abs. 3 Alhi-Verordnung dar, aber auch für die Lebensversicherung des Klägers gilt nichts anderes. § 1 Abs. 3 Nr. 3 der Alhi-Verordnung 2002 nimmt nur nach § 10 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) bzw. dem XI. Abschnitt des EStG gefördertes Altersvermögen von der Berücksichtigung als Vermögen aus. Das betrifft die Anlageformen der so genannten "Riesterrente", zu denen die Lebensversicherung des Klägers nicht gehört. Der Kläger muss auch nicht so behandelt werden, als habe er eine "Riesterrente" vereinbart, weil er seine Lebensversicherung abgeschlossen hatte, bevor diese Anlageform eingeführt wurde. Das BSG hat bereits mehrfach die Privilegierung der "Riesterrente" gegenüber sonstigen Formen der Altersvorsorge für verfassungsgemäß gehalten, weil "Riesterrenten" besonders zertifiziert und überwacht seien (BSG Urteil v. 9. Dezember 2004 – B 7 AL 30/04 R – ; Urteil v. 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 73/04 R –).

Auch § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-Verordnung führt nicht zur Nichtanrechenbarkeit des in der Lebensversicherung angesammelten Vermögens, da der Kläger nicht von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung befreit ist, was nach der genannten Vorschrift aber Voraussetzung dafür wäre, dass nachweislich für die Altersversorgung bestimmtes Vermögen nicht zu berücksichtigen ist. Die Verwertung der Lebensversicherung ist ebensowenig nach § 1 Abs. 3 Nr. 6 der Alhi-Verordnung wegen Unwirtschaftlichkeit ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des BSG enthält § 1 Abs. 3 Nr. 6 der Alhi-Verordnung einen rein wirtschaftlich-ökonomischen Begriff der Verwertbarkeit, so dass der Rückkaufswert einer Lebensversicherung nur dann nicht angerechnet werden darf, wenn die Auflösung der Versicherung die eingezahlten Beiträge in einem nennenswerten Umfang entwerten würde (Urteile v. 9. Dezember 2004, - B 7 AL 30/04 R und B 7 AL 44/04 R -). Es kommt dagegen nicht darauf an, dass damit die Möglichkeit einer erwarteten Wertsteigerung verloren geht (BSG Urt. v. 14. September 2005 – B 11a/11 AL 71/04 R -). In welcher Höhe eine Entwertung der eingezahlten Beiträge hinzunehmen ist, hat das BSG noch nicht allgemein entschieden, allerdings eine Minderung um 3,6 Prozent bzw. 3 bis 4 Prozent bereits für unerheblich gehalten (Urteile v. 25. Mai 2005 – B 11a/11 AL 73/04 R; B 11a/11 AL 51/04 R -). Danach ist die Verwertung der Lebensversicherung, auf die der Kläger nach der vom Sozialgericht eingeholten Auskunft Beiträge in Höhe von 17.486,46 Euro eingezahlt hat, selbst dann nicht unwirtschaftlich, wenn auf den nach Abzug von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag zu erwartenden Auszahlbetrag von 16.929,05 Euro abgestellt würde. Aus diesem Betrag ergäbe sich für die eingezahlten Beiträge ein Verlust von (nur) 3,19 Prozent, der nicht erheblich ist. Somit kann dahingestellt bleiben, ob die Verfahrensweise des Sozialgerichts zutreffend ist, den Auszahlungsbetrag nach Abzug von Kapitalertragssteuer und Solidaritätszuschlag (die dem arbeitslosen Kläger gegebenenfalls zu erstatten sein dürften) mit den Einzahlungen zu vergleichen. Wenn stattdessen der Auszahlungsbetrag vor Steuern maßgeblich sein sollte, wäre die Auflösung der Lebensversicherung erst recht nicht unwirtschaftlich. Allein mit dem Rückkaufswert der Lebensversicherung liegt der Kläger über dem allgemeinen Vermögensfreibetrag gemäß § 1 Abs. 2 Alhi-Verordnung.

Nach Auffassung der BSG, der sich der erkennende Senat anschließt, ist die Alhi-Verordnung 2002 grundsätzlich rechtmäßig, was auch für die ab 1. Januar 2003 erfolgte Herabsetzung des Vermögensfreibetrages auf 200,- Euro je Lebensjahr des Arbeitslosen gilt (BSG, Urt. v. 17. März 2005 – B 7a/7 AL 68/04 R ). Der Verordnung fehlt allerdings eine allgemeine Härteklausel (BSG, Urteil v. 9. Dezember 2004 – B 7 AL 30/04 R – ), was sich daran zeigt, dass sie einen Zugriff auf das Vermögen im weiteren Umfang als das bereits am 24. Dezember 2003 verkündete, aber erst zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) vorsieht. Diese verdeckte Lücke der Alhi-Verordnung ist durch entsprechende Anwendung der Vorschriften des § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 3 und Abs. 3 Nr. 6 SGB II, die weitergehende Abzüge vom anrechenbaren Vermögen regeln, zu schließen (BSG, Urteil v. 9. Dezember 2004 - B 7 AL 44/04 R –). Danach ist auch im Rahmen der Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe entsprechend § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II ein weiteres Vermögen von 200,- Euro je Lebensjahr als Altersvorsorge nicht anzurechnen, soweit es sich um geldwerte Ansprüche handelt, deren Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung ausgeschlossen ist. Dafür reicht aus, dass die Fälligkeit zwischen dem 60. und 65. Lebensjahr eintritt (BSG, Urt. v. 17. März 2005 – B 7a/7 AL 68/04 R -; Urt. v. 14. September 2005 B 11a/11 AL 71/04 R-). Für die Lebensversicherung des Klägers war ein Vertragsende am 1. November 2018 vorgesehen, also im 62. Lebensjahr des Klägers. Mithin begründete sie Ansprüche für den Kläger, deren Verwertung vor Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen war. Demnach war am 26. April 2003 für den Kläger ein weiterer Freibetrag von 9.000 Euro zu berücksichtigen, der innerhalb des streitigen Zeitraums nach Vollendung des 46. Lebensjahres auf 9.200 Euro anstieg. Zusammen mit dem allgemeinen Freibetrag waren so zwar die Lebensversicherung insgesamt anrechnungsfrei, nicht aber die Guthaben des Klägers auf den Giro- und Sparkonten in Höhe von 5.721 Euro und 3.022 Euro, welche als vorhandenes Vermögen die Bedürftigkeit des Klägers am 26. April 2003 ausgeschlossen hätten.

Die Lebensversicherung des Klägers ist indessen entsprechend § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-Verordnung in vollem Umfang als nicht zu berücksichtigendes Vermögen anzusehen. Das Guthaben des Klägers aus Spar- und Girokonten (zusammen 8.743,- Euro) liegt unterhalb des allgemeinen Freibetrages des § 1 Abs. 2 Alhi-Verordnung (9.000,- bzw. 9.200 Euro), weswegen der Kläger bei Nichtanrechnung der Lebensversicherung insgesamt als vermögenslos gilt und deshalb als bedürftig anzusehen ist. Das BSG hat in seiner Rechtsprechung die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der allgemeinen Härteklausel des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-Verordnung über ihren Wortlaut hinaus, wonach vom Inhaber als für die Altersversorgung bestimmt bezeichnete Vermögensgegenstände im angemessenen Umfang nicht berücksichtigt werden, auch auf Personen, die nicht von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit sind, anzuwenden (BSG Urteil v. 9. Dezember 2004 – B 7 AL 30/04 R –). Diese Erweiterung des persönlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift des § 1 Abs. 3 Nr. 4 Alhi-Verordnung über die in § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II enthaltene Härteklausel, die in der Alhi-Verordnung entsprechend anzuwenden ist, setzt voraus, dass sich aus einer atypischen Berufsbiographie des Arbeitslosen Versorgungslücken ergeben (BSG, a.a.O.). Der Kläger hat eine atypische Berufsbiographie, weil für ihn erst im April 1990 in seinem 32. Lebensjahr die ersten Versicherungsbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt worden sind.

Allerdings setzt die Anerkennung eines besonderen zusätzlichen Freibetrags für Altersversorgung das Bestehen einer Versorgungslücke voraus, die auf einer von der Rechtsordnung gebilligten Disposition beruht (vgl. zu dieser Voraussetzung BSG Urt. v. 14. September 2005 - B 11a/11 AL 71/04 R -). Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, soweit der Kläger sein Studium über das Maß des Üblichen ausgedehnt hat. Bereits das Berliner Hochschulgesetz vom 28. Dezember 1978 (GVBl. S. 2449ff) sah als Ziel des Studiums nämlich nicht den (zweckfreien) Erwerb eines möglichst umfassenden Wissens, sondern den Erwerb eines berufsqualifizierenden Abschlusses möglichst innerhalb der Regelstudienzeit vor (§§ 26, 28 Berliner Hochschulgesetz alter Fassung). Der Kläger hat die Universität (jedenfalls zeitlich) über Gebühr beansprucht, was kein von der Rechtsordnung gebilligtes Verhalten (in dem genannten Sinne) darstellt. Für vertiefte und ergänzende Studien ist ein Aufbaustudium (§ 30 Berliner Hochschulgesetz alter Fassung) zu betreiben. Auch die vom Kläger behauptete Notwendigkeit, seinen Lebensunterhalt während des Studiums (teilweise) selbst zu verdienen, führt zu keiner anderen Bewertung. Eine Tätigkeit als Werkstudent kann zwar eine gewisse Verzögerung, aber nicht die Ausdehnung eines Studiums auf 12 Jahre rechtfertigen.

Indessen liegt eine Versorgungslücke, die auf einer von der Rechtsordnung gebilligten Disposition beruht, für die Jahre vor, die der üblichen Studiendauer entsprechen. Personen mit Universitätsausbildung treten später in das Versicherungsleben ein als andere Arbeitnehmer, und die dadurch entstehende Lücke in der Versicherungsbiographie ist nach dem heutigen Stand des Rentenversicherungsrechts, das zu bewertende Anrechnungszeiten für Schul- und Hochschulausbildung lediglich im Umfang von 3 Jahren vorsieht (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 iVm § 74 Abs. 1 Satz 4, 263 Abs. 3 Satz 3 des Sozialgesetzbuchs, Sechstes Buch – SGB VI - ), nur durch Eigenvorsorge auszugleichen. Auch der Gesetzgeber hat die Notwendigkeit der Eigenvorsorge dadurch anerkannt, dass er in § 207 SGB VI besondere Nachentrichtungsmöglichkeiten vorgesehen hat. Dieser Atypik der Berufsbiographie des Klägers steht nicht entgegen, dass alle Arbeitnehmer mit Hochschulausbildung eine vergleichbare Lücke in ihrem Versicherungsverlauf haben. Bezugspunkt des Vergleichs kann nämlich nicht eine Gruppe sein, der der Arbeitslose aufgrund besonderer Umstände angehört, sondern nur die im Sozialen Rentenversicherungsrecht als typisch angelegte Biographie aller Versicherten. Dementsprechend hat das BSG eine Atypik der Berufsbiographie etwa für Absolventen des zweiten Bildungsweges oder bei Unterbrechung der Beschäftigung durch Zeiten der Kinderziehung erwogen, obwohl in beiden Fällen die entstehenden Lücken im Versicherungsverlauf für die jeweilige Gruppe gerade typisch sind (BSG, Urt. v. 14. September 2005 – B 11a/11 AL 71/04 R -). Als typischen Versicherungsverlauf sieht das SGB VI einen Eintritt in die Versicherung mit dem 17. Lebensjahr an, wie sich aus § 72 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ergibt. Untypisch ist ein Berufsweg, wenn er dazu führt, dass von der Vollendung des 17. Lebensjahres bis zum Eintritt des Versicherungsfalles größere Lücken im Versicherungsverlauf entstanden sind. Dass Zeiten eines "normalen" Studiums als "von der Rechtsordnung gebilligtes Verhalten" angesehen werden, ergibt sich beispielsweise aus § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI, wonach Zeiten des Besuchs einer Schule oder Hochschule bis zu acht Jahren als Anrechnungszeiten zählen, die aber wegen ihrer eingeschränkten Bewertung die Versorgungslücke nicht ausgleichen.

Die von dem Kläger abgeschlossene Lebensversicherung ist als angemessene Absicherung der Versorgungslücke anzusehen, die sich aus seinen Studienzeiten ergibt, soweit sie im Rahmen des Üblichen bleiben. Im Jahre 2003 wäre er nach § 207 Abs. 2 Satz 2 SGB VI noch berechtigt gewesen, freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze zu entrichten. Schon um einen Entgeltpunkt pro Jahr zu versichern, hätte er – bezogen auf das Jahre 2003 mit einem Durchschnittseinkommen von 28.938,- Euro und einem Beitragssatz von 19,5 Prozent – monatlich 470,24 Euro aufwenden müssen. Die für die private Lebensversicherung tatsächlich aufgewandten Beiträge von 17.486,46 Euro entsprechen dann einer Absicherung von weniger als 38 Monaten. Auch unter der Vorgabe eines zügigen Studienabschlusses, die jedenfalls mit einer Studiendauer eingehalten wäre, welche im Rahmen der nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) förderungsfähigen Höchstdauer liegt, hätte der Kläger damit die ihm entstandene Versorgungslücke nicht vollständig geschlossen.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger im Verlauf des streitigen Leistungszeitraums weitere Einkünfte bezogen oder Vermögen erworben haben könnte, liegen nicht vor. Danach ist vom Fortbestand seiner Bedürftigkeit bis zum Ende des streitigen Zeitraums auszugehen.

Nach alledem war die Berufung im Ergebnis zurückzuweisen.

Die Verurteilung zur Leistung dem Grunde nach ist erfolgt, um zunächst der Beklagten die Möglichkeit zu geben, über die Höhe der zu gewährenden Leistungen, insbesondere im Hinblick auf eine möglicherweise vorzunehmende Anrechnung von Zinserträgen, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnisses in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache jedenfalls keine grundsätzliche Bedeutung (mehr). Denn der Rechtsstreit betrifft die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe, und Ansprüche auf diese Sozialleistung können seit dem 1. Januar 2005 nicht mehr bestehen.
Rechtskraft
Aus
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