Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 2 AS 533/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 AS 1295/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Dem Kläger wird für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe gewährt und als Bevollmächtigter Rechtsanwalt P beigeordnet. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 21. Juni 2007 insoweit abgeändert, als die Beklagte verpflichtet wird, ihm Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts im Umfang von monatlich 270,00 Euro vorläufig bis zum 31. Dezember 2007 zu zahlen. Für den Monat Oktober 2007 erfolgt die Zahlung anteilig ab dem Tage des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Beklagten. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens zu 2/3.
Gründe:
Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat über den Antrag des Klägers vom 09. Mai 2007, die Beklagte im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in voller Höhe, zumindest aber in Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Antragstellung zu zahlen, durch Urteil statt – wie § 86b Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestimmt - durch Beschluss entschieden. Gegen dieses Urteil konnte der Kläger als statthaftes Rechtsmittel nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung – wie geschehen - Berufung einlegen (er hätte auch Beschwerde als das für ein Eilverfahren eigentlich vorgesehene Rechtsmittel erheben können). Das Landessozialgericht als Rechtsmittelgericht war indes gehalten, über die eingelegte Berufung in korrekter Form, dh durch Beschluss zu entscheiden, mit anderen Worten in der Form, in der zu entscheiden gewesen wäre, hätte das SG richtigerweise durch Beschluss entschieden (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 09. Februar 1993 – 2 RK 75/92 – BSGE 72, 90; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, Vor § 143 Rdnr 14a mwN).
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Seinem Antrag war in Anwendung des § 86b Abs 2 SGG allein deshalb teilweise stattzugeben, weil der Senat die Tatsachenlage im einstweiligen Verfahren nicht vollständig durchdringen kann und eine Folgenabwägung (Leistung/Nicht¬leistung) zugunsten des Klägers zu treffen ist. Die folgende Begründung ist an den Maßstäben ausgerichtet, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Beschluss vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05 - 3. Kammer des Ersten Senats – info also 2005, 166) entwickelt hat.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die danach zu treffende Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung ((vorläufige und möglicherweise teilweise) Zuerkennung/aktuelle Versagung des Anspruchs) – 1. Alternative - als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - 2. Alternative – ge¬stützt werden, wobei Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausge¬staltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Haupt¬sache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechts¬lage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine end¬gültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je konkret absehbare Dauer des Hauptsache¬ver¬fahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenz¬minimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende) ist eine grund¬gesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne, da die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates ist, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip folgt.
Davon ausgehend ist der Senat gehalten, entgegen der Entscheidung des SG den erhobenen Anspruch vorläufig und teilweise zuzusprechen. Dies beruht darauf, dass derzeit mit der Gewissheit, die für eine Entscheidung in der Hauptsache notwendig ist, weder festgestellt werden kann, dass der Kläger selbst über ausreichendes anrechenbares Einkommen verfügt noch dass er mit Frau C R (R) eine eheähnliche Gemeinschaft bildet mit der Folge, dass ihr Einkommen und Vermögen auf seinen Bedarf anzurechnen ist (dazu 1.). Zwar ist nicht zweifelsfrei auszuschließen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers günstiger sind als bisher ermittelt und es spricht tatsächlich viel für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit R, insbesondere die unstreitigen Tatsachen, dass beide langjährig in einer Wohnung zusammen leben und auch das Schlafzimmer teilen. Die Tatsachenlage ist jedoch nicht so, dass mit hin¬reichender Gewissheit angenommen werden könnte, dass die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Einkommen vorhanden ist bzw eine eheähnliche Gemeinschaft besteht. Bei dieser Sachlage ist die Folgenabwägung vor¬zunehmen, die zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis führt (dazu 2.).
1. Der Kläger, der die in § 7 Abs 1 Nrn 1, 2 und 4 SGB II bestimmten Voraussetzungen erfüllt, hat einen Leistungsanspruch, wenn er hilfe¬bedürftig ist, § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend etwa aus seinem Einkommen oder Vermögen decken kann. Um die Hilfebedürftigkeit und deren Umfang festzustellen, bedarf es der Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Hilfesuchenden. Macht der Betreffende wie der Kläger – dem die Beklagte seit Jahresbeginn kein Arbeitslosengeld II mehr zahlt - geltend, bereits seit Monaten hilfebedürftig zu sein, muss er grundsätzlich plausibel darlegen, wie er trotz monatlicher Unterdeckung seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Dies ist dem Kläger jedenfalls weitgehend mit dem durch Vorlage entsprechender Kontoauszüge belegten Vortrag gelungen, in Ergänzung zu seinem laufenden Erwerbseinkommen von monatlich 80,- EUR habe ihn seine Mutter von Januar bis einschließlich Juni 2007 mit (angeblich darlehensweise gewährten) 500,- EUR/Monat unterstützt, wozu sie nun allerdings nicht mehr bereit sei. Damit lagen seine Einkünfte sogar über dem hier geltend gemachten monatlichen Bedarf von 345,- bzw seit Juli 2007 347,- EUR Regelleistung sowie 130,- EUR für Unterkunft und Heizung. Im August 2007 hat er zudem mit dem Verkauf eines Zweirades 595,- EUR erzielt. Allerdings hatte der Kläger ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge seit Jahresbeginn so hohe monatliche Ausgaben ua für seinen PKW, Ersteigerungen/Käufe über e und Telefongebühren, dass Zweifel bleiben, ob er seine wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich umfassend dargelegt hat. Im Hinblick darauf, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende der Sicherstellung menschenwürdigen Daseins dienen, dürfen Umstände der Vergangenheit jedoch nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Hilfesuchenden ermöglichen (BVerfG aaO). Dass der Kläger weitergehende Einkünfte verschwiegen hat oder verschweigt, kann in diesem Verfahren mit der erforderlichen Gewissheit nicht festgestellt werden. Dagegen spricht vielmehr, dass der Negativsaldo seines Girokontos im Jahresverlauf stetig angewachsen ist und er auch die seit April dieses Jahres geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge schuldig geblieben ist (vgl Bl 185 der Leistungsakte).
Es kann auch nicht mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden, dass der Kläger mit R in Bedarfsgemeinschaft lebt mit der Folge, dass bei der Ermittlung seines Leistungsanspruchs ihr aus monatlichem Arbeitsentgelt von 918,59 EUR netto und Witwenrente von 423,- EUR bestehendes Einkommen zu berücksichtigen ist (§ 9 Abs 2 Satz 1 SGB II), das ausreichen dürfte, um den SGB II-Bedarf beider zu decken. Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Fortent¬wicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S 1706) gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für¬ein¬ander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser wechselseitige Wille wird ua dann ver¬mutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, § 7 Abs 3a 1. Alt SGB II. Diese Ver¬mutung zum Vorliegen einer Bedarfsgemein¬schaft nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II, deren Trag¬weite zweifelhaft und deren Anwendung problematisch ist (vgl Spellbrink, NZS 2007, 121, 125ff; Wenner, Soziale Sicherheit 2006, 146, 147ff), kommt vorliegend jedenfalls deshalb nicht zum Tragen, da sie die Qualität der persönlichen Bindung betrifft, nicht aber das "vorgelagerte" Erfordernis des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt, auf das sich die fehlende Möglichkeit abschließend zu entscheiden ebenso bezieht wie auf die Annahme des wechselseitigen Willens, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt setzt das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus (vgl Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 7 Rdnr 63, 67; BT-Drucks 15/1516 S 53). Dass der Kläger und R eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, dh "aus einem Topf" wirtschaften, ist bei der derzeitigen Sachlage nicht hinreichend wahrscheinlich, zumal beide eigene Konten führen und die in der mündlichen Verhandlung des SG als Zeugin vernommene R bekundet hat, es werde grundsätzlich getrennt eingekauft, den Kühlschrank habe man aufgeteilt und jeder habe sein eigenes Telefon sowie ein eigenes Auto mit jeweils separater Kostentragung.
Soweit mit der Neuregelung der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3b SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) entfallen ist, ist dies geschehen, um Partner nicht eingetragener gleich¬geschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu erfassen, nicht aber (dies zeigt sich gerade auch in der (teilweisen) Übernahme der Begriffsbildung durch die Recht¬sprechung in das Gesetz), um die Voraussetzungen zu ändern, die gegeben sein müssen, um Personen als so eng verbunden anzusehen, dass sie – als eheähnliche oder partnerschafts¬ähnliche Gemeinschaft – eine Bedarfsgemeinschaft bilden (vgl BT-Drucks 16/1410 S 19). Im Ergebnis bleibt es damit bei der Begriffsbildung des BVerfG (BVerfGE 87, 234 sowie Be¬schluss vom 02. September 2004 – 1 BvR 1962/04 - info also 2004, 260f), die sich auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und das Bundes¬sozial¬gericht (BSG) zu eigen gemacht haben (BVerwGE 98, 195ff; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 26). Danach ist als eheähnliche Ge¬meinschaft eine Lebensge¬mein¬schaft zwischen einem Mann und einer Frau anzusehen, die auf Dauer angelegt ist, da¬neben keine weitere Lebens¬gemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschafts¬gemeinschaft hinausgeht. Da anders als bei einer Ehe zwischen unverheirateten Partnern keine zivilrechtlichen Unterhaltspflichten im Sinne von § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehen, kann der mit einem Hilfebedürftigen nicht verheiratete Partner – auch wenn "aus einem Topf" gewirtschaftet wird – sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Daher sind nur solche Gemeinschaften als eheähnlich zu erfassen, "in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr fürein¬ander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Ein¬kommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten. vergleichbar" (BVerfGE 87, 234, 264). Das Bestehen einer über die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus¬gehenden Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist im Streitfall durch die Gesamtwürdigung der den Einzelfall kennzeichnenden Hinweis¬tatsachen bzw Indizien festzu¬stellen, wobei das Gesamt¬bild entscheidend ist. Von der Rechtsprechung werden regelmäßig als Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne deren Dauerhaftig¬keit und Kontinuität, die Dauer des Zusammenlebens und die konkrete Lebenssituation der Partner, dh "die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft" (BVerfG aaO, BVerwG aaO, BSG aaO), herangezogen.
Hier gibt es zwar wie schon erwähnt gravierende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit R in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Eine von wesentlichen Zweifeln freie Überzeugungsbildung dahingehend, dass die eine solche Gemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II begründenden Tatsachen positiv vorliegen, ist dagegen derzeit nicht möglich. Das vom Kläger wie von R eingeräumte langjährige Zusammenleben in einer Wohnung mit gemeinsamer Nutzung des Schlafzimmers ist ein gewichtiger äußerer Umstand, von dem jedoch nicht ohne Weiteres auf die (innere) Bereitschaft geschlossen werden kann, wie Eheleute füreinander einzustehen. Um das feststellen zu können, bedarf es weiterer – im vorliegenden Eilverfahren nicht möglicher - Sachverhaltsaufklärung etwa durch Befragung der Mutter und des (offenbar volljährigen) Sohnes von R, die beide seit langem im selben Haus leben und sicher zur Vervollständigung des Gesamtbildes beitragen können. Der Senat verkennt nicht, dass die ihre Beziehung betreffenden Angaben des Klägers und von R nicht als sonderlich lebensnah erscheinen, vielmehr deutlich von dem Bemühen getragen sind, eine Leistungsgewährung zu ermöglichen. Dies gilt etwa für die Bestreitung sexueller Kontakte (nach zuvor eingeräumter Nutzung des Doppelbetts im gemeinsamen Schlafzimmer) durch den Kläger im Schreiben vom 7. Juni 2007 (Bl 77 der Gerichtsakte) und gemeinsamer Interessen bzw Freizeitgestaltung (trotz jahrelangen Zusammenlebens) durch R in der mündlichen Verhandlung des SG. Auch hat der Kläger nicht plausibel erklären können, wieso er als Belege gezahlter Unterkunftskosten Quittungen für die Monate September und Oktober 2005 doppelt und mit unterschiedlichen Beträgen eingereicht hat (vgl einerseits Bl 21a und andererseits Bl 87a der Leistungsakte). Diese Widersprüchlichkeiten erlauben jedoch nicht positiv den Schluss, dass die nicht geringen Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft vorliegen. Dazu weist der Bevollmächtigte des Klägers zu Recht darauf hin, man sei ausweislich eines in der Leistungsakte enthaltenen Vermerks über das Ergebnis eines Hausbesuchs am 26. Juni 2006 selbst auf Seiten der Beklagten nicht sicher gewesen, dass eine Einstehensgemeinschaft vorliege. Dort heißt es nämlich, man könne aufgrund des - tatsächlich überaus dürftigen - Prüfberichts "nicht 100 % sagen , dass eine Einstehungsgemeinschaft existiert" (Bl 154 der Leistungsakte).
2. Ob Leistungen vorläufig zu gewähren sind, hängt damit von der Folgenabwägung (dazu oben, 1. Alternative) ab, die zugunsten des Klägers zu treffen ist, dem derzeit soweit ersichtlich kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Einer möglichen Rechtsverletzung des Klägers (gegeben für den Fall, dass ihm ein Leistungsanspruch zusteht, was dem Senat durchaus zweifelhaft erscheint, er aber ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht ent¬scheiden kann) für die Dauer des Verfahrens stehen, abgesehen vom Ausfall¬risiko im Rückforderungsfalle, keine darstellbaren Interessen der Beklagten gegenüber. Allein der fiskalische Gesichtspunkt überwiegt die grundrechtlich gestützte Position des Antragstellers nicht.
Da hier - wie dargelegt – die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II im Hauptsacheverfahren allenfalls offen, eher fraglich erscheint, hat der Senat dem Kläger die Regelleistung für einen Alleinstehenden von (inzwischen) 347,- EUR mit einem Abschlag von knapp 80,- EUR zugesprochen, der seinem monatlichen Erwerbseinkommen entspricht. Zwar ist dieses so gering, dass es bei einer abschließenden Leistungsberechnung außer Acht bleibt (vgl § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II). Dies geschieht jedoch nicht nur, weil ihm mit der Einkommenserzielung verbundene Ausgaben gegenüber stehen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Anreizwirkung. Im Rahmen der Folgenabwägung unter den dargestellten Gegebenheiten betrachtet der Senat deshalb das Nebeneinkommen als eine Einnahme, die im Wesentlichen zunächst zur Abwendung der gegenwärtigen Notlage einsetzbar ist. Abgesehen davon ist die Regelleistung nach dem SGB II schon wegen des darin enthaltenen Ansparbetrags (vgl. dazu Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 23 Rdnr 18f) für einmalige Bedarfe nicht in voller Höhe für den aktuellen Lebensunterhalt unerlässlich (vgl auch die Absenkungsmöglichkeit nach § 31 SGB II); auch dies rechtfertigt die vorgenommene Beschränkung. Einstweilige Leistungen für Unterkunft und Heizung sind dem Kläger versagt worden, da Zweifel an seinen Angaben zu regelmäßigen Mietzahlungen an R bestehen und nach den Umständen nicht davon auszugehen ist, dass sie als Hauseigentümerin ihn nur wegen rückständiger Miete aus der Wohnung verweist, solange sein Rechtsstreit mit der Beklagten auch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung läuft. Das legt im Übrigen auch die handschriftliche Ergänzung des Untermietvertrages vom 3. Januar 2007 nahe, (erst) bei einer Negativentscheidung des Sozialgerichts sei der Wohnraum sofort zu räumen (Bl 147 der Leistungsakte). Der Betrag von 270,00 Euro ist ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Beklagten - für Oktober 2007 also anteilig - zu gewähren, da nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfs die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist. Der Senat begrenzt die Verpflichtung im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens bis zum 31. Dezember 2007. Soweit die Beschwerde mehr als die zugesprochene Leistung zum Gegenstand hatte, war sie daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Dabei liegt zugrunde, dass der Kläger überwiegend obsiegt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73a SGG, 114ff Zivilprozessordnung (ZPO) sind nach den obigen Ausführungen erfüllt.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Das Sozialgericht (SG) Cottbus hat über den Antrag des Klägers vom 09. Mai 2007, die Beklagte im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in voller Höhe, zumindest aber in Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Antragstellung zu zahlen, durch Urteil statt – wie § 86b Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestimmt - durch Beschluss entschieden. Gegen dieses Urteil konnte der Kläger als statthaftes Rechtsmittel nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung – wie geschehen - Berufung einlegen (er hätte auch Beschwerde als das für ein Eilverfahren eigentlich vorgesehene Rechtsmittel erheben können). Das Landessozialgericht als Rechtsmittelgericht war indes gehalten, über die eingelegte Berufung in korrekter Form, dh durch Beschluss zu entscheiden, mit anderen Worten in der Form, in der zu entscheiden gewesen wäre, hätte das SG richtigerweise durch Beschluss entschieden (vgl Bundessozialgericht, Urteil vom 09. Februar 1993 – 2 RK 75/92 – BSGE 72, 90; Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl, Vor § 143 Rdnr 14a mwN).
Die Berufung des Klägers hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
Seinem Antrag war in Anwendung des § 86b Abs 2 SGG allein deshalb teilweise stattzugeben, weil der Senat die Tatsachenlage im einstweiligen Verfahren nicht vollständig durchdringen kann und eine Folgenabwägung (Leistung/Nicht¬leistung) zugunsten des Klägers zu treffen ist. Die folgende Begründung ist an den Maßstäben ausgerichtet, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in dem Beschluss vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05 - 3. Kammer des Ersten Senats – info also 2005, 166) entwickelt hat.
Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Die danach zu treffende Entscheidung kann sowohl auf eine Folgenabwägung ((vorläufige und möglicherweise teilweise) Zuerkennung/aktuelle Versagung des Anspruchs) – 1. Alternative - als auch auf eine Überprüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - 2. Alternative – ge¬stützt werden, wobei Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausge¬staltung des Eilverfahrens stellt. Soll die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Haupt¬sache orientiert werden, ist das erkennende Gericht verpflichtet, die Sach- und Rechts¬lage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, insbesondere dann, wenn das einstweilige Verfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine end¬gültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, wie dies im Streit um laufende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitslose regelmäßig der Fall ist, da der elementare Lebensbedarf für die kaum je konkret absehbare Dauer des Hauptsache¬ver¬fahrens bei ablehnender Entscheidung nicht gedeckt ist. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, ist anhand der Folgenabwägung zu entscheiden, die daran ausgerichtet ist, eine Verletzung grundgesetzlicher Gewährleistungen zu verhindern, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert. Die Sicherung des Existenz¬minimums (verwirklicht durch Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende) ist eine grund¬gesetzliche Gewährleistung in diesem Sinne, da die Sicherung eines menschenwürdigen Lebens eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates ist, die aus dem Gebot zum Schutz der Menschenwürde und dem Sozialstaatsprinzip folgt.
Davon ausgehend ist der Senat gehalten, entgegen der Entscheidung des SG den erhobenen Anspruch vorläufig und teilweise zuzusprechen. Dies beruht darauf, dass derzeit mit der Gewissheit, die für eine Entscheidung in der Hauptsache notwendig ist, weder festgestellt werden kann, dass der Kläger selbst über ausreichendes anrechenbares Einkommen verfügt noch dass er mit Frau C R (R) eine eheähnliche Gemeinschaft bildet mit der Folge, dass ihr Einkommen und Vermögen auf seinen Bedarf anzurechnen ist (dazu 1.). Zwar ist nicht zweifelsfrei auszuschließen, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers günstiger sind als bisher ermittelt und es spricht tatsächlich viel für das Bestehen einer eheähnlichen Gemeinschaft mit R, insbesondere die unstreitigen Tatsachen, dass beide langjährig in einer Wohnung zusammen leben und auch das Schlafzimmer teilen. Die Tatsachenlage ist jedoch nicht so, dass mit hin¬reichender Gewissheit angenommen werden könnte, dass die Hilfebedürftigkeit ausschließendes Einkommen vorhanden ist bzw eine eheähnliche Gemeinschaft besteht. Bei dieser Sachlage ist die Folgenabwägung vor¬zunehmen, die zu dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis führt (dazu 2.).
1. Der Kläger, der die in § 7 Abs 1 Nrn 1, 2 und 4 SGB II bestimmten Voraussetzungen erfüllt, hat einen Leistungsanspruch, wenn er hilfe¬bedürftig ist, § 7 Abs 1 Nr 3 SGB II. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend etwa aus seinem Einkommen oder Vermögen decken kann. Um die Hilfebedürftigkeit und deren Umfang festzustellen, bedarf es der Klärung der wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen Hilfesuchenden. Macht der Betreffende wie der Kläger – dem die Beklagte seit Jahresbeginn kein Arbeitslosengeld II mehr zahlt - geltend, bereits seit Monaten hilfebedürftig zu sein, muss er grundsätzlich plausibel darlegen, wie er trotz monatlicher Unterdeckung seinen Lebensunterhalt bestritten hat. Dies ist dem Kläger jedenfalls weitgehend mit dem durch Vorlage entsprechender Kontoauszüge belegten Vortrag gelungen, in Ergänzung zu seinem laufenden Erwerbseinkommen von monatlich 80,- EUR habe ihn seine Mutter von Januar bis einschließlich Juni 2007 mit (angeblich darlehensweise gewährten) 500,- EUR/Monat unterstützt, wozu sie nun allerdings nicht mehr bereit sei. Damit lagen seine Einkünfte sogar über dem hier geltend gemachten monatlichen Bedarf von 345,- bzw seit Juli 2007 347,- EUR Regelleistung sowie 130,- EUR für Unterkunft und Heizung. Im August 2007 hat er zudem mit dem Verkauf eines Zweirades 595,- EUR erzielt. Allerdings hatte der Kläger ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge seit Jahresbeginn so hohe monatliche Ausgaben ua für seinen PKW, Ersteigerungen/Käufe über e und Telefongebühren, dass Zweifel bleiben, ob er seine wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich umfassend dargelegt hat. Im Hinblick darauf, dass Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende der Sicherstellung menschenwürdigen Daseins dienen, dürfen Umstände der Vergangenheit jedoch nur insoweit herangezogen werden, als sie eindeutige Erkenntnisse über die gegenwärtige Lage des Hilfesuchenden ermöglichen (BVerfG aaO). Dass der Kläger weitergehende Einkünfte verschwiegen hat oder verschweigt, kann in diesem Verfahren mit der erforderlichen Gewissheit nicht festgestellt werden. Dagegen spricht vielmehr, dass der Negativsaldo seines Girokontos im Jahresverlauf stetig angewachsen ist und er auch die seit April dieses Jahres geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge schuldig geblieben ist (vgl Bl 185 der Leistungsakte).
Es kann auch nicht mit hinreichender Gewissheit festgestellt werden, dass der Kläger mit R in Bedarfsgemeinschaft lebt mit der Folge, dass bei der Ermittlung seines Leistungsanspruchs ihr aus monatlichem Arbeitsentgelt von 918,59 EUR netto und Witwenrente von 423,- EUR bestehendes Einkommen zu berücksichtigen ist (§ 9 Abs 2 Satz 1 SGB II), das ausreichen dürfte, um den SGB II-Bedarf beider zu decken. Nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Fortent¬wicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S 1706) gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für¬ein¬ander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser wechselseitige Wille wird ua dann ver¬mutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, § 7 Abs 3a 1. Alt SGB II. Diese Ver¬mutung zum Vorliegen einer Bedarfsgemein¬schaft nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II, deren Trag¬weite zweifelhaft und deren Anwendung problematisch ist (vgl Spellbrink, NZS 2007, 121, 125ff; Wenner, Soziale Sicherheit 2006, 146, 147ff), kommt vorliegend jedenfalls deshalb nicht zum Tragen, da sie die Qualität der persönlichen Bindung betrifft, nicht aber das "vorgelagerte" Erfordernis des Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt, auf das sich die fehlende Möglichkeit abschließend zu entscheiden ebenso bezieht wie auf die Annahme des wechselseitigen Willens, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Das Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt setzt das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus (vgl Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 7 Rdnr 63, 67; BT-Drucks 15/1516 S 53). Dass der Kläger und R eine Wirtschaftsgemeinschaft bilden, dh "aus einem Topf" wirtschaften, ist bei der derzeitigen Sachlage nicht hinreichend wahrscheinlich, zumal beide eigene Konten führen und die in der mündlichen Verhandlung des SG als Zeugin vernommene R bekundet hat, es werde grundsätzlich getrennt eingekauft, den Kühlschrank habe man aufgeteilt und jeder habe sein eigenes Telefon sowie ein eigenes Auto mit jeweils separater Kostentragung.
Soweit mit der Neuregelung der Begriff der eheähnlichen Gemeinschaft (§ 7 Abs 3 Nr 3b SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) entfallen ist, ist dies geschehen, um Partner nicht eingetragener gleich¬geschlechtlicher Lebensgemeinschaften zu erfassen, nicht aber (dies zeigt sich gerade auch in der (teilweisen) Übernahme der Begriffsbildung durch die Recht¬sprechung in das Gesetz), um die Voraussetzungen zu ändern, die gegeben sein müssen, um Personen als so eng verbunden anzusehen, dass sie – als eheähnliche oder partnerschafts¬ähnliche Gemeinschaft – eine Bedarfsgemeinschaft bilden (vgl BT-Drucks 16/1410 S 19). Im Ergebnis bleibt es damit bei der Begriffsbildung des BVerfG (BVerfGE 87, 234 sowie Be¬schluss vom 02. September 2004 – 1 BvR 1962/04 - info also 2004, 260f), die sich auch das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) und das Bundes¬sozial¬gericht (BSG) zu eigen gemacht haben (BVerwGE 98, 195ff; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 26). Danach ist als eheähnliche Ge¬meinschaft eine Lebensge¬mein¬schaft zwischen einem Mann und einer Frau anzusehen, die auf Dauer angelegt ist, da¬neben keine weitere Lebens¬gemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehung einer reinen Haushalts- und Wirtschafts¬gemeinschaft hinausgeht. Da anders als bei einer Ehe zwischen unverheirateten Partnern keine zivilrechtlichen Unterhaltspflichten im Sinne von § 1360 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestehen, kann der mit einem Hilfebedürftigen nicht verheiratete Partner – auch wenn "aus einem Topf" gewirtschaftet wird – sein Einkommen ganz oder in einem hohen Maße zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Daher sind nur solche Gemeinschaften als eheähnlich zu erfassen, "in denen die Bindungen der Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Nur wenn sich die Partner einer Gemeinschaft so sehr fürein¬ander verantwortlich fühlen, dass sie zunächst den gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Ein¬kommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden, ist ihre Lage mit derjenigen nicht dauernd getrennt lebender Ehegatten. vergleichbar" (BVerfGE 87, 234, 264). Das Bestehen einer über die Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinaus¬gehenden Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft ist im Streitfall durch die Gesamtwürdigung der den Einzelfall kennzeichnenden Hinweis¬tatsachen bzw Indizien festzu¬stellen, wobei das Gesamt¬bild entscheidend ist. Von der Rechtsprechung werden regelmäßig als Kriterien für die Ernsthaftigkeit einer Beziehung im vorbezeichneten Sinne deren Dauerhaftig¬keit und Kontinuität, die Dauer des Zusammenlebens und die konkrete Lebenssituation der Partner, dh "die - nach außen erkennbare - Intensität der gelebten Gemeinschaft" (BVerfG aaO, BVerwG aaO, BSG aaO), herangezogen.
Hier gibt es zwar wie schon erwähnt gravierende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger mit R in eheähnlicher Gemeinschaft lebt. Eine von wesentlichen Zweifeln freie Überzeugungsbildung dahingehend, dass die eine solche Gemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3c SGB II begründenden Tatsachen positiv vorliegen, ist dagegen derzeit nicht möglich. Das vom Kläger wie von R eingeräumte langjährige Zusammenleben in einer Wohnung mit gemeinsamer Nutzung des Schlafzimmers ist ein gewichtiger äußerer Umstand, von dem jedoch nicht ohne Weiteres auf die (innere) Bereitschaft geschlossen werden kann, wie Eheleute füreinander einzustehen. Um das feststellen zu können, bedarf es weiterer – im vorliegenden Eilverfahren nicht möglicher - Sachverhaltsaufklärung etwa durch Befragung der Mutter und des (offenbar volljährigen) Sohnes von R, die beide seit langem im selben Haus leben und sicher zur Vervollständigung des Gesamtbildes beitragen können. Der Senat verkennt nicht, dass die ihre Beziehung betreffenden Angaben des Klägers und von R nicht als sonderlich lebensnah erscheinen, vielmehr deutlich von dem Bemühen getragen sind, eine Leistungsgewährung zu ermöglichen. Dies gilt etwa für die Bestreitung sexueller Kontakte (nach zuvor eingeräumter Nutzung des Doppelbetts im gemeinsamen Schlafzimmer) durch den Kläger im Schreiben vom 7. Juni 2007 (Bl 77 der Gerichtsakte) und gemeinsamer Interessen bzw Freizeitgestaltung (trotz jahrelangen Zusammenlebens) durch R in der mündlichen Verhandlung des SG. Auch hat der Kläger nicht plausibel erklären können, wieso er als Belege gezahlter Unterkunftskosten Quittungen für die Monate September und Oktober 2005 doppelt und mit unterschiedlichen Beträgen eingereicht hat (vgl einerseits Bl 21a und andererseits Bl 87a der Leistungsakte). Diese Widersprüchlichkeiten erlauben jedoch nicht positiv den Schluss, dass die nicht geringen Voraussetzungen einer eheähnlichen Gemeinschaft vorliegen. Dazu weist der Bevollmächtigte des Klägers zu Recht darauf hin, man sei ausweislich eines in der Leistungsakte enthaltenen Vermerks über das Ergebnis eines Hausbesuchs am 26. Juni 2006 selbst auf Seiten der Beklagten nicht sicher gewesen, dass eine Einstehensgemeinschaft vorliege. Dort heißt es nämlich, man könne aufgrund des - tatsächlich überaus dürftigen - Prüfberichts "nicht 100 % sagen , dass eine Einstehungsgemeinschaft existiert" (Bl 154 der Leistungsakte).
2. Ob Leistungen vorläufig zu gewähren sind, hängt damit von der Folgenabwägung (dazu oben, 1. Alternative) ab, die zugunsten des Klägers zu treffen ist, dem derzeit soweit ersichtlich kein ausreichendes eigenes Einkommen oder Vermögen zur Verfügung steht, um elementare Bedürfnisse zu befriedigen. Einer möglichen Rechtsverletzung des Klägers (gegeben für den Fall, dass ihm ein Leistungsanspruch zusteht, was dem Senat durchaus zweifelhaft erscheint, er aber ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht ent¬scheiden kann) für die Dauer des Verfahrens stehen, abgesehen vom Ausfall¬risiko im Rückforderungsfalle, keine darstellbaren Interessen der Beklagten gegenüber. Allein der fiskalische Gesichtspunkt überwiegt die grundrechtlich gestützte Position des Antragstellers nicht.
Da hier - wie dargelegt – die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II im Hauptsacheverfahren allenfalls offen, eher fraglich erscheint, hat der Senat dem Kläger die Regelleistung für einen Alleinstehenden von (inzwischen) 347,- EUR mit einem Abschlag von knapp 80,- EUR zugesprochen, der seinem monatlichen Erwerbseinkommen entspricht. Zwar ist dieses so gering, dass es bei einer abschließenden Leistungsberechnung außer Acht bleibt (vgl § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II). Dies geschieht jedoch nicht nur, weil ihm mit der Einkommenserzielung verbundene Ausgaben gegenüber stehen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Anreizwirkung. Im Rahmen der Folgenabwägung unter den dargestellten Gegebenheiten betrachtet der Senat deshalb das Nebeneinkommen als eine Einnahme, die im Wesentlichen zunächst zur Abwendung der gegenwärtigen Notlage einsetzbar ist. Abgesehen davon ist die Regelleistung nach dem SGB II schon wegen des darin enthaltenen Ansparbetrags (vgl. dazu Lang in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 23 Rdnr 18f) für einmalige Bedarfe nicht in voller Höhe für den aktuellen Lebensunterhalt unerlässlich (vgl auch die Absenkungsmöglichkeit nach § 31 SGB II); auch dies rechtfertigt die vorgenommene Beschränkung. Einstweilige Leistungen für Unterkunft und Heizung sind dem Kläger versagt worden, da Zweifel an seinen Angaben zu regelmäßigen Mietzahlungen an R bestehen und nach den Umständen nicht davon auszugehen ist, dass sie als Hauseigentümerin ihn nur wegen rückständiger Miete aus der Wohnung verweist, solange sein Rechtsstreit mit der Beklagten auch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung läuft. Das legt im Übrigen auch die handschriftliche Ergänzung des Untermietvertrages vom 3. Januar 2007 nahe, (erst) bei einer Negativentscheidung des Sozialgerichts sei der Wohnraum sofort zu räumen (Bl 147 der Leistungsakte). Der Betrag von 270,00 Euro ist ab dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Beschlusses als Telefax bei der Beklagten - für Oktober 2007 also anteilig - zu gewähren, da nur für die Befriedigung des gegenwärtigen und zukünftigen Bedarfs die besondere Dringlichkeit einer vorläufigen Entscheidung gegeben ist. Der Senat begrenzt die Verpflichtung im Hinblick auf die Vorläufigkeit des Verfahrens bis zum 31. Dezember 2007. Soweit die Beschwerde mehr als die zugesprochene Leistung zum Gegenstand hatte, war sie daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Dabei liegt zugrunde, dass der Kläger überwiegend obsiegt.
Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß §§ 73a SGG, 114ff Zivilprozessordnung (ZPO) sind nach den obigen Ausführungen erfüllt.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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