L 16 AL 1276/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 20 AL 730/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 1276/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. Oktober 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Neubescheidung seines Antrags auf Gewährung einer Mobilitätshilfe in Form einer Trennungskostenbeihilfe.

Der 1958 geborene Kläger war bis 31. Dezember 2003 als Maurer beschäftigt und bezog anschließend von der Beklagten Arbeitslosengeld sowie Arbeitslosenhilfe. Er nahm am 21. Juni 2004 bei der P M & P in W (S) eine Beschäftigung als Maurer auf (Einsatzbetrieb in Z in der S), die am 10. Dezember 2004 endete.

Den Antrag des Klägers vom 23. Juni 2004 auf Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass nach § 324 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht würden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden seien. Die Gewährung von Trennungskostenbeihilfe nach §§ 53 bis 55 SGB III sei vom Kläger nach der Arbeitsaufnahme beantragt worden. Eine unbillige Härte iS des § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III sei nicht erkennbar.

Das Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) hat die nach seiner Ansicht auf erneute Bescheidung des Antrags vom 23. Juni 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts gerichtete Klage mit Urteil vom 06. Oktober 2005 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der am 23. Juni 2004 gestellte Antrag sei verspätet gestellt worden. Der Kläger habe am 21. Juni 2004 eine Tätigkeit auf der Grundlage eines am 17. Juni 2004 geschlossenen Arbeitsvertrages aufgenommen. Der Antrag hätte spätestens im Moment der Aufnahme der Tätigkeit gestellt werden müssen und hätte auch telefonisch gestellt werden können. Eine besondere Härte iS von § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III liege nicht vor. Eine besondere Härte sei in der Regel anzunehmen, wenn die Ablehnung des Antrags den Antragsteller sozialhilfebedürftig machen oder einen höheren Anspruch auf Sozialhilfe auslösen würde. Die bloße Unkenntnis darüber, dass ein Anspruch auf Leistung bestanden hätte, wenn der Antrag gestellt worden wäre, reiche dagegen nicht aus. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass die Beklagte das ihr zustehende Ermessen bei der nachträglichen Zulassung des verspäteten Antrags unzutreffend ausgeübt habe.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung führt er aus, dass es zwar zutreffend sei, dass der Antrag verspätet gestellt worden sei und eine besondere Härte deshalb nicht anzunehmen sei, weil er nicht sozialhilfebedürftig geworden sei. Jedoch sei zu berücksichtigen, dass er erst am Nachmittag des 16. Juni 2004 aus der S angerufen worden sei und sogleich am folgenden Donnerstag in die S gereist sei. Er habe dort wichtige Erledigungen vorzunehmen gehabt, wie beispielsweise ein Konto einzurichten und eine Unterkunft zu suchen. Auch sei seine Ehefrau berufstätig. Vor diesem Hintergrund sei nicht zu beanstanden, dass der Antrag lediglich zwei Tage nach Arbeitsaufnahme gestellt worden sei. Wenn ihm die Beklagte das Arbeitsverhältnis vermittelt hätte, hätte sie ihm entsprechende Antragsformulare mit übergeben können. Eine verspätete Antragstellung wäre dann sicherlich nicht erfolgt. Aus diesen Gründen liege eine unzumutbare Härte vor. Zwar sei die Trennungskostenbeihilfe nicht der einzige Grund für die Arbeitsaufnahme in der S gewesen. Er habe sie jedoch in seine Überlegungen einbezogen. Die Ablehnung der Trennungskostenbeihilfe komme praktisch einer Bestrafung gleich. Er habe alles Mögliche unternommen, um einen Arbeitsplatz zu finden.

Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 30. Dezember 2005), das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 06. Oktober 2005 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinen Antrag vom 23. Juni 2004 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Ausführungen im angefochtenen Urteil für überzeugend und führt aus, dass bereits im Abschluss des Arbeitsvertrages am 17. Juni 2004 das leistungsbegründende Ereignis gesehen werden könnte. Eine annähernd zeitgleiche Beantragung der Leistungen (ggf. auch telefonisch durch den Kläger selbst oder die Ehefrau) erscheine realisierbar gewesen zu sein. Dem Kläger dürfte von Beginn an klar gewesen sein, dass die auswärtige Arbeitsaufnahme eine getrennte Haushaltsführung zur Folge haben werde.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Gerichtsakte, die Akte der Beklagten zum Antrag auf Gewährung einer Trennungskosten-beihilfe und die Leistungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 23. Juni 2004 auf Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe neu zu bescheiden. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe abgelehnt, so dass der Kläger nicht mit Erfolg die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass eines neuen Verwaltungsaktes unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts im Wege einer sog. Bescheidungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG) verlangen kann.

Gemäß § 53 Abs. 1 SGB III in der ab 01. Januar 2002 geltenden Fassung können Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitsuchende, die eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen, durch Mobilitätshilfen gefördert werden, soweit dies zur Aufnahme der Beschäftigung notwendig ist. Die Mobilitätshilfen bei Aufnahme einer Beschäftigung umfassen nach § 53 Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c SGB III bei auswärtiger Arbeitsaufnahme die Übernahme der Kosten für eine getrennte Haushaltsführung (Trennungskostenbeihilfe). Als monatliche Trennungskostenbeihilfe können nach § 54 Abs. 5 SGB III für die ersten sechs Monate der Beschäftigung die Kosten bis zu einem Betrag von 260 EUR übernommen werden.

Hiervon ausgehend fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung hinsichtlich der Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe nach §§ 53 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 Buchstabe c SGB III. Denn die Gewährung von Mobilitätshilfen in Form einer Trennungskostenbeihilfe war nicht notwendig iS des § 53 Abs. 1 SGB III zur Aufnahme der Beschäftigung als Maurer in der S am 21. Juni 2004. Bei der erforderlichen Prognoseentscheidung über die "Notwendigkeit" ist darauf abzustellen, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Gewährung der Mobilitätshilfe voraussichtlich nicht zustande gekommen wäre (vgl. Stratmann in: Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 53 Rn. 5; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 23. März 2007, L 3 AL 75/06, veröffentlicht in juris; jeweils mwN). Diese Voraussetzung ist zur Überzeugung des Senats nicht erfüllt. Denn der Kläger hat selbst vorgetragen, dass das Beschäftigungsverhältnis sehr kurzfristig aufgrund eines Anrufs seiner späteren Arbeitgeberin am 16. Juni 2004 zustande gekommen war. So fuhr der Kläger bereits am nächsten Tag in die S und unterzeichnete noch am selben Tag (17. Juni 2004) den Arbeitsvertrag mit der Firma P. Selbst wenn der Kläger entsprechend seinem Vortrag mit einer Trennungskostenbeihilfe der Beklagten gerechnet haben sollte, kann diese Überlegung im Hinblick auf die tatsächlichen Umstände der Arbeitsaufnahme für den Abschluss des Beschäftigungsverhältnisses nicht wesentlich ursächlich gewesen sein.

Zudem sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung auch deshalb nicht erfüllt, weil die Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe erst am 23. Juni 2004 und damit sowohl nach Abschluss des Arbeitsvertrages (17. Juni 2004) als auch nach Aufnahme der Beschäftigung (21. Juni 2004) beantragt worden ist. Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III werden Leistungen der Arbeitsförderung jedoch nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Das leistungsbegründende Ereignis ist spätestens in der Aufnahme der Beschäftigung bzw. dem Beginn des Arbeitsverhältnisses zu sehen (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 7a AL 22/06 R, veröffentlicht in juris, zur Veröffentlichung im SozR vorgesehen). Somit ist der Antrag verspätet gestellt worden.

Auch die Voraussetzungen für eine - im Ermessen der Beklagten stehende - Zulassung der verspäteten Antragstellung sind nicht erfüllt. Gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III kann die Agentur für Arbeit zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen. Wie bei jeder Härtefallprüfung sind grundsätzlich alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, wobei das Vorliegen einer unbilligen Härte sich am Leistungsziel orientieren muss. Es bedarf keiner Entscheidung, ob es sich bei dem Begriff der "unbilligen Härte" um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, der gerichtlich voll überprüfbar ist und der Verwaltung keinerlei Beurteilungsspielraum einräumt, oder ob der Begriff der Unbilligkeit grundsätzlich nicht losgelöst vom Ermessen der Behörde gewürdigt werden kann, weshalb eine einheitliche Ermessensentscheidung anzunehmen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 7a AL 22/06 R, aaO, mwN). Denn die Ablehnung des Antrags macht den Kläger weder sozialhilfebedürftig, noch löst sie einen höheren Anspruch auf Sozialhilfe (bzw. Arbeitslosengeld II) aus (vgl. dazu Niesel in Niesel, SGB III, aaO, § 324 Rn. 10, mwN). Zwar entgeht dem Kläger durch die Nichtgewährung der beantragten Trennungskostenbeihilfe ein monatlicher Betrag bis zu 260 EUR Euro für die ersten sechs Monate der Beschäftigung (§ 54 Abs. 5 SGB III); der Kläger konnte jedoch durch die Aufnahme der Beschäftigung bei der Firma P in der S einen Stundenlohn von 30,00 S F erzielen. Demgegenüber betrug der tägliche Leistungssatz der Arbeitslosenhilfe des Klägers vor Aufnahme der Beschäftigung lediglich 16,88 EUR. Auch ohne die Gewährung einer Trennungskostenbeihilfe hatte sich mit der Aufnahme der Beschäftigung somit die Einkommenssituation des Klägers wesentlich verbessert. Die Kosten der getrennten Haushaltsführung dürften steuerrechtlich als Werbungskosten zu berücksichtigen sein (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 1 Einkommensteuergesetz). Da die verspätete Antragstellung auch nicht allein auf eine Verletzung von Hinweis- und Beratungspflichten der Beklagten zurückzuführen ist, liegt auch unter diesem Gesichtpunkt keine unbillige Härte vor (vgl. dazu BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, B 7a AL 22/06 R, aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved