L 9 KR 275/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1318/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 275/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2004 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine Kostenerstattung für Leistungen der künstlichen Befruchtung.

Die 1971 geborene Klägerin und der 1941 geborene Kläger beantragten am 30. Oktober 2003 die Kostenübernahme für vier komplette Behandlungszyklen einer In-Vitro-Fertilisation (IVF) unter zusätzlicher Anwendung einer Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI). Dazu legten sie ein ärztliches Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. T und Dr. M vom 18. September 2003 vor, woraus hervorgeht, dass die andrologischen Kriterien, wie sie in den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und der Krankenkassen (ab 1. Januar 2004 Gemeinsamer Bundesausschuss) formuliert sind, nicht vorliegen.

Nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24. November 2003 eine Kostenübernahme ab, da die Voraussetzungen für eine ICSI nicht gegeben seien.

Unter Bezugnahme auf die Ausführungen der Gemeinschaftspraxis Dr. T und Dr. M in dem Attest vom 18. September 2003 legten die Kläger Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 22. April 2004 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Bei der vom behandelnden Arzt diagnostizierten sekundären andrologischen Sterilität handele es sich nach den Richtlinien zur künstlichen Befruchtung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nicht um eine Indikation zur künstlichen Befruchtung mittels ICSI. Eine Kostenübernahme sei daher nicht möglich. In den ab 22. Januar 2004 in Kraft getretenen geänderten Richtlinien sei nunmehr auch das Lebensalter des männlichen Versicherten von Bedeutung. Ein Anspruch auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung bestehe danach nicht für männliche Versicherte, die das 50. Lebensjahr vollendet hätten. Daher scheide auch eine Kostenübernahme ab 22. Januar 2004 aus. Darüber hinaus sei nunmehr auch nur noch für drei Behandlungszyklen eine Kostenübernahme vorgesehen. Mit der dagegen vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage machen die Kläger geltend: Die ab 22. Januar 2004 geltenden Richtlinien seien hier nicht anzuwenden. Auf die Aufnahme der bei dem Kläger zu 1) diagnostizierten sekundären andrologischen Sterilität in die Richtlinien komme es nicht an. Ausschlaggebend sei allein, dass eine medizinische ICSI-Indikation vorliege. Die von der Beklagten herangezogenen Richtlinien zur künstlichen Befruchtung seien unvollständig. Der Kläger zu 1) legte sechs Rechnungen über insgesamt 4.642,67 EUR vor. Aus den Rechnungen ergibt sich, dass am 29. Juli 2003 mit der Behandlung begonnen worden ist.

Mit Urteil vom 12. Oktober 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Das Gericht führt aus: Die nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch - SGB V - erforderliche Kausalität zwischen der Leistungsablehnung und der Entstehung von Kosten fehle, da die Kläger bereits vor Beantragung der Leistung mit der Inanspruchnahme begonnen hätten.

Gegen das am 4. November 2004 zugestellte Urteil haben die Kläger am 25. November 2004 Berufung eingelegt. Im Wesentlichen tragen sie vor, dass sie etliche Male vor und während der Behandlung in Berlin bei der Beklagten gewesen seien. Der behandelnde Arzt Dr. T habe immer wieder erklärt, dass es keine Probleme mit der Kasse geben werde. Sie seien vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten gewesen, wo ihnen mündlich erklärt worden sei, dass die Leistungen über die Chipkarte erbracht würden. Sie seien Laien und hätten nicht gewusst, welche Unterlagen sie unterschrieben. Sie hätten nicht vier Behandlungen sonder nur drei in Anspruch genommen.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2004 zu verurteilen, die ihnen entstandenen Kosten für Leistungen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 4.642,67 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und auf den Inhalt des Urteils des Sozialgerichts Berlin.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte nach erfolgter vorheriger Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, weil er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Die nach §§ 143 ff. SGG zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen, da die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 SGB V nicht erfüllt sind. Den Klägern steht der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der durch die in der Zeit vom 29. Juli 2003 bis zum 22. November 2003 durchgeführten Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durch IVS/ICSI entstandenen Kosten in Höhe von 4.642,67 EUR nicht zu.

Alleinige Anspruchsgrundlage ist hier § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V. Dieser Kostenerstattungsanspruch setzt zwingend voraus, dass der Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse veranlasst wird, sich die Behandlung auf eigene Kosten zu beschaffen. Wurde die Behandlung jedoch ohne Einschaltung der Kasse begonnen, so scheidet eine Erstattung auch für nachfolgende Leistungen aus, wenn sich die Ablehnung auf den weiteren Behandlungsverlauf nicht mehr auswirken konnte (vgl. BSG vom 19. Juni 2001 – B 1 KR 23/00 R, SozR 3 – 2500 § 28 Nr. 6 sowie zuletzt BSG vom 3. August 2006 – B 3 KR 24/05 R, SozR 4 – 2500 § 13 Nr. 10). Deshalb spricht vieles dafür, dass es hier an der notwendigen Kausalität zwischen der Leistungsablehnung durch die Beklagte und den den Klägern dadurch entstandenen Kosten fehlt, da sie bereits am 29. Juli 2003 mit der Behandlung begonnen haben. Dies kann jedoch offen bleiben. Denn selbst wenn die Kläger bereits vor Beginn der Behandlung bei der Beklagten vorgesprochen haben sollten, stünde Ihnen auch bei rechtzeitiger Antragstellung kein Kostenerstattungsanspruch zu. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V reicht nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Die von den Klägern begehrte "Sachleistung" gehört nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Leistungen der Krankenbehandlung nach § 27 a SGB V umfassen zwar (mit Ausnahme der von vornherein nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörenden Kryokonservierung) im Grundsatz auch Maßnahmen der hier begehrten künstlichen Befruchtung.

Nach den gemäß § 27 a Abs. 4 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 und § 135 Abs. 1 SGB V von dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen beschlossenen Richtlinien über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung in der auf den Fall der Kläger noch anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 26. Februar 2002 (Richtlinien) dürfen Leistungen der künstlichen Befruchtung jedoch nur bei Vorliegen der dort im Einzelnen umschriebenen medizinischen Indikationen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden. Diese Richtlinien sind nicht nur für den Vertragsarzt bindend, sondern auch für die Versicherten (vgl. BSG Urteil vom 20. März 1996, 6 RKa 62/94, SozR 3 – 2500 § 92 Nr. 6; Urteil vom 16. Dezember 1993, 4 RK 5/92, SozR 3-2500 § 13 Nr. 4).

Die in der Richtlinie genannte medizinische Indikation der künstlichen Befruchtung ist im Falle der Kläger bereits nach dem Attest der Gemeinschaftspraxis Dr. T und Dr. M vom 18. September 2003 nicht gegeben. Unter Berücksichtigung dieser Ausführungen und der in der Gemeinschaftspraxis Dres. und erstellten Ejakulationsanalysen vom 14. und 29. Juli 2003 hat die für den MDK tätige Ärztin Dr. Schicht dies in ihrer Stellungnahme vom 6. November 2003 ausdrücklich bestätigt. Es besteht für den Senat kein Anlass, an der Richtigkeit dieser ärztlichen Äußerungen zu zweifeln, da die Kläger nach ihrem Vortrag auch selbst von der Richtigkeit dieser Einschätzung ausgehen. Soweit die Kläger die hier heranzuziehenden Richtlinien für nicht ausreichend erachten, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Das Gericht kann die Richtlinien nur darauf überprüfen, ob sie mit höherrangigem Recht im Einklang stehen. Einer inhaltlichen Überprüfung durch die Gerichte sind sie entzogen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist ein Verstoß gegen höherrangiges Recht hier nicht festzustellen (BSG, Urteil vom 3. April 2001, B 1 KR 40/00R, SozR 3 – 2500 § 27 a Nr. 3).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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