Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 107 AS 11531/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1124/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung freier Verpflegung bei der Berechnung der Höhe von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005.
Die 1985 geborene Klägerin wohnt zusammen mit ihren Eltern in einer 66,9 m² großen Wohnung, für die von ihren Eltern eine Bruttogesamtmiete von 418,55 EUR zu zahlen ist. Die Mutter erzielte im maßgebenden Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von 1.464,83 EUR (brutto 1.782,53 EUR) aus einer abhängigen Beschäftigung, der Vater hatte keine Einkünfte. Das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich erhielt die Mutter der Klägerin. Mietzahlungen leistete die Klägerin nicht an ihre Eltern.
Die Klägerin beantragte am 18. Januar 2005 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dabei gab sie an, dass ihr volle Verpflegung zur Verfügung gestellt werde; dafür behalte die Mutter das Kindergeld. Der Beklagte bewilligte daraufhin der Klägerin mit Bescheid vom 4. April 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005 in Höhe von 61,34 EUR anteilig für den Monat Januar sowie in Höhe von monatlich 131,45 EUR für die Zeit von Februar bis Juli 2005. Dabei rechnete er monatlich vom Einkommen der Mutter einen Betrag von 92,80 EUR an. Die Regelleistung wurde außerdem aufgrund der freien Verpflegung für die Klägerin um 35 % der Regelleistung, also in Höhe von 120,75 EUR monatlich gekürzt.
Den dagegen wegen der Einkommensanrechnung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 zurück. Nach § 9 Abs. 5 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) werde vermutet, dass Hilfebedürftige Leistungen von ihren Verwandten erhielten, mit denen sie in Hausgemeinschaft lebten, soweit dies nach deren Einkommen erwartet werden könne. Die Berücksichtigung von Einkommen erfolge nach der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V). Nach § 1 Abs. 2 ALG II-V seien Nettoeinnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Satzes der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistungen zzgl. der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie weitere 50 % der diesen Freibetrag übersteigenden Leistung nicht überschritten. Der Mutter der Klägerin stehe danach ein Freibetrag in Höhe von 1.419,55 EUR zu; das Gesamteinkommen in Höhe von 1.605,14 EUR (Nettoarbeitsentgelt und Kindergeld) sei nach Abzug des Freibetrages zur Hälfte, das heißt in Höhe von 92,80 EUR monatlich auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen. Außerdem sei für die volle Verpflegung ein Betrag in Höhe von monatlich 120,75 EUR, das seien 35 % der Regelleistung entsprechend der Bewertung in der Sachbezugsverordnung, zu berücksichtigen, so dass die Klägerin für einen vollen Monat Anspruch auf Leistungen in Höhe von 131,45 EUR habe.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung der vollen Regelleistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende weiter. Sie verfüge über kein eigenes Einkommen. Der als sonstiges Einkommen pauschalisierte Anrechnungsbetrag von 120,75 EUR sei unzutreffend, da sie wegen familiärer Spannungen nicht regelmäßig die Vollverpflegung wahrnehme. So frühstücke sie nie mit der Familie, da sie ein "Frühstücksmuffel" sei. Mittagessen nehme sie durchschnittlich nur viermal in der Woche und Abendbrot lediglich zweimal in der Woche war, da sie sich aufgrund der Spannungen mit ihren Eltern häufig außerhalb des Haushalts aufhalte.
Der Beklagte hat im Laufe des Klageverfahrens mit Bescheid vom 7. März 2006 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005 neu festgesetzt. Dabei hat er das Einkommen der Mutter nicht mehr berücksichtigt, da dieses entgegen der ursprünglichen Berechnung nur mit 1.180,60 EUR anzurechnen sei und damit unterhalb des Freibetrages liege. Er hat für den Monat Januar eine anteilige Leistung in Höhe von 104,65 EUR unter Anrechnung von sonstigem Einkommen in Höhe von 56,35 EUR und für die Monate Februar bis Juli 2005 Leistungen in Höhe von 224,25 EUR unter Anrechnung von sonstigem Einkommen in Höhe von 120,75 EUR bewilligt. Den pauschalisierten Anrechnungsbetrag von 120,75 EUR hat er damit begründet, dass der Klägerin von ihren Eltern eine Vollverpflegung zur Verfügung gestellt werde und sie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II verpflichtet sei, alle Möglichkeiten zur Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, wozu auch die vollständige Inanspruchnahme der zur Verfügung gestellten Leistung gehöre.
Das Sozialgericht Berlin hat durch Urteil vom 30. Oktober 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin mit der freien Verpflegung eine geldwerte Sachleistung erhalte, die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als ihr Einkommen zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich auch aus § 2 Abs. 4 Satz 1 ALG II-V, der ausdrücklich auf die Sachbezugsverordnung Bezug nehme. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Wert der freien Verpflegung mit 35 % der Regelleistung, also mit 120,75 EUR beziffert habe, denn der für die Ernährung bestimmte Anteil der Regelleistung sei mindestens in dieser Höhe anzusetzen. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Sachbezugsverordnung (SachBezV) in der Fassung vom 22. Oktober 2004, der für die Bewertung von Sachleistungen heranzuziehen sei, sehe für freie Verpflegung sogar einen Betrag von monatlich 200,30 EUR vor, weshalb das von der Beklagten berücksichtigte Einkommen aus Sachleistungen nicht zu hoch, sondern eher zu Gunsten der Klägerin zu niedrig angesetzt sei. Unerheblich sei, dass die Klägerin die Vollverpflegung nur teilweise in Anspruch nehme, da sie sich diese unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme als Einkommen anrechnen lassen müsse, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern. Zudem habe die Klägerin mit ihrer Mutter eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass diese das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich zur Deckung der Unkosten für die Verpflegung behalte. Dies zeige, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, sich das Kindergeld auszahlen zu lassen, anstatt die Verpflegung zu Hause in Anspruch zu nehmen, wobei ihr in diesem Fall 154,00 EUR minus 30,00 EUR Versicherungspauschale, also insgesamt 124,00 EUR monatlich, als Einkommen anzurechnen gewesen wären. Diesen Betrag überstiegen die angerechneten 120,65 EUR nicht.
Gegen das ihr am 6. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. November 2006 erhobene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass ihre Situation mit der eines Untermieters vergleichbar sei und sie weitgehend ihr eigenes Leben im Haushalt führe. Sie kaufe selbst Lebensmittel ein und meide den Kontakt mit ihren Eltern. Sie habe ein gespanntes Verhältnis zu ihren Eltern, so dass gemeinsame Gespräche, auch bei Tisch, regelmäßig im Streit endeten, weshalb sie dem gemeinsamen Essen aus dem Weg gehe. Im Übrigen bestimme § 20 Abs. 2 SGB II eine feste Höhe der Regelleistung, von der keine Abzüge vorzunehmen seien. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. März 2007 (S 7 AS 447/06) macht sie weiter geltend, es sei rechtswidrig, die kostenfreie Verpflegung als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu berücksichtigen, da eine Tauschbarkeit in Geld fehle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2006 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2006 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 161,00 EUR für die Zeit vom 18. bis 31. Januar 2005 und in Höhe von 345,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2005 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und frist- und formgerecht erhobene (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG-) Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin kann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung von Einkommen in Form freier Verpflegung als Sachbezug nicht verlangen. Zur Begründung verweist der Senat auf die eingehenden Ausführungen des Sozialgerichts, denen er sich anschließt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird deshalb abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Berufungsbegründung kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Dies gilt auch für die Bezugnahme auf das von der Klägerin angeführte Urteil des Sozialgerichts Heilbronn, wonach kostenfreie Verpflegung nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei, weil die jederzeitige Tauschbarkeit in Geld fehle. Die der Klägerin von ihren Eltern zur Verfügung gestellte freie Verpflegung stellt ein Einkommen in Geldeswert im Sinne von § 11 Abs. 1 S 1 SGB II dar. Bei Einkommen in Geldeswert genügt es, wenn dieses einen bestimmten in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl., § 11 Rdnr. 19). Dieser wirtschaftliche Wert wird für Kost und Logis ausdrücklich in der Sachbezugsverordnung festgesetzt. Gewährt ein Arbeitgeber freie Kost und/oder Logis, ist dies als Einkommen des Arbeitnehmers zu bewerten. Nichts anderes gilt für von Anderen (Eltern, sonstigen Verwandten oder anderen Personen) zur Verfügung gestellte Sachleistungen. Die freie Verpflegung besitzt einen anerkannten (von der Sachbezugsverordnung festgelegten) Marktwert, weil Geld aufgewendet werden muss, um diese Sachleistung zu erhalten. Der Sachbezug freie Verpflegung oder Logis ist in diesem Sinn "gegen Geld tauschbar", d.h. er kann für Geld auf dem Markt erworben werden. Soweit sich das Sozialgericht Heilbronn (aaO) auf diese in der Literatur verwendete Formulierung ("Einnahmen sind Geld ( ) oder Sacheinnahmen ( ) mit Geldeswert, d.h. solche, die einen Marktwert haben, also gegen Geld tauschbar sind." Brühl, in: LPK- SGB II § 11 Rdnr. 11) bezieht und daraus folgert, der Sachbezug Verpflegung könne nicht verkauft werden und habe deshalb keinen Marktwert, liegt eine offenkundige Fehlinterpretation vor. Es geht nicht darum, ob ein Sachbezug (z.B. das konkrete Mittagessen) realistischerweise in Geld "zurückgetauscht" werden kann – das wird bei vielen Sachbezügen nicht oder nur schwer möglich sein –, sondern darum, ob er für Geld auf dem Markt zu beschaffen ist. Dass der Sachbezug der Verpflegung in diesem Sinne marktgängig, also für Geld erhältlich ist, zeigt das Beispiel der Klägerin. Sie möchte lieber die eigene Verpflegung für Geld erwerben und dafür Geldleistungen von dem Beklagten erhalten, statt auf die Inanspruchnahme der Verpflegung durch die Eltern verwiesen zu werden. Gegen die Interpretation des Sozialgerichts Heilbronn spricht auch, dass die gleiche Literaturstelle ausdrücklich Kost und Logis zu den Naturalleistungen zählt, die als Sacheinnahmen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu bewerten sind (vgl Brühl, in: LPK- SGB II § 11 Rdnr. 11).
Offenbleiben kann, ob die freie Verpflegung in voller Höhe des sich aus der Sachbezugsverordnung ergebenden Wertes als Einkommen zu berücksichtigen wäre. Jedenfalls ist deren Wert mit 35 % der Regelleistung (120,65 EUR monatlich) von dem Beklagten aus den vom Sozialgericht erwogenen Gründen nicht zu hoch angesetzt, so dass die Klägerin dadurch nicht beschwert ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung freier Verpflegung bei der Berechnung der Höhe von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende in der Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005.
Die 1985 geborene Klägerin wohnt zusammen mit ihren Eltern in einer 66,9 m² großen Wohnung, für die von ihren Eltern eine Bruttogesamtmiete von 418,55 EUR zu zahlen ist. Die Mutter erzielte im maßgebenden Zeitraum ein monatliches Nettoeinkommen von 1.464,83 EUR (brutto 1.782,53 EUR) aus einer abhängigen Beschäftigung, der Vater hatte keine Einkünfte. Das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich erhielt die Mutter der Klägerin. Mietzahlungen leistete die Klägerin nicht an ihre Eltern.
Die Klägerin beantragte am 18. Januar 2005 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dabei gab sie an, dass ihr volle Verpflegung zur Verfügung gestellt werde; dafür behalte die Mutter das Kindergeld. Der Beklagte bewilligte daraufhin der Klägerin mit Bescheid vom 4. April 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005 in Höhe von 61,34 EUR anteilig für den Monat Januar sowie in Höhe von monatlich 131,45 EUR für die Zeit von Februar bis Juli 2005. Dabei rechnete er monatlich vom Einkommen der Mutter einen Betrag von 92,80 EUR an. Die Regelleistung wurde außerdem aufgrund der freien Verpflegung für die Klägerin um 35 % der Regelleistung, also in Höhe von 120,75 EUR monatlich gekürzt.
Den dagegen wegen der Einkommensanrechnung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 zurück. Nach § 9 Abs. 5 des Zweiten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB II) werde vermutet, dass Hilfebedürftige Leistungen von ihren Verwandten erhielten, mit denen sie in Hausgemeinschaft lebten, soweit dies nach deren Einkommen erwartet werden könne. Die Berücksichtigung von Einkommen erfolge nach der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (Alg II-V). Nach § 1 Abs. 2 ALG II-V seien Nettoeinnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie einen Freibetrag in Höhe des doppelten Satzes der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistungen zzgl. der anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie weitere 50 % der diesen Freibetrag übersteigenden Leistung nicht überschritten. Der Mutter der Klägerin stehe danach ein Freibetrag in Höhe von 1.419,55 EUR zu; das Gesamteinkommen in Höhe von 1.605,14 EUR (Nettoarbeitsentgelt und Kindergeld) sei nach Abzug des Freibetrages zur Hälfte, das heißt in Höhe von 92,80 EUR monatlich auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen. Außerdem sei für die volle Verpflegung ein Betrag in Höhe von monatlich 120,75 EUR, das seien 35 % der Regelleistung entsprechend der Bewertung in der Sachbezugsverordnung, zu berücksichtigen, so dass die Klägerin für einen vollen Monat Anspruch auf Leistungen in Höhe von 131,45 EUR habe.
Mit ihrer dagegen erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung der vollen Regelleistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende weiter. Sie verfüge über kein eigenes Einkommen. Der als sonstiges Einkommen pauschalisierte Anrechnungsbetrag von 120,75 EUR sei unzutreffend, da sie wegen familiärer Spannungen nicht regelmäßig die Vollverpflegung wahrnehme. So frühstücke sie nie mit der Familie, da sie ein "Frühstücksmuffel" sei. Mittagessen nehme sie durchschnittlich nur viermal in der Woche und Abendbrot lediglich zweimal in der Woche war, da sie sich aufgrund der Spannungen mit ihren Eltern häufig außerhalb des Haushalts aufhalte.
Der Beklagte hat im Laufe des Klageverfahrens mit Bescheid vom 7. März 2006 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 18. Januar bis 31. Juli 2005 neu festgesetzt. Dabei hat er das Einkommen der Mutter nicht mehr berücksichtigt, da dieses entgegen der ursprünglichen Berechnung nur mit 1.180,60 EUR anzurechnen sei und damit unterhalb des Freibetrages liege. Er hat für den Monat Januar eine anteilige Leistung in Höhe von 104,65 EUR unter Anrechnung von sonstigem Einkommen in Höhe von 56,35 EUR und für die Monate Februar bis Juli 2005 Leistungen in Höhe von 224,25 EUR unter Anrechnung von sonstigem Einkommen in Höhe von 120,75 EUR bewilligt. Den pauschalisierten Anrechnungsbetrag von 120,75 EUR hat er damit begründet, dass der Klägerin von ihren Eltern eine Vollverpflegung zur Verfügung gestellt werde und sie nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II verpflichtet sei, alle Möglichkeiten zur Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, wozu auch die vollständige Inanspruchnahme der zur Verfügung gestellten Leistung gehöre.
Das Sozialgericht Berlin hat durch Urteil vom 30. Oktober 2006 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin mit der freien Verpflegung eine geldwerte Sachleistung erhalte, die gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II als ihr Einkommen zu berücksichtigen sei. Dies ergebe sich auch aus § 2 Abs. 4 Satz 1 ALG II-V, der ausdrücklich auf die Sachbezugsverordnung Bezug nehme. Es sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Wert der freien Verpflegung mit 35 % der Regelleistung, also mit 120,75 EUR beziffert habe, denn der für die Ernährung bestimmte Anteil der Regelleistung sei mindestens in dieser Höhe anzusetzen. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Sachbezugsverordnung (SachBezV) in der Fassung vom 22. Oktober 2004, der für die Bewertung von Sachleistungen heranzuziehen sei, sehe für freie Verpflegung sogar einen Betrag von monatlich 200,30 EUR vor, weshalb das von der Beklagten berücksichtigte Einkommen aus Sachleistungen nicht zu hoch, sondern eher zu Gunsten der Klägerin zu niedrig angesetzt sei. Unerheblich sei, dass die Klägerin die Vollverpflegung nur teilweise in Anspruch nehme, da sie sich diese unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme als Einkommen anrechnen lassen müsse, um ihre Hilfebedürftigkeit zu verringern. Zudem habe die Klägerin mit ihrer Mutter eine Vereinbarung dahingehend getroffen, dass diese das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich zur Deckung der Unkosten für die Verpflegung behalte. Dies zeige, dass die Klägerin die Möglichkeit gehabt habe, sich das Kindergeld auszahlen zu lassen, anstatt die Verpflegung zu Hause in Anspruch zu nehmen, wobei ihr in diesem Fall 154,00 EUR minus 30,00 EUR Versicherungspauschale, also insgesamt 124,00 EUR monatlich, als Einkommen anzurechnen gewesen wären. Diesen Betrag überstiegen die angerechneten 120,65 EUR nicht.
Gegen das ihr am 6. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 28. November 2006 erhobene Berufung der Klägerin. Zur Begründung trägt sie vor, dass ihre Situation mit der eines Untermieters vergleichbar sei und sie weitgehend ihr eigenes Leben im Haushalt führe. Sie kaufe selbst Lebensmittel ein und meide den Kontakt mit ihren Eltern. Sie habe ein gespanntes Verhältnis zu ihren Eltern, so dass gemeinsame Gespräche, auch bei Tisch, regelmäßig im Streit endeten, weshalb sie dem gemeinsamen Essen aus dem Weg gehe. Im Übrigen bestimme § 20 Abs. 2 SGB II eine feste Höhe der Regelleistung, von der keine Abzüge vorzunehmen seien. Unter Hinweis auf eine Entscheidung des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. März 2007 (S 7 AS 447/06) macht sie weiter geltend, es sei rechtswidrig, die kostenfreie Verpflegung als Einkommen im Sinne von § 11 SGB II zu berücksichtigen, da eine Tauschbarkeit in Geld fehle.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Oktober 2006 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 7. März 2006 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 161,00 EUR für die Zeit vom 18. bis 31. Januar 2005 und in Höhe von 345,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 2005 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
die sie für unbegründet hält.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und frist- und formgerecht erhobene (§§ 143, 144 Abs. 1 und 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG-) Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin kann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung von Einkommen in Form freier Verpflegung als Sachbezug nicht verlangen. Zur Begründung verweist der Senat auf die eingehenden Ausführungen des Sozialgerichts, denen er sich anschließt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird deshalb abgesehen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Berufungsbegründung kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Dies gilt auch für die Bezugnahme auf das von der Klägerin angeführte Urteil des Sozialgerichts Heilbronn, wonach kostenfreie Verpflegung nicht als Einkommen zu berücksichtigen sei, weil die jederzeitige Tauschbarkeit in Geld fehle. Die der Klägerin von ihren Eltern zur Verfügung gestellte freie Verpflegung stellt ein Einkommen in Geldeswert im Sinne von § 11 Abs. 1 S 1 SGB II dar. Bei Einkommen in Geldeswert genügt es, wenn dieses einen bestimmten in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt (vgl. Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl., § 11 Rdnr. 19). Dieser wirtschaftliche Wert wird für Kost und Logis ausdrücklich in der Sachbezugsverordnung festgesetzt. Gewährt ein Arbeitgeber freie Kost und/oder Logis, ist dies als Einkommen des Arbeitnehmers zu bewerten. Nichts anderes gilt für von Anderen (Eltern, sonstigen Verwandten oder anderen Personen) zur Verfügung gestellte Sachleistungen. Die freie Verpflegung besitzt einen anerkannten (von der Sachbezugsverordnung festgelegten) Marktwert, weil Geld aufgewendet werden muss, um diese Sachleistung zu erhalten. Der Sachbezug freie Verpflegung oder Logis ist in diesem Sinn "gegen Geld tauschbar", d.h. er kann für Geld auf dem Markt erworben werden. Soweit sich das Sozialgericht Heilbronn (aaO) auf diese in der Literatur verwendete Formulierung ("Einnahmen sind Geld ( ) oder Sacheinnahmen ( ) mit Geldeswert, d.h. solche, die einen Marktwert haben, also gegen Geld tauschbar sind." Brühl, in: LPK- SGB II § 11 Rdnr. 11) bezieht und daraus folgert, der Sachbezug Verpflegung könne nicht verkauft werden und habe deshalb keinen Marktwert, liegt eine offenkundige Fehlinterpretation vor. Es geht nicht darum, ob ein Sachbezug (z.B. das konkrete Mittagessen) realistischerweise in Geld "zurückgetauscht" werden kann – das wird bei vielen Sachbezügen nicht oder nur schwer möglich sein –, sondern darum, ob er für Geld auf dem Markt zu beschaffen ist. Dass der Sachbezug der Verpflegung in diesem Sinne marktgängig, also für Geld erhältlich ist, zeigt das Beispiel der Klägerin. Sie möchte lieber die eigene Verpflegung für Geld erwerben und dafür Geldleistungen von dem Beklagten erhalten, statt auf die Inanspruchnahme der Verpflegung durch die Eltern verwiesen zu werden. Gegen die Interpretation des Sozialgerichts Heilbronn spricht auch, dass die gleiche Literaturstelle ausdrücklich Kost und Logis zu den Naturalleistungen zählt, die als Sacheinnahmen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu bewerten sind (vgl Brühl, in: LPK- SGB II § 11 Rdnr. 11).
Offenbleiben kann, ob die freie Verpflegung in voller Höhe des sich aus der Sachbezugsverordnung ergebenden Wertes als Einkommen zu berücksichtigen wäre. Jedenfalls ist deren Wert mit 35 % der Regelleistung (120,65 EUR monatlich) von dem Beklagten aus den vom Sozialgericht erwogenen Gründen nicht zu hoch angesetzt, so dass die Klägerin dadurch nicht beschwert ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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