Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 10206/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 823/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das zweitinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin IJ Mdamm B beigeordnet.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde vom 31. Mai 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 14. Mai 2007, mit welchem dieses den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme höherer Kosten für Unterkunft in Höhe von 447,22 EUR monatlich statt 360,- EUR für die Zeit ab 1. Mai 2007 abgelehnt hat, ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (so bereits zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.09.2006 –L 19 B 199/06 ASER mit Bezug auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -; Beschluss des Senats vom 21.02.2007 -L 32 B 123/07 AS ER-).
Hier ist nicht nur eine reine Folgenabwägung vorzunehmen. Es fehlt vielmehr an einem Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin wird in der Hauptsache aller Voraussicht nach jedenfalls überwiegend keinen Erfolg haben. Der Senat verweist hierzu zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss. Klarzustellen ist insoweit lediglich, dass die Antragstellerin derzeit eine Zweizimmerwohnung bewohnt. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen Einschätzung keinen Anlass:
Die Kosten, welche die Antragstellerin für die von ihr zur Zeit bewohnte Wohnung aufzubringen hat, sind nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiervon geht auch die Antragstellerin selbst aus. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der vom Antragsgegner angesetzte Betrag von 360 EUR brutto warm zu gering sein könnte: Welche Kosten angemessen i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind, ist nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (ABl. 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; u.a. Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, zitiert nach www.bundessozialgericht.de RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus (so wörtlich bereits LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 14. 06.07 -L 10 B 391/07 ASER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Wie die generelle Angemessenheit von Wohnungen speziell in Berlin zu ermitteln ist, braucht hier nicht entschieden werden. Denn die Anwendung der Kriterien des BSG führt hier nicht zu einem höheren Betrag: In Berlin erscheint für eine aus einer Person bestehende Bedarfsgemeinschaft eine Ein- bis Zweizimmerwohnung (vgl. Ziff. 8 Abs. 1 der zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WobindG) iVm § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 [Mitteilung Nr. 8/2004]) mit einer Größe bis zu 45 m² (Einzimmerwohnung) bzw. 50 m² (Zweizimmerwohnung) als abstrakt angemessen (Abschnitt II Ziff. 1 Buchst a und c der Anlage 1 der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16. Juli 1990 [ABl 1990, 1379 ff] idF der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 [ABl 1993, 98 f]). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Letztlich kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und dem diesem Standard entsprechenden m²-Preis, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie). Dabei ist der räumliche Vergleichsmaßstab für den Mietwohnungsstandard so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (so wiederum zutreffend weitgehend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg a. a. O.).
Zur Bestimmung des angemessenen Mietzinses stützt sich auch der hier entscheidende 32. Senat für die anzustellende Berechnung auf den örtlichen, gemäß §§ 558c und 558d BGB qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 22. August 2005 (ABl 3109 und ABl 2006, 515) mit dem Nachtrag vom 22. Mai 2006 (ABl 1928). Aus (vorläufiger) Sicht des Senates ist dabei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahrsklasse zugrundezulegen. Zumutbar erscheint nämlich abstrakt-generell jede Wohnung mit üblichem Standard, unabhängig vom Baujahr. Die Angemessenheit kann sich aber nur auf real anmietbare Wohnungen beziehen, in die die Antragstellerin umziehen könnte. Deshalb ist ein gewisser Puffer zu den abstrakt-generell absolut günstigsten Mietwerten des Mietspiegels geboten, auch weil dessen Stichtag bereits knapp zwei Jahre zurückliegt. Bei der Ermittlung dieses Wertes sind auch die kalten Betriebskosten einzubeziehen, da diese für unterschiedliche Baujahrklassen unterschiedlich sind. Konkret ist hier ein Wert von 4,60 EUR (Baujahre 1965-72, einfache Wohnlage, 40 m² bis unter 60 m²) + 1,56 kalte Betriebskosten anzusetzen. Dieser Wert liegt oberhalb des Mittelwertes aller anderen Baujahrklassen, mit Ausnahme der Neubauwohnungen. Diese Wohnungen sind -wie die aktuell von der Antragstellerin bewohnte- deutlich teurer. Hinzuzuaddieren sind noch die warmen Betriebskosten. Legt man hierfür die Werte des Betriebskostenspiegels 2006 des Deutschen Mieterbundes zugrunde (http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-3.html), ergibt sich durch Addition von 0,76 EUR/ für Heizung und 0,19 EUR eine angemessene Bruttowarmmiete von 7,11 EUR pro Quadratmeter, bei 50 m² also 355,50 EUR. Das Hauptsacheverfahren mag als angemessenen Betrag eine etwas andere Summe ergeben, eine grundsätzlich andere Größenordnung, welche im Eilverfahren zu einer (teilweisen) Stattgabe führen müsste, scheidet jedoch aus.
Dass es für 360,-EUR brutto warm keine Wohnungen im bisherigen Wohnumfeld anzumieten geben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kosten der jetzigen Unterkunft sind auch nicht vorübergehend - geschweige denn dauerhaft - aufgrund gesundheitlicher Gründe bzw. des psychischen Zustandes der Antragstellerin als angemessene im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II anzusehen oder trotz Unangemessenheit vorübergehend vom Antragsgegner weiterhin zu übernehmen. Es ist nicht glaubhaft gemacht oder im Ansatz ernstlich ersichtlich, dass es der Antragstellerin unmöglich ist, die Wohnung zu wechseln oder -alternativ- eine Person in ihre Wohnung aufzunehmen. Dass die Antragstellerin vor einem Umzug Angst hat, reicht nicht aus: Im Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie-Psychoanalyse K vom 21. Mai heißt es lediglich, dass die Zumutung einer wohnlichen Veränderung kontraindiziert sei und ein Aufrechterhalten der bisherigen Wohnsituation befürwortet werde. Aus dem Entlassungsbericht der K vom 24.01.2007 ergibt sich die generelle Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin. Es wird aus den Attesten ersichtlich, dass sie einen Umzug scheut und Angst davor hat, jedoch nicht, dass sie dazu nicht in der Lage wäre. Im vorliegenden Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass - unter Eingliederungsgesichtspunkten - für die Antragstellerin auch psychosoziale Betreuung (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) und für die Bewältigung eines Umzuges auch die Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SBG II) in Betracht kommen (so zutreffend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 15.03.2007 - L 19 B 1200/06 AS PKH -, zitiert nach: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Streit steht nicht der generelle Verlust einer eigenen Wohnung als Rückzugsraum. Es geht "nur" um den Umzug in eine nicht ganz so teure Wohnung. Der Verlust des sozialen Wohnumfeldes ist -wie ausgeführt- von vorneherein nicht zu befürchten.
Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner gesetzte Frist von sechs Monaten zu kurz gewesen ist, weil die Antragstellerin zwischenzeitlich mehrmals stationär behandelt werden musste. Die Antragstellerin hat nach ihrem eigenen Vortrag offenbar überhaupt keine Versuche unternommen, eine billigere Wohnung anzumieten oder alternativ eine Person in ihre Wohnung aufzunehmen. Dass solche Bemühungen nicht von Erfolg hätten gekrönt sein können, ist nicht ersichtlich. Weil die Antragstellerin überhaupt nicht gesucht hat, kann es aus Sicht des Senates nicht auf die von ihr in erster Instanz aufgeworfene Frage ankommen, wie konkret die Aufforderungen durch den Träger der Grundsicherung sein müssen, sich um eine Reduzierung der Kosten der Unterkunft zu kümmern und diese Bemühungen nachzuweisen (vgl. hierzu Bayerisches LSG, U. v. 18.08.06 -L7 AS 141/06- zitiert nach Juris). Sie durfte zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten jedenfalls nicht überhaupt nichts machen.
Es fehlt darüber hinaus, jedenfalls teilweise, an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch ein Abwarten einer positiven Hauptsacheentscheidung nicht ausgleichbare wesentliche Nachteile drohen. Ganz allgemein ist grundsätzlich nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft der Monate bis jedenfalls Juni 2007 kann hiervon nicht ausgegangen werden. Gründe, die hier ausnahmsweise die Gewährung von Leistungen auch für die Vergangenheit geboten erscheinen ließen, sind nicht vorgetragen und insbesondere nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu gewähren, weil die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hat und nicht mutwillig erschienen ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des jeweiligen Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, wenn der Antrag völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Sache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 -1 BvR 175/05- NJW 2005, 3849 mit Bezug u. a. auf BVerfGE 81, 347, 357f). Davon ist hier nicht auszugehen, weil auch eine reine Folgenabwägung mit für die Antragstellerin zumindest teilweise positivem Ergebnis nicht völlig ausgeschlossen gewesen ist. Die Vertretung durch eine Rechtsanwältin erscheint erforderlich, § 121 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die zulässige Beschwerde vom 31. Mai 2007 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin (SG) vom 14. Mai 2007, mit welchem dieses den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Übernahme höherer Kosten für Unterkunft in Höhe von 447,22 EUR monatlich statt 360,- EUR für die Zeit ab 1. Mai 2007 abgelehnt hat, ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Hierbei dürfen Entscheidungen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Drohen ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (so bereits zutreffend LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 29.09.2006 –L 19 B 199/06 ASER mit Bezug auf Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -; Beschluss des Senats vom 21.02.2007 -L 32 B 123/07 AS ER-).
Hier ist nicht nur eine reine Folgenabwägung vorzunehmen. Es fehlt vielmehr an einem Anordnungsanspruch. Die Antragstellerin wird in der Hauptsache aller Voraussicht nach jedenfalls überwiegend keinen Erfolg haben. Der Senat verweist hierzu zunächst gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Ausführungen im angegriffenen Beschluss. Klarzustellen ist insoweit lediglich, dass die Antragstellerin derzeit eine Zweizimmerwohnung bewohnt. Das Beschwerdevorbringen gibt zu einer anderen Einschätzung keinen Anlass:
Die Kosten, welche die Antragstellerin für die von ihr zur Zeit bewohnte Wohnung aufzubringen hat, sind nicht angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hiervon geht auch die Antragstellerin selbst aus. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass der vom Antragsgegner angesetzte Betrag von 360 EUR brutto warm zu gering sein könnte: Welche Kosten angemessen i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) sind, ist nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 07. Juni 2005 (ABl. 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl. 2062; im Folgenden: AV Wohnen) zu bestimmen. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit obliegt im Streitfalle vielmehr den Gerichten; eine Rechtsverordnung zur näheren Bestimmung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ist bisher nicht ergangen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG; u.a. Urteil vom 07. November 2006 - B 7b AS 10/06 R, zitiert nach www.bundessozialgericht.de RdNr 24) eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus (so wörtlich bereits LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 14. 06.07 -L 10 B 391/07 ASER, zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). Wie die generelle Angemessenheit von Wohnungen speziell in Berlin zu ermitteln ist, braucht hier nicht entschieden werden. Denn die Anwendung der Kriterien des BSG führt hier nicht zu einem höheren Betrag: In Berlin erscheint für eine aus einer Person bestehende Bedarfsgemeinschaft eine Ein- bis Zweizimmerwohnung (vgl. Ziff. 8 Abs. 1 der zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WobindG) iVm § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 [Mitteilung Nr. 8/2004]) mit einer Größe bis zu 45 m² (Einzimmerwohnung) bzw. 50 m² (Zweizimmerwohnung) als abstrakt angemessen (Abschnitt II Ziff. 1 Buchst a und c der Anlage 1 der Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau in Berlin (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16. Juli 1990 [ABl 1990, 1379 ff] idF der Verwaltungsvorschriften zur Änderung der WFB 1990 vom 13. Dezember 1992 [ABl 1993, 98 f]). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Letztlich kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und dem diesem Standard entsprechenden m²-Preis, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie). Dabei ist der räumliche Vergleichsmaßstab für den Mietwohnungsstandard so zu wählen, dass dem grundsätzlich zu respektierenden Recht des Leistungsempfängers auf Verbleib in seinem sozialen Umfeld ausreichend Rechnung getragen wird (so wiederum zutreffend weitgehend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg a. a. O.).
Zur Bestimmung des angemessenen Mietzinses stützt sich auch der hier entscheidende 32. Senat für die anzustellende Berechnung auf den örtlichen, gemäß §§ 558c und 558d BGB qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 22. August 2005 (ABl 3109 und ABl 2006, 515) mit dem Nachtrag vom 22. Mai 2006 (ABl 1928). Aus (vorläufiger) Sicht des Senates ist dabei der günstigste Spannenhöchstbetrag innerhalb der verschiedenen Baujahrsklasse zugrundezulegen. Zumutbar erscheint nämlich abstrakt-generell jede Wohnung mit üblichem Standard, unabhängig vom Baujahr. Die Angemessenheit kann sich aber nur auf real anmietbare Wohnungen beziehen, in die die Antragstellerin umziehen könnte. Deshalb ist ein gewisser Puffer zu den abstrakt-generell absolut günstigsten Mietwerten des Mietspiegels geboten, auch weil dessen Stichtag bereits knapp zwei Jahre zurückliegt. Bei der Ermittlung dieses Wertes sind auch die kalten Betriebskosten einzubeziehen, da diese für unterschiedliche Baujahrklassen unterschiedlich sind. Konkret ist hier ein Wert von 4,60 EUR (Baujahre 1965-72, einfache Wohnlage, 40 m² bis unter 60 m²) + 1,56 kalte Betriebskosten anzusetzen. Dieser Wert liegt oberhalb des Mittelwertes aller anderen Baujahrklassen, mit Ausnahme der Neubauwohnungen. Diese Wohnungen sind -wie die aktuell von der Antragstellerin bewohnte- deutlich teurer. Hinzuzuaddieren sind noch die warmen Betriebskosten. Legt man hierfür die Werte des Betriebskostenspiegels 2006 des Deutschen Mieterbundes zugrunde (http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-3.html), ergibt sich durch Addition von 0,76 EUR/ für Heizung und 0,19 EUR eine angemessene Bruttowarmmiete von 7,11 EUR pro Quadratmeter, bei 50 m² also 355,50 EUR. Das Hauptsacheverfahren mag als angemessenen Betrag eine etwas andere Summe ergeben, eine grundsätzlich andere Größenordnung, welche im Eilverfahren zu einer (teilweisen) Stattgabe führen müsste, scheidet jedoch aus.
Dass es für 360,-EUR brutto warm keine Wohnungen im bisherigen Wohnumfeld anzumieten geben könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Die Kosten der jetzigen Unterkunft sind auch nicht vorübergehend - geschweige denn dauerhaft - aufgrund gesundheitlicher Gründe bzw. des psychischen Zustandes der Antragstellerin als angemessene im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II anzusehen oder trotz Unangemessenheit vorübergehend vom Antragsgegner weiterhin zu übernehmen. Es ist nicht glaubhaft gemacht oder im Ansatz ernstlich ersichtlich, dass es der Antragstellerin unmöglich ist, die Wohnung zu wechseln oder -alternativ- eine Person in ihre Wohnung aufzunehmen. Dass die Antragstellerin vor einem Umzug Angst hat, reicht nicht aus: Im Attest des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie-Psychoanalyse K vom 21. Mai heißt es lediglich, dass die Zumutung einer wohnlichen Veränderung kontraindiziert sei und ein Aufrechterhalten der bisherigen Wohnsituation befürwortet werde. Aus dem Entlassungsbericht der K vom 24.01.2007 ergibt sich die generelle Behandlungsbedürftigkeit der Antragstellerin. Es wird aus den Attesten ersichtlich, dass sie einen Umzug scheut und Angst davor hat, jedoch nicht, dass sie dazu nicht in der Lage wäre. Im vorliegenden Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass - unter Eingliederungsgesichtspunkten - für die Antragstellerin auch psychosoziale Betreuung (§ 16 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) und für die Bewältigung eines Umzuges auch die Zusicherung der Übernahme von Umzugskosten (§ 22 Abs. 3 Satz 2 SBG II) in Betracht kommen (so zutreffend wörtlich LSG Berlin-Brandenburg, B. v. 15.03.2007 - L 19 B 1200/06 AS PKH -, zitiert nach: www.sozialgerichtsbarkeit.de). Im Streit steht nicht der generelle Verlust einer eigenen Wohnung als Rückzugsraum. Es geht "nur" um den Umzug in eine nicht ganz so teure Wohnung. Der Verlust des sozialen Wohnumfeldes ist -wie ausgeführt- von vorneherein nicht zu befürchten.
Es ist weiter nicht davon auszugehen, dass die vom Antragsgegner gesetzte Frist von sechs Monaten zu kurz gewesen ist, weil die Antragstellerin zwischenzeitlich mehrmals stationär behandelt werden musste. Die Antragstellerin hat nach ihrem eigenen Vortrag offenbar überhaupt keine Versuche unternommen, eine billigere Wohnung anzumieten oder alternativ eine Person in ihre Wohnung aufzunehmen. Dass solche Bemühungen nicht von Erfolg hätten gekrönt sein können, ist nicht ersichtlich. Weil die Antragstellerin überhaupt nicht gesucht hat, kann es aus Sicht des Senates nicht auf die von ihr in erster Instanz aufgeworfene Frage ankommen, wie konkret die Aufforderungen durch den Träger der Grundsicherung sein müssen, sich um eine Reduzierung der Kosten der Unterkunft zu kümmern und diese Bemühungen nachzuweisen (vgl. hierzu Bayerisches LSG, U. v. 18.08.06 -L7 AS 141/06- zitiert nach Juris). Sie durfte zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten jedenfalls nicht überhaupt nichts machen.
Es fehlt darüber hinaus, jedenfalls teilweise, an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch ein Abwarten einer positiven Hauptsacheentscheidung nicht ausgleichbare wesentliche Nachteile drohen. Ganz allgemein ist grundsätzlich nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfes die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft der Monate bis jedenfalls Juni 2007 kann hiervon nicht ausgegangen werden. Gründe, die hier ausnahmsweise die Gewährung von Leistungen auch für die Vergangenheit geboten erscheinen ließen, sind nicht vorgetragen und insbesondere nicht glaubhaft gemacht.
Der Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu gewähren, weil die Beschwerde hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt hat und nicht mutwillig erschienen ist. Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des jeweiligen Hauptsacheverfahrens treten zu lassen, wenn der Antrag völlig aussichtslos ist oder ein Erfolg in der Sache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2005 -1 BvR 175/05- NJW 2005, 3849 mit Bezug u. a. auf BVerfGE 81, 347, 357f). Davon ist hier nicht auszugehen, weil auch eine reine Folgenabwägung mit für die Antragstellerin zumindest teilweise positivem Ergebnis nicht völlig ausgeschlossen gewesen ist. Die Vertretung durch eine Rechtsanwältin erscheint erforderlich, § 121 Abs. 2 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG entsprechend.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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