L 1 B 416/07 KR

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 82 KR 948/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 B 416/07 KR
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2007 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2 500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt noch die Feststellung, dass sich aufgrund ihrer einseitigen Erledigungserklärung die Hauptsache erledigt hat.

Die Antragstellerin betreibt ein Unternehmen der häuslichen Krankenpflege und erbringt Leistungen nach § 37 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie versorgt Versicherte der Antragsgegnerin sowie anderer Leistungsträger in Berlin mit häuslicher Krankenpflege sowie Leistungen der Pflegeversicherung. Nachdem zwischen den Beteiligten – sowie zahlreichen anderen Leistungserbringern und der Antragsgegnerin - eine Einigung zum Vertragsinhalt entsprechend § 132 a Abs. 2 SGB V nicht zustande gekommen war, bestellte das Bundesversicherungsamt (BVA) als zuständige Aufsichtsbehörde entsprechend § 132 a Abs. 2 Satz 7 SGB V als Schiedsperson Herrn R Z. Letzterer legte im Schiedsspruch vom 27. Mai 2005 die Vertragsinhalte fest. Am Schiedsverfahren beteiligt waren:

1. AWO Gemeinnützige Pflegegesellschaft mbH, Liebenwalder Str. 59, 13347 Berlin

2. Arbeitgeber- und Berufsverband Privater Pflege e.V. (ABVP), Geschäftsstelle Ost, Tieckstr. 37, 10115 Berlin

3. ArbeitgeberVerband im Gesundheitswesen e.V. (AVG) Schönholzer Str. 3, 13187 Berlin

4. Arbeitsgemeinschaft Hauskrankenpflege Berlin e.V. (AGH) Cicerostr. 37, 10709 Berlin

5. Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) Landesgeschäftsstelle Berlin/Brandenburg Nürnberger Str. 49, 10789 Berlin

6. Caritasverband für das Erzbistum Berlin Residenzstr. 90, 13409 Berlin

7. Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Berliner Rotes Kreuz e.V. Bachstr. 11, 12161 Berlin

8. Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DPW) Landesverband Berlin e.V. Kollwitzstraße 94-96, 10435 Berlin

9. EVAP im Diakonischen Werk Berlin-Brandenburg Schlesische Oberlausitz e.V. Pausenstr. 55/56, 12163 Berlin

10. Sozialwerk der Jüdischen Gemeinde zu Berlin GmbH Herbartstr. 26, 14057 Berlin

11. Ambulanter Krankenpflegedienst Michael Bethke GmbH Auguste-Viktoria-Allee 12, 13403 Berlin

12. Verein für Krankenpflegeeinrichtungen in Berlin Kurfürstenstr. 114, 10787 Berlin - Antragsteller-

sowie als Antragsgegnerin

City BKK Hamburger Straße 197, 22083 Hamburg

Zwischen den im Schiedsspruch Beteiligten ist ein Rechtsstreit anhängig, in dem die Antragsgegnerin die Aufhebung des Schiedsspruches begehrt (Sozialgericht Berlin, S 89 KR 1554/05 - Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, L 9 KR 403/07, früher L 24 KR 288/07).

Das BVA hatte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. Juli 2005 verpflichtet, den Schiedsspruch auszuführen und hierzu die sofortige Vollziehung angeordnet. Für Leistungsfälle, in denen ein erstmaliger Leistungsantrag für Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem 31. Dezember 2006 gestellt wurde, hat das BVA die sofortige Vollziehung mit weiterem Bescheid vom 20. Dezember 2006 ausgesetzt.

Nachdem das Landessozialgericht LSG - Hamburg mit Urteil vom 24. Januar 2007 eine Klage eines anderen von dem Schiedsspruch erfassten Unternehmens abgewiesen hatte, in dem dieses begehrt hatte, dass die Beklagte die erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege weiterhin nach den Sätzen des Vertrages zu vergüten habe, teilte der Prozessbevollmächtigte der Antragsgegnerin dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 12. März 2007 mit, dass dessen Mandanten damit rechnen müssten, dass die Zahlungen mit sofortiger Wirkung eingestellt würden, falls sich kein zufriedenstellendes Ergebnis der Vertragsverhandlungen zeige.

Daraufhin hat die Antragstellerin am 21. März 2007 beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt beantragt,

der Antragsgegnerin aufzugeben, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß gegenüber ihren Versicherten zu behaupten, die Antragsgegnerin dürfe von der Antragstellerin erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege gesetzlich nicht vergüten, weil die Antragstellerin keinen Versorgungsvertrag mit der Antragsgegnerin abgeschlossen habe und die Antragsgegnerin dürfe den Versicherten Aufwendungen für Leistungen der Antragstellerin von Gesetzes wegen nicht erstatten, weil die Antragstellerin keinen Versorgungsvertrag mit der Antragsgegnerin geschlossen habe.

Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie hat ausgeführt, aus dem Schiedsspruch könnten solange keine Rechte hergeleitet werden, als dessen Bestandskraft nicht feststehe, so dass insoweit zwischen den Beteiligten kein Vertragsverhältnis bestehe. Dies bedeute aber nicht, dass die Antragsgegnerin beabsichtige, die Zahlungen, die sie aufgrund des Verpflichtungsbescheides zu leisten habe, zurückzuhalten. Sie stelle ausdrücklich klar, dass diese Zahlungen weiterhin geleistet würden. Allerdings werde die Antragsgegnerin, falls sich der Schiedsspruch rechtskräftig als unwirksam erweise, daraus sämtliche ihr zur Verfügung stehenden Konsequenzen herleiten.

Daraufhin hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 29. März 2007 die Hauptsache für erledigt erklärt und beantragt,

der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen.

Darauf hat die Antragstellerin am 15. Mai 2007 beantragt,

festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Das Sozialgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 21. Mai 2007 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Vorliegend ist eine das ursprüngliche Unterlassungsbegehren der Antragstellerin erledigende Veränderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht ersichtlich. Erledigung ist immer dann anzunehmen, wenn ein nach Antragstellung eingetretenes prozessuales Ereignis dazu führt, dass dem Antragsbegehren seine Grundlage entzogen wird und eine gerichtliche Entscheidung keinen Rechtsvorteil mehr bedeutet. Unabhängig vom tatsächlichen Inhalt der Äußerungen seitens der Antragsgegnerin während der zwischen den Beteiligten laufenden Vertragsverhandlungen lagen nach Überzeugung der Kammer bei Antragstellung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsgegnerin beabsichtigte, ihren Versicherten gegenüber Behauptungen aufzustellen, wie sie in dem Unterlassungsantrag wiedergegeben werden; zumal der Inhalt dieses Antrags auf einem Rundschreiben der Antragsgegnerin aus dem Frühjahr 2005 basiert. Unerheblich ist im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung eines erledigenden Ereignisses, welchen Inhalt und welche Intention die von dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin berichteten Äußerungen von Vertretern der Antragsgegnerin ihm gegenüber hatten und ob diese bei verständiger Würdigung tatsächlich als ernsthafte Ankündigung einer Zahlungseinstellung oder Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen zu verstehen waren. Gegenstand des Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war ursprünglich ein Unterlassungsbegehren, nicht hingegen die Geltendmachung oder Sicherung von Vergütungszahlungen selbst. Aus diesem Grunde stellt die Aussage des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 28. März 2007), Zahlungen würden auch weiterhin geleistet, bezüglich des auf Unterlassung bestimmter Äußerungen gegenüber Versicherten gerichteten Antragsbegehrens keine Erledigung im o. g. Sinn dar, zumal die Antragsgegnerin ihre Vergütungszahlungen zu keinem Zeitpunkt unterbrochen hatte. Eine Veränderung der objektiven Umstände liegt darin jedenfalls nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert war in dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit der Hälfte des Auffangstreitwertes anzusetzen, § 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Gegen diesen den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 23. Mai 2007 zugestellten Beschluss richtet sich deren Beschwerde vom 19. Juni 2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfeentscheidung vom 21. Juni 2007).

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, die angefochtene Entscheidung sei zutreffend, da niemals die Zahlungseinstellung oder Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen ernsthaft angekündigt worden seien.

Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Antragstellerin hat mit ihrer Erklärung vom 29. März 2007 erkennbar eine Beendigung des Rechtsstreits bewirken wollen. Sie hat dies zwar nach dem Wortlaut der Erklärung als Erledigungserklärung ausgedrückt, dies war jedoch einseitig nicht möglich. Nach § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 91 a Zivilprozessordnung (ZPO) wird der Rechtsstreit durch die Erklärung der Parteien für erledigt erklärt. Diese Vorschrift ist auch im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar, wie sich zwingend aus § 155 Abs. 2 Nr. 3 SGG ergibt. Die einseitige Erledigterklärung des Antragstellers erledigt daher weder den Prozess noch die Rechtshängigkeit. Die Rechtsfolge, die die Antragstellerin begehrt, nämlich festzustellen, dass ihre isolierte Erledigungserklärung den Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, sieht das Gesetz nicht vor. Dies ist einseitig nur durch Klagerücknahme möglich, so dass die Erklärung, anders als das Sozialgericht meint, nur als solche ausgelegt werden kann, da nur so das Ziel der Erklärung, das Verfahren zu beenden, erreicht wird. Wird vom Antragsgegner einseitig für erledigt erklärt, ist in der Regel eine Klagerücknahme anzunehmen, die das vom Antragsteller gewollte Ergebnis einseitig herbeiführt (BSGE 97, 240). So ist es auch hier.

Aber selbst wenn, wie das Sozialgericht meint, keine Rücknahme des Antrags vorläge, wäre die Beschwerde aus den vom Sozialgericht dargelegten zutreffenden Gründen zurückzuweisen. Das Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin kann bei verständiger Würdigung im Zusammenhang nur so verstanden werden, dass diese sich nach Abschluss eines für sie positiven Rechtsstreits vorbehalte, alle sich daraus ergebenden Rechte wahrzunehmen. Insbesondere gab es von Anfang an keinerlei Anlass für die Annahme, dass die Antragsgegnerin gegenüber ihren Mitgliedern nach der Entscheidung des Bundesversicherungsamts weiter behauptet hat, die Antragsgegnerin dürfe erbrachte Leistungen nicht vergüten, so dass der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von vornherein keine Erfolgsaussicht hatte und dementsprechend kein erledigendes Ereignis eingetreten ist.

Die Antragsgegnerin wird daher gemäß § 197 a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die Kosten des Verfahrens zu tragen haben.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren folgt aus § 197 a SGG und entspricht dem Ergebnis.

Gegen diesen Beschluss findet die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht statt (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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