L 29 B 415/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 59 AS 2909/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 415/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil nach § 124 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) solche Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, ohne mündliche Verhandlung ergehen können, soweit nichts anderes bestimmt ist. Aus den hier prozessualrechtlich maßgeblichen Vorschriften der §§ 172 ff. SGG über die Beschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren ergibt sich keine gesetzlichen Verpflichtung zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung, so dass es im Ermessen des Senates geblieben ist, eine mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen. Dem Antrag des Antragstellers auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zuletzt im Schriftsatz vom 12. Juni 2007, war danach nicht Folge zu leisten, weil angesichts der Eilbedürftigkeit eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes Entscheidungen in einer mündlichen Verhandlung nicht geboten sind.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht Berlin hat zu Recht abgelehnt, die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen, unter dem Aktenzeichen S 59 2909/07 registrierten Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2007 anzuordnen.

Gegenstand des Verfahrens ist der Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 05. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar, mit der die Bewilligung von Regelleistungen für die Zeit vom 01. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 aufgehoben wurde. Dem Antragssteller war Alg II für den Zeitraum vom 01. September 2006 bis zum 28. Februar 2007 bewilligt worden. Der streitbefangene Sanktionsbescheid greift damit in diesen Bewilligungsabschnitt nur während der Zeit vom 01. bis zum 28. Februar 2007 ein. Das Antragsziel, nämlich Auszahlung von Leistungen, kann der Antragsteller für diese Zeit ausschließlich durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG erreichen.

Dies gilt auch für die Zeit vom 01. März 2007 bis zum 30. April 2007. Zwar hat die Antragsgegnerin für diese Zeit über die Bewilligung von Leistungen an den Antragsteller noch gar nicht entschieden. Der Sanktionsbescheid vom 05. Januar 2007 umfasst aber insoweit nicht nur die Aufhebung zuvor ergangener Bewilligungsentscheidungen, sondern vorrangig die Feststellung, dass dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01. Februar 2007 bis zum 30. April 2007 kein Anspruch auf Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach § 20 SGB II zusteht. Ein Bewilligungsbescheid für den auf den am 28. Februar abgelaufenen Zeitraum folgenden Bewilligungsabschnitt wäre an diese Feststellung gebunden, solange der Bescheid vom 05. Januar 2007 in seiner Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2007 vollziehbar ist.

Einstweiligen Rechtsschutz kann der Antragsteller danach nur im Wege des § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG erlangen. Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der wie der hier zu beurteilende Sanktionsbescheid über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, haben nämlich nach § 39 Nr. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB II) keine aufschiebende Wirkung.

Über den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung entscheidet das Gericht nach Ermessen aufgrund einer Interessensabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 86 b Rz. 7 f.; LSG Hamburg, Beschluss vom 09. Juni 2005 - L 5 B 71/05 ER AS, juris). Es stellt im Rahmen der Abwägung vordringlich auf die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels ab. Dabei gilt der Grundsatz, dass die Anforderungen an das Aussetzungsinteresse des Antragstellers umso geringer sind, je größer die Erfolgsaussichten sind. Ist der Bescheid offensichtlich rechtswidrig, so wird die aufschiebende Wirkung angeordnet und somit die Vollziehung ausgesetzt, denn es gibt kein öffentliches Interesse an einer Fortgeltung eines solchen Verwaltungsaktes (Keller, a.a.O., Rz. 12 c m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Bescheid vom 05. Januar 2007 in seiner Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. Februar 2007 erweist sich nach summarischer Prüfung nicht als offensichtlich rechtswidrig.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in der ab 01. Januar 2007 geltenden Fassung wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 vom Hundert der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine zumutbare Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit abgebrochen oder Anlass für den Abbruch gegeben hat.

Nach Abs. 5 der Vorschrift wird bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die das 15. Lebensjahr, jedoch noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Arbeitslosengeld II unter den in den Absätzen 1 und 4 genannten Voraussetzungen auf die Leistungen nach § 22 SGB II beschränkt; die nach § 22 Abs. 1 SGB II angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sollen an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Absatz 1 oder 4 wird das Arbeitslosengeld II um 100 vom Hundert gemindert. Bei wiederholter Pflichtverletzung nach Absatz 2 wird das Arbeitslosengeld II um den Vomhundertsatz gemindert, der sich aus der Summe des in Absatz 2 genannten Vomhundertsatzes und dem der jeweils vorangegangenen Absenkung nach Absatz 2 zugrunde liegenden Vomhundertsatz ergibt. Absatz 3 Satz 4 der Vorschrift gilt entsprechend. Bei einer Minderung des Arbeitslosengeldes II nach Satz 2 kann der Träger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls Leistungen für Unterkunft und Heizung erbringen, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich nachträglich bereit erklärt, seinen Pflichten nachzukommen. Die Agentur für Arbeit kann Leistungen nach Absatz 3 Satz 6 an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erbringen.

Diese Voraussetzungen hat der Antragsteller, der im Januar 2007 sein 19. Lebensjahr vollendete, erfüllt, weil er der von der Antragsgegnerin ab 13. November 2006 vermittelten Arbeit als Betoneinschaler bei der Firma B-S-Sch GmbH/B ab 21. November 2006 bis mindestens 24. November 2006 trotz schriftlicher Belehrung über die Folgen solchen Handelns fernblieb. Die vom Antragsteller hierfür geltend gemachten Gründe sind nach summarischer Prüfung nicht geeignet, sein Verhalten zu entschuldigen; § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Nicht nachvollziehbar ist dem Senat, warum der Antragsteller nicht der Arbeit hat nachgehen können, wenn er ohne festen Wohnsitz seinerzeit gewesen sei und bei Freunden habe übernachten müssen. Des Weiteren ist nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, dass sein Haschischkonsum ihn gesundheitlich im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit an der Verrichtung der vermittelten Arbeit gehindert habe. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes hat der Antragsteller nicht vorgelegt. Dass die Tätigkeit ihm keine ausreichende Perspektive gegeben habe, trifft nach dem in den Verwaltungsakten des Antragsgegners befindlichen Vermerk vom 08. November 2006 nicht zu. Nach erfolgreichem Abschluss der Maßnahme zur Eignungsfeststellung und Kenntnisvermittlung im Betonschalbau war von Seiten des Arbeitgebers sogar eine Übernahme in eine Vollzeitbeschäftigung avisiert worden.

Der Antragsteller war über die Folgen seines Verhaltens ausweislich des schriftlichen Vermittlungsangebotes vom 03. November 2007 belehrt, weswegen im Ergebnis offen bleiben kann, ob weitere Folgenerklärungen ihm durch eine (Anschluss-) Eingliederungsvereinbarung für die Zeit nach dem 09. November 2006 bekannt gemacht worden sind. Jedenfalls ergibt sich aus den Hinweisen und Rechtsfolgen zum Schreiben vom 03. November 2007, dass der Abbruch der vermittelten Maßnahme eine Verletzung der Grundpflichten darstellt und Alg II beim Personenkreis der 15 bis 24-Jährigen auf die Leistungen nach § 22 SGB II (Kosten der Unterkunft) beschränkt werden, die ihm indessen nicht bewilligt worden waren.

Die Antragsgegnerin hat auch zutreffend die rechtlichen Folgen aus dem Bescheid vom 05. Januar 2007 erst ab dem 1. des Folgemonats, hier ab 01. Februar 2007, eintreten lassen; § 31 Abs. 6 Satz 1 SGB II.

Schließlich führt ein sich aus den Verwaltungsakten ergebener Anhörungsmangel (§ 24 SGB X) nicht zur offensichtlichen Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide, weil ein derartiger Verfahrensmangel, soweit er nicht schon als durch das Widerspruchsverfahren als geheilt anzusehen ist (vgl. Steinwedel in Kasseler Kommentar, zu § 41 SGB X Rnr. 16 m.w.N.) jedenfalls nach § 41 Abs. 3 SGB X (im Hauptsacheverfahren) heilbar wäre.

Soweit schließlich der Antragsteller in seinem ursprünglichen Antrag vom 05. Februar 2007 auch darum bittet, die Antragsgegnerin aufzufordern, über seinen Antrag auf Bewerbungskostenübernahme zu entscheiden, war dieser Antrag nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, weil das Sozialgericht hierüber in seinem Beschluss vom 22. Februar 2007 nicht entschieden hat. Der Senat weist aber darauf hin, dass dieser Antrag einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes unzugänglich sein dürfte, möglicherweise aber einen eigenen Klageantrag im Sinne einer Untätigkeitsklage darstellen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar; § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved