L 15 B 171/07 SO ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 50 SO 1705/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 B 171/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 11. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Da der Antragsteller eine Veränderung des bisher leistungslosen Zustands erstrebt, kommt einstweiliger Rechtsschutz nur unter den Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Begründet ist der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach dieser Vorschrift, wenn sich bei summarischer Prüfung mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass ein Anspruch nach materiellem Recht besteht (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 916 Zivilprozessordnung – ZPO -; Anordnungsanspruch) und eine besondere Eilbedürftigkeit vorliegt (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 917, 918 ZPO; Anordnungsgrund; zusammenfassend zu den Voraussetzungen Binder in Handkommentar SGG, 2003, § 86 b Randnummer 31 ff.).

Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, Mietrückstände in Höhe 2.470,47 Euro in Form eines Darlehens zu übernehmen, weil der Antragsteller einen dahingehenden Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Nach § 42 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 34 Abs. 1 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - SGB XII - können im Rahmen der Grundsicherung im Alter Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Diese Vorraussetzungen, unter denen das Ermessen des Leistungsträgers dahin eingeschränkt ist, im Regelfall die Mietschulden zu übernehmen, liegen hier nicht sämtlich vor, so dass die ablehnende Entscheidung des Antragsgegners im Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die vom Antragsteller begehrte Schuldenübernahme ist jedenfalls nicht "gerechtfertigt". Bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals ist u.a. von Bedeutung, wie es zur Gefährdung der Unterkunft gekommen ist. Diese hat sich der Antragsteller ausschließlich selbst zuzuschreiben. Der Antragsgegner war im Verfahren L 15 B 34/06 SO ER durch Beschluss des erkennenden Senats vom 27.März 2006 verpflichtet worden, die tatsächlichen Kosten für Miete und Heizung in Höhe von (damals) insgesamt 558,94 Euro ab Januar 2006 weiterhin zu übernehmen, weil dem Antragssteller mit Rücksicht auf sein Alter, seinen Gesundheitszustand und die lange Mietdauer nach den Härtefallbestimmungen der von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz erlassenen Ausführungsvorschriften für die Feststellung "angemessener Aufwendungen" für Unterkunft und Heizung für Hilfeempfänger nach dem SGB II und dem SGB XII Maßnahmen zur Senkung der Wohnungskosten nicht abverlangt werden konnten. Obwohl ihm in der Folgezeit die Kosten der Unterkunft im Rahmen der laufenden Leistungen der ergänzenden Grundsicherung gewährt worden sind, hat der Antragsteller über Monate hin keine Mietzahlungen an den Vermieter geleistet, so dass dieser mit Erfolg eine Räumungsklage gegen ihn geführt hat. Eine Berechtigung für dieses Verhalten kann der Antragsteller weder aus seinem Streit mit dem Vermieter über einen Kostenersatz für vom ihm selbst vor Jahren vorgenommene Umbauten noch aus der Verwendung der ihm gewährten Mittel für eine Reparatur seines Mofas und der Anschaffung diverser Kleidungsstücke herleiten, wobei dem Antragsteller - bei allem Verständnis für einen gewissen Nachholbedarf angesichts des ihm seit langem nicht in voller Höhe zur Verfügung stehenden Regelsatzes – selbst bewusst sein dürfte, dass er dabei kräftig "über die Stränge geschlagen" hat. Zwar scheidet die Rechtfertigung der Mietschuldenübernahme im Hinblick auf das Ziel des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, Wohnungslosigkeit zu vermeiden, nicht schon deshalb schlechthin aus, weil die Gefährdung der Unterkunft vom Leistungsberechtigten selbst verschuldet ist. Im vorliegenden Fall kommt aber hinzu, dass der Erhalt der Wohnung mit der Übernahme der hier streitigen Mietschulden in Höhe von 2.470,47 Euro gar nicht sichergestellt werden kann. Nach dem beim Amtsgericht Schöneberg im Verfahren 6 C 82/07 am 20. Juni 2007 geschlossenen Vergleich ist zur Fortsetzung des Mietverhältnisses außer der Zahlung der laufenden monatlichen Miete und der Mietrückstände in der genannten Höhe außerdem erforderlich, dass der Antragsteller innerhalb eines Jahres die Kosten des Mietrechtsstreits zahlt. Die von ihm dem Vermieter zu erstattenden Kosten insbesondere für dessen Prozessbevollmächtigten sind bereits in Höhe von 2.253,99 Euro tituliert, während die Gerichtskosten noch nicht festgesetzt worden sind. Daneben fallen noch Kosten für die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers an. Es ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, wie der Antragsteller diese Verpflichtungen erfüllen könnte. Eine Übernahme der geschuldeten Zahlungen für Mietschulden und Prozesskosten durch den Antragsgegner als einmalige Beihilfe kommt angesichts der allein vom Antragsteller verursachten Notlage nicht in Betracht, wovon er mit seinem vorliegenden Antrag auf darlehensweise Hilfegewährung auch selbst ausgeht. Er wäre aber auch nicht in der Lage, ein Darlehen in Höhe von mehreren Tausend Euro in überschaubarer Zeit zu tilgen, weil ihm angesichts bereits vorhandener Ratenzahlungsverpflichtungen hierfür gar kein finanzieller Spielraum verbleibt. In diesem Zusammenhang spielt dann auch eine Rolle, dass die in Rede stehende Wohnung für den Antragsteller allein erheblich zu groß ist und dadurch die Gefahr hoher Nebenkosten z.B. für Energie besteht, für die er selbst aufzukommen hat.

Wenngleich das Begehren des Antragstellers auf Übernahme der Mietschulden keinen Erfolg hat, ist der Antragsgegner erneut mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dem Antragsteller bei dem nun voraussichtlich kurzfristig notwenig werdenden Aus- und Umzug die konkret erforderliche Beratung und Unterstützung zuteil werden zu lassen. Darauf hat der Antragsteller ungeachtet der selbst verursachten Notlage und seiner möglicherweise nicht ganz einfachen Persönlichkeitsstruktur einen gesetzlichen Anspruch. Die vom zuständigen Sozialarbeiter geäußerte Auffassung, "wer den Weg zu Ämtern/Gerichten bewältigen kann, kann auch zwecks Wohnungsbewerbung bei Vermietern vorsprechen", ist zwar im Ansatz zutreffend, dürfte dem konkreten Fall aber nicht gerecht werden. Der Antragsteller ist als Schwerbehinderter mit einem GdB von 80 anerkannt (u.a. Einzel-GdB von 50 wegen Zustandes nach operativer Entfernung eines Stimmbandes, Stimmstörung, Atemnot bei körperlicher Belastung, ferner Einzel-GdB von 50 wegen u.a. Herzleistungsminderung, Atemfunktionsstörung und Bluthochdruck sowie Einzel-GdB von 30 wegen eines postthrombotischen Syndroms beiderseits) und benötigt eine Unterbringungsmöglichkeit für seinen Elektrorollstuhl für seine Fortbewegung außerhalb der Wohnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG ).
Rechtskraft
Aus
Saved