L 24 KR 7/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
24
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 2261/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KR 7/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 2005 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf 35,07 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um Zinsen in Höhe von 2 v. H. über dem Basiszinssatz aus dem Betrag von 2.312,10 Euro für den Zeitraum vom 14. Mai bis 12. August 2004.

Die bei der Beklagten krankenversicherte BB befand sich vom 14. April bis 24. April 2004 in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus in Behandlung. Unter dem 29. April 2004 übersandte die Klägerin eine Rechnung über 2.424,57 Euro mit der Aufforderung, diese bis zum 13. Mai 2004 zu begleichen. Die Beklagte zahlte darauf 112,47 Euro. Im Übrigen erklärte sie mit dem Schreiben vom 14. Mai 2004 die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in gleicher Höhe aus der Behandlung ihrer Versicherten D. Die Gegenforderung sei eine Forderung auf Rückzahlung der wegen der Behandlung bereits gezahlten Vergütung, die jedoch nicht zustehe, weil die Klägerin die Übersendung der entsprechenden Krankenhausunterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verweigert habe.

Die seinerzeit bei der BKK Berlin (im Folgenden ebenfalls Beklagte genannt), die sich zum 01. Januar 2004 mit der BKK Hamburg zur Beklagten vereinigt hat, krankenversicherte D befand sich wegen Ösophagusvarizen vom 24. bis 30. März 2003 in dem von der Klägerin betriebenen Krankenhaus in Behandlung. Mit Schreiben vom 03. Juni 2003 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Zahlung der deswegen geforderten Vergütung unter dem Vorbehalt der Überprüfung der Dauer und Notwendigkeit der Behandlung erfolge. Im Auftrag der Beklagten wandte sich daraufhin der MDK an die Klägerin und bat u. a. darum, eine Kopie des Entlassungsberichtes an ihn zu übersenden. Mit Schreiben vom 03. Dezember 2003 kündigte die Beklagte der Klägerin an, dass der bezahlte Rechnungsbetrag zurückgefordert bzw. ggf. aufgerechnet werde. Der MDK habe mitgeteilt, dass die Übersendung der angeforderten Befund-, Behandlungs- bzw. Entlassungsberichte verweigert werde. Ohne die angeforderten Unterlagen sei eine abschließende Beurteilung durch den MDK nicht möglich. Mit Schreiben vom 24. Februar 2004 wies der MDK die Beklagte darauf hin, dass der Entlassungsbericht vom 21. Oktober 2003 die Notwendigkeit und Dauer der stationären Krankenhausbehandlung nur unzureichend begründe und deswegen eine Krankenhausbegehung durchgeführt werde.

Die Klägerin hat am 02. August 2004 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben und vorgetragen: Der Beklagten stehe kein Leistungsverweigerungsrecht und damit auch keine Aufrechnungsbefugnis zu. Die von ihr hergestellte Verknüpfung zwischen Fälligkeit und dem MDK-Prüfverfahren sei nicht haltbar, denn aus dem Vertrag über allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01. November 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 für das Land Berlin (ABK-Vertrag) ergebe sich eindeutig, dass die Fälligkeit einer in Rechnung gestellten Krankenhausbehandlung 14 Tage nach Erhalt der Rechnung beginne. Die Klägerin hat u. a. den Entlassungsbericht vom 21. Oktober 2003 über die stationäre Behandlung der Versicherten D vom 24. bis 30. März 2003 vorgelegt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.312,10 Euro nebst 2 v. H. Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem 14. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat - insoweit von der Klägerin als Teilanerkenntnis angenommen - die Hauptforderung in vollem Umfang und die Zinsforderung erst ab Klagezustellung (13. August 2004) anerkannt und anschließend nur noch im Übrigen beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Ansicht gewesen, der Zahlungsanspruch sei nicht durchsetzbar gewesen, da sich die Klägerin geweigert habe, am vertraglich vereinbarten MDK-Prüfverfahren mitzuwirken. Ihrer Mitwirkungsverpflichtung sei sie erst im gerichtlichen Verfahren mit der Vorlage des angeforderten Entlassungsberichtes nachgekommen. Bis zur Klageerhebung sei die Beklagte nicht zur Leistung verpflichtet gewesen. Da sie keine Veranlassung zur Klage gegeben habe, gelte § 197 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 156 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Nach entsprechender Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 29. November 2005 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin auf den Betrag von 2.312,10 Euro Zinsen in Höhe von 2 v. H. über dem jeweils gültigen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 14. Mai 2004 bis zum 12. August 2004 zu zahlen. Es hat außerdem die Berufung zugelassen: Der noch streitige Zinsanspruch beruhe auf § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i. V. m. § 12 Abs. 4 und 5 ABK-Vertrag. Danach führe die nicht fristgemäße Zahlung innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungseingang zur verschuldensunabhängigen Verpflichtung, Zinsen in der geforderten Höhe zu entrichten. Ein sofortiges Anerkenntnis nach § 156 VwGO liege nicht vor, denn das Anerkenntnis der Hauptforderung sei erst mehr als ein Jahr nach Klageerhebung abgegeben worden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 05. Dezember 2005 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 04. Januar 2006 eingelegte Berufung der Beklagten.

Sie meint, die Klägerin habe ihren Vergütungsanspruch wegen der Weigerung zur Übersendung des Entlassungsberichtes für den Zeitraum bis zur Klagezustellung nicht durchsetzen können, so dass auch kein Zinsanspruch bestehe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. November 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Beklagte trotz Fälligkeit nicht gezahlt habe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis dazu erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an die Klägerin 2 v. H. Zinsen über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus dem Betrag von 2.312,10 Euro vom 14. Mai 2004 bis 12. August 2004 zu zahlen. Der Zinsanspruch ist fällig gewesen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung hat selbst nach Ansicht der Beklagten nicht bestanden.

Rechtsgrundlage des Zinsanspruches ist § 12 ABK-Vertrag in Verbindung mit § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V und der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2004.

Nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V ist das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die Krankenkassen sind nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzvereinbarungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) zu führen. Dabei wird die Vergütungspflicht der Krankenkasse als selbstverständlich vorausgesetzt. Allerdings besteht ein Anspruch auf Vergütung einer stationären Behandlung nur, soweit sie medizinisch notwendig war. Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert deshalb mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht daher - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit der insoweit notwendigen Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, sofern die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung vorliegen (BSG, Urteil vom 12. Mai 2005 - B 3 KR 30/04 R, abgedruckt in SozR 4-5565 § 14 Nr. 9; Urteil vom 13. Mai 2004 - B 3 KR 18/03 R, abgedruckt in SozR 4 2500 § 39 Nr. 2 = BSGE 92, 300; Urteil vom 17. Mai 2000 - B 3 KR 33/99 R, abgedruckt in SozR 3-2500 § 112 Nr. 1 = BSGE 86, 166).

Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung der Versicherten B B im Zeitraum vom 14. bis 24. April 2004 ist zwischen den Beteiligten ebenso wenig streitig, wie die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Rechnung vom 29. April 2004 über 2.424,57 Euro. Die Beklagte zahlte allerdings auf diese Rechnung zunächst lediglich 112,47 Euro. Die Restforderung über 2.312,10 Euro hat sie erst während des erstinstanzlichen Verfahrens anerkannt.

Die Restforderung ist fällig gewesen und wie vom Sozialgericht ausgesprochen zu verzinsen.

Nach Beendigung der Krankenhausbehandlung wird der zuständigen Krankenkasse in der Regel innerhalb von 30 Tagen eine Schlussrechnung übersandt (§ 12 Nr. 1 ABK-Vertrag). Nach § 12 Nr. 4 Satz 1 ABK-Vertrag bezahlt die zuständige Krankenkasse die Rechnungen innerhalb von 14 Kalendertagen nach Rechnungseingang. Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art können auch nach Bezahlung der Rechnung geltend gemacht und die Differenzbeträge verrechnet werden (§ 12 Nr. 4 Satz 3 ABK-Vertrag). Erfolgt die Zahlung nicht fristgemäß, kann das Krankenhaus nach § 12 Nr. 5 ABK-Vertrag ab Fälligkeitstag ohne vorherige Mahnung Zinsen in Höhe von 2 Prozent über dem Diskontsatz der Deutschen Bundesbank berechnen.

Nach dem Schreiben der Beklagten vom 14. Mai 2004 über die Erklärung der Aufrechnung ging bei ihr die Rechnung vom 29. April 2004 am selben Tag ein, so dass der Vergütungsanspruch jedenfalls am 14. Mai 2004 fällig war. Die Restforderung ist somit ab diesem Zeitpunkt in Höhe von 2 v. H. zu verzinsen gewesen. § 12 Nr. 5 ABK-Vertrag ist hierbei dahingehend auszulegen, dass an die Stelle des Diskontsatzes nunmehr der Basiszinssatz, der den Diskontsatz zum 01. Mai 2000 abgelöst hat (vgl. §§ 288 Abs. 1, 247 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - , Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 2, § 7 Abs. 1 Einführungsgesetz zum BGB - EGBGB; vgl. auch Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Auflage, § 288 Rdnr. 1), tritt.

Der Vergütungsanspruch in Höhe von 2.312,10 Euro ist nicht durch die Aufrechnungserklärung der Beklagten vom 14. Mai 2004 erloschen.

Die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung finden Anwendung. Nach § 69 Satz 2 SGB V werden die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Krankenhäusern und ihren Verbänden zwar abschließend in diesem (4.) Kapitel, in den §§ 63, 64 SGB V und dem KHG, dem KHEntgG sowie den hiernach erlassenen Rechtsverordnungen geregelt. Für die Rechtsbeziehungen gelten jedoch im Übrigen nach § 69 Satz 3 SGB V die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit den Vorgaben des § 70 SGB V und den übrigen Aufgaben und Pflichten der Beteiligten nach diesem Kapitel vereinbar sind. Eine Unvereinbarkeit der Regelungen des BGB über die Aufrechnung mit Vorschriften des SGB V ist nicht festzustellen.

Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann (§ 387 BGB). Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 Satz 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Aufrechnung bewirkt nach § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber getreten sind.

Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung hat das Erlöschen des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruches schon deswegen nicht bewirkt, weil die Klägerin nicht die Rückzahlung des Betrages von 2.312,10 Euro aus der Behandlung der Versicherten D im Zeitraum vom 24. bis 30. März 2003 schuldete. Das Fehlen einer solchen Verpflichtung ist Grund dafür gewesen, dass die Beklagte den von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch anerkannt hat.

Besteht kein Rückzahlungsanspruch kann die mit der Aufrechnung zu bewirkende Rechtsfolge bezüglich des Vergütungsanspruches nicht eintreten. Der Vergütungsanspruch wird daher in seinem Bestand nicht berührt. Dies hat zur Folge, dass Nebenforderungen, die wegen der Fälligkeit des Vergütungsanspruches bestehen, wie der Zinsanspruch, gleichfalls unberührt bleiben.

Die von der Beklagten zur Stützung des Rückzahlungsanspruches im Rahmen der erklärten Aufrechnung vorgetragenen Gründe erweisen sich als fruchtlos, wenn die Aufrechnung daran scheitert, dass der Rückzahlungsanspruch - selbst nach Auffassung der Beklagten - nicht besteht.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a Abs. 1 Satz 1 dritter Halbsatz SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO und entspricht dem Ergebnis des Berufungsverfahrens. Es besteht keine Veranlassung, die erstinstanzliche Kostenentscheidung zu ändern. Die Voraussetzungen des § 156 VwGO, wonach dem Kläger die Prozesskosten zur Last fallen, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt, sofern der Beklagte durch sein Verhalten keine Veranlassung zur Erhebung der Klage gegeben hat, liegen nicht vor. Veranlassung zur Klage gibt derjenige, der vor Klageerhebung unmissverständlich zum Ausdruck bringt, den geltend gemachten Anspruch nicht erfüllen zu wollen. Die Beklagte hat sich vorgerichtlich berühmt, einen Gegenanspruch gegen den erhobenen Vergütungsanspruch zu haben, so dass dieser infolge Aufrechnung erloschen ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.

Die Festsetzung des Streitwertes, die nach § 63 Abs 2 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. § 197a Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz SGG ergeht, ergibt sich aus § 52 Abs. 1 und Abs. 3, § 47 Abs. 1 und 2 GKG und bestimmt sich, wenn der Antrag des Rechtsmittelführers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, nach deren Höhe. Sind Zinsen als Nebenforderungen ohne den Hauptanspruch betroffen, ist der Wert der Nebenforderungen maßgebend, soweit er den Wert des Hauptanspruchs nicht übersteigt (§ 43 Abs. 2 GKG).
Rechtskraft
Aus
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