L 24 KR 478/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 73 KR 3835/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 478/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Kostenerstattung in Höhe von 1 587,60 EUR für das selbst beschaffte Medikament D Ribose sowie die weitere Versorgung mit diesem Arzneimittel als Sachleistung.

Der 1942 geborene Kläger, der bei der Beklagten versichert ist, leidet an einem Mangel des Enzyms Myoadenylat-Desaminase MADA.

Am 15. Juli 2004 verordnete die Rheumatologin Dr. A dem Kläger auf Privatrezept D Ribose, das sich der Kläger am 20. Juli 2004 in der W Apotheke B für 105,84 EUR beschaffte.

Am gleichen Tage beantragte die verordnende Ärztin für den Kläger bei der Beklagten die Kostenübernahme und brachte hierzu am 11. August 2004 weitere Unterlagen bei.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e. V. MDK vom 18. August 2004 ein, in der dieser darlegte, die Unterlagen zu einer Therapie des MADA Mangels mit gereinigter D Ribose seien widersprüchlich. Es handele sich nicht um einen off label use eines Arzneimittels, denn D Ribose sei weder ein apothekenpflichtiges noch gar verschreibungspflichtiges Arzneimitteln. Weil es in Bezug auf D Ribose keinen fachlich gesicherten Wirksamkeitsnachweis für den MADA Mangel gibt, sei dieses Präparat auch als Diätika keine Vertragsleistung. Die Substanz sei ohnehin nicht verordnungsfähig. Schon weil sie nicht verschreibungspflichtig sei, sei sie gesetzlich von einer Leistung zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen.

Die Beklagte lehnte die Kostennahme mit Bescheid vom 03. September 2004 ab und berief sich hierbei auf die Stellungnahme des MDK vom 18. August 2004.

Den Widerspruch des Klägers hiergegen vom 17. September 2004 wies die Beklagte mit dem am 08. November 2004 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 04. November 2004 zurück: Bei dem Zucker D Ribose handele es sich nicht um ein Arzneimittel und dementsprechend auch nicht um ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel. Es falle daher nicht unter den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Mit der am 08. Dezember 2004 beim Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und dargelegt: Da es sich bei D Ribose um die einzig mögliche Therapieform bei der Erkrankung des Klägers handele, sei die Beklagte verpflichtet, die Kosten hierfür zu übernehmen: Wenn der Kläger D Ribose nicht erhalte, leide er unter extremen Schmerzen und es bestünde die Gefahr, dass sich seine Lebenserwartung verringere.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03. September 2004 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004 zu verurteilen, die Versorgung des Klägers mit dem Zucker D Ribose zur Behandlung seines MADA Mangels sicherzustellen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich hierzu auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide berufen und die Auffassung vertreten, auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 06. Dezember 2005 1 BvR 347/98 ändere hieran nichts, da die dort vom BVerfG zugrunde gelegte Voraussetzung, nämlich eine lebensbedrohliche oder gar regelmäßig tödliche Erkrankung, hier nicht vorliege. Im Übrigen sei ihre Auffassung auch durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 04. April 2006 B 1 KR 12/04 bestätigt worden.

Das Sozialgericht hat nach Einholung der Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 28. Februar 2005 mit Urteil vom 11. Oktober 2006 die Klage abgewiesen und zur Begründung dargelegt, es fehle die arzneimittelrechtliche Zulassung der D Ribose, so dass nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausscheide. Dies sei vom BSG gerade für das Präparat D Ribose mit der Entscheidung vom 04. April 2006 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (a. a. O.) nochmals bestätigt worden, denn nach dem Beschluss vom 06. Dezember 2005 kann anderes nur bei gesetzlich Krankenversicherten gelten, für deren lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht. Dies sei nach den vorliegenden Unterlagen hier nicht der Fall.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19. Oktober 2006 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 13. November 2006, mit der sie ihr Vorbringen erster Instanz wiederholen und vertiefen und darlegen, nach der Entscheidung des BVerfG sei anders als das BSG annehme D Ribose zu gewähren, da nach dem Beschluss des BVerfG vom 06. Dezember 2005 die Gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet sei, einem Schwerkranken die Inanspruchnahme einer ärztlichen Behandlungsmethode immer dann zu gewähren, wenn eine Standardbehandlungsmethode nicht zur Verfügung stünde. Dies gelte für alle schweren Erkrankungen. Wenn das BSG nunmehr zwischen einer lebensbedrohlichen beziehungsweise regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit und einer solchen unterscheide, die "lediglich" zur vollständigen Bewegungsunfähigkeit führe, wende es die vom BVerfG entwickelten Grundsätze falsch an.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 03. September 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004 unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 11. Oktober 2006 S 73 KR 3835/04 zu verurteilen,

1. an den Kläger 1 587,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. Mai 2007 zu zahlen sowie

2. die Versorgung des Klägers mit dem Zucker D Ribose zur Behandlung seines MADA Mangels sicherzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Während des Verwaltungs- und Gerichtsverfahrens hat sich der Kläger auf 15 Privatrezepte des Praktischen Arztes Dr. S D Ribose für jeweils 105,84 EUR in einer Apotheke beschafft.

Der Kläger hat die entsprechenden Rezepte und Rechnungsquittungen vorgelegt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig und form- und fristgerecht erhoben, somit insgesamt zulässig.

Sie ist jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 03. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004 ist rechtmäßig. Der Kläger hat weder Anspruch auf Kostenerstattung, hier auf Zahlung von 1587,60 EUR, noch auf Versorgung mit D Ribose als Sachleistung. Der Zucker D Ribose gehört nicht zu den Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Streitgegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist nicht lediglich ein Anspruch auf Kostenerstattung, sondern der Kläger begehrt auch weiterhin die Gewährung des Zuckers D Ribose als Sachleistung. Der Kläger hat in der Berufung an diesem Begehren festgehalten und darüber hinaus Kostenerstattung in Bezug auf die bereits angefallenen Kosten begehrt.

Die Klage ist zulässig.

Dem steht nunmehr nicht entgegen, dass die Klage aufgrund des erstinstanzlich gestellten Klageantrags bezüglich des erhobenen Anspruch auf Kostenerstattung unzulässig gewesen ist. Dieser Mangel ist in der Berufung dadurch geheilt worden, dass ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt worden ist.

Ein Kostenerstattungsanspruch hat stets die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zum Inhalt. Es muss daher grundsätzlich ein bezifferter Zahlungsantrag gestellt und in der Klageschrift dargelegt werden, wie sich dieser Betrag im Einzelnen zusammensetzt. Nur ein so bezifferter Antrag und eine derartige Substantiierung des Sachvortrages bieten eine hinreichende Grundlage für die notwendigen gerichtlichen Tatsachenfeststellungen (§ 103 Sozialgerichtsgesetz SGG ) und für eine abschließende, einen weiteren Streit vermeidende Erledigung des Rechtsstreits. Fehlt es daran, ist eine solche Klage grundsätzlich unzulässig (vgl. Urteile des BSG vom 28. Januar 1999 B 3 KR 4/98 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 37 Nr. 1, vom 13. Mai 2004 B 3 KR 18/03 R , abgedruckt in SozR 4 2500 § 39 Nr. 2, und vom 26. Januar 2006 B 3 KR 4/05 R ). Es handelt sich hierbei um einen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der gewährleistet, dass zum einen der Streitgegenstand seitens des Klägers hinreichend bestimmt ist und dass zum anderen das Gericht nicht über ein Begehren des Klägers hinausgehend oder hinter einem solchen Begehren zurückbleibend entscheidet. Durch die Einreichung der 15 Privatrezepte des Dr. S mit Rechnungsquittungen und die Darlegung, es werde insoweit Kostenerstattung begehrt, ist die Klage nunmehr zulässig.

Die Klage ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere fehlt es nicht am vorangegangenen Verwaltungsverfahren bezüglich des geltend gemachten Anspruchs auf Kostenerstattung.

Gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicherten und seiner Krankenkasse über einen Leistungsanspruch sind grundsätzlich nur in zwei Konstellationen denkbar. Entweder klagt der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Leistung als Fachleistung oder er beschafft sich die Leistung privat auf eigene Rechnung und verlangt von der Krankenkasse die Erstattung der Kosten (BSG, Urteil vom 09. Oktober 2001 B 1 KR 6/01 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 1325). Ausnahmsweise kann eine Kostenerstattung bei noch nicht durchgeführter Behandlung auch dann in Betracht kommen, wenn die begehrte Leistung nicht vom Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) erfasst wird (BSG, Urteil vom 03. April 2004 B 1 KR 40/00 R , abgedruckt in SozR 3 2500 § 27 a Nr. 3).

Der am 15. Juli 2004 über die Rheumatologin Dr. A gestellte Antrag auf "Kostenübernahme" für den Zucker D Ribose ist in der Weise auszulegen, dass die kostenfreie Gewährung einer Sachleistung begehrt wurde. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden ab. Bei einem solchen Sachverhalt umfasst die ursprüngliche Ablehnung der Sachleistung zugleich auch die Ablehnung der Einstandspflicht für die Kosten (BSG, Urteil vom 15. April 1997 1 RK 4/96 , abgedruckt in SozR 3 2500 § 13 Nr. 14).

Die demnach insgesamt zulässige Klage ist jedoch unbegründet.

Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V erhalten die Versicherten die Leistungen der Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nichts Abweichendes vorsehen. Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) Kosten nur erstatten, soweit es dieses Buch oder das SGB IX vorsieht (§ 13 Abs. 1 SGB V).

Die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V bestimmt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.

Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 19. Oktober 2004 B 1 KR 24/02 R und vom 18. Mai 2004 B 1 KR 21/02 R ; BSGE 79, 125, 126 = SozR 3 2500 § 13 Nr. 11 m. w. N.).

Die dem Kläger aufgrund der Privatrezepte des Dr. S vom 27. Juli 2004, 09. August 2004 und 30. August 2004 beschafften Präparate (jeweils 105,84 EUR) entstandenen Kosten können schon deswegen nicht erstattet werden, weil diese Kosten nicht ursächlich kausal darauf zurückzuführen sind, dass eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden konnte oder die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Der Kläger wartete die Entscheidung der Beklagten (Bescheid vom 03. September 2004) vor der Beschaffung nicht ab, so dass die dadurch entstandenen Kosten nicht ursächlich auf eine Ablehnung der Beklagten zurückzuführen sind. Die Verordnung mit dem Zucker D Ribose ist auch nicht unaufschiebbar gewesen. Unaufschiebbarkeit ist gegeben, wenn die Leistung ausschließlich aus medizinischen Gründen sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubes, erbracht werden muss (BSGE 73, 271, 287; BSG SozR 3 2500 § 13 Nr. 22). Es ist nicht ersichtlich, dass die Versorgung mit dem Zucker D Ribose so dringlich gewesen ist, dass dem Kläger das Abwarten auf die Entscheidung der Beklagten unzumutbar war.

Hinsichtlich der weiteren Kosten (1270,08 Euro) kommt ein Anspruch auf Erstattung nicht in Betracht, denn insoweit bestand und besteht kein Anspruch auf eine Sachleistung. Der Zucker D Ribose gehört nicht zum Leistungsumfang der Krankenversicherung.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit (§§ 27 bis 52 SGB V). Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst unter anderem die Versorgung mit Arzneimitteln (§ 27 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 SGB V).

Der Zucker D Ribose ist kein Arzneimittel im Sinne dieses Gesetzes. Der krankenversicherungsrechtliche Begriff des Arzneimittels knüpft zwar nicht an das Arzneimittelgesetz, wohl aber an das dort geregelte Zulassungsverfahren an (BSG, Urteil vom 10. Mai 1990, BSGE 67, 36, 38). Nicht zugelassene Arzneimittel können daher grundsätzlich nicht in der vertragsärztlichen Versorgung verordnet werden, selbst wenn die ablehnende Entscheidung noch nicht bestandskräftig ist (BSG, Urteil vom 06. Oktober 1997 1 BK 43/96). Dies hat das BSG in der Entscheidung vom 04. April 2006 B 1 KR 12/04 erneut bestätigt.

Der Zucker D Ribose ist auch kein Heilmittel im Sinne von § 32 SGB V. Darunter fallen ärztlich verordnete Dienstleistungen, die von entsprechend ausgebildeten Personen erbracht werden. D Ribose ist weder eine Dienstleistung noch wird es als solche von speziell ausgebildeten Personen erbracht (BSG, a. a. O.).

Schließlich ist der Zucker D Ribose auch kein Hilfsmittel im Sinne von § 33 Abs. 1 SGB V. Hilfsmittel sind die dort definierten Gegenstände, die den Erfolg einer Heilbehandlung sichern oder Folgen von Gesundheitsschäden mindern oder ausgleichen. Dazu zählen insbesondere Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel einschließlich der notwendigen Änderung, Instandhaltung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (BSG, a. a. O.).

Diese Regelungen begegnen auch keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Das BVerfG (a. a. O.) hat festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die Gesetzliche Krankenversicherung den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskataloges unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Nur das, was in diesen Leistungskatalog fällt, hat die Gesetzliche Krankenversicherung ihren Versicherten zu leisten.

Allerdings ist dem Kläger darin zuzustimmen, dass das BVerfG (a. a. O.) aus Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz und dem Sozialstaatsprinzip abgeleitet hat, dass es grundgesetzwidrig sei, wenn einem gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende medizinische Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfern liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine erweiternde Auslegung über die bereits im amtlichen Leitsatz des BVerfG zu der Entscheidung zum Ausdruck kommende Einschränkung auf lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankungen ist im Gegensatz zur Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers – weder der genannten Entscheidung zu entnehmen noch sonst geboten. Die Formulierung im Leitsatz der Entscheidung findet ihre Entsprechung in der Rdnr. 66 des juris Umdrucks, wo ausgeführt wird: Übernehme der Staat mit dem System der Gesetzlichen Krankenversicherung Verantwortung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Versicherten, so gehöre die Vorsorge in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung zum Kernbereich der Leistungspflicht und der Mindestversorgung. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor: Der Kläger leidet an Mangel an MADA. Dabei handelt es sich um ein Muskelleiden, eine nachhaltige, die Lebensqualität auf Dauer beeinträchtigende Krankheit, die extrem selten ist, jedoch weder lebensbedrohlich ist oder gar regelmäßig tödlich verläuft. Der MADA Mangel führt zu belastungsunabhängigen muskelkaterähnlichen Schmerzen, schmerzhaften Muskelversteifungen und sehr selten zu einem Untergang von Muskelgewebe (Rhabdomyolyse). Dies ergibt sich sowohl aus den medizinischen Feststellungen des MDK als auch aus den Darlegungen der betreffenden Ärztin Dr. A, die nicht von einer lebensbedrohlichen Krankheit berichten. Im Gegenteil legt Dr. A dar, der Zucker könne die Beschwerden lindern, erwähnt aber keine Lebenserhaltung. Auch das BSG (BSG, a.a.O.) beschreibt die Krankheit so.

Der Senat stimmt insoweit mit dem BSG, a. a. O., auch darin überein, dass kein Anlass besteht, die Rechtsgedanken der Entscheidung des BVerfG vom 06. Dezember 2005 auf weitläufigere Bereiche auszudehnen, in denen der Gesetzgeber den Leistungsumfang der Gesetzlichen Krankenversicherungen bewusst eingeschränkt hat.

Die Berufung muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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