L 3 B 1115/06 R PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 14 R 81/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 B 1115/06 R PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. März 2006 abgeändert. Dem Kläger wird Rechtsanwalt R H ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalt beigeordnet.

Gründe:

I.

Der Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Kläger) erstrebt im Ausgangsverfahren die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Auf seinen Antrag vom 23. Januar 2006 bewilligte ihm das Sozialgericht Potsdam mit Beschluss vom 29. März 2006 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R H, B, zu den Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes.

Gegen den ihm am 7. Juni 2006 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 12. Juni 2006 insoweit Beschwerde eingelegt, als die Beiordnung von Rechtsanwalt H auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes beschränkt worden ist. Der Kläger macht geltend, er sei darauf angewiesen, einen Rechtsanwalt vor Ort (B) zu beauftragen, da es ihm aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II finanziell nicht zuzumuten sei, hierfür nach Potsdam zu fahren. Da beim Sozialgericht keine Rechtsanwälte zugelassen seien, gelte die Regelung des § 121 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde im Hinblick auf den Beschluss des Landessozialgerichts Brandenburg vom 24. Juni 2004, Aktenzeichen L 2 B 20/04 SF, nicht abgeholfen und sie dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 172 Sozialgerichtgesetz (SGG) zulässig. Sie ist form- und fristgerecht im Sinne des § 173 Abs. 1 SGG erhoben worden. Das Sozialgericht hat ihr nicht abgeholfen (vgl. § 174 SGG).

Die Beschwerde ist auch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Nach § 73 Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 114 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung hat das Sozialgericht bejaht und die beantragte Prozesskostenhilfe bewilligt. Die grundsätzliche Bewilligung ist hier auch nicht streitig.

Der Beschluss des Sozialgerichts ist lediglich insoweit abzuändern, als dem Kläger Rechtsanwalt H unter der Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts beigeordnet worden ist.

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergütungsanspruches des beigeordneten Rechtsanwalts ist § 46 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), der auch nach der Neuregelung des anwaltlichen Vergütungsrechts zum 01. Juli 2004 die Staatskasse vor überhöhter Inanspruchnahme schützen soll. Deshalb werden nach dieser Vorschrift Auslagen, insbesondere Reisekosten, nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. Waren die Auslagen zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich, kommt eine Kürzung aufgrund des Umstandes, dass sie von der Staatskasse zu tragen waren, nicht in Betracht (vgl. HK – RVG, Ebert § 46 Rn 11).

Zwar bestimmt § 121 Abs. 3 ZPO, dass ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Diese Vorschrift ist bei Streitigkeiten vor dem Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialgericht aber nicht unmittelbar anwendbar, da eine "Zulassung" ausschließlich bei einem Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit erfolgt (§ 18 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung – BRAO -). Die entsprechende Anwendung des § 121 Abs. 3 ZPO auf das sozialgerichtliche Verfahren erlaubt nach Auffassung des Senats vielmehr die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der im Sozialgerichtsbezirk seinen Sitz hat, auch ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes (so auch Beschluss des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 21. August 2005, Aktenzeichen L 2 B 36/05 AL, und Beschluss des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz vom 12. Februar 2007, Aktenzeichen L 6 B 355/06 R, sowie Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 1. März 2007, Aktenzeichen L 5 B 580/06 AS). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist es zur Überzeugung des Senats nicht geboten, die Vorschrift im sozialgerichtlichen Verfahren dahingehend entsprechend anzuwenden, dass nur eine bedingungslose Beiordnung von Rechtsanwälten in Betracht kommt, die ihren Sitz am Gerichtsort selbst haben bzw. eine Beiordnung auswärtiger Rechtsanwälte nur zu den Bedingungen von am Gerichtsitz ansässigen Rechtsanwälten erfolgen kann. Eine solche Auslegung wird durch den Sinn und Zweck des Gesetzes nicht gedeckt. Nach § 46 Abs. 1 RVG hat ein Rechtsanwalt für die Anreise zum Termin zu mündlichen Verhandlung Anspruch auf Ersatz seiner Reisekosten als Auslagen, wenn diese zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich waren. Vor diesem Hintergrund gibt es keinen Anlass, im sozialgerichtlichen Verfahren einen strengeren Maßstab anzulegen und nur solche Anwälte zuzulassen, die ihre Kanzlei am Gerichtsort selbst haben. Vielmehr ist in entsprechender Anwendung des § 121 Abs. 3 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwaltes, der im Sozialgerichtsbezirk seinen Sitz hat, ohne Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwaltes vorzunehmen. Dies gilt umso mehr in Fällen, in denen - wie hier - die Kanzlei am Wohnort des Klägers liegt, so dass kostspielige Reisen des Rechtsanwaltes zu seinem Mandanten oder umgekehrt verhindert werden. Im Übrigen ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2004, 2749, OLG Hamm FamRZ 2005, 1264, BAG NJW 2005, 2718) zu prüfen, ob besondere Umstände für die Beiordnung eines Verkehrsanwalts im Sinne des § 121 Abs. 4 ZPO vorliegen. Diese besonderen Umstände dürften in sozialgerichtlichen Verfahren wegen Alters, Krankheit oder Behinderung der Betroffenen häufig gegeben sein. Im vorliegenden Fall ist angesichts der Tatsache, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seinen Sitz im Gerichtsbezirk des SG Potsdam hat und in der Regel nur die Anreise zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung erfolgt, der angesichts seiner Bedeutung im sozialgerichtlichen Verfahren zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit erforderlich ist, seine Beiordnung ohne die Beschränkung auf die Bedingungen eines ortsansässigen Rechtsanwalts gerechtfertigt.

Soweit sich das Sozialgericht Potsdam auf den Beschluss des Landessozialgerichts für das Land Brandenburg vom 24. Juni 2004, Aktenzeichen L 2 B 20/04 SF, beruft, ist diese Entscheidung nicht einschlägig. In jenem Verfahren ging es um die Kostenfestsetzung nach § 126 Abs. 1 und 2 BRAGO. Der die Beiordnung beantragende Rechtsanwalt hatte selbst seine Beiordnung zu den Bedingungen eines am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes beantragt. Das Landessozialgericht hat dazu ausgeführt, der Rechtsanwalt bleibe in jedem Fall an sein Einverständnis mit der eingeschränkten Beiordnung gebunden, selbst wenn der Bewilligungs- bzw. Beiordnungsbeschluss eine entsprechende Einschränkung nicht enthalte. Aus dieser Entscheidung lässt sich nicht herleiten, dass im Rahmen der PKH-Bewilligung nur eine bedingungslose Beiordnung bei den Rechtsanwälten in Betracht kommt, die ihren Sitz am Gerichtsort selbst haben.

Die Entscheidung ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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