L 14 B 771/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 1119/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 771/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 11. April 2007 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, an den Antragsteller vorläufig 329 (dreihundertneunundzwanzig) Euro sowie vorläufig bis zur Bestandskraft der Ablehnung der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit ab April 2007 in dem Bescheid vom 12. März 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Juli 2007, längstens jedoch bis zu einer Entscheidung des Sozialgerichts im Hauptsacheverfahren ab August 2007 monatlich im Voraus 568 (fünfhundertachtundsechzig) Euro zu zahlen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die ihm entstandenen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige (§§ 172 Abs. 1, 173 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]) Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Selbst wenn der Antragsteller mit seiner "Vermieterin" und deren Sohn in einer Bedarfsgemeinschaft leben sollte – wie die Antragsgegnerin annimmt –, schlösse dieser Umstand den Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB II) nicht aus.

Ihm sind dementsprechend zumindest Leistungen in Höhe der Regelleistung unter Beachtung der Regelung in § 20 Abs. 3 SGB II sowie eines Drittels der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (255,50 Euro) nach § 22 Abs. 1 SGB II zu erbringen. Diesen Anspruch hat die Antragsgegnerin bislang nicht erfüllt. Durch die Zahlung entsprechender Beträge auf das Konto der "Vermieterin" des Antragstellers hat sie nicht mit befreiender Wirkung die von ihr geschuldete Leistung erbracht. Weder ist ersichtlich, dass die Voraussetzungen des § 22 Abs. 4 SGB II vorliegen (wozu im Übrigen der Antragsteller auch nicht befragt wurde), noch liegen die des § 38 SGB II vor. Selbst wenn die Annahme der Antragsgegnerin zutreffen sollte, dass der Antragsteller mit einer weiteren erwerbsfähigen hilfebedürftigen Person in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, würde die Vermutung, dass derjenige, der Leistungen beantragt, bevollmächtigt ist, Leistungen für den anderen Hilfebedürftigen zu beantragen und entgegenzunehmen (§ 38 Sätze 1 und 2 SGB II) nur gelten, wenn Leistungen für den anderen auch tatsächlich beantragt worden sind; dies ist hier nicht ersichtlich. Vermutet wird nach dieser Regelung zudem nur die Bevollmächtigung zur Antragstellung, nicht jedoch die Antragstellung selbst! Überdies sprechen vorliegend erhebliche Anhaltspunkte – nämlich zum einen der Umstand, dass sowohl der Antragsteller wie offensichtlich auch seine "Vermieterin" meinen, keine Bedarfsgemeinschaft zu bilden, zum anderen der, dass der Antragsteller (folgerichtig) selbst Leistungen für sich beantragt hat – gegen die Annahme, die "Vermieterin" des Antragstellers sei bevollmächtigt, für diesen Leistungen zu beantragen und auch entgegenzunehmen (§ 38 Satz 1 SGB II).

Die Antragsgegnerin hat danach die vom Antragsteller beantragten und ihm zustehenden Leistungen an ihn zu zahlen (durch Überweisung auf das von ihm benannte Konto).

Dem Vorbringen des Antragstellers ist zu entnehmen, dass seine "Vermieterin" einen Teil der an sie gezahlten Leistungen, nämlich jeweils 250,50 Euro für die Monate April bis Juni sowie 164,67 Euro für Juli 2007, an ihn weitergeleitet hat. Diese Beträge sind bei der Bestimmung der von der Antragsgegnerin vorläufig zu erbringenden Leistung in Abzug zu bringen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die "Vermieterin" des Antragstellers jeweils 316 Euro monatlich für die Monate April bis Juli 2007 (als "Untermiete") einbehalten hat; für diese Monate macht sie demnach gegenüber dem Antragsteller keine weiteren Ansprüche geltend, so dass die Antragsgegnerin dem Antragsteller insoweit auch keine (weiteren) Leistungen für Unterkunft und Heizung mehr zu erbringen hat.

Im Übrigen sind der Gerichtsakte und der den Antragsteller betreffenden Leistungsakte Anhaltspunkte für die Festlegung niedrigerer Leistungen nicht zu entnehmen, insbesondere nicht dafür, aufgrund welcher Umstände nicht Leistungen in Höhe eines Drittels der für die (auch) vom Antragsteller bewohnte Wohnung tatsächlich entstehenden Aufwendungen (abzüglich einer Pauschale für die Bereitung von Warmwasser) zu erbringen sein sollten. Ebenso wenig ergeben sich daraus Hinweise auf zu berücksichtigendes Einkommen.

Auf der anderen Seite sind dem Antragsteller vorläufig auch keine höheren Leistungen zu erbringen. Selbst falls sich im Hauptsacheverfahren nachträglich erweisen sollte, dass er und seine "Vermieterin" und deren Sohn entgegen der gesetzlichen Vermutung (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c und Abs. 3a SGB II) keine Bedarfsgemeinschaft bilden (zur Bedeutung einer noch bestehenden Ehe für das Bestehen einer "eheähnlichen Gemeinschaft" mit einem anderen Partner vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. März 2007 – L 7 AS 640/07 ER-B –), wäre durch die nur vorläufige Gewährung einer um 10 v.H. gekürzten Regelleistung das Exi-stenzminimum des Antragstellers noch nicht dergestalt gefährdet, dass eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht abgewartet werden könnte. Soweit die von der Antragsgegnerin aufgrund dieser Anordnung zu erbringenden Leistungen für Unterkunft und Heizung geringer sind als der vom Antragsteller seiner "Vermieterin" geschuldete (Unter-)Mietzins, sind Nachteile, die durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten, jedenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Im Übrigen hat der Antragsteller ohnehin keinen Anspruch auf Leistungen in einer bestimmten Höhe geltend gemacht, sondern – nur – die Gewährung von Leistungen dem Grunde nach; diesem Begehren entspricht die vorliegende Anordnung in vollem Umfang – so dass auch nicht die Beschwerde "im Übrigen" zurückzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Kostenerstattung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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