L 16 R 571/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
-
Aktenzeichen
S 15 R 2430/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 571/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. April 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung großer Witwenrente (WR) aus der Versicherung des am 15. Juni 2003 verstorbenen H M S (im Folgenden: Versicherter).

Die 1953 geborene Klägerin lebte mit dem 1954 geborenen Versicherten, den sie 2002 heiratete, nach eigenen Angaben seit Ende 1999/Anfang 2000 in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Der Versicherte hatte seit 01. Mai 1996 von der früheren Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bezogen (Zahlbetrag ab 01. Juli 1999 = monatlich 1.128,09 DM). Die Klägerin erzielte aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeit als Inhaberin einer Cocktail-Bar im Jahr 2001 ein zu versteuerndes Einkommen von 3.599,- DM; in den Jahren 2002 und 2003 wurde auf eine Steuerfestsetzung ganz verzichtet (Bescheinigung des Finanzamtes Charlottenburg vom 9. August 2007).

Bei dem Versicherten wurde erstmals im August 1999 ein Bronchialkarzinom diagnostiziert, dessen ausgedehnte Lymphknoten-Metastasierung mit Pleurakarzinose im August 2000 (stationärer Aufenthalt vom 14. August bis 26. August 2000 im Universitätsklinikum C) gesichert wurde; die Therapie erfolgte palliativ in der onkologischen Spezialambulanz der C, und zwar in Gestalt einer Chemotherapie ab 19. September 2000. Nach einer neuerlichen, im Mai 2001 festgestellten Tumorprogression unterzog sich der Versicherte einer weiteren Chemotherapie, die zunächst zu einer Stabilisierung der Erkrankungssituation führte. Nach einer weiteren - stationär vom 30. April 2002 bis 01. Mai 2002 durchgeführten – Chemotherapie und Feststellung einer Hirnmetastasierung im Oktober 2002 wurde eine Ganzhirnbestrahlung bei schwerster neurologischer Symptomatik des Versicherten durchgeführt. Im Dezember 2002 fand wegen der Stammhirnkompression eine palliative Hirnmetastasenentfernung statt; der Versicherte befand sich zuvor vom 30. Oktober 2002 bis 12. November 2002 in stationärer Behandlung, in deren Verlauf er und die Klägerin heirateten. Nach der Hirnoperation schloss sich ein erneuter stationärer Aufenthalt wegen einer progredienten schweren Dyspnoe vom 27. Dezember 2002 bis 18. Januar 2003 an. Die palliative Chemotherapie wurde anschließend fortgesetzt, in der C letztmalig am 01. April 2003. Nach dem "chemotherapeutisch ausbehandelten Tumorleiden" stellte sich der Versicherte erstmals am 4. April 2003 zur Einleitung einer Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor bei dem Fachkrankenhaus für Lungenheilkunde und Thoraxchirurgie B vor. Am 2003 verstarb der Versicherte in diesem Krankenhaus, nachdem er zuvor am 16. April 2003 stationär aufgenommen worden war.

Im September 2003 beantragte die Klägerin die Gewährung von WR. Sie gab an, zum Zeitpunkt der Eheschließung sei nicht mit dem Tod des Versicherten zu rechnen gewesen. Sie habe ihn bis Mai 2003 gepflegt, danach sei er ins Krankenhaus gekommen. Da sie selbstständig sei, habe sie ihren Lebensunterhalt vor und während der Ehe selbst bestritten. Mit Bescheid vom 23. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, dass im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung in § 46 Abs. 2a Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) davon auszugehen sei, dass die Erlangung einer Versorgung Ziel der Eheschließung gewesen sei. Diese gesetzliche Vermutung habe die Klägerin nicht widerlegen können.

Im Klageverfahren hat die Klägerin vorgetragen, der Tod des Versicherten am 2003 sei aus medizinischer Sicht völlig unerwartet und zuvor nicht absehbar gewesen. Dies ergebe sich aus den eingereichten ärztlichen Unterlagen der C. Schließlich habe sich der Versicherte nach der Beendigung der Chemotherapien in der C im April 2003 ohne wesentliche Beschwerden zur Einleitung einer Therapie mit einem Tyrosinkinase-Inhibitor bei dem Fachkrankenhaus für Lungenheilkunde und Thoraxchirurgie vorgestellt. Dies sei nur für Patienten möglich gewesen, die noch eine längere Lebensdauer gehabt hätten. Von Beginn der eheähnlichen Lebensgemeinschaft an habe die Absicht bestanden zu heiraten. Diese Absicht hätten sie und der Versicherte schließlich am 10. November 2002 verwirklicht, und zwar als Zeichen der gegenseitigen Liebe und als "psychischen Moment der Stärkung und des inneren Aufbaus" für den Versicherten, dem eine schwere Hirnoperation bevorgestanden habe. Sie sei seit 1987 als Inhaberin einer Cocktailbar wirtschaftlich unabhängig und habe ein ausreichendes eigenes Einkommen und mehrere Kapitallebensversicherungen, die in den Jahren 2008, 2016 und 2017 fällig würden. Eine Grundversorgung sei dadurch auch ohne die Hinterbliebenenrente gesichert. Die entsprechenden Versicherungsunterlagen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, hat die Klägerin eingereicht.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat von den zuletzt behandelnden Ärzten des Klägers Befundberichte erstatten lassen, und zwar von dem Internisten Dr. W vom 18. Juli 2006 und von dem Facharzt für Innere Medizin, internistische Onkologie und Hämatologie Dr. B vom 21. August 2006 und 01. Dezember 2006; hierauf wird Bezug genommen.

Das SG hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung persönlich angehört – auf die Sitzungsniederschrift wird insoweit Bezug genommen - und die auf die Gewährung von großer WR gerichtete Klage mit Urteil vom 02. April 2007 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf große WR nach § 46 Abs. 2 SGB VI. Denn der Ausschlussgrund des § 46 Abs. 2a SGB VI liege vor. Die Klägerin habe die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zur Überzeugung des Gerichts nicht widerlegen können. Die Kammer habe nicht feststellen können, dass es insgesamt nicht der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, der Klägerin eine Versorgung zu verschaffen. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen sei auch aus Sicht der Klägerin der Tod des Versicherten auf absehbare Zeit zu erwarten gewesen. Dieser sei unheilbar an Lungenkrebs erkrankt gewesen, wobei bereits im Zeitpunkt der Eheschließung mit dem baldigen tödlichen Verlauf der Krankheit habe gerechnet werden müssen. Der Versicherte sei über die Befunderhebung und die Prognose jederzeit informiert gewesen, wie sich aus den Befundberichten von Dr. W und Dr. B ersehen lasse. Das Gericht sei auch nicht davon überzeugt, dass eine feste Heiratsabsicht angesichts der seit vielen Jahren bestehenden Lebensgemeinschaft bereits längere Zeit bestanden habe. Vielmehr würden die äußeren Umstände der Eheschließung dafür sprechen, dass diese zumindest auch und gerade in Anbetracht der bevorstehenden lebensgefährlichen Hirnoperation erfolgt sei. Dass dabei auch die gegenseitige Liebe und eine psychische Stärkung des Versicherten angesichts der bevorstehenden Operation ein Motiv gewesen sein mögen, widerlege die Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI alleine nicht. Letztlich würden auch die finanziellen Verhältnisse der Klägerin eher für die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe als dagegen sprechen. Denn die Klägerin habe zum Zeitpunkt der Eheschließung über ein durchschnittliches jährliches Einkommen von nicht einmal 500,- EUR monatlich verfügt. Zudem habe sie nach den von ihr belegten Altersvorsorgemaßnahmen auch im Alter nicht mit hohen Einkünften zu rechnen. Daran gemessen sei die aus der sich zuletzt auf etwa 600,- EUR monatlich belaufenden EU-Rente des Versicherten zu erwartende WR keine unerhebliche Summe.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor: Entgegen der Auffassung des SG sei die mögliche Hinterbliebenenversorgung weder bestimmend noch in irgendeiner Weise mitbestimmend für den Entschluss zur Eheschließung gewesen. Sie habe mit dem Versicherten mehrjährig in einer eheähnlichen Beziehung gelebt und habe über die Jahre hinweg gemeinsam mit ihm den Wunsch zur Heirat gehabt, auch wenn sie es beide bis ins Jahr 2002 nicht geschafft hätten, ihren Heiratsentschluss umzusetzen. Anders als der Versicherte habe sie selbst keine Kenntnis davon gehabt, dass der Versicherte nur noch eine derart kurze Lebenserwartung gehabt habe. Ihr Wissen habe sich darin erschöpft, dass es sich um eine Krebserkrankung gehandelt habe. Die Arztberichte der C habe sie nicht gekannt, weil der Versicherte stets alle medizinischen Informationen von ihr fern gehalten habe. Im Übrigen sei auch die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI im Lichte des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der Ehe in Artikel 6 Grundgesetz (GG) auszulegen. Auf das ergänzende Vorbringen der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. August 2007 wird Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 02. April 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 zu verurteilen, ihr große Witwenrente aus der Versicherung des H M S ab 01. Juli 2003 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Die Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg für den Versicherten, die Akten der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung großer WR für die Zeit ab 01. Juli 2003 (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI. Nach dieser Vorschrift haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der – wie hier – die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große WR, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind in der Person der zum Zeitpunkt des Ablebens des Versicherten 50 Jahre alten Klägerin erfüllt. Dem Anspruch auf große WR steht jedoch die Vorschrift des § 46 Abs. 2a SGB VI entgegen.

Danach haben Witwen keinen Anspruch auf große WR, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Diese Vorschrift wurde durch Artikel 1 Nr. 6b des Altersvermögensergänzungsgesetzes vom 21. März 2001 (BGBl. I S. 403) mit Wirkung vom 01. Januar 2002 in das SGB VI eingefügt. Sie begründet für alle seit ihrem In- Kraft-Treten am 01. Januar 2002 geschlossenen Ehen die gesetzliche Vermutung, dass bei einem Tod des Versicherten innerhalb eines Jahres nach der Eheschließung die Erlangung einer Versorgung alleiniger oder überwiegender Zweck der Eheschließung war. Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat weniger als ein Jahr gedauert, nämlich vom 10. November 2002 bis zum 2003. Die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI greift also ein.

Diese Vermutung ist allerdings widerlegbar ("es sei denn"). Sie ist widerlegt, wenn besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer trotz kurzer Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Die Widerlegung der Vermutung erfordert nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. mit § 292 Zivilprozessordnung den vollen Beweis des Gegenteils. Der Vollbeweis erfordert zumindest einen der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon oder einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit zu begründen, dass kein vernünftiger Mensch noch zweifelt (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 3 m. w. N.). Vorliegend war die gesetzliche Vermutung des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht zu widerlegen, weil der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht zweifelsfrei hat feststellen können, dass die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Versicherten nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient hat, mithin neben den vom Gesetzgeber vermuteten Versorgungserwägungen der Eheschließung zumindest gleichgewichtige andere Motive zugrunde lagen. Es ist bereits nicht feststellbar, auf welchen konkreten Erwägungen im Einzelnen die Eheschließung vom 10. November 2002 beruhte. Erst recht war es dem Senat daher nicht möglich, etwaige Beweggründe festzustellen, die im vorliegenden Einzelfall die Schlussfolgerung gerechtfertigt hätten, dass aufgrund der besonderen Umstände diese Motive neben der – vom Gesetzgeber vermuteten - Versorgungsabsicht zumindest als gleichgewichtig anzusehen sind.

Die Klägerin hat anlässlich ihrer persönlichen Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht plausibel darlegen können, weshalb es trotz der seit 1999 bzw. 2000 bestehenden eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten konkret erst am 10. November 2002 zur Heirat im Krankenhaus kam, obwohl die schwerwiegende und schon vom Zeitpunkt der ersten Diagnosestellung an nur noch einer palliativen, d.h. nicht mehr ursächlichen, Behandlung zugängliche Krebserkrankung des Versicherten ebenfalls schon spätestens seit August 2000 gesichert und nach Auskunft der behandelnden Ärzte auch zumindest dem Versicherten in ihrer Tragweite uneingeschränkt bekannt war. Die Klägerin hat zwar vorgetragen, dass der Wunsch zu heiraten beiderseits bestanden habe, seit sie mit dem Versicherten zusammengezogen sei. Trotzdem vermochte sie nicht nachvollziehbar und überzeugend darzulegen, weshalb trotz der nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung auch ihr bekannten schweren Krebserkrankung dieser Heiratsentschluss nicht früher umgesetzt wurde. Dies gilt umso mehr, als es dem Versicherten nach dem Vorbringen der Klägerin zwischen den stationären Behandlungen durchweg so gut gegangen war, dass er mit ihr sogar noch vor dem in Rede stehenden Krankenhausaufenthalt ab 30. Oktober 2002 eine lange und weite Urlaubsreise nach Frankreich unternommen hatte, bei der der Versicherte "damals 5000 Kilometer gefahren" sei. Die Klägerin hat nicht zu erklären vermocht, wann und aus welchen Gründen der Entschluss, nun sofort noch im Krankenhaus zu heiraten, gefasst wurde. Dazu, ob ein Zusammenhang der Eheschließung mit der schweren Gehirnoperation vom Dezember 2002 bestand, die anlässlich der Diagnostizierung von Hirnmetastasen während des stationären Krankenhausaufenthaltes vom 30. Oktober 2002 bis 12. November 2002 nach dem vorliegenden Entlassungsbericht mit dem Versicherten bereits besprochen worden war, hat die Klägerin auf die Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung keine Angaben machen können. Demgegenüber hatte sie in ihrem Schriftsatz vom 14. Dezember 2005 noch behauptet, die Heirat sei ein "psychischer Moment der Stärkung und des inneren Aufbaus" für den Versicherten angesichts seiner Entscheidung gewesen, sich der empfohlenen Hirnoperation zu unterziehen. Erst auf eindringliches Befragen ihres Bevollmächtigten hat die Klägerin schließlich im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt, dass der Vorschlag zu heiraten von dem Versicherten ausgegangen sei, und zwar zu einem Zeitpunkt, als dieser schon im Krankenbett gelegen habe. Insoweit hat die Klägerin dann auch eingeräumt, dass über eine WR gesprochen worden sei. Der Umstand, dass sie diese Einlassungen nach einer Unterbrechung der mündlichen Verhandlung und nach Rücksprache mit ihrem Bevollmächtigten dahin gehend revidiert hat, dass "zu Lebzeiten des Versicherten über eine etwaige Versorgung durch Gewährung einer Witwenrente zu keiner Zeit gesprochen worden sei", bildet aber keine tragfähige Grundlage für die erforderliche Überzeugungsbildung des Senats. Denn die Klägerin war nach dem Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung nach der Erklärung ihres Bevollmächtigten "nicht in der Lage, die ihr gestellten Fragen zu beantworten", so dass konkrete Beweggründe für die Eheschließung im Krankenhaus nicht festgestellt werden konnten.

Im Übrigen war hierbei auch das widersprüchliche Vorbringen der Klägerin zu ihrem Kenntnisstand von der schweren Erkrankung des Versicherten zu berücksichtigen. Während sie mit Schriftsatz vom 24. Juli 2007 noch bekräftigt hat, nur von der Krebserkrankung des Versicherten als solcher gewusst, die entsprechenden Arztberichte der C aber nicht gekannt zu haben, hat sie im Verhandlungstermin vor dem Senat demgegenüber eingeräumt, dass der Versicherte ihr die Befundunterlagen "in die Hand gedrückt" habe. Sie habe sich in der Folge dann selbst sachkundig gemacht und das "beste Krankenhaus" für den Versicherten ausgesucht. Ein schlüssiges Gesamtbild der zur Heirat führenden Beweggründe war für den Senat damit im Ergebnis nicht zu gewinnen.

Weitere Ermittlungen zur Feststellung der zur Heirat führenden Beweggründe waren von Amts wegen nicht angezeigt, insbesondere war nicht die von der Klägerin in deren Schriftsatz vom 07. August 2007 noch angeregte Vernehmung der die Eheschließung durchführenden Standesbeamtin D durchzuführen. Denn es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass weder in den vorbereitenden Gesprächen mit den beiden Eheleuten noch anlässlich der Eheschließungszeremonie die Eheleute als Grund für die Eheschließung die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin angaben. Aufgrund der gesetzlichen Vermutung in § 46 Abs. 2a SGB VI hatte der Senat auch nicht positiv festzustellen, ob der vom Gesetzgeber vermutete Versorgungsgedanke auch im vorliegenden Einzelfall eine Rolle gespielt hat. Entscheidend ist vielmehr, dass die feststellbaren Tatsachen nicht geeignet sind, den Vollbeweis eines zumindest gleichgewichtigen anderen inneren Beweggrundes für die Heirat zu erbringen, und zwar auch nicht unter Würdigung der im Übrigen feststellbaren "besonderen Umstände". Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, die die konkrete Krankheit- und Leidensgeschichte des Versicherten umfänglich dokumentieren, ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung aus objektiver Sicht feststand, dass der Versicherte bald sterben würde bzw. an einer derart schweren Erkrankung litt, dass in absehbarer Zeit der Tod zu erwarten war. Dies hat der den Versicherten seinerzeit behandelnde Arzt Dr. B in seinem Befundbericht vom 01. Dezember 2006 auch bestätigt, indem er bei dem Krankheitsbild des Versicherten die mittlere Überlebenszeit mit durchschnittlich neun bis elf Monaten eingeschätzt hat, was dem Versicherten auch "grundsätzlich bewusst" gewesen sei. Die lebensbedrohliche Erkrankung war somit zumindest dem Versicherten selbst zum Zeitpunkt der Eheschließung bekannt. Auch die wirtschaftliche Situation der Klägerin lässt keine sicheren Rückschlüsse auf etwaige Heiratsmotive zu, zumal der Versicherte nach den Angaben der Klägerin ihr schon vor der Eheschließung erhebliche Vermögenswerte übertragen haben soll, die er von seinem Vater geerbt habe. Zumindest erhellt daraus aber, dass naturgemäß (auch) der Versorgungsgedanke schon zu Zeiten der nichtehelichen Lebensgemeinschaft eine Rolle im Verhältnis zwischen der Klägerin und dem Versicherten gespielt hat. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin für die Jahre 2002 und 2003 keine eigenen Einkommensteuererklärungen vorlegen musste und im Hinblick auf ihre selbstständige Tätigkeit auf eine Steuerfestsetzung verzichtet wurde (vgl. Bescheinigung des Finanzamtes Charlottenburg vom 09. August 2007). Die Einkünfte der Klägerin aus ihrer selbstständigen Tätigkeit waren bereits im Kalenderjahr 2001 so niedrig, dass nach Abzug der abzusetzenden Ausgaben nur ein zu versteuerndes Einkommen von 3.599,00 DM mit der Folge verblieb, dass eine Einkommensteuerfestsetzung nicht erfolgte. Durch die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung hätte sich somit die wirtschaftliche Situation der Klägerin insgesamt trotz der zu erwartenden Leistungen aus den von ihr geschlossenen Lebensversicherungsverträgen objektiv erheblich verbessert.

Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt § 46 Abs. 2a SGB VI nicht gegen den in Artikel 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz der Ehe. Auf die zu der Parallelvorschrift des § 594 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der gesetzlichen Unfallversicherung hierzu ergangene Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wird ausdrücklich Bezug genommen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973 – 5 RKnU 11/71 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO; BSG, Urteil vom 18. Juli 1974 – 5 RKnU 6/73 – nicht veröffentlicht; BSG, Beschluss vom 23. September 1997 – 2 BU 176/97 – veröffentlicht in juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 1 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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