Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 113 AS 6335/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1226/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 14. Juni 2007 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Absenkungsbescheid des Antragsgegners vom 22. Dezember 2006 wird für die Zeit ab 13. März 2007 angeordnet. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 13. März 2007 bis 31. März 2007 und für April 2007 weiteres Arbeitslosengeld II in Höhe von 66,- EUR (März 2007) bzw. 104,- EUR (April 2007) zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt zwei Drittel der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller im gesamten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
Gründe:
Angesichts der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Vorsitzenden zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese sich bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihres Begehrens (nur) noch gegen die von dem Antragsgegner verlautbarte Absenkungsentscheidung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) um 30 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung wenden, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht nur eine Beschwerde der Antragstellerin zu 1., sondern auch der Antragsteller zu 2. und 3., die mit der Antragstellerin zu 1. in einer Bedarfsgemeinschaft (der Antragsteller zu 2. seit dem 12. März 2007) gemäß § 7 Abs. 3 Nrn. 1, 3a und 4 SGB II leben. Für eine Übergangszeit (bis 30. Juni 2007) sind dabei Anträge (maßgeblich: Antragszeitpunkt) in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen den Antrag hätten stellen müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – veröffentlicht in juris). Hinsichtlich des Antragstellers zu 2. kann nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG eine Bevollmächtigung der Antragstellerin zu 1. zur Führung des Verfahrens unterstellt werden, die auch die Einschaltung eines Verfahrensbevollmächtigten umfasst (vgl. BSG aaO).
Hinsichtlich des sinngemäß auch gegen den Absenkungsbescheid vom 22. Dezember 2006 gerichteten Begehrens handelt es sich um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der – zwischenzeitlich erhobenen – Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II; da der Antragsgegner in dem mit dieser Klage angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 auch über den – möglicherweise verfristeten - Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2006 entschieden hat, kann eine Bestandskraft des Bescheides vom 22. Dezember 2006 mit der Folge, dass ein einstweiliger Rechtsschutzantrag insoweit unzulässig wäre, nicht eingetreten sein. In Bezug auf die Bewilligungsbescheide vom 26. Januar 2007 und 15. März 2007 für die Zeit ab 1. März 2007, die auf der Absenkungsentscheidung vom 22. Dezember beruhen und diese lediglich umsetzen, ist der einstweilige Rechtsschutzantrag als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG anzusehen. Beide Anträge sind für die Zeit ab 13. März 2007 (Antragseingang bei dem Sozialgericht) begründet. Soweit sich die Antragsteller hingegen gegen die Absenkung für Leistungszeiträume vor dem 13. März 2007 wenden, fehlt es an einem eiligen Regelungsbedürfnis. Denn eine rückwirkende Leistungsgewährung kommt im Rahmen der durch den einstweiligen Rechtsschutz zu gewährenden "Notfallhilfe" regelmäßig nicht in Betracht. Die Beschwerde war daher insoweit zurückzuweisen.
Im Übrigen gilt Folgendes: Die Absenkungsentscheidung ist zum einen schon insoweit rechtswidrig, als für die Zeit ab dem Eintritt des Antragstellers zu 2. in die Bedarfsgemeinschaft (12. März 2007) eine Absenkung um kalendermonatlich 104,- EUR schon deshalb nicht mehr in Betracht kommt, weil § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II allenfalls eine Absenkung um 30 v.H der für die Antragstellerin zu 1. nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung zuließe. Die maßgebende Regelleistung der Antragstellerin zu 1. belief sich aber ab 12. März 2007 (nur) noch auf monatlich 311,- EUR (vgl. § 20 Abs. 3 SGB II). 30 v.H. hiervon machen lediglich einen monatlichen Absenkungsbetrag von 93,- EUR aus; für März wäre dieser anteilig und für April in vollem Umfang maßgebend.
Im Übrigen lässt sich vorliegend nicht abschließend klären, ob die Absenkungsentscheidung des Antragsgegners gerechtfertigt war. Insoweit ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Seite 8 m.w.N.). Unklar ist bislang insbesondere, ob die Antragstellerin zu 1. für ihr Verhalten einen wichtigen Grund hatte, bspw. eine längere Erkrankung, was sie nachdrücklich beteuert hat. Auch eine zeugenschaftliche Anhörung verantwortlicher Mitarbeiter der "K" zu den tatsächlichen Umständen der angeblich unzureichenden Arbeitsleistung der Antragstellerin zu 1. ist für eine abschließende Klärung unerlässlich. Da sie im gerichtlichen Eilverfahren untunlich ist und vorliegend zudem dadurch erschwert worden ist, dass der Antragsgegner trotz gerichtlicher Aufforderung seine Verwaltungsakten nicht fristgerecht hergereicht hat, war eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG aaO). Danach bestünde im Fall einer Ablehnung des Antrags die Gefahr, dass die Existenz der Antragsteller in der Zeit ab Antragseingang bei dem Sozialgericht (13. März 2007) unzureichend gesichert gewesen wäre. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner drohenden Nachteilen auch gerade angesichts der Gesamthöhe der streitigen Beträge ungleich schwerer. Aus diesem Grund war der Antragsgegner für die Zeit ab 13. März 2007 zur Zahlung der auf Grund der Absenkungsentscheidung einbehaltenen Beträge zu verpflichten. Für den Monat April 2007 sind dies 104,- EUR, für die Zeit vom 13. März 2007 bis 31. März 2007 anteilig (gerundet) 66,- EUR (104,- EUR -19/30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Angesichts der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Vorsitzenden zu entscheiden.
Die Beschwerde der Antragsteller, mit der diese sich bei verständiger Würdigung (vgl. § 123 SGG) ihres Begehrens (nur) noch gegen die von dem Antragsgegner verlautbarte Absenkungsentscheidung gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) um 30 v.H. der nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung wenden, ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet; im Übrigen ist sie nicht begründet und war zurückzuweisen.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nicht nur eine Beschwerde der Antragstellerin zu 1., sondern auch der Antragsteller zu 2. und 3., die mit der Antragstellerin zu 1. in einer Bedarfsgemeinschaft (der Antragsteller zu 2. seit dem 12. März 2007) gemäß § 7 Abs. 3 Nrn. 1, 3a und 4 SGB II leben. Für eine Übergangszeit (bis 30. Juni 2007) sind dabei Anträge (maßgeblich: Antragszeitpunkt) in Erweiterung der üblichen Auslegungskriterien danach zu beurteilen, in welcher Weise die an einer Bedarfsgemeinschaft beteiligten Personen den Antrag hätten stellen müssen, um die für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt gewünschten höheren Leistungen zu erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – veröffentlicht in juris). Hinsichtlich des Antragstellers zu 2. kann nach § 73 Abs. 2 Satz 2 SGG eine Bevollmächtigung der Antragstellerin zu 1. zur Führung des Verfahrens unterstellt werden, die auch die Einschaltung eines Verfahrensbevollmächtigten umfasst (vgl. BSG aaO).
Hinsichtlich des sinngemäß auch gegen den Absenkungsbescheid vom 22. Dezember 2006 gerichteten Begehrens handelt es sich um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der – zwischenzeitlich erhobenen – Klage nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II; da der Antragsgegner in dem mit dieser Klage angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2007 auch über den – möglicherweise verfristeten - Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Dezember 2006 entschieden hat, kann eine Bestandskraft des Bescheides vom 22. Dezember 2006 mit der Folge, dass ein einstweiliger Rechtsschutzantrag insoweit unzulässig wäre, nicht eingetreten sein. In Bezug auf die Bewilligungsbescheide vom 26. Januar 2007 und 15. März 2007 für die Zeit ab 1. März 2007, die auf der Absenkungsentscheidung vom 22. Dezember beruhen und diese lediglich umsetzen, ist der einstweilige Rechtsschutzantrag als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG anzusehen. Beide Anträge sind für die Zeit ab 13. März 2007 (Antragseingang bei dem Sozialgericht) begründet. Soweit sich die Antragsteller hingegen gegen die Absenkung für Leistungszeiträume vor dem 13. März 2007 wenden, fehlt es an einem eiligen Regelungsbedürfnis. Denn eine rückwirkende Leistungsgewährung kommt im Rahmen der durch den einstweiligen Rechtsschutz zu gewährenden "Notfallhilfe" regelmäßig nicht in Betracht. Die Beschwerde war daher insoweit zurückzuweisen.
Im Übrigen gilt Folgendes: Die Absenkungsentscheidung ist zum einen schon insoweit rechtswidrig, als für die Zeit ab dem Eintritt des Antragstellers zu 2. in die Bedarfsgemeinschaft (12. März 2007) eine Absenkung um kalendermonatlich 104,- EUR schon deshalb nicht mehr in Betracht kommt, weil § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB II allenfalls eine Absenkung um 30 v.H der für die Antragstellerin zu 1. nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung zuließe. Die maßgebende Regelleistung der Antragstellerin zu 1. belief sich aber ab 12. März 2007 (nur) noch auf monatlich 311,- EUR (vgl. § 20 Abs. 3 SGB II). 30 v.H. hiervon machen lediglich einen monatlichen Absenkungsbetrag von 93,- EUR aus; für März wäre dieser anteilig und für April in vollem Umfang maßgebend.
Im Übrigen lässt sich vorliegend nicht abschließend klären, ob die Absenkungsentscheidung des Antragsgegners gerechtfertigt war. Insoweit ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 – Seite 8 m.w.N.). Unklar ist bislang insbesondere, ob die Antragstellerin zu 1. für ihr Verhalten einen wichtigen Grund hatte, bspw. eine längere Erkrankung, was sie nachdrücklich beteuert hat. Auch eine zeugenschaftliche Anhörung verantwortlicher Mitarbeiter der "K" zu den tatsächlichen Umständen der angeblich unzureichenden Arbeitsleistung der Antragstellerin zu 1. ist für eine abschließende Klärung unerlässlich. Da sie im gerichtlichen Eilverfahren untunlich ist und vorliegend zudem dadurch erschwert worden ist, dass der Antragsgegner trotz gerichtlicher Aufforderung seine Verwaltungsakten nicht fristgerecht hergereicht hat, war eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG aaO). Danach bestünde im Fall einer Ablehnung des Antrags die Gefahr, dass die Existenz der Antragsteller in der Zeit ab Antragseingang bei dem Sozialgericht (13. März 2007) unzureichend gesichert gewesen wäre. Dieser Nachteil wiegt aber im Verhältnis zu den dem Antragsgegner drohenden Nachteilen auch gerade angesichts der Gesamthöhe der streitigen Beträge ungleich schwerer. Aus diesem Grund war der Antragsgegner für die Zeit ab 13. März 2007 zur Zahlung der auf Grund der Absenkungsentscheidung einbehaltenen Beträge zu verpflichten. Für den Monat April 2007 sind dies 104,- EUR, für die Zeit vom 13. März 2007 bis 31. März 2007 anteilig (gerundet) 66,- EUR (104,- EUR -19/30).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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