Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 8226/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 B 857/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 10. Mai 2007 wird geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet dem Antragsteller vorläufig ab September 2007 für sechs Monate, längstens bis zur Entscheidung in der Hauptsache, Arbeitslosengeld II nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu erbringen. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des gesamten Eilverfahrens.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Regelung bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Grundsicherung für Arbeit.
Der Antragsteller lebt mit M P (P) seit Januar 2006 in einer Wohnung. Die Warmmiete der Wohnung betrug seinerzeit 1055 EUR. Laut Untermietvertrag zahlte der Antragsteller eine Untermiete in Höhe von 380 EUR warm. Der Antragsteller leidet an einem Anfallleiden und ist nicht erwerbstätig. Eine Rente wegen Erwerbsminderung wurde durch Bescheid der Bahnversicherungsanstalt von 29 Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 bindend abgelehnt.
Ab Januar 2006 bezog der Antragsteller vom Antragsgegner Arbeitslosengeld II. Nach einem Hausbesuch durch den Prüfdienst des Antragsgegners wurden die Leistungen ab 1.4.2006 ganz versagt und die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 9.1.2006 bis 31.3.2006 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller lebe mit P in einer Bedarfsgemeinschaft. Diese Entscheidungen wurden im Rahmen eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens durch den Antragsgegner aufgehoben, weil er sich davon überzeugte, dass eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des Gesetzes nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen könne.
Durch Bescheid vom 5. April 2007 lehnte der Antragsgegner erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller ab, weil zwischen ihm und P eine Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c Sozialgesetzbuch II. Buch (SGB II) bestehe. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid ist noch anhängig.
In dem anschließenden Eilverfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen zu Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht und ein Obsiegen in der Hauptsache nicht wahrscheinlich. Zwischen dem Antragsteller und P bestehe eine Verantwortungsgemeinschaft, wie sie gemäß § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II vermutet werde. Da der Antragsteller mit P länger als ein Jahr zusammenlebe, gelte diese Vermutung.
Diese Vermutung sei auch nicht im Laufe des Verfahrens widerlegt worden. Nach den eingereichten Kontoauszügen unterstütze P den Antragsteller in den Zeiten, die nicht durch Grundsicherungsleistungen abgedeckt gewesen seien, regelmäßig durch finanzielle Zuwendungen und Stundung der Untermiete. Auch die Überprüfung der Wohnverhältnisse am 22. 3.2006 durch den Antragsgegner habe eher den Eindruck einer Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft bekräftigt. Klar abgegrenzte Wohnbereiche hätten sich entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht gefunden. Auch das Vorbringen des Antragstellers, P. sei mehr als sein Betreuer und nicht als Lebenspartner anzusehen, er kenne das Krankheitsbild des Antragstellers und wisse, wie sofortige Hilfe zu organisieren sei, die Familie des Antragstellers habe sich von ihm abgewandt, P sei als einziger Ansprechpartner übrig geblieben, deshalb habe er ihn in seiner Lebensversicherung als Begünstigten angegeben, damit hätten zudem Hilfeleistungen des P. abgegolten werden sollen, führte eher zu einer weiteren Verfestigung des Eindrucks einer Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft, jedenfalls nicht zu einer Abschwächung dieses Eindrucks.
Da demnach zwischen dem Antragsteller und P. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft bestehe, komme es für die Leistungsgewährung auch auf das Einkommen und das Vermögen des P an. Mangels Angaben hierzu lasse sich die Bedürftigkeit des Antragstellers nicht feststellen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. P. habe inzwischen auf Darlehensbasis die Übernahme von freiwilligen Beiträgen für die Krankenkasse des Antragstellers vorgenommen, da dieser wegen seines Anfallleidens unbedingt auf Medikamente angewiesen sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt nach den einfach-gesetzlichen Maßgaben des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG grundsätzlich voraus, dass der geltend gemachte Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (Anordnungsanspruch), dass ohne Eilrechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Rechtsverletzung droht (Anordnungsgrund) und dass die Interessen des Antragstellers auch sonst überwiegen. Vorliegend geht es jedoch um den Bereich der Existenzsicherung, da der ursprünglich im Bezug von Arbeitslosengeld II stehende Antragsteller vorträgt, ohne diesen Rechtsschutz seine Lebenshaltungskosten, wozu auch die im Hinblick auf seine Krankheit notwendigen Medikamente und gegebenenfalls ärztliche Behandlung gehören, nicht bestreiten zu können, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt schwere Rechtsverletzungen (Grundrecht auf Menschenwürde) immerhin möglich sind. Für den Fall drohender schwerer Rechtsverletzungen und damit auch für den hier berührten Bereich hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die einfachgesetzlichen Maßgaben der Eilentscheidung aus § 86b SGG modifiziert. Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dürfen Entscheidungen zwar auch hier entweder auf eine Güter- und Folgenabwägung wie auch auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im letztgenannten Fall muss aber die Sach- und Rechtslage abschließend und nicht nur summarisch geprüft werden (Beschluss vom 12. 5.2005, 1 BvR 569/05, Rdnrn. 25 ff, zit. nach Juris). Im vorliegenden Fall spricht, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, vieles dafür, dass zwischen P und dem Antragsteller eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II vorliegt. Allerdings genügt diese Wahrscheinlichkeit nicht, um nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache abzustellen.
Da eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache im vorliegenden Eilverfahren, beispielsweise durch eine Vernehmung des P, eine persönliche Anhörung des Antragstellers, gegebenenfalls eine Besichtigung der Wohnung, nicht möglich sind, ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, bei der insbesondere das grundrechtliche Gewicht der Menschenwürde zu beachten ist. Dies zugrunde gelegt war dem Antrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Antragsteller offensichtlich seit April 2007 durch P versorgt wird und offensichtlich auch die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung des Antragstellers übernommen werden. Gleichwohl kann der Senat nicht ausschließen, dass dies, wie der Antragsteller vorträgt, in der Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. Insbesondere im Hinblick auf die Krankheit des Antragstellers und den absehbaren schweren Folgen, die ein Unversorgtsein des Antragstellers für Leib und Leben haben könnten, war daher dem Interesse des Antragstellers am Erhalt der vorläufigen Leistungen der Vorrang zu geben, zumal für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren der Anspruch des Antragstellers nicht erweisen lässt, ein Ersatzanspruch des Antragsgegners nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 Zivilprozessordnung in Betracht kommt.
Für die Vergangenheit waren dem Antragsteller allerdings keine Leistungen zuzusprechen. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 a.a.O.). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel und so auch hier zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Sache.
Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht gegeben (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt von dem Antragsgegner im Rahmen einer einstweiligen Regelung bis zur Entscheidung in der Hauptsache Leistungen der Grundsicherung für Arbeit.
Der Antragsteller lebt mit M P (P) seit Januar 2006 in einer Wohnung. Die Warmmiete der Wohnung betrug seinerzeit 1055 EUR. Laut Untermietvertrag zahlte der Antragsteller eine Untermiete in Höhe von 380 EUR warm. Der Antragsteller leidet an einem Anfallleiden und ist nicht erwerbstätig. Eine Rente wegen Erwerbsminderung wurde durch Bescheid der Bahnversicherungsanstalt von 29 Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 bindend abgelehnt.
Ab Januar 2006 bezog der Antragsteller vom Antragsgegner Arbeitslosengeld II. Nach einem Hausbesuch durch den Prüfdienst des Antragsgegners wurden die Leistungen ab 1.4.2006 ganz versagt und die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für die Zeit vom 9.1.2006 bis 31.3.2006 aufgehoben. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Antragsteller lebe mit P in einer Bedarfsgemeinschaft. Diese Entscheidungen wurden im Rahmen eines sozialgerichtlichen Eilverfahrens durch den Antragsgegner aufgehoben, weil er sich davon überzeugte, dass eine eheähnliche Gemeinschaft im Sinne des Gesetzes nur zwischen einem Mann und einer Frau bestehen könne.
Durch Bescheid vom 5. April 2007 lehnte der Antragsgegner erneut die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an den Antragsteller ab, weil zwischen ihm und P eine Verantwortungsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c Sozialgesetzbuch II. Buch (SGB II) bestehe. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid ist noch anhängig.
In dem anschließenden Eilverfahren vor dem Sozialgericht Berlin hat das Sozialgericht es abgelehnt, den Antragsgegner zu verpflichten, Leistungen zu Grundsicherung nach dem SGB II zu gewähren. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht und ein Obsiegen in der Hauptsache nicht wahrscheinlich. Zwischen dem Antragsteller und P bestehe eine Verantwortungsgemeinschaft, wie sie gemäß § 7 Abs. 3 a Nr. 1 SGB II vermutet werde. Da der Antragsteller mit P länger als ein Jahr zusammenlebe, gelte diese Vermutung.
Diese Vermutung sei auch nicht im Laufe des Verfahrens widerlegt worden. Nach den eingereichten Kontoauszügen unterstütze P den Antragsteller in den Zeiten, die nicht durch Grundsicherungsleistungen abgedeckt gewesen seien, regelmäßig durch finanzielle Zuwendungen und Stundung der Untermiete. Auch die Überprüfung der Wohnverhältnisse am 22. 3.2006 durch den Antragsgegner habe eher den Eindruck einer Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft bekräftigt. Klar abgegrenzte Wohnbereiche hätten sich entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht gefunden. Auch das Vorbringen des Antragstellers, P. sei mehr als sein Betreuer und nicht als Lebenspartner anzusehen, er kenne das Krankheitsbild des Antragstellers und wisse, wie sofortige Hilfe zu organisieren sei, die Familie des Antragstellers habe sich von ihm abgewandt, P sei als einziger Ansprechpartner übrig geblieben, deshalb habe er ihn in seiner Lebensversicherung als Begünstigten angegeben, damit hätten zudem Hilfeleistungen des P. abgegolten werden sollen, führte eher zu einer weiteren Verfestigung des Eindrucks einer Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft, jedenfalls nicht zu einer Abschwächung dieses Eindrucks.
Da demnach zwischen dem Antragsteller und P. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine Verantwortungs- und Beistandsgemeinschaft bestehe, komme es für die Leistungsgewährung auch auf das Einkommen und das Vermögen des P an. Mangels Angaben hierzu lasse sich die Bedürftigkeit des Antragstellers nicht feststellen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Der Antragsteller wiederholt und vertieft sein Vorbringen im erstinstanzlichen Verfahren. P. habe inzwischen auf Darlehensbasis die Übernahme von freiwilligen Beiträgen für die Krankenkasse des Antragstellers vorgenommen, da dieser wegen seines Anfallleidens unbedingt auf Medikamente angewiesen sei.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt nach den einfach-gesetzlichen Maßgaben des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG grundsätzlich voraus, dass der geltend gemachte Anspruch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (Anordnungsanspruch), dass ohne Eilrechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine erhebliche Rechtsverletzung droht (Anordnungsgrund) und dass die Interessen des Antragstellers auch sonst überwiegen. Vorliegend geht es jedoch um den Bereich der Existenzsicherung, da der ursprünglich im Bezug von Arbeitslosengeld II stehende Antragsteller vorträgt, ohne diesen Rechtsschutz seine Lebenshaltungskosten, wozu auch die im Hinblick auf seine Krankheit notwendigen Medikamente und gegebenenfalls ärztliche Behandlung gehören, nicht bestreiten zu können, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt schwere Rechtsverletzungen (Grundrecht auf Menschenwürde) immerhin möglich sind. Für den Fall drohender schwerer Rechtsverletzungen und damit auch für den hier berührten Bereich hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die einfachgesetzlichen Maßgaben der Eilentscheidung aus § 86b SGG modifiziert. Nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dürfen Entscheidungen zwar auch hier entweder auf eine Güter- und Folgenabwägung wie auch auf eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Im letztgenannten Fall muss aber die Sach- und Rechtslage abschließend und nicht nur summarisch geprüft werden (Beschluss vom 12. 5.2005, 1 BvR 569/05, Rdnrn. 25 ff, zit. nach Juris). Im vorliegenden Fall spricht, wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat, vieles dafür, dass zwischen P und dem Antragsteller eine Verantwortungs- und Einstandsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 c SGB II vorliegt. Allerdings genügt diese Wahrscheinlichkeit nicht, um nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im Rahmen des § 86b Abs. 2 S. 2 SGG auf die Erfolgsaussichten der Hauptsache abzustellen.
Da eine abschließende Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache im vorliegenden Eilverfahren, beispielsweise durch eine Vernehmung des P, eine persönliche Anhörung des Antragstellers, gegebenenfalls eine Besichtigung der Wohnung, nicht möglich sind, ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, bei der insbesondere das grundrechtliche Gewicht der Menschenwürde zu beachten ist. Dies zugrunde gelegt war dem Antrag in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang stattzugeben. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Antragsteller offensichtlich seit April 2007 durch P versorgt wird und offensichtlich auch die Beiträge für die freiwillige Krankenversicherung des Antragstellers übernommen werden. Gleichwohl kann der Senat nicht ausschließen, dass dies, wie der Antragsteller vorträgt, in der Zukunft nicht mehr der Fall sein wird. Insbesondere im Hinblick auf die Krankheit des Antragstellers und den absehbaren schweren Folgen, die ein Unversorgtsein des Antragstellers für Leib und Leben haben könnten, war daher dem Interesse des Antragstellers am Erhalt der vorläufigen Leistungen der Vorrang zu geben, zumal für den Fall, dass sich im Hauptsacheverfahren der Anspruch des Antragstellers nicht erweisen lässt, ein Ersatzanspruch des Antragsgegners nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 945 Zivilprozessordnung in Betracht kommt.
Für die Vergangenheit waren dem Antragsteller allerdings keine Leistungen zuzusprechen. In einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beurteilt sich das Vorliegen eines Anordnungsgrundes nach dem Zeitpunkt, in dem das Gericht über den Eilantrag entscheidet; im Beschwerdeverfahren ist dies der Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 12. Ergänzungslieferung 2005, § 123 Randnummern 165, 166 mit weiteren Nachweisen zur Parallelproblematik in § 123 VwGO). Dies folgt daraus, dass in dem Erfordernis eines Anordnungsgrundes ein spezifisches Dringlichkeitselement enthalten ist, welches im Grundsatz nur Wirkungen für die Zukunft entfalten kann. Die rückwirkende Feststellung einer - einen zurückliegenden Zeitraum betreffenden - besonderen Dringlichkeit ist zwar rechtlich möglich, sie kann jedoch in aller Regel nicht mehr zur Bejahung eines Anordnungsgrundes führen. Denn die prozessuale Funktion des einstweiligen Rechtsschutzes besteht vor dem Hintergrund des Artikels 19 Absatz 4 Grundgesetz (GG) darin, in dringenden Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung im - grundsätzlich vorrangigen - Verfahren der Hauptsache zu spät käme, weil ohne sie schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 - 1 BvR 1586/02 - NJW 2003, S. 1236 und vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 a.a.O.). Dies bedeutet aber zugleich, dass die Annahme einer besonderen Dringlichkeit und dementsprechend die Bejahung eines Anordnungsgrundes in aller Regel ausscheidet, soweit diese Dringlichkeit vor dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorgelegen hat, denn insoweit ist die besondere Dringlichkeit durch den Zeitablauf überholt, das Abwarten einer Entscheidung im Verfahren der Hauptsache über den zurückliegenden Zeitraum ist dem Rechtsschutzsuchenden in aller Regel und so auch hier zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Sache.
Gegen diese Entscheidung ist die Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht gegeben (§ 177 SGG).
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