Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 641/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 1450/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 6. Juli 2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2007 hinsichtlich der darin geregelten Erstattungsforderung festgestellt.
Nach § 86 b Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und (3.) in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wieder herstellen. Obwohl nicht ausdrücklich genannt, beinhaltet der einstweilige Rechtsschutz auch die Möglichkeit, die bereits kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ausdrücklich festzustellen, wenn eine Behörde die gegebene Rechtslage nicht beachtet (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 15). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und hat den Antragsteller zur Zahlung bis zum 28. Februar 2007 aufgefordert (Zahlungsaufforderung vom 24. Januar 2007).
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nach § 86 a Abs. 2 SGG (1.) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten, (2.) in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechtes und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (3.) für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (4.) in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, und (5.) in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Einer dieser Fälle liegt nicht vor, insbesondere wird die sofortige Vollziehbarkeit nicht durch ein Bundesgesetz angeordnet.
Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin insoweit auf § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Bescheid der Antragsgegnerin enthält zwei Verwaltungsakte, nämlich den über die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen gemäß § 45 SGB X sowie den über die Rückforderung gemäß § 50 Abs.1 SGB X. Nur der erste Verwaltungsakt entscheidet über Leistungen, indem er ihre Bewilligung für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft aufhebt. Insoweit mag die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin unmittelbar vollziehbar sein. Streitig ist vorliegend aber zusätzlich die Rückforderung von 10.581,97 Euro für gewährte Leistungen im Zeitraum März 2005 bis November 2006. Dieser Rückforderungsanspruch kann sich nicht unmittelbar aus der Aufhebung der Bewilligung, sondern erst aus § 50 SGB X ergeben.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass § 39 Nr. 1 SGB II auch die sofortige Vollziehbarkeit solcher Erstattungsforderungen anordnet (vgl. bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 28. Juli 2006 – L 14 B 350/06 AS ER; in diesem Sinne auch: Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – L 9 AS 89/07 ER; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 15. Mai 2007 – L 11 B 30/07 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juli 2006 – L 10 B 345/06 AS ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 29. Mai 2006 - L 5 B 77/06 ER AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 – L 9 AS 127/06 ER; jeweils in JURIS veröffentlicht). Ausdrücklich genannt sind Erstattungsforderungen in der Vorschrift nicht. Systematische Gründe sprechen gegen ihre Einbeziehung. Denn im Allgemeinen haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Erstattungsforderung im Sozialrecht aufschiebende Wirkung, und es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit diesem Grundsatz gerade im Recht des SGB II brechen wollte.
Das ergibt sich auch nicht daraus, dass § 39 SGB II abweichend formuliert ist gegenüber § 336 a Satz 2 SGB III, wonach bei Entscheidungen über die Herabsetzung oder Entziehung laufender Leistungen die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (§ 86 a Abs. 2 Nr. 2 SGG) gelten, denn diese Regelung hat lediglich klarstellende Funktion (vgl. Niesel, in: ders. SGB III, 2. Aufl., § 336 a Rdnr. 3) und ist im Kontext zu den ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmefällen des Satzes 1 zu sehen. Dass Widerspruch und Klage gegen Erstattungsforderungen aufschiebende Wirkung haben, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem SGB III, sondern vielmehr aus dem Sozialgerichtsgesetz (§ 86 a Abs. 1 SGG). Die von der Antragsgegnerin angeführte Untätigkeit des Gesetzgebers bei Kenntnis der Problematik und angesichts dessen, dass die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung von der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Rückforderungsbescheide ausgeht, spricht ebenfalls dafür, dass kein Änderungsbedarf gesehen wird. Der von der Antragsgegnerin für ihre Rechtsauffassung angeführte Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (v. 20. März 2006 – L 8 AS 369/06 ER-B -, veröffentlicht in JURIS) überzeugt den Senat nicht, weil dort zwischen Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Leistungen nicht unterschieden wird.
Mit dieser Entscheidung hat sich auch der Antrag der Beschwerdeführerin nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht hat zu Recht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. Januar 2007 hinsichtlich der darin geregelten Erstattungsforderung festgestellt.
Nach § 86 b Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag (1.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, (2.) in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen und (3.) in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wieder herstellen. Obwohl nicht ausdrücklich genannt, beinhaltet der einstweilige Rechtsschutz auch die Möglichkeit, die bereits kraft Gesetzes eingetretene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage ausdrücklich festzustellen, wenn eine Behörde die gegebene Rechtslage nicht beachtet (Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 86 b Rdnr. 15). So liegt es hier. Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, dass der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung hat und hat den Antragsteller zur Zahlung bis zum 28. Februar 2007 aufgefordert (Zahlungsaufforderung vom 24. Januar 2007).
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt nach § 86 a Abs. 2 SGG (1.) bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten, (2.) in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechtes und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (3.) für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen, (4.) in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, und (5.) in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Einer dieser Fälle liegt nicht vor, insbesondere wird die sofortige Vollziehbarkeit nicht durch ein Bundesgesetz angeordnet.
Zu Unrecht beruft sich die Antragsgegnerin insoweit auf § 39 SGB II. Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung. Der Bescheid der Antragsgegnerin enthält zwei Verwaltungsakte, nämlich den über die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen gemäß § 45 SGB X sowie den über die Rückforderung gemäß § 50 Abs.1 SGB X. Nur der erste Verwaltungsakt entscheidet über Leistungen, indem er ihre Bewilligung für die Vergangenheit und gegebenenfalls auch für die Zukunft aufhebt. Insoweit mag die Aufhebungsentscheidung der Antragsgegnerin unmittelbar vollziehbar sein. Streitig ist vorliegend aber zusätzlich die Rückforderung von 10.581,97 Euro für gewährte Leistungen im Zeitraum März 2005 bis November 2006. Dieser Rückforderungsanspruch kann sich nicht unmittelbar aus der Aufhebung der Bewilligung, sondern erst aus § 50 SGB X ergeben.
Der Senat ist nicht der Auffassung, dass § 39 Nr. 1 SGB II auch die sofortige Vollziehbarkeit solcher Erstattungsforderungen anordnet (vgl. bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 28. Juli 2006 – L 14 B 350/06 AS ER; in diesem Sinne auch: Hessisches LSG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – L 9 AS 89/07 ER; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 15. Mai 2007 – L 11 B 30/07 AS ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Juli 2006 – L 10 B 345/06 AS ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 29. Mai 2006 - L 5 B 77/06 ER AS; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23. März 2006 – L 9 AS 127/06 ER; jeweils in JURIS veröffentlicht). Ausdrücklich genannt sind Erstattungsforderungen in der Vorschrift nicht. Systematische Gründe sprechen gegen ihre Einbeziehung. Denn im Allgemeinen haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen eine Erstattungsforderung im Sozialrecht aufschiebende Wirkung, und es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit diesem Grundsatz gerade im Recht des SGB II brechen wollte.
Das ergibt sich auch nicht daraus, dass § 39 SGB II abweichend formuliert ist gegenüber § 336 a Satz 2 SGB III, wonach bei Entscheidungen über die Herabsetzung oder Entziehung laufender Leistungen die Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (§ 86 a Abs. 2 Nr. 2 SGG) gelten, denn diese Regelung hat lediglich klarstellende Funktion (vgl. Niesel, in: ders. SGB III, 2. Aufl., § 336 a Rdnr. 3) und ist im Kontext zu den ausdrücklich gesetzlich geregelten Ausnahmefällen des Satzes 1 zu sehen. Dass Widerspruch und Klage gegen Erstattungsforderungen aufschiebende Wirkung haben, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem SGB III, sondern vielmehr aus dem Sozialgerichtsgesetz (§ 86 a Abs. 1 SGG). Die von der Antragsgegnerin angeführte Untätigkeit des Gesetzgebers bei Kenntnis der Problematik und angesichts dessen, dass die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung von der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage gegen Rückforderungsbescheide ausgeht, spricht ebenfalls dafür, dass kein Änderungsbedarf gesehen wird. Der von der Antragsgegnerin für ihre Rechtsauffassung angeführte Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (v. 20. März 2006 – L 8 AS 369/06 ER-B -, veröffentlicht in JURIS) überzeugt den Senat nicht, weil dort zwischen Aufhebung der Bewilligung und Rückforderung von Leistungen nicht unterschieden wird.
Mit dieser Entscheidung hat sich auch der Antrag der Beschwerdeführerin nach § 199 Abs. 2 SGG erledigt.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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