L 24 KR 163/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 111/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 163/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. November 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine zahnprothetische Behandlung über den Festzuschuss hinaus.

Der 1951 geborene Kläger wurde im Jahre 2004 von der Beklagten mit Zahnersatz versorgt. Die Beklagte zahlte den Festzuschuss und der Kläger die darüber hinausgehenden Kosten. Der Zahnersatz enthielt Acryl und es wurde festgestellt, dass dies zu einer Schleimhautunverträglichkeit beim Kläger führte, da dieser auf den Werkstoff allergisch reagiert.

Deshalb musste nach Auffassung des behandelnden Zahnarztes P in G ein Ersatz der Teleskopprothesen vorgenommen werden. Der Zahnarzt P beantragte für den Kläger mit Schreiben vom 05. September 2005 die Übernahme der Kosten für eine neue Teleskopprothese an den gleichen Zähnen, die keine Werkstoffe enthielt, auf die der Kläger allergisch reagiert. Er bat um die Übernahme der Behandlungskosten hierfür, da der Kläger bereits zuvor den Eigenanteil getragen habe, ohne dass dies für ihn von Nutzen gewesen sei.

Mit Bescheid vom 20. September 2005 verfügte die Beklagte, dass sie für die Neuversorgung wiederum den Festzuschuss übernehmen werden. Nach Vorlage des Heil- und Kostenplanes werde die Beklagte dem Kläger einen Festzuschuss in Höhe von 2 464,00 EUR leisten (Bescheide vom 07. Dezember 2005 und 21. Dezember 2005).

Mit dem Widerspruch des Klägers hiergegen begehrte der Kläger die vollständige Kostenübernahme auch für den Restbetrag von 2 130,99 EUR.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2005 zurück.

Hiergegen hat sich die am 29. Juni 2006 beim Sozialgericht Cottbus erhobene Klage gerichtet, zu deren Begründung der Kläger erneut vorgetragen hat, die bei ihm vorhandene Allergie könne nicht dazu führen, dass er zweimal mit Kosten für die Zahnversorgung belastet werde.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Bescheide der Beklagten vom 20. September 2005, 07. September 2005, 20. Dezember 2005 und 30. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die vollständigen Zahnbehandlungskosten gemäß dem Heil- und Kostenplan vom 14. Dezember 2005 zu erstatten.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. November 2005 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Für das Begehren des Klägers existiert keine Rechtsgrundlage (§ 31 SGB I):

I. Die Vorschriften des § 55 SGB I regeln die Versorgung der Versicherten mit Zahnersatz speziell und abschließend (KassKomm Höfler SGB V, 2006 - § 55 Rn. 9). Über den hier unstreitigen Festzuschuss nach § 55 Abs. 1 SGB I und dem wirtschaftlichen Härteausgleich (siehe unter Ziff. II) könnend die Versicherten grundsätzlich keine weiteren Leistungen beanspruchen. Das gilt auch bei wiederholter zahnprothetischer Versorgung (BSG SozR 3 2500 § 30 Nr. 3 und Nr. 5). Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass lediglich die im Gesetz vorgesehenen Leistungen gewährt werden dürfen, wird von der Rechtsprechung nur unter dem Gesichtspunkt der Aufopferung, wenn die prothetische Versorgung durch einen hoheitlichen Eingriff verursacht worden ist, gesehen. Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einem hoheitlichen Eingriff.

II. Ein Anspruch entsprechend der wirtschaftlichen Härtefallklauseln in § 55 Abs. 2 und Abs. 3 SGB V scheidet offensichtlich aus, da gemäß § 55 Abs. 2 S. 3 als Einnahmen zum Lebensunterhalt der Versicherten auch die Einnahmen anderer in dem gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger und Angehöriger des Lebenspartners zählen. Bei einem Einkommen im Jahre 2004 von 38 353,00 EUR entsprechend dem Einkommenssteuerbescheid für 2004 und einem in etwa gleichen Betrag im Jahr 2005 (ausweislich der im Termin vom 21. November 2006 vorgelegten Einkommenssteuererklärung) wird die Einkommensgrenze nach § 55 Abs. 2 und 3 bei weitem überschritten.

Gegen dieses der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 20. Dezember 2006 zugestellte Urteil richtet sich deren Berufung vom 19. Januar 2007, mit der das Vorbringen des Klägers aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft wird und insbesondere die Auffassung vertreten wird, dem Kläger stehe die begehrte Leistung aufgrund seines öffentlich-rechtlichen Aufopferungsanspruches und der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. November 2006 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung beziehungsweise Abänderung der Bescheide vom 20. September 2005, 07. September 2005, 20. Dezember 2005 und 30. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 zu verurteilen, an den Kläger 2 130,99 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang der Beklagten zur streitigen Behandlung verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist zulässig. Über sie konnte der Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§§ 124, 155 Sozialgerichtsgesetz SGG ).

Aus dem Gesamtzusammenhang wird hinreichend deutlich, dass der Kläger die Leistung von 2 130,99 EUR an sich begehrt, so dass die Klage nicht deshalb unzulässig ist, weil der Leistungsklage ein bezifferter Leistungsantrag und eine Darlegung der Berechnungsgrundlagen dieses bezifferten Antrages fehlt (vgl. Bundessozialgericht BSG vom 13. Mai 2004, SozR 4 2500 § 39 Nr. 2 und Urteil vom 26. Januar 2006, B 3 KR 4/05 R).

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat zutreffend erkannt, dass dem Kläger nach Kenntniserlangung von seiner Allergie gegen Acrylwerkstoffe für die notwendig gewordene Versorgung mit einer Zahnprothese auch für diese nur der Festbetrag nach § 55 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch SGB V zusteht.

Das Landessozialgericht sieht insoweit zur Vermeidung bloßer Wiederholungen von weiteren Darlegungen ab und nimmt Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch die Ausführungen der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Berufungsverfahren sind nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung zu gelangen:

Der öffentlich-rechtliche Aufopferungsantrag, erstmals normiert in § 75 des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794 ALR , ist hier erkennbar nicht einschlägig. Voraussetzung hierfür ist, dass jemand durch einen hoheitlichen Eingriff der öffentlichen Gewalt zum Wohle des Gemeinwesens einen Schaden durch Enteignung oder enteignungsgleichen Eingriff erlitten hat. Hier fehlt es an beiden Tatbestandsvoraussetzungen. Weder war die Zahnbehandlung mit dem Werkstoff Acryl hoheitlich, sondern erfolgte aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages des Klägers mit dem behandelnden Zahnarzt, noch diente der Einsatz der Prothese dem gemeinen Wohl. Er diente vielmehr ausschließlich dem Wohl des Klägers selbst. Dass dies so ist, wird unmittelbar deutlich am Impfschaden, etwa für Pockenimpfungen, der dem § 75 ALR nachgebildet wurde. Bei der Pockenimpfung bestand ein staatlicher Zwang, daran teilzunehmen, das heißt, es lag eine hoheitliche Maßnahme gegenüber den Kindern und deren Eltern vor. Auch diente dieser Impfzwang nicht vorrangig dem Schutz des jeweilig zu Impfenden, sondern dem Schutz der Allgemeinheit vor den Pocken, mithin dem Gemeinwohl.

Für eine Ungleichbehandlung nach Art. 3 Grundgesetz GG sind keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass andere Versicherte, denen eine erneute Versorgung gewährt werden muss, diese unter Außerachtlassung der im Gesetz festgelegten Obergrenzen durch die Festbeträge erhalten. Die Ungleichbehandlung, die darin besteht, dass es Personen gibt, bei denen mehrere Behandlungen notwendig sind, und solche, bei denen eine einmalige Versorgung zunächst ausreicht, ist in der wesentlichen Ungleichheit dieser Personengruppen begründet und hiermit hinzunehmen.

Für die begehrte Rechtsfortbildung ist keinerlei Raum gegeben, da der Gesetzgeber das Problem, dass die Festbetragsregelung des § 55 Abs. 1 SGB V in Einzelfällen zu sozialen Härten führen kann, gesehen und insofern die Härtefallregelung des § 55 Abs. 2 SGB V geschaffen hat. Das bringt zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber zum einen den Festbetrag einführen und zum anderen eine abschließende Regelung für Härtefälle schaffen wollte, die sich hieraus ergeben. Liegt jedoch eine abschließende Regelung vor, so ist für eine weitere Entwicklung von Richterrecht, etwa durch eine Analogie oder verfassungskonforme Auslegung, kein Raum.

Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, unter Außerachtlassung des positiven Rechts oder gar entgegen diesem neues Recht zu setzen.

Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Für die Zulassung der Revision ist keiner der in § 160 Abs. 2 SGG dargelegten Gründe ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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