L 1 KR 106/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 3769/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 106/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die Beklagte der Klägerin eine Vergütung für Leistungen der häuslichen Krankenpflege schuldet.

Die Klägerin erbrachte im Zeitraum vom 1. September 1999 bis 31. Dezember 2004 für Versicherte der Beklagten Leistungen der häuslichen Krankenpflege und stellte diese der Beklagten in Rechnung. Auf die eingereichten Rechnungskopien wird verwiesen. Die Abrechnung erfolgte dabei zu den Vergütungssätzen des zum 1. September 1999 in Kraft getretenen Rahmenvertrages gemäß § 132 a Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. mit Anlage 6 (Vergütungsvereinbarung) vom 5. Juli 1999, den die Mehrzahl der Krankenkassen – jedoch nicht die Beklagte – mit den Leistungserbringern, u. a. der Klägerin, abgeschlossen hatte. Mit Schreiben vom 31. August 1999 hatte die Beklagte zuvor bereits in diesem Zusammenhang anlässlich des Auflaufens der bis dahin geltenden Regelungen allen Sozialstationen mitgeteilt, auch ohne Vertrag die notwendigen Leistungen zu übernehmen, damit die Versicherten nicht auf ihre gewohnte Pflege verzichten müssten. Weiter heißt es in dem Schreiben: "Bitte haben Sie Verständnis, wenn dies nur zu einem Preis erfolgen kann, den auch unsere Partner für ihre Leistungen erhalten. Ein aktuelles Vertragsangebot liegt ihnen bereits vor. Wir hoffen, dass Sie mit dieser Regelung einverstanden sind."

Die Beklagte zahlte auf die Rechnungen im Prinzip immer nur eine abgesenkte Vergütung auf der Grundlage des sog. BKK-Vertrages. Sie und andere Betriebskrankenkassen hatten nämlich bereits zuvor mit einigen Leistungserbringern diesen eigenen Vertrag abgeschlossen, der für die einzelnen Leistungen jeweils eine geringere Vergütung vorsah. Am 06. Dezember 1999 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, in welcher sie einen vor Gericht in einem anderen Verfahren geschlossenen Vergleich übernahmen. Darin heißt es unter anderem: "1. Die Beklagten sind sich einig, dass die umfassende Versorgung der Versicherten der BKK des Landes Berlin durch die Antragstellerin weiterhin sichergestellt wird. 2. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin setzen die Versorgung der Versicherten fort auf der Basis weiterer Rahmenverträge (Rahmenvertrag vom 01. Oktober 1999 und Vertragsangebot der BKK Berlin vom 01. September 1999) und wenden die übereinstimmenden Vertragsteile an, wodurch die Versorgung der Versicherten sichergestellt ist. 3. Die inhaltlichen Abweichungen und die Differenzen in der Höhe des Leistungsentgelts werden gesondert verhandelt, wobei die Antragsgegnerin sich bereit erklärt, vorläufig ab 01. September 1999 die Vergütung auf der Grundlage des BKK-Vertrages vom 01. September 1999 zu zahlen, und wobei sich die Antragstellerin mit dieser vorläufigen Vergütung einverstanden erklärt. 4. Ein gegebenenfalls erzieltes Verhandlungsergebnis wird rückwirkend ab 01. September 1999 anerkannt. 5. Diese Vereinbarung hat Gültigkeit bis 31. März 2000 ..." Mit ihrer am 21. Dezember 2001 erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst nur die Beiträge geltend gemacht, um die die Beklagte die Abrechnungen für die Monate September 1999 bis einschließlich Dezember 1999 gekürzt hat. Sie hat dann mit Schriftsatz vom 30. September 2002 die Klage um Differenzbeträge zwischen Rechnungsbeträgen und den Sätzen gemäß BKK-Vertrag für die Abrechnungen der Monate Januar 2000 bis einschließlich Dezember 2000 erweitert. Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2005 hat sie die Klage schließlich um die Differenzbeträge hinsichtlich der Abrechnungen für die Jahre 2001 bis 2004 erweitert.

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, zwischen ihr und der Klägerin sei konkludent ein Versorgungsvertrag zu den Bedingungen des BKK-Vertrages geschlossen worden in dem sie, die Beklagte, am 31. August 1999 angekündigt habe, die Leistungen nur noch zu den Preisen des BKK-Vertrages vergüten zu wollen. Die Klägerin habe sich hierauf eingelassen. Im Übrigen sei die Klage nicht schlüssig.

Das SG hat der Klage mit Urteil vom 21. Februar 2006 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 11.415,20 EUR nebst anteiliger entsprechender Verzugszinsen zu zahlen. Die Klageerweiterungen seien sachdienlich nach § 99 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Klägerin stehe der geltend gemachte Betrag aus §§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, 818 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hinsichtlich des Zeitraumes September 1999 bis 31. März 2000 bzw. §§ 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB hinsichtlich des restlichen Zeitraumes zu. Die Voraussetzungen dieses ab dem 1. Januar 2000 aufgrund der ausdrücklichen Regelung in § 69 S. 3 SGB V und für die Zeit davor der rechtlichen Einordnung nach (hierzu Bezugnahme auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 2/03 R) privatrechtlichen Anspruchs lägen vor. Die Beklagte sei ungerechtfertigt bereichert im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB, weil sie die Pflegeleistungen ohne Rechtsgrund erhalten habe bzw. ein solcher weggefallen sei, nachdem der vorläufigen Regelung im Vergleich vom 6. Dezember 1999 keine endgültige gefolgt sei. Die Beklagte sei nach § 818 Abs. 2 BGB zum Wertersatz verpflichtet, der sich nach dem objektiven Verkehrswert des Erlangten richte. Dieser bestimme sich nach den üblicherweise gezahlten Entgelten, hier konkret nach den Sätzen des mit den anderen Krankenkassen geschlossenen Rahmenvertrages. Die Beklagte sei nämlich seit September 1999 nicht in der Lage gewesen, mit den Vertragspartnern des BKK-Vertrages die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege sicherzustellen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 69 S. 3 SGB V i.V.m. § 291, 288 Abs. 1 S. 1 BGB in der bis 31. Dezember 2001 gültigen Fassung sowie aus § 69 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3, 288 Abs. 2 BGB. Die Kostenentscheidung richte sich umfassend nach dem bis 31. Dezember 2002 gültigen Recht. Denn nach Art. 17 Abs. 1 S. 2 6. SGGÄndG (BGBl. I 2001, 2144, 2158) gelte § 183 SGG in der alten Fassung für "Verfahren" weiter und nicht etwa nur für die einzelnen Streitgegenstände, die bereits vor dem 2. Januar 2002 rechtshängig gewesen seien.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung hat sie ausgeführt, es sei ein Gerücht, dass sie im September 1999 nicht in der Lage gewesen sei, die Versorgung ihrer Versicherten mit Leistungen der häuslichen Krankenpflege mit Vertragspartnern auf der Grundlage des BKK-Vertrages sicherzustellen (GA Bl. 384 ff.). Auch habe das LSG Hamburg rechtskräftig entschieden, dass ein Pflegedienst aus der Verpflichtung der Krankenkasse, ihren Versicherten gegenüber Pflegeleistungen zu erbringen, keine Rechte herleiten könne (Bezug auf LSG Hamburg, Urteil vom 10. November 2004 – L 1 KR 43/04 - ). Das Bundessozialgericht habe weiter im Urteil vom 26. Juli 2004 – B 3 KR 2/03 R – nur im speziellen Fall hinsichtlich einer ungerechtfertigten Bereicherung zugunsten des Pflegedienstes entschieden (GA Bl. 395). Die Pflegedienste – hier die Klägerin – seien auch keinem Irrtum unterlegen. Die Beklagte habe immer darauf hingewiesen, dass ein vertragsloser Zustand herrsche. Der 6. Senat des BSG habe im Urteil vom 8. September 2004 – B 6 KR 14/03 – entschieden, dass Ärzte aus überhaupt keinem Rechtsgrund für unter Verstoß gegen vertragsarztrechtliche Bestimmungen erbrachte Operationen eine Vergütung verlangen könnten. Die Parallele zum vorliegenden Falle liege auf der Hand (GA Bl. 402 f.).

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Februar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Beschluss des BSG vom 25. Oktober 2006 – B 3 KR 18/06 B -, in welchem das BSG die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 4. Juli 2006 – L 24 KR 1067/05 – verworfen hat.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schreiben wird ergänzend Bezug genommen. Diese haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Zahlung der im Streit befindlichen Summe nebst Zinsen verurteilt. Auf die zutreffenden Ausführungen wird zur Vermeidung bloßer Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen. Im Berufungsverfahren haben sich keine neuen Aspekte gezeigt.

Rechtsgrundlage der geltend gemachten Ansprüche ist § 69 Satz 3 SGB V jedenfalls in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative, 818 Abs. 2 BGB. Ob ein Vergütungsanspruch in dieser Höhe sogar aus Vertrag folgt, kann dahingestellt bleiben:

1. § 69 Satz 1 SGB V in der für das Jahr 1999 maßgebenden Fassung des Artikel 2 Nr. 3 des Gesetzes vom 16. Juni 1998 (BGBl. I Seite 1311) bestimmte, dass (dieses) Kapitel die Rechtsbeziehungen der Krankenkasse u. a. zu den sonstigen Leistungserbringern regele. Nach § 69 Sätze 1 und 3 SGB V in der ab 1. Januar 2000 maßgebenden Fassung des Artikel 1 Nr. 26 des Gesetzes vom 22. Dezember 1999 (BGBl I Seite 2626) regelt das (Vierte) Kapitel sowie die §§ 63 und 64 SGB V abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden, einschließlich der Beschlüsse der Bundes- und Landesausschüsse nach den §§ 90 bis 94 SGB V. Regelungen zur Versorgung mit häuslicher Krankenpflege finden sich in § 132 a SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Artikel Nr. 17 des Gesetzes vom 23. Juni 1997 (BGBl. I Seite 1520). Danach sollen die Spitzenverbände der Krankenkassen mit den Spitzenorganisationen der Pflegedienste auf Bundesebene Rahmenempfehlungen für die einheitliche Versorgung mit häuslicher Krankenpflege abgeben. Dort sollen insbesondere die Grundsätze der Vergütung und ihre Strukturen geregelt werden (§ 132 a Abs. 1 Satz 1, Satz 4 Nr. 6 und Abs. 2 Satz 1 SGB V). Über die Einzelheiten der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege sowie über die Preise und deren Abrechnungen sollen die Krankenkasse Verträge mit den Leistungserbringern schließen. Zwischen den Parteien hier bestand für den Zeitraum 1. September 1999 bis 31. März 2000 als ausdrückliche Erklärungen lediglich rudimentäre Vereinbarungen aufgrund der zwischen den Beteiligten vereinbarten Geltung des Vergleiches vom 1. Oktober 1999. Die Beteiligten waren sich darin einig, dass die umfassende Versorgung der Versicherten der Beklagten durch die Klägerin weiterhin sichergestellt wurde. Inhaltliche Abweichungen in den beiden im Vergleich genannten Rahmenverträgen sowie die Differenzen in der Höhe der Leistungsentgelte sollten gesondert verhandelt werden. Als vorläufige Vergütung wurden die Leistungsentgelte zugrunde gelegt, die die Beklagte nach dem BKK-Vertrag zahlte, die hier jedoch nicht im Streit ist. Es geht vielmehr ausschließlich um Leistungsentgelte darüber hinaus. Für den Zeitraum ab 1. April 2000 gibt es nicht einmal diese rudimentären Regelungen.

2. Eine vertragliche Regelung der Vergütung in konkludenter Form in genereller Form oder in jedem Einzelfall ist wohl nicht erfolgt. Nach den Grundsätzen des Rechtsinstitutes der "Protestatio facto contraria" können zwar Willenserklärungen auch konkludent abgegeben werden, wenn ein nach außen gerichtetes Verhalten nach Treu und Glauben unter Beachtung der Verkehrssitte nur als Ausdruck eines bestimmten Willens aufgefasst werden kann, wobei die wörtliche Verwahrung gegen eine entsprechende Deutung dieses Verhaltens unbeachtlich ist, weil dies in Widerspruch zu dem eigenen tatsächlichen Verhalten steht (vgl. BSG, Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03 R – SozR 4-2500 § 132 a Nr. 1 S. 5 mit Bezug auf BGH WM 1986, 1390 und NJW 2002, 817). Das Rechtsinstitut ist aber primär auf Fälle zugeschnitten, in denen jemand ohne rechtlichen oder faktischen Zwang eine Leistung in Anspruch nimmt, die im Allgemeinen nur gegen eine Gegenleistung erbracht wird, und dabei ausdrücklich oder konkludent erklärt, die Gegenleistung nicht erbringen zu wollen (BSG, a. a. O. mit Bezug auf BGH NJW 2000, 3429). Das BSG war der Auffassung, dass es im von ihm entschiedenen Fall an einem solch widersprüchlichen Verhalten mangele. Trotz eines offenen Dissenses über die Grundlagen der Preisvorstellungen seien Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege weiterhin genehmigt erbracht worden, weil dies auf Seiten der Krankenkasse zu ihren gesetzlichen Obliegenheiten gegenüber den Versicherten gehört habe und das Pflegeunternehmen sachlich auf die Erbringung entsprechender Dienste angewiesen gewesen sei. Eine grundsätzliche Ablehnung der Behandlung von Versicherten der beklagten Krankenkasse wäre für das Pflegeunternehmen wirtschaftlich riskant gewesen, weil zahlreiche Fälle auf dem Spiel gestanden hätten. Es sei einem besonderen Druck ausgesetzt gewesen, weil der Vergütungsstreit bereits längere Zeit angedauert habe und ein Ende nicht absehbar gewesen sei. Bei einer solchen Lage sei kein Verhalten des Pflegeunternehmens erkennbar, welches die Krankenkasse nach Treu und Glauben als Akzeptanz ihrer anderweitigen Preisvorstellungen habe deuten können. Auch das Pflegeunternehmen habe nicht annehmen dürfen, dass die Krankenkasse mit der Genehmigung weiterer Verordnungen zu den höheren Sätzen aus der früheren Vergütungsvereinbarung habe zurückkehren wollen. Die Zwangslagen sind im vorliegenden Fall ganz ähnlich gewesen. Eine vertragliche konkludente Vereinbarung der Vergütung nach einer der beiden Vergütungsregelungen scheidet deshalb aus. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Parteien konkludent vereinbaren wollten, die Vergütung nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmen, also den üblichen Preis zu vereinbaren. Die Erklärung der Beklagten vom 31. August 1999 kann trotz der Wendung "Wir hoffen, dass Sie mit dieser Regelung einverstanden sind." nicht als Einschränkung des vorangegangenen Absatzes angesehen werden, der deutlich den Willen zum Ausdruck bringt, nur die Sätze des BKK-Vertrages zahlen zu wollen.

Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Krankenkasse als Gläubigerin nach § 315 BGB scheidet darüber hinaus ebenso aus wie ein einseitiges Preisbestimmungsrecht des Pflegeunternehmens nach § 316 BGB (so zutreffend BSG, Urteil vom 13. Mai 2004, a. a. O. und Urteil vom 25. September 2001 – B 3 KR 15/00 R – SozR 3-2500 § 132 a Nr. 1 S. 4f). Nach dem Gesetz sollen die wichtigen Vertragselemente nicht einseitig, sondern zweiseitig geregelt werden oder eben ungeklärt bleiben. Alles andere würde dem Ziel eines wirtschaftlichen Wettbewerbs und eines freien Aushandelns nach Angebot und Nachfrage zuwiderlaufen.

2. Ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereichung ist nicht ausgeschlossen (ebenso bereits LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 4.7.2006 -L 24 KR 1067/05). Fehlt es an einer vertraglichen Rechtsgrundlage, scheiden zwar grundsätzlich Ansprüche aus Gesetz aus. Die gesetzliche Krankenversicherung hat nämlich nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung den Zweck, den Versicherten von Krankheitskosten zu entlasten. Ihre Aufgabe ist es nicht, dem Leistungsanbieter im Gesundheitswesen vor ungedeckten Kosten zu schützen, wenn dieser an Versicherte Leistungen erbringt. Das gilt auch, soweit die Krankenkasse Aufwendungen einspart, die ihr sonst durch die von ihr dem Versicherten gegenüber geschuldete Behandlung entstanden wären. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Grundsätze des Leistungserbringungsrechts einem auf den Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag oder der ungerechtfertigten Bereichung gestützten Anspruch gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung entgegenstehen, wenn Leistungen an Versicherte erbracht werden, zu denen der Leistungserbringer nach diesen Grundsätzen nicht berechtigt ist (BSG, Urteil vom 28. März 2000 – B 1 KR 21/099 R – SozR 3-2500 § 13 Nr. 21 S. 97f; Urteil vom 4. Mai 1994 – 6 RKa 40/93SozR 3-2500 § 85 Nr. 6 S. 35f). Dies folgt mittlerweile direkt aus § 69 Satz 1 SGB V. Das SGB V regele danach abschließend die Rechtsbeziehungen. Bestimmungen, welche die Vergütung ärztlicher oder sonstiger Leistungen von der Erfüllung bestimmter Formalien oder inhaltlicher Voraussetzungen abhängig machen, haben innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung die Funktion zu gewährleisten, dass sich die Leistungserbringung nach den für diese Art der Versorgung geltenden gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen vollzieht. Dies wird dadurch erreicht, dass dem Leistungserbringer für Leistungen, die unter Verstoß gegen derartige Vorschriften bewirkt werden, auch dann keine Vergütung zusteht, wenn diese Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht werden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Die Regelungen über die Erfüllung bestimmter formaler oder inhaltlicher Voraussetzungen der Leistungserbringung könnten nur funktionieren, wenn der Leistungserbringer die rechtswidrig bewirkte Leistung nicht doch über einen Wertersatz im Ergebnis vergütet bekäme (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 2/05 R – Juris). Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Ist zwischen den Beteiligten die grundsätzliche Berechtigung zur Erbringung der Leistungen, für die eine Vergütung begehrt wird, nicht streitig, kommen auch Ansprüche aus Gesetz, insbesondere aus Bereichungsrecht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 RSozR 4-2500 § 39 Nr. 1 S. 9; Urteil vom 13. Mai 2004 – B 3 KR 2/03, a. a. O.). Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass sich in diesen Fällen der Leistungserbringer nicht außerhalb des Leistungserbringungsrechtes bewegt, wenn ihm die Krankenkasse die Leistungserbringung dem Grunde nach erlaubt. Es verstieße gegen Treu und Glauben, wenn sich eine Krankenkasse darauf berufen könnte, wegen der abschließenden Regelung der Rechtsbeziehungen seien gesetzliche Ansprüche ausgeschlossen, die nach dem Gesetz zumindest ergänzend herangezogen werden können (vgl. § 69 Satz 3 SGB V). Die Krankenkasse ist nämlich in gleicher Weise dem Gesetz insoweit unterworfen, als sie Leistungen nur durch solche Leistungserbringer gewähren darf, mit denen sie vertragliche Rechtsbeziehungen hat (so zutreffend 24. Senat, Urteil vom 4. Juli 2006, a. a. O.).

3. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 erste Alternative, 818 Abs. 2 BGB hat derjenige, der durch die Leistung eines Anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt hat, dieses Erlangte herausgeben. Ein solcher Fall liegt hier vor. Durch das Tätigwerden der Klägerin ist die Beklagte von ihrer gegenüber ihren Versicherten bestehenden Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege befreit worden. Diese Leistungsansprüche sind durch die klägerische Leistungserbringung erfüllt und damit erloschen (§ 362 BGB), ohne dass hierfür ein Rechtsgrund – wie ausgeführt – vorhanden gewesen ist (vgl. die genaue Herleitung durch das BSG im Urt. vom 13. Mai 2004, a. a. O. S. 9f).

4. Da die Herausgabe der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich ist, muss die Beklagte Wertersatz leisten (so bereits Urteil des LSG Berlin vom 2. März 2005 – L 9 KR 19/01 – mit Bezug auf Urteil des BSG vom 13. Mai 2004; sowie LSG Berlin-Brandenburg, 24. Senat, U. v. 4. 07.2006 a.a.O.).

Der Verpflichtung zum Wertersatz steht § 814 BGB nicht entgegen. Danach kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Der Leistende muss also positive Kenntnis vom Nichtbestehen der Verbindlichkeit haben. Dazu ist erforderlich, dass der Leistende aus den ihm bekannten Tatsachen auch die zutreffende Schlussfolgerung gezogen hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet ist. Bloße Zweifel des Leistenden über den Bestand der Verbindlichkeit schließen einen Anspruch auf Herausgabe bzw. Wertersatz grundsätzlich nicht aus. Bei § 814 Erste Alternative BGB handelt es sich um einen gesetzlich geregelten Fall des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens, des venire contra factum proprium (so zutreffend 24. Senat, Urteil vom 4. Juli 2006, mit Bezug auf BGHZ 73, 202, 205). Für den Zeitraum vom 1. September 1999 bis 31. März 2000 scheidet § 814 BGB von vornherein aus, denn nach Ziffer 1 des Vergleichs vom 1. Oktober 1999 waren sich die Beteiligten gerade darin einig, dass die Klägerin weiterhin die umfassende Versorgung der Versicherten der Beklagten sicherstellen sollte. Sie konnte daher -auch rückwirkend- davon ausgehen, dass sie dafür auch eine Gegenleistung erhalte. Nichts anderes gilt für den nachfolgenden Zeitraum ab 1. April 2000. Wie bereits dargelegt, war die Beklagte weiterhin bereit, auch ohne vertragliche Regelung der Vergütung die von der Klägerin erbrachten notwendigen Leistungen zu übernehmen. Es war damit nicht so, dass diese für ihre Pflegeleistungen erkennbar keine Gegenleistung (über die Vergütung nach dem BKK-Vertrag hinaus) erwartet hätte, so dass das Verlangen nach Wertersatz deswegen auch nicht als widersprüchlich erscheint (so zutreffend 24. Senat, a. a. O. mit Bezug auf BSG, U. v. 13.05. 2004).

5. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt auch kein Fall einer so genannten aufgedrängten Bereicherung vor. Es ist nicht so, dass – wie es hierfür erforderlich wäre – für die Beklagte die eingetretene Bereicherung ohne subjektives Interesse gewesen ist (vgl. Palandt-Bassenge BGB § 951 Randnr. 18, 21). Sie ist von ihrer Verpflichtung nach § 37 SGB V zur Leistungserbringung ihren Versicherten gegenüber befreit worden (vgl. ebenso ausführlich: 24. Senat, Urteil vom 4. Juli 2006). Die Situation war anders, als in dem vom LSG Hamburg mit Urteil vom 24. Januar 2007 – L 1 KR 19/06 – entschiedenen Fall. Im Hamburger Fall bedurfte die Krankenkasse der Leistungen des klagenden Pflegeunternehmens nicht zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrages. Hingegen ist die Beklagte in Berlin auf die Leistungen unter anderem durch die Klägerin angewiesen gewesen (dazu sogleich unter 6.). Auf die unterschiedliche tatsächliche Ausgangslage weist auch das LSG Hamburg im zitierten Urteil hin.

6. Für die Wertbestimmung im Sinne des § 818 Abs. 2 BGB ist der objektive Verkehrswert des Erlangten maßgeblich. Der objektive Gegenwert für die Befreiung von den Sachleistungsansprüchen der Versicherten wird durch den finanziellen Aufwand dargestellt, den die beklagte Krankenkasse ihrerseits erspart hat. Dies stellt die Werteinschätzung dar, welche die verkehrsbeteiligten Kreise einer solchen Freistellung entgegenbringen. Nach dem hier unstreitigen und auch bereits in erster Instanz eingeführten Urteil des LSG Berlin vom 2. März 2005 – L 9 KR 19/01 – zugrunde gelegten Sachverhalt, hätte die Beklagte die von der Klägerin verlangten Vergütungssätze nach dem Rahmenvertrag vom 5. Juli 1999 aufwenden müssen, um Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege für ihre Versicherten im Regelfall zu finanzieren. Nennenswerte Vergütungsvereinbarungen zu niedrigeren Vergütungssätzen, welche die Beklagte mit weiteren Pflegeunternehmen abgeschlossen hat (vgl. zu deren Berücksichtigungsnotwendigkeit: BSG, Urteil vom 13. Mai 2004, a. a. O. S. 9) hat es nicht gegeben. Nach den eingeführten Angaben der Betriebskrankenkassen hat es überhaupt nur zehn Pflegeunternehmen in Berlin gegeben, welche bereit waren, Leistungen zu den Bedingungen des BKK-Vertrages zu erbringen. Mit diesen Pflegeunternehmen hat die Beklagte auch lediglich von den im Januar 2000 eingetretenen 1159 Leistungsfällen der häuslichen Krankenpflege 263 Leistungsfälle abdecken und entsprechende Leistungen erbringen können, also noch nicht einmal ¼ der Fälle. Ebenso wie der 9. und der 24. Senat ist auch der 1. davon überzeugt, dass die Beklagte mangels ausreichender Kapazitäten notgedrungen andere Pflegeunternehmen zu den höheren Vergütungssätzen nach dem Rahmenvertrag vom 5. Juli 1999 in Anspruch hätte nehmen müssen.

Auch das BSG verweist im genannten Beschluss, mit welchem die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des hiesigen 24. Senats vom 4.07.2006 verworfen wurde, auf die Unterschiede zwischen einem Krankenpflegedienst, der Leistungen erbringt, die vom Leistungsspektrum des § 37 SGB V erfasst seien und die er trotz Fehlens einer Preisvereinbarung mit Einverständnis der Krankenkasse auch im Einzelfall habe erbringen dürfen (rechtmäßigem Handeln) gegenüber dem Betrieb einer Privatklinik durch Vertragsärzte direkt über den Praxisräumen, mit der diese unzulässigerweise ihr operatives Angebot erweiterten und zunächst zu Lasten der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung Leistungen erbrachten, die an sich zur stationären Versorgung gehörten (rechtswidriges Handeln).

Der gesetzliche Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen liegt jedenfalls nicht unter dem von ihr eingeklagten. Hierzu und hinsichtlich der Kosten verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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