L 15 SO 52/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 18 SO 2602/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 52/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit des Klägers unter dem Aktenzeichen L 15 SO 1056/05 durch Rücknahme der Berufung am 22. Januar 2007 erledigt ist. Außergerichtliche Kosten im Rahmen der Fortsetzung des Rechtsstreits vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte gewährte dem 1962 geborenen Kläger, der eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von rund 780,00 Euro bezieht, aber nicht krankenversichert ist, zunächst antragsgemäß mit Bescheid vom 10. Januar 2005 Krankenhilfe nach § 48 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – SGB XII – durch Anmeldung bei der AOK Berlin. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Bewilligung vorerst nur bis zum Ende des laufenden Monats gelte und sich der Bewilligungszeitraum bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen für die Hilfegewährung jeweils um einen Monat verlängern würde. Im Januar 2005 wurde bekannt, dass der Kläger über ein Postsparbuch mit einem Guthaben von über 62.000,00 Euro verfügte, das nach Auffassung des Klägers nicht zu berücksichtigen sei, weil es sich aus einer Rentennachzahlung von 11.155,65 DM sowie Erspartem aus seiner Erwerbsunfähigkeitsrente zusammensetze und die einzige ihm mögliche Vorsorge sei.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2005 stellte der Beklagte gleichwohl die weitere Hilfegewährung nach dem SGB XII ein und meldete den Kläger mit sofortiger Wirkung bei der AOK wieder ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen sinngemäß aus, dass das Vermögen in Höhe von 62.100,89 Euro die maßgebliche Schonvermögensgrenze nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII, die 2.600,00 Euro betrage, um 59.500,89 Euro überschreite. Dem Kläger sei es deshalb möglich und zumutbar, dieses Vermögen für seinen weiteren Krankenversicherungsschutz zu verwerten und auch etwaige Praxisgebühren selbst zu begleichen.

Die vom Kläger am 03. Mai 2005 erhobene Klage mit dem sinngemäßen Antrag, den Beklagten zu verpflichten, ihm eine beitragsfreie gesetzliche Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung zu gewähren, eine medizinische Diagnose zu erstellen, ihn von den Praxisgebühren zu befreien, die Praxisgebühr 2004 zurückzuzahlen und die Kosten für eine Behandlungsfehlernachbehandlung zu übernehmen, hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. Juli 2005 abgewiesen. Die Klage sei unbegründet, weil der Kläger mangels Bedürftigkeit gegen den Beklagten keinerlei sozialhilferechtliche Ansprüche habe. Zur Begründung seiner dagegen eingelegten Berufung (Az.: L 15 SO 1056/05) hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass er aufgrund von Behandlungsfehlern im Jahre 1970 und der Verweigerung einer sachbezogenen und beschwerdegerechten Diagnosestellung und medizinischer Behandlung Anspruch auf gesetzliche Krankenversicherung habe. Die von der Krankenversicherung angegebenen Versicherungsausfallzeiten dürften nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden. Er beantrage eine Betreuung, Rechtsschutz und die Benennung von Personen, die für Rechtspflege zuständig seien.

Das Amtsgericht H – Vormundschaftsgericht – hat mit Beschluss vom 23. November 2006 – – Rechtsanwalt Dr. J K als vorläufigen (berufsmäßigen) Betreuer des Klägers unter anderem für die Aufgabenkreise Wahrnehmung der Vermögens- und Behördenangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Sozialgerichten bestellt und die sofortige Wirksamkeit dieser Entscheidung angeordnet. Dagegen hat der Kläger Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2007, der per Fax am selben Tag bei Gericht eingegangen ist, hat der Betreuer die Berufung zurückgenommen.

Nachdem das Amtsgericht H mit Beschluss vom 22. Februar 2007 die angeordnete Betreuung aufgehoben hat, hat der Kläger mit Schreiben vom 07. März 2007 die "Wiederzulassung" der Berufung beantragt und geltend gemacht, dass die Berufung gegen seinen Willen zurückgenommen worden sei, wie er dem Gericht bereits mit Schreiben vom 25. Januar 2007 mitgeteilt habe. Sein Betreuer sei nicht handlungsberechtigt gewesen, weil die Anordnung der Betreuung wegen der von ihm dagegen eingelegten Beschwerde nicht rechtskräftig gewesen sei. Er erwarte außerdem, dass das Landessozialgericht die vom Amtsgericht festgesetzte pauschale Vergütung von 1097,07 Euro für nicht geleistete Betreuung nicht wirksam werden lasse und darauf hinwirke, dass ihm das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten zur Kenntnis gegeben werde.

Der Kläger beantragt im Übrigen sinngemäß (entsprechend seinen Schriftsätzen vom 12. Januar und 20. April 2006),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2005 sowie den Bescheid des Beklagten vom 11. Februar 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. April 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm eine beitragsfreie gesetzliche Krankenversicherung zu gewähren, Praxisgebühren (2 x 10,00 Euro) für 2004 zu erstatten, ihn von weiteren Praxisgebühren zu befreien, die Kosten für eine Behandlungsfehlernachbehandlung nach sachgerechter Diagnosestellung zu übernehmen, sowie die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

festzustellen, dass die Berufungsrücknahme wirksam mit Schriftsatz vom 22. Januar 2007 erfolgt ist.

Der Senat hat das Verfahren unter dem neuen Aktenzeichen L 15 SO 52/07 aufgenommen und die Betreuungsakte des Amtsgericht Hohenschönhausen – – eingesehen. Daraus ergibt sich, dass das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Mai 2007 dem Betreuer Dr. K für seine Tätigkeit in der Zeit vom 26. November 2006 bis zum 22. Februar 2007 eine pauschale Vergütung in Höhe von 1097,07 Euro aus dem in Höhe von 76.981,25 Euro ermittelten Vermögen des Klägers bewilligt hat. Über die vom Kläger dagegen eingelegte sofortige Beschwerde ist noch nicht entschieden. Ferner hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 6. Juni 2007 die Herausgabe des im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachtens aus Gründen der Eigen- und Fremdgefährdung abgelehnt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auch in Abwesenheit der Beteiligten verhandeln und entscheiden, weil auf diese Möglichkeit in der beiden Beteiligten ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung hingewiesen worden ist (vgl. § 110 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).

Besteht Streit über eine wirksame Verfahrensbeendigung durch Rücknahme der Berufung, hat das Berufungsgericht das Verfahren weiter zu führen. Es entscheidet durch Urteil entweder dahin, dass der Rechtsstreit durch Zurücknahme erledigt ist, oder zur Sache, wenn die Prüfung ergibt, dass eine Rücknahme nicht erklärt worden ist oder unwirksam war (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 8. Auflage, Rdnr. 6 zu § 156 m. w. N.).

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass der unter dem Aktenzeichen L 15 SO 1056/05 geführte Rechtsstreit des Klägers durch wirksame Rücknahme der Berufung am 22. Januar 2007 erledigt worden ist.

Nach § 156 Abs. 1 Satz 1 SGG kann die Berufung bis zur Rechtskraft des Urteils zurückgenommen werden. Die Zurücknahme bewirkt den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 2 Satz 1 SGG), das heißt, sie kann danach nicht erneut eingelegt werden. Die Rücknahme der Berufung ist eine Prozesshandlung, die gegenüber dem Gericht mündlich zu Protokoll oder schriftlich zu erklären ist und in letzterem Fall mit Zugang des Schriftsatzes bei Gericht wirksam wird. Die von Rechtsanwalt Dr. K mit Schriftsatz vom 22. Januar 2007 erklärte und am selben Tag per Fax bei Gericht eingegangene Rücknahme der Berufung hat das Verfahren unmittelbar beendet, was der Kläger gegen sich gelten lassen muss. Dr. K war vom zuständigen Vormundschaftsgericht mit Beschluss vom 23. November 2006 gemäß § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB – vorläufig zu seinem Betreuer unter anderem für die Aufgabenkreise Wahrnehmung der Vermögens- und Behördenangelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Sozialgerichten eingesetzt worden. In den genannten Aufgabenkreisen war der Betreuer gesetzlicher Vertreter des Klägers (vgl. § 1902 BGB) und als solcher – auch ohne dessen Einverständnis – zu allen Prozesshandlungen befugt, damit auch zur Beendigung des Rechtsstreits durch Rücknahme der Berufung.

Entgegen der Auffassung des Klägers war die Bestellung des Dr. K zu seinem Betreuer ungeachtet seiner dagegen eingelegten Beschwerde wirksam, weil sein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung hatte und das Vormundschaftsgericht nach Aktenlage die Vollziehung seiner für sofort wirksam erklärten Anordnung der vorläufigen rechtlichen Betreuung auch nicht ausgesetzt hatte (vgl. § 24 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit -FGG-).

Dass der Kläger mit Schreiben vom 25. Januar 2007 dem Berufungssenat gegenüber erklärt hat, die Berufung nicht zurückzunehmen, ist rechtlich unbeachtlich, denn die – wie dargelegt wirksame – Rücknahme durch seinen Betreuer kann als Prozesserklärung grundsätzlich nicht angefochten oder widerrufen werden (vgl. Meyer-Ladewig, aaO, Rdnr. 2 a zu § 156). Allenfalls könnte eine Berufungsrücknahme entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund (§ 179 Abs. 1 SGG i. V. m. § 580 der Zivilprozessordnung – ZPO –) gegeben wäre (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 24. April 1980 – BSG 9 RV 16/79 – m. w. N., zitiert nach Juris). Einen solchen Tatbestand (insbesondere: falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis/Gutachten, Urteilserschleichung, Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) hat der Kläger bezüglich des hier vorliegenden Rechtsstreites weder vorgetragen, noch ergeben sich diesbezüglich irgendwelche Hinweise aus den Akten. Soweit er geltend macht, dass das im Betreuungsverfahren eingeholte Gutachten unzutreffend und verleumderisch sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass ihm der Inhalt dieses Gutachtens gar nicht bekannt gegeben worden ist und es im Übrigen nicht den hier zu beurteilenden und durch Rücknahme beendeten Rechtsstreit betrifft. Ob ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO ebenfalls einen Widerruf zu rechtfertigen vermag, kann dahingestellt bleiben (vgl. auch hierzu das bereits zitierte Urteil des BSG). Jedenfalls fehlt es gerade nicht an einer ordnungsgemäßen Vertretung des Klägers (§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO), denn Dr. K handelte im Berufungsverfahren im Rahmen der ihm als Betreuer übertragenen Aufgabenkreise. Die weiteren gesetzlichen Nichtigkeitsgründe (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines Kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters) liegen offensichtlich nicht vor.

Im Ergebnis bleibt es damit dabei, dass der Rechtsstreit durch Berufungsrücknahme seine Erledigung gefunden hat und das Verfahren beendet ist. Einen Sachantrag kann der Kläger danach zulässigerweise nicht mehr stellen. Dass die Berufung in der Sache keinen Erfolg haben würde, hat ihm der Senat aber auch dargelegt, unter anderem in seinem Beschluss vom 16. Januar 2006, durch den die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden war.

Nur ergänzend ist nochmals darauf hinzuweisen, dass über die vom Kläger begehrte Übermittlung des im Betreuungsverfahren eingeholten medizinischen Gutachtens sowie die Berechtigung der von seinem Betreuer geltend gemachten Vergütung ausschließlich das Vormundschaftsgericht bzw. das für die vom Kläger eingelegten Rechtsmittel zuständige Instanzgericht zu befinden hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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